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Einleitung

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Wenn man der Lehre von Cesare Lombroso, ein italienischer Arzt, Professor der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, folgen würde, wäre es relativ leicht, einen Mörder zu erkennen und zu überführen. In seiner umstrittenen Theorie, die 1887 erstmals veröffentlicht wurde „Der Verbrecher in anthropologischer, ärztlicher und juristischer Beziehung“ begründete er eine neue Theorie in der Kriminologie, den Übergang vom Tat- zum Täterstrafrecht. Seiner Lehre vom „delinquente nato – dem geborenen Verbrecher“ nach, wird der Kriminelle hier als besonderer Typus der Menschheit beschrieben, der in der Mitte zwischen Geisteskranken und Primitiven stehe. Die direkte Verwandtschaft zu den aggressiveren, nicht kulturell domestizierten Vorfahren des heutigen Menschen trete bei manchen Personen in ihren körperlichen Merkmalen offen zutage, so Lombrosos These.

Danach ist eine bestimmte Schädelform oder zusammengewachsene Augenbrauen der Verweis auf eine atavistische – damit niedrigere und gewalttätigere – Entwicklungsstufe. Damit deuten äußere Merkmale auf die tief verwurzelten Anlagen zum Verbrecher hin, die auch durch die Aneignung sozialer Verhaltensweisen nicht überdeckt werden können. Zum „Beweis“ seiner Theorie führte Lombroso in seinem Institut Messungen an zahlreichen Schädeln (u. a. von Hingerichteten) durch. Lombroso glaubte, den typischen Verbrecher von Geburt an aufgrund von Äußerlichkeiten feststellen zu können.

Cesare Lombroso

Es gibt demnach den Kriminellen, dessen abweichendes Verhalten unvermeidlich ist. Der Verbrecher sei nicht in der Lage, sich für oder gegen ein Verbrechen zu entscheiden, sondern handle vollständig unfrei und determiniert.

Lombroso beschreibt Diebe und Mörder folgendermaßen: Die Diebe haben im allgemeinen sehr bewegliche Gesichtszüge und Hände; ihr Auge ist klein, unruhig, oft schielend; die Brauen gefaltet und stoßen zusammen; die Nase ist krumm oder stumpf, der Bart spärlich, das Haar seltener dicht, die Stirn fast immer klein und fliehend, das Ohr oft henkelförmig abstehend …

Die Mörder haben einen glasigen, eisigen, starren Blick, ihr Auge ist bisweilen blutunterlaufen. Die Nase ist groß, oft eine Adler- oder vielmehr Habichtsnase; die Kiefer starkknochig, die Ohren lang, die Wangen breit, die Haare gekräuselt, voll und dunkel, der Bart oft spärlich; die Lippen dünn, die Eckzähne groß … Im allgemeinen sind bei Verbrechern von Geburt die Ohren henkelförmig, das Haupthaar voll, der Bart spärlich, die Stirnhöhlen gewölbt, die Kinnlade enorm, das Kinn viereckig oder vorragend, die Backenknochen breit, – kurz ein mongolischer und bisweilen negerähnlicher Typus vorhanden.

Wissenschaftlich ist das natürlich blanker Unsinn, aber in der Bevölkerung sind derartige Ansichten dennoch nach wie vor weit verbreitet: Den Glauben, dass der Sohn des Totschlägers wieder gewalttätig wird, gibt es noch immer. Das Sprichwort "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" drückt diese Ansicht aus.

Warum begeht jemand schwere Verbrechen?

Das Potenzial, andere zu beschränken, ihnen zu schaden, wehzutun, das steckt in jedem Menschen und ist sehr unterscheidlich ausgeprägt. .

Nur wann genau dunkle Ideen, Gefühle und Wünsche zu einer Tat werden, die andere als falsch, böse oder verwerflich betrachten, das ist die Frage.

Bei den meisten Menschen, auch jenen mit schlimmen Kindheitserfahrungen, werden aggressive Impulse in Schranken gehalten. Durch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle, die Fähigkeit zum Mitgefühl und durch die Akzeptanz moralischer Grundsätze. Wenn aber eine oder sogar alle drei dieser Fähigkeiten versagen, dann steigt das Risiko, Gewalt wiederholt zum eigenen Vorteil einzusetzen.

Experten unterscheiden bei Intensivstraftätern drei Typen, bei denen diese Schranken nicht zuverlässig funktionieren. Instrumentelle Täter, sie machen etwa 30 Prozent aus, sehen Gewalt als Strategie, um Konflikte zu lösen. Sie sind in einem Umfeld aufgewachsen, das sie gelehrt hat: Gewalt ist überlebenswichtig, effektiv und wird belohnt. Die zweite Gruppe besteht aus impulsiven, chronischen Gewalttätern. Sie leiden an einer antisozialen Persönlichkeitsstörung, fallen schon als Kinder auf, weil sie stehlen, soziale Regeln missachten oder das Eigentum anderer zerstören. Sie wissen, dass ihre gewaltsamen Ausbrüche ihnen langfristig eher schaden als nützen, ändern aber ihr Verhalten trotz harscher Konsequenzen nicht. Etwa 60 Prozent aller Intensivstraftäter fallen in diese Kategorie. Sie fühlen sich schnell bedroht, rasten schnell aus, schlagen schnell zu. Ihr Mitgefühl mit anderen hält sich in Grenzen, ihr Selbstwert ist leicht angreifbar. Neben einer problematischen Kindheit finden sich bei diesen Menschen häufig noch andere Auffälligkeiten – und zwar im Gehirn. Neurowissenschaftler konnten zeigen, dass impulsive Gewalttäter Veränderungen in der Anatomie und Funktion des präfrontalen Kortex, einem Areal hinter der Stirn, aufweisen. Anders als bei anderen Menschen hemmt das Areal bei ihnen aggressive Impulse nicht. Darüber hinaus ist bei diesen Tätern die Stressverarbeitung gestört: Der Mandelkern, für die emotionale Bewertung von Reizen zuständig, ist hyperaktiv. Das führt dazu, dass sich das Gefühl, bedroht zu werden, viel schneller einstellt als bei anderen Menschen. Kein Lernen nach Bestrafung oder auch Belohnung, eine Unempfindlichkeit gegenüber sozialen Sanktionen oder Bestärkungen, das ist auch typisch für die dritte Tätergruppe: die Psychopathen. Sie sind mit zehn Prozent die kleinste, aber gefährlichste Gruppe.

Auch bei ihnen gibt es Auffälligkeiten im präfrontalen Kortex, wie bei den impulsiven Tätern. Eines aber ist bei ihnen anders: Ihr Mandelkern, das Furchtzentrum, ist nicht hyperaktiv, sondern völlig still.

Lassen wir es dabei bewenden. Die nachfolgenden tatsächlichen Kriminalfälle beantworten zum Großteil die eingangs erwähnte Frage, warum jemand schwere Verbrechen begeht.

Kreaturen des Todes, 1. Band

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