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1 Der digitale Aufbruch

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Jede neue Technik benötigt einen Auslöser für ihre breite gesellschaftliche Anwendung. Bei der Computertechnik war das die Erfindung des Mikroprozessors, die zu einem enormen Preisverfall führte.

Vor ziemlich langer Zeit, es war 1997, schrieb ich ein kurzes Programm, das E-Mail-Adressen aus einem elektronischen Diskussionsforum extrahierte. Die Software lief einen Nachmittag und ich erhielt eine Liste von 17.000 Adressen; nach Entfernung der Doubletten blieben knapp 9.000 übrig. Das war ziemlich viel.

Heute nutzt fast jeder die elektronische Postelektronische Post. Das Aufkommen hat sich seither ungefähr verhundertfacht1. Momentan gibt es 50 Millionen Nutzer in Deutschland2, 1997 waren es noch 500.000 Personen. Auf meiner Liste erschienen davon immerhin 1,8 Prozent. Dass es illegal ist, die Daten anderer Menschen ohne triftigen Grund zu sammeln, daran dachte damals niemand.

Was meinen Sie dazu?

Ist es bedenklich, anderen Menschen unerwünschte E-Mails zu senden? Es entsteht doch kein Schaden?

SpamSpam3 war noch unbekannt, das änderte sich nun. Ich tat mich mit drei Freunden zusammen, die mit mir am Institut für Epidemiologie an der Universität arbeiteten und wir hatten einen Plan: Wir wollten Fragen versenden und sehen, ob jemand antwortet. Unsere Idee war, die damals üblichen Umfragetechniken zu revolutionieren, denn wie uns aus der eigenen Arbeit sattsam bekannt war, machen Interviews oder Fragebogenaktionen auf Papier unglaublich viel Aufwand. Aber die Erhebung von Gesundheitsdaten der Bevölkerung gehörte zu unseren Hauptaufgaben. Eine digitale Umfrage ist da viel einfacher: Das Versenden geht schnell, ist praktisch kostenlos und die Antworten liegen bereits maschinenlesbar für die weitere Verarbeitung vor. Also entwarfen wir eiligst einen Fragebogen und versandten ihn am folgenden Werktag, einem Freitag. Ergebnis: Der Server der Uni war das ganze Wochenende komplett blockiert. Ich hatte deshalb am darauffolgenden Montag ein eher unangenehmes Gespräch mit dem Leiter unseres Rechenzentrums und wir wurden für kurze Zeit bekannt als die übelsten Schurken des Internets.

Aber wir hatten, was wir wollten: Erstaunlich viele Menschen antworteten und wir konnten das Ganze in einem wissenschaftlichen Artikel4 veröffentlichen. Nach meinen Informationen waren wir damit tatsächlich die Ersten, die (unerwünschte) Post elektronisch versendeten. Das Papier ist reichlich technisch geraten, da uns hauptsächlich die Methode interessierte und weniger die Ergebnisse. Aus heutiger Sicht sehr schade, denn die Resultate waren verblüffend.

Wir stellten folgende Fragen (ursprünglich in Englisch):

 Was sind die größten Probleme der Menschheit in den nächsten 10 Jahren? Auswahl: Umweltzerstörung, Überbevölkerung, Unterentwicklung, Klimaänderung, Kriege, religiöser Extremismus, Korruption und Infektionskrankheiten)

 Was könnte zur Lösung dieser Probleme beitragen? Auswahl: Alternative Energien, Computertechnik, Gentechnik und bessere Ausbildung

Geantwortet haben 20 Prozent, also 1713 Personen, eine gute Quote. Auf Erinnerungen oder Nachfassaktionen haben wir übrigens verzichtet, da wir nicht wollten, dass unser Ruf weiter leidet.

Die Antworten auf die erste Frage waren relativ gleichmäßig verteilt, wobei Umweltzerstörung, Gewalt, Unterentwicklung und Überbevölkerung die Spitzenplätze einnahmen. Die Befragten konnten sich offenbar nicht so recht auf ein Problem einigen. Bemerkenswerter sind die Antworten auf die zweite Frage: 71 Prozent (!) aller Teilnehmer waren der Meinung, dass die AusbildungAusldung der Menschen ein wesentlicher Grundpfeiler zur Lösung der anstehenden Probleme ist. Dabei gab es keinen Unterschied bezüglich der Heimatorte, dem Alter, dem Geschlecht und dem Beruf der Befragten.

Im Nachhinein weiß ich nicht, worüber ich mehr staunen soll: Darüber, dass die Methode so gut funktionierte, oder über das Ergebnis. 71 Prozent, das sind 1.216 Stimmen, ein klares Votum! Unwissen ist offenbar der größte Feind der menschlichen Zukunft.

Heute würde die Rücklaufquote viel geringer ausfallen, denn die Anwender haben sich längst an unerwünschte Werbung gewöhnt. Derartige E-Mails werden von Spamfiltern ausgesiebt oder sie landen im Papierkorb. Nur wenige würden direkt antworten, denn viele haben schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kenne den Fall eines Forschers, der sich über eine anonyme E-Mail einen Virus eingefangen hat, der seine Adressenliste durchsuchte und die Daten dafür verwendete, in seinem Namen Mails zu versenden. Diese hatten zum Inhalt, dass er sich nach einem Raubüberfall mittellos im Ausland befindet und den Adressaten bittet, ihm Geld zu überweisen. Das war selbstverständlich gelogen und das Geld landete direkt auf den Konten der Gauner, die den Virus in Umlauf gebracht haben. Insgesamt betrug der Schaden über 15.000 Euro.

Die DigitalisierungDigitalisierung, also der Einzug der Digitaltechnik in alle Lebensbereiche des Menschen, hat eben nicht nur Vorteile. Es ist bequem, Informationen aus dem Internet zu beziehen statt aus einem Lexikon, aber sind die Quellen auch wirklich zuverlässig? Wir nutzen gerne die Kommunikation über soziale Netzwerke oder Videoportale, doch werden unsere Daten immer vertraulich behandelt? Spionieren uns digitale Sprachassistenten aus? Und: Werden wir einer seelenlosen Computermedizin ausgeliefert sein?

Was meinen Sie dazu?

Hat das Internet mehr Vor- oder Nachteile? Wurden ihr Leben und ihre Arbeit einfacher?

Eine Pandemie verändert die Welt

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