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Verschwörungstheorien
ОглавлениеEine Verschwörungstheorie ist im weitesten Sinne eine Theorie, mit der ein Ereignis, ein Zustand oder eine Entwicklung durcheine Verschwörung erklärt werden soll, also durch das zielgerichtete, konspirative Wirken von Personen zu einem illegalen oder illegitimen Zweck. Da der Begriff „Verschwörungstheorie“ meist von Gegnern der gemeinten Ansichten und von Skeptikern verwendet wird, versteht man ihn oft in kritischem oder gar abwertendem Sinn. Zu unterscheiden sind Zentralsteuerungshypothesen, die rationale und überprüfbare Aussagen über reale Verschwörungen machen, und wahnhafte Verschwörungsideologien.
Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist aufgrund seiner beiden Bestandteile problematisch: „Verschwörung“ ist ein negativ besetztes Wort, das sogar strafrechtliche Aspekte umfasst; „Theorie“ bezeichnet eine modellhafte, korrekturfähige Vereinfachung der Wirklichkeit, die von Einzelereignissen oder Umständen abstrahiert, um übergreifende Zusammenhänge zu beschreiben. Genau das leistet eine Verschwörungstheorie aber nicht, da sie zwar vereinfachende Muster anbietet, aber kein Modell. Verschwörungstheorien leisten keine Abstraktion, sondern nehmen im Gegenteil eine Konkretion vor, die unzulässigerweise verallgemeinert wird. Während die Abstraktion Komplexität erhält und nur die Beobachtungsebene verändert, ist die unzulässige Konkretion verlustbehaftet. Die nachgelagerte Verallgemeinerung basiert also auf einer Vereinfachung. Verschwörungstheorien vermengen bei ihrer Simplifikation zudem die Kategorien Sein und Sollen. Wenn Begriffe unterschiedlicher Kategorien durch Konjunktionen verknüpft werden, spricht man von einem Kategorienfehler. Ein wesentliches Merkmal von Verschwörungstheorien ist also das Vorhandensein eines normativen Maßstabes. Die als „Verschwörung“ bezeichneten Vorgänge werden nicht wertneutral konstatiert, sondern von einem normativen Standpunkt aus kritisiert. Verschwörungstheorien beschränken sich also nicht auf eine Diagnose, sie enthalten immer auch eine mitlaufende, meist weltanschauliche Beurteilung der Ereignisse.
Abweichungen werden als absichtliche Manipulationen verstanden, die ihrerseits manipulativ verändert werden müssen.
Vertreter von Verschwörungstheorien weigern sich – anders als Wissenschaftler, die Modelle vertreten –, ihre Hypothesen zu explizieren und überprüfbare Bedingungen zu nennen, bei deren Nachweis sie ihre Hypothesen für widerlegt betrachten. Es ist gerade das Charakteristikum von Verschwörungstheorien, dass sie von Gegenständen handeln, die sich tatsächlich odervermeintlich jeder Nachprüfbarkeit entziehen. In diesem Sinne sind Verschwörungstheorien nicht deskriptiv, sondern präskriptiv, wobei ihnen das Ziel der empirischen Verifizierung fehlt. Das unterscheidet Verschwörungstheorien von wissenschaftlichen Hypothesen. Aufgrund der hochgradig stereotypen und festgefügten Struktur sind Verschwörungstheorien leicht von erklärungsbezogenen Deutungsmustern abgrenzbar. Die Deutungsmuster einer Verschwörungstheorie sind nämlich nicht auf korrekturbasierte Weiterentwicklung hin angelegt.
Grundlage vieler Verschwörungstheorien ist ein dezidiertes und vereinfachendes Welt- und Geschichtsbild, das auf der Grundannahme basiert, dass Strukturen der sozialen Wirklichkeit durch Handlungen von Personen direkt steuernd beeinflusst werden können. Vor dem Hintergrund der gegenseitigen strukturellen Abhängigkeiten und hochgradigen Vernetzungen komplexer sozialer Systeme gilt diese Voraussetzung heute jedoch allgemein als unplausibel. Sozialwissenschaftliche Modelle zeigen, dass sich weitreichende Ereignisse in Gesellschaft, Wirtschaft oder Staat nicht allein durch das zielgerichtete Handeln von Personen oder Personengruppen verursachen lassen. Man geht hier vielmehr vom Zusammenwirken vieler verschiedener subjektiver Gründe und objektiver Bedingungen aus, die aus Strukturen, Konjunkturen, Absichten, Gegenabsichten, Irrtümern und schlichten Zufällen bestehen und sich zudem gegenseitig beeinflussen. Die Auffassung, eine relativ kleine Personengruppe könne wichtige gesellschaftliche Ereignisse zentralsteuern, gilt daher als unterkomplex.
Für die Anwendung einer solchen Hypothese auf größere Zeiträume und die stereotype Vermutung, hinter verschiedensten Erscheinungen steckten Verschwörungen als Lenkungsursachen, schlug der Historiker Richard Hofstadter in den 1960erJahren die Bezeichnung „paranoider Stil“ der Welterklärung vor. Der US-amerikanische Journalist Frank P. Mintz prägte dafür den Begriff conspiracism, im Deutschen hat sich der Begriff „Verschwörungsideologie“ oder „Verschwörungsdenken“ eingebürgert.
Um dem stark wertenden Gebrauch des Wortes „Verschwörungstheorie“ zu begegnen, wird im Folgenden zwischen zwei Hauptformen von Verschwörungstheorien unterschieden: der Verschwörungstheorie als Zentralsteuerungshypothese, die ein Phänomen rational mit einer Verschwörung erklärt, und der irrationalen Verschwörungsideologie.
Zentralsteuerungshypothese
Eine Zentralsteuerungshypothese sieht hinter bestimmten Ereignissen oder Entwicklungen das gezielte, verborgene Wirken von Personen oder Personengruppen, etwa von Geheimbünden oder Geheimdiensten. Dafür kann es gute Gründe geben, da solche Verschwörungen in vielen Bereichen der Wirklichkeit tatsächlich vorkommen. Als Beispiele können mafiose Strukturen, verschiedene Formen der Wirtschaftskriminalität und Lobbyismus angeführt werden. Auch wenn sie das Geschehen in der Regel nur als ein Faktor von vielen beeinflussen, können verborgene Steuerungszusammenhänge für manche Ereignisse von ausschlaggebender Bedeutung sein.
Die breite Erforschung verschiedener Geheimdiensttätigkeiten im Zweiten Weltkrieg kann als Beispiel für wissenschaftliche Zentralsteuerungshypothesen gelten: Die Forschung nimmt in verschiedenen Bereichen verabredete Geheimpläne kleiner Führungsgruppen an, etwa in der psychologischen Kriegsführung oder dem Kampf um die Entschlüsselung von Geheimcodes wie der Chiffriermaschine Enigma. Sie unterstellt hier also konspirative und – aus der Sicht des Spionageziels – illegale Tätigkeiten mit weitreichender Wirkung. Sie versucht diese aufzudecken, um sie zur Erklärung wichtiger historischer Ereignisse heranzuziehen. Auch in der Kontroverse um die Hintergründe des Reichstagsbrands vom 27. Februar 1933 wird eine solche seriöse Verschwörungstheorie diskutiert: Deren Anhänger glauben, die Nazis hätten sich planvoll mit der Brandstiftung einen Vorwand für die am nächsten Tag erfolgte Verordnung zum Schutz von Volk und Staat verschafft. Die Anhänger der Einzeltäterthese nehmen dagegen an, die Nationalsozialisten hätten die günstige Gelegenheit, die Marinus van der Lubbe ihnen bot, in geschickter Improvisation ausgenutzt.
Eine Zentralsteuerungshypothese, die den Anspruch der Wissenschaftlichkeit erhebt, muss in jedem Fall durch empirische Untersuchungen falsifizierbar, also korrekturfähig sein. Sonst wäre sie eben keine Hypothese mehr, sondern bereits eine zum Vorurteil erstarrte pseudowissenschaftliche Glaubensüberzeugung, wie es bei Verschwörungsideologien der Fall ist.
Verschwörungsideologien
Während Zentralsteuerungshypothesen in Einzelfällen auf der Realität basieren und zu ihrer Erklärung dienen können, schließen Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie aus, dass die Weltgeschichte durch Verschwörungen gesteuert wird oder dass gar eine geheime Weltregierung (Synarchie) existiert. Solche Theorien haben demnach von vornherein irrealen Charakter. Sie sind nicht auf befürchtetes, tatsächlich mögliches und empirisch überprüfbares „konspiratives“ Handeln bezogen, sondern auf eine eingebildete, feststehende und empirisch nicht nachweisbare Zentralsteuerung des „großen Ganzen“.
Werden Zentralsteuerungshypothesen auf größere Ereigniszusammenhänge ausgedehnt und verlieren sie ihren hypothetischen, durch neue Fakten revidierbaren Charakter, dann liegt ein geschlossenes verschwörungsideologisches Welt- und Ge-schichtsbild vor. US-amerikanische Psychologen haben nachgewiesen, dass Menschen, die an eine Verschwörungstheorieglauben, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für weitere Erklärungen dieser Art aufnahmebereit sind. Sie neigen also dazu, dasselbe Erklärungsmuster stereotyp auf mehrere oder sogar alle undurchschaubaren Phänomene, die ihnen begegnen, anzuwenden. Um die imaginäre Sichtweise im Unterschied zu diskutablen Verschwörungshypothesen hervorzuheben, spricht Geoffrey T. Cubbit von „Verschwörungsmythos“. Der deutsche Extremismusforscher Armin Pfahl-Traughber sieht darin eine durch Fakten nicht korrigierbare, „festgefügte, monokausale und stereotype Einstellung“ oder „Verschwörungsideologie“.
Für Slavoj Žižek, einen slowenischen Theoretiker in der Nachfolge Lacans, stehen Verschwörungstheorien sogar paradigmatisch für die Suche nach dem imaginären „großen Anderen“, der im sozialen Leben die Fäden in der Hand hält.
Allgemeines Merkmal solcher Ideologien ist ein personalisiertes, d. h. an Einzeltätern oder Gruppen orientiertes, monokausales Erklärungsmuster zur Vereinfachung historischer und gesellschaftlicher Komplexität. Verschwörungsideologien dienen somit in einer unüberschaubar gewordenen Gesellschaft der Selbstvergewisserung. Die Tätigkeit der Verschwörer wird als die wichtigste oder sogar einzige Ursache des zu erklärenden Phänomens betrachtet; andere Ursachen und Faktoren werden dabei abgewertet oder ausgeblendet. Damit erscheinen die Verschwörer zugleich als extrem mächtig, weshalb sie trotz ihrer geringen Zahl und Verbreitung Ereignisse von welthistorischer Bedeutung inszenieren können. Auch sollen sie überausgeklügelte Geheimhaltungsmechanismen verfügen, weshalb außer dem geübten Verschwörungstheoretiker niemand ihre verborgenen Pläne und Absichten erkennen könne.
Diese Personalisierung von Geschichtsursachen vollzieht sich immer in Verbindung mit einer auf der „Idee des Bösen“ beruhenden Zuschreibung. „Das Böse“ wird als überpersonale, weltbeherrschende Macht gedacht, die sich aber in ganz bestimmten Personengruppen manifestiert.
Verschwörungsideologien bieten eine vereinfachende Antwort auf die Frage, wie das Böse in die Welt komme. Damit berühren sie das Theodizeeproblem: In verschwörungsideologischer Perspektive „ist nicht Gott schuld, wenn guten Menschen Böses passiert, sondern die Verschwörer sind es, die sich z. B. mit dem Teufel verbünden“. Der Historiker Wolfgang Wippermann vertritt daher die These, dass der Glaube an den Teufel die geistesgeschichtliche Wurzel aller Verschwörungsideologien sei. Hier zeigt das verschwörungsideologische Weltbild seine mythischen Wurzeln.
Das Ausfindig machen von „Schuldigen“ geht mit der Schwarz-Weiß-Malerei eines moralisierenden Dualismus einher und folgt dem Wunsch, die unterstellten Geheimpläne aufzudecken, abzustellen und zu bestrafen, um so das Böse „ein für allemal“ aus der Welt zu schaffen. Daher bezeichnet man diese Ver-schwörungsideologien als handlungsleitend. Dass sie sich in der Realität rasch als untauglich erweisen, bestätigt dann scheinbar die ungeheure Macht alter oder neuer Sündenböcke, so dass sich das verschwörungsideologische Weltbild stets selbst erneuert. Die Katastrophensoziologie geht davon aus, dass bei eintretenden Katastrophen regelmäßig zu erwarten ist, dass solche magischen (dämonischen) Ursachen formuliert und auch geglaubt werden („Magisierung“).
Ein Beispiel für eine solche monokausale Personalisierung ist die Erklärung der Französischen Revolution aus dem geheimen Zusammenwirken der Freimaurer und Illuminaten. Der bayerische Illuminatenorden wird bis heute dämonisiert, obwohl er zur Zeit der Revolution bereits verboten war und in Frankreich nie mehr als ein Dutzend Mitglieder hatte. Dennoch traute man ihm den 1789 in wenigen Monaten herbeigeführten Sturz einer jahrhundertealten Gesellschaftsordnung zu. Gegenüber dem hochkomplexen Ursachengeflecht, auf das die seriöse Geschichtsforschung die Revolution zurückführt, kann diese Verschwörungstheorie sie scheinbar leichter verständlich machen und zu dem konkrete Personen als Schuldige vorweisen.
Auffällig ist, dass sehr viele Verschwörungsideologien den Verschwörern ein weltweites Beziehungsnetz zuschreiben: Diese Unterstellung internationaler Verbindungen appelliert an die nationalen und xenophoben Gefühle der Rezipienten und lässt die Verschwörer noch bedrohlicher, weil schwerer fassbar, erscheinen. Außerdem sollen Auslandsverbindungen den Umstand erklären, dass außer den Verschwörungstheoretikern selbst noch niemand dem Treiben der Konspirateure auf die Spur gekommen ist.
Typisch für „conspiracism“ ist dabei seine Immunisierung gegenjede Form von Widerspruch. Wer an den angebotenen Erklärungen zweifelt, gilt entweder als getäuscht, erpresst oder gar als Mitwisser der Verschwörung. Die Verschwörungsideologiekann dann nicht mehr widerlegt werden.
Gerne wird von Verschwörungstheoretikern gerade das Fehlen von Beweisen als Beweis für eine Verschwörung gewertet, da dies eben die unheimliche Effektivität der Verschwörer zeige. Eine Parodie auf diesen Umstand ist etwa die im Internet zirkulierende „Bielefeldverschwörung“. Da die vermuteten Verschwörungen als strukturell unbeweisbar konstruiert werden, gilt ihnen eine Expertenmeinung nicht als höherwertig als eine private Spekulation.
Unterscheidung von Zentralsteuerungshypothese und Verschwörungsideologie In der Theorie lassen sich diskutable Verschwörungstheorien mit realen Anhaltspunkten von einer Verschwörungsideologie, die böse Absichten böser Verschwörer hinter nahezu allen Erscheinungen ausmacht, relativ leicht unterscheiden. In der Praxis ist dies hingegen weitaus schwieriger.
Der Mord an US-Präsident Kennedy (Foto) führte zu einer der meistdiskutierten Verschwörungstheorien der jüngeren Geschichte.
Zwar finden Theorien wie etwa David Ickes Behauptung einer Unterwanderung der Menschheit durch reptilartige Außerirdische in der öffentlichen Meinung kaum Rückhalt. Analoge Stoffe sind durch zahlreiche Romane und Drehbücher – bis hin zum Krieg der Welten, einem legendären Hörspiel von Orson Welles(Buch: H. G. Wells) – verbreitet; doch das Publikum zieht solche Fiktionen meist nicht zur Wirklichkeitserklärung heran. Häufig sind aber die Grenzen zwischen einer realistischen Befürchtung und einem wahnhaften Verschwörungsmythos fließend. Rationale und ideologische Realitätsdeutung gehen vor allem dort ineinander über, wo eine Zentralsteuerungshypothese sich nicht überprüfen lässt. Denn tatsächliche Verschwörungen sind immer durch strikte Geheimhaltung gekennzeichnet und daher schwerlich nachweisbar. So halten viele Zeitbeobachter z. B. den Verdacht für diskutabel, dass am Attentat auf John F. Kennedy mehr Menschen beteiligt waren als nur Lee Harvey Oswald. Unaufgeklärte Ursachen für einzelne Geschichtsereignisse können also den Glauben an weitere, bisher noch nicht entdeckte Verschwörungen stützen. Dies kann einer Verschwörungsideologie den Anschein einer Faktenbasis und legitimen Geschichtsdeutung verleihen, so dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung scheinbar eine seriöse Diskussion verdient. Umgekehrt können seriöse Vermutungen aber auch als irrationale Verfolgungshysterie dargestellt und Aufklärungsbemühungen damit abgeblockt werden.
Bei folgenden Beispielen ist fraglich, ob sie einer Zentralsteuerungshypothese oder einer Verschwörungsideologie zuzuordnen sind:
• Präsident Roosevelt habe Informationen über den bevorstehenden Angriff der Japaner auf Pearl Harbor absichtlich zurückgehalten, um so den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg in der Öffentlichkeit durchsetzen zu können. Diese Denkfigur entspricht einer „passiven Verschwörungstheorie“.
• Papst Johannes Paul I. sei nach nur 33 Tagen auf dem Stuhl Petri ermordet worden, weil er die Betrügereien des Banco Ambrosiano habe aufdecken wollen.
• Die Lampenindustrie betreibe die technisch längst mögliche Produktion von Ewigkeitsglühbirnen absichtlich nicht, weil sie an rasch durchbrennenden Glühlampenmehr verdiene.
• Die Automobilindustrie verzichte auf den Einsatz von rostfreiem Stahl bei Auspuffanlagen nur deshalb, weil das die Umsätze mit deren regelmäßigem Austausch gefährden würde.
• Die Außenpolitik der USA beruhe ganz überwiegend auf dem – maßgeblich von einigen Ölbaronen gesteuerten –Versuch, Ölreserven in aller Welt in amerikanische Hände zu bringen.
Solche Thesen sind bis auf weiteres nicht beweisbar oder widerlegbar, da die Faktenbasis dafür nicht ausreicht und die Deutung der zugänglichen Fakten Werturteilen unterliegt, die nicht objektiv überprüfbar sind. Zwischen Wahrheit und Täuschung kann hier also nicht absolut entschieden werden. Allenfalls können sich Gruppen von Interessierten durch kommunikatives Handeln auf eine Sichtweise einigen, die aber keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann.
Als Kriterien zur Unterscheidung diskutabler Hypothesen von unseriösen Verschwörungsideologien können zwei Aspekte gelten:
• der Grad der Abschottung von oder der Offenheit für alternative Erklärungsmodelle,
• ihre Funktion im politischen Diskurs.
Dient eine Verschwörungstheorie einem offenkundig politischen Zweck und wird aus ihr ein Machtanspruch oder gar die Forderung nach gewaltsamem Handeln abgeleitet, dann liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine Verschwörungsideologiehandelt. Ihre Aufgabe ist dann offenkundig nicht, Transparenz zu schaffen, sondern Mehrheiten zu organisieren oder – mithilfe des Faktors „Angst“ – zu erpressen.
Korrekturfähigkeit durcheine rationale Diskussion besteht damit kaum oder gar nichtmehr.
Andererseits kann eine als wahr erwiesene Geschichtsdeutung– wie etwa im Fall der Tatsächlichkeit des Holocaust – kaum darauf verzichten, sich öffentlich gegenüber Deutungsmustern zu behaupten, die diese Tatsächlichkeit bestreiten. Sonst wäre einer verschwörungstheoretischen Holocaustleugnung – unter Umständen mit fatalen politischen Konsequenzen – Tür und Tor geöffnet.