Читать книгу Geheimnisse einer Dynastie - Walter Brendel - Страница 6
ОглавлениеDie Kirche hatte damals großen Einfluss darauf, was in den Schlafzimmern der Menschen passiert. Sex ist nur in der Ehe erlaubt und dient ausschließlich der Fortpflanzung. Neben vielen anderen Regeln verbietet die Kirche Sex während der Fastenzeit, im Advent, am Fasten- und Feiertagen, sowie Mittwochs, Samstags und Sonntags. Aber trotz der vielen Einschränkungen für verheiratete Paare hält man es damals für unerlässlich, dass Frauen Vergnügen am Sex haben.
Es sind zahlreiche mittelalterliche Texte über Empfängnis und Geburt überliefert. Ein wichtiger Text enthält Zeichnungen von Föten und der Gebärmutter sowie Informationen über Schwangerschaften. Damals glaubte man, dass sich die männlichen und weiblichen Samen in der Gebärmutter vermischen und dass es verschiedene Methoden gab, einen Jungen zu zeugen. Zum Beispiel sollte man für einen Jungen auf der linken Seite liegen und für ein Mädchen auf der rechten. In England der Tudor-Zeit glaubte man, dass Sex Vergnügen bereiten muss, damit die Frau schwanger wird. Das war die gute Nachricht für die Frauen, die schlechte war, dass man bei der Hochzeit versprechen musste, im Bett immer eine gut gelaunte und willige Geliebte zu sein. Man musste also immer für den Ehemann bereit sein. Wenn sich die Frau beim Sex nicht wohlfühlte oder unzufrieden war, hielte es man für unwahrscheinlich, dass sie schwanger wurde. Das weibliche Vergnügen war für sie der Schlüssel zum Empfängnis. Das weibliche Lust wichtig war, schein ein überraschend modernes Erkenntnis zu sein.
Tatsächlich galt für die Tudor-Männer, wenn sie eine Frau schwängern wollten, mussten sie sich um die weiblichen Bedürfnisse kümmern. Es gab Bücher, wie der Mann eine Frau berühren soll, dass sie empfängnisbereit war und Spaß an der Sache hatte.
In Hever Castle in der Grafschaft Kent steht ein besonderes, einmaliges Möbelstück. Dieses wunderschön verzierte Himmelbett wurde vor kurzen bei der Renovierung eines Hotels entdeckt. Die DNA-Analyse ergab, dass es das Bett von Heinrich VII. gewesen sein könnte.
Die Schnitzereien zeigen Heinrich und Elisabeth als Adam und Eva, umgeben von mittelalterlichen Fruchtbarkeitssymbolen von Eicheln und Trauben. Heinrich hat dieses Bett für viel Geld anfertigen lassen, denn nicht nur er und seine Frau bekamen es zu sehen, sondern der gesamte Hof.
Damit eine Ehe rechtskräftig wurde, mussten Eheschwüre ausgetauscht und die Ehe vollzogen werden. In der Tudorzeit war es üblich, dass ein königliches Paar die sogenannte Beilagerzeremonie durchführen musste. Von daher war es wichtig, allen zu beweisen, dass der Vollzug tatsächlich stattgefunden hatte. Eine Möglichkeit das zu tun, war das Beilager.
Nach der Eheschließung und dem Festessen wurde das Paar von Zeugen begleitet, im Fall des Königs von Höflingen. Es gab eine Prozession mit Gesang und manchmal auch Trompetenmusik, die das junge Paar ins Schlafgemach begleitete. Dort wurden das Bett und das Paar von einem Priester gesegnet. Der Priester sprach den Segen für die Vereinigung und den Wunsch nach Nachkommen, die das Volk beschützen werden.
Anschließend wurden die Bettvorhänge zugezogen und die Zeugen warteten auf Geräusche, die darauf hinwiesen, dass die Ehe tatsächlich vollzogen wurde. Falls das als Beweis nicht ausreichte, gab es noch einen deutlicheren Brauch, um zu zeigen, dass der Handel besiegelt war.
Der englische Ausdruck „Das schmutzige Leinen aufhängen“ kommt von daher, dass man am Morgen nach der Hochzeitsnacht die Bettlaken vorzeigte. Sie konnten Blutflecke enthalten, da die Braut in der Hochzeitsnacht ihre Jungfräulichkeit verloren hatte. Sie wurden öffentlich vorgeführt, damit die Menschen wussten, dass die Ehe vollzogen und somit rechtsgültig war.
Elizabeth von York bekommt sieben Kinder. Nach heutigem Standard ist das viel, in der Tudorzeit war es der Durchschnitt. Aber jede Geburt ist für die Frau mit Gefahren verbunden und es ist ein ernüchternder Gedanke, dass die Lebenserwartung einer Frau damals nur 35 Jahre beträgt. Kinder zu gebären, war in der Tudorzeit eine sehr gefährliche Angelegenheit, eine von drei Frauen starb dabei.
Aber woher wusste eine Frau damals, dass sie schwanger war? Zumeist lieferte ihr Urin die wichtigsten Hinweise. Ärzte nahmen Urinproben von schwangeren Frauen und untersuchten sie gründlich auf Farbveränderungen. Wenn der Urin blasser war als gewöhnlich, war das ein Zeichen für eine Schwangerschaft. Aber es gab auch einen, wirklich seltsamen Schwangerschaftstest. Dabei legte man eine Nadel in den Urin und ließ sie über Nacht darin ziehen. Am nächsten Morgen dann untersuchten die Ärzte den Zustand der Nadel. Zitat aus einem Handbuch: „Wenn sie mir roten Flecken versehen ist, dann hat sie empfangen, aber wenn schwarz oder rostig ist, dann nicht.“
Bei solchen Untersuchungen ist es kein Wunder, dass die Frauen nicht wussten, ob sie schwanger waren oder nicht. Sie mussten auf die körperlichen Anzeichen warten, wie die Gewichtszunahme oder darauf, dass sie zum ersten Male die Bewegungen des Kindes spürten. Aber sie hatten keine Möglichkeit, die Gesundheit des ungeborenen Kindes zu überwachen. Dazu mussten sie sich auf das Wissen von erfahrenen Frauen verlassen. Meist begleiten Hebammen die Geburt. Sie sind gewöhnlich ehr bewandert und erfahren darin, Müttern bei der Geburt zu helfen und können mit Komplikationen umgehen. Aber auch sie liegen manchmal falsch. Die Hebammen versucht zumeist, den Muttermund von Hand zu erweitern. Das schien eine gute Idee zu sein, denn theoretisch ließe sich der Prozess so beschleunigen.
Aber während der ersten Phase der Entbindung sollte man am besten gar nichts machen. Außerdem drückten die Hebammen manchmal auf dem Bauch der Frau, um das Kind herauszupressen. Auch das kann mehr schaden als nützen. Und wenn kein Mittel half, die Geburt zu fördern, griff man auf grausame Methoden zurück. Da die Geburtszange noch nicht erfunden war, behalf man sich anders. Um die Mutter zu retten, brachte man damals Haken an das Kind an und zog es heraus. Das brachte das Kind um und fügte oftmals auch den Frauen innere Verletzungen zu. Falls die Mütter den Eingriff überlebten, starben später fast alle an den Folgen.
Trotz der vielen Risiken ist der Druck auf die Frauen groß, viele Kinder auszutragen. Besonders Frauen aus adligen oder königlichen Familien hatten so viele Kinder wie möglich zu gebären. Die Familien hatten zumeist acht bis vierzehn Kinder. Aber es bedeutete auch, dass die Frauen nach jeder Geburt eine Zeitlang außer Gefecht gesetzt waren. In adligen Kreisen wurden daher die Kinder nach der Geburt an Ammen übergeben, von denen sie gestillt worden. So sollten die Frauen wieder schneller fruchtbar und schwanger werden können.
Heinrich und Elizabeth zeugen einen männlichen Erben, ihren oft vergessenen Sohn Arthur. Mit gerade 15 Jahren wurde er 1501 mit Katharina von Aragón verheiratet, der Tochter des mächtigen spanischen Königspaars Ferdinand und Isabella.
Flämischer Wandteppich, Katharina und Arthur bei ihrer Hochzeit
Die Kontroverse darüber, was in der Hochzeitsnach geschah, sollte England unter Arthurs Bruder Heinrich spalten.
Im Jahr 1502 war die königliche Kinderstube also bereits gefüllt und Heinrich VII. konnte beruhigt auf seinen Thron sitzen, als es zu einer Katastrophe kommt. Nur wenige Monate nach seiner Hochzeit, am 2. April 1502 stirbt Prinz Arthur. Einige behaupten, dass die Strapazen im Ehebett den kränklichen jungen Mann sein Leben gekostet haben, aber wahrscheinlich ist er an Schweißfieber oder Hodenkrebs gestorben. Den englischen Schweiß oder das Schweißfieber hat man lange Jahre als eine besondere Form der Grippe gehalten. Inzwischen stehen bei Historikern zwei unterschiedliche Verursacher als Erreger in Verdacht. Zum einen Milzbrand und zum anderen, und das ist wahrscheinlicher, das Hantavirus. Es wird durch das Einatmen von Rattenextrementen übertragen. Wahrscheinlich handelt es doch um eine Grippeform, die vor allem junge und gesunde Menschen befiel. Die Symptome des Schweißfiebers ähnelten einer Grippe. Hohes Fieber, Schweiß und Halsschmerzen. Die Krankheit verlief schnell tödlich. Man sagte, dass man zum Morgen frühstücken und zum Abend tot sein konnte.
Diese rätselhafte und tödliche Krankheit verbreitete Angst und Schrecken in der Tudor-Zeit. Gerüchte über kalten Schweiß reichten aus, um die Leute panisch aus ihren Häusern fliehen zu lassen.
Aber Prinz Arthur kann nicht entkommen. Der Verlust des Prinzen war für die königliche Familie ein schrecklicher Schlag. Als Kronprinz und Nachfolger seines Vaters hatte er alle Aufmerksamkeit bekommen.
Heinrich VII. hatte nicht viel Gedanken an seinen zweiten Sohn verschwendet. Als Arthur starb, ruhten plötzlich alle Hoffnungen auf diesem Kind. Für die königliche Familie war es sowohl persönlich, als auch politisch eine furchtbare Sache. Das Ausmaß der öffentlichen Trauer und die Aufwendungen für die Beerdigung weißen darauf hin, dass es ein schwerer Schock gewesen sein muss. Aber durch den weiteren männlichen Erben war die Nachfolge gesichert.