Читать книгу Grenze der Erfüllung - Walther von Hollander - Страница 6
Sterbende Unendlichkeit
ОглавлениеEs ist nun vorbei. Dieses Blatt Papier schiebe ich vor den entsetzlichen Spiegel, vor den Brunnen, in den ich Stunde um Stunde tiefer versinke. An den armseligen Buchstaben klammere ich mich fest, an den Worten, die allein mir geblieben sind — als Strohhalm und Strick.
Nicht mehr erwachen gelang nicht. So bleibt das Brüten in der Dämmerung und ein erster Gang in der Morgenfrühe, wenn zwischen den Häusern noch nicht der Geruch hastender Menschen ist. Es gilt nicht — den Weg noch einmal zurückschauend — zu klären, sondern nur noch, weil ich weiter atme, den eisernen Block über mir zu halten, mit zielloser Kraft. Leben ist das nicht, aber Leben ist auch nichts anderes — und mit dem Trommelschlag der Geschehnisse sich über die bespannte Leere hinwegwirbeln ist ebenso sinnlos wie dies, dass ich in einem Zimmer verbittert sitze, das Vergangene liebe, es fern von mir halte und mein Geschick beschreibe.
Süsser als alles ist das berauschende Opiat der Einsamkeit; spärlich sind die Früchte jedweder Leidenschaft, und nur wer einmal in seinem innersten Kern wankend wurde, versteht, dass die Welt in rasendem Lauf durch die Leere stürmt, um sich im eignen Gleichgewicht zu halten. Warum schliesslich vom Unrat der Erlebnisse das Erleben überwuchert wird, warum in der Tiefe der Durst uns quält nach dem leichteren Himmel und unter der blauen Seidenfahne einer gemächlichen Leidenschaft der Durst nach Tiefe, warum wir ewig gehetzt von uns in andere stürzen und aus den anderen nackt in uns zurückgejagt werden, wozu wir in tausend Formen uns zu giessen trachten und niemals auch nur eine Form zu füllen vermögen — warum wir reifen wollen und uns tief innen vor Frucht und Vollendung schaudert — das alles trinke ich als Frage in mich hinein und weiss, dass eine Antwort so schön und so ohne Zweck ist wie der Gang der geliebten Frau, der nun an meinem Fenster vorübergehn muss.
In der Nacht, als wir uns kennen lernten, schwang sich die silberne Frage des Viertelmondes über dichtgedrängte Schornsteine. Dem hastigen Aufleuchten erster Begehrlichkeit folgte die Täuschung des Erfülltseins. Worte überstürzten sich, Geständnisse lauerten, und es war wieder einmal, als seien all die verwirrten Pfade zweier verschleuderter Leben wie klar fliessende Kanäle zu dem einen Zweck gespannt, in diese Nacht zu fliessen. Waren wir beide dem Spiel mit Schicksalen entwachsen, so reizte uns um so tiefer das Spiel mit Worten, das so leicht die Seelen zu tauschen meint, wenn die Ströme der Leiber ineinanderzischen. Glückseligkeit — die Insel aus Worten gebaut und mit Wollüsten bewimpelt, schimmerte dicht hinter unsern geschlossenen Augenlidern. Woher wir kamen, wussten wir nicht, und unsere Jugend wurde so durchleuchtet vom Glanze dieser ersten Stunde, dass unsere Zukunft wie ein unfassbarer Akkord unsere Glieder zu dem ewigen Rhythmus der Einheit zusammenfügte.
Wir bemühten uns, aus dem Wissen der kommenden Enttäuschung Mauern zwischen uns zu errichten, aber durch die Luken des Genusses fanden wir uns zu immer schnellerer Fahrt in die Abgründe einer Leidenschaft, die mit wunden Lippen und zusammengepressten Zähnen sich dem Erwachen wehrt.
Gegen den Morgen zu begann Regen auf dem Blechgesims des Fensters zu trommeln, streichelte mit zärtlichen Fingern die kühler werdende Haut der geliebten Frau, bis ich erschreckt über der Schlafenden innehielt, und nun schon wusste, dass es zwischen Liebenden nur Brücken gibt, deren in die Herzen gewuchtete Pfeiler mit den Herzen zugleich auseinanderfallen, dass keine untrennbaren Wege zwischen zwei Menschen laufen, dass es Hitze gibt und niemals Wärme, und dass schliesslich doch nur übrig bleibt: für den einen in der Luft der Leidenschaft unruhig weiterzuschlafen und für den anderen an den erwachenden Häusern vorbei in die frostige Kühle des neuen Tages zu traben.
Wir fanden uns wieder, die Stirnen ein wenig beschattet durch den Gedanken, dass von der uns zugemessenen Lust schon ein Teil verbraucht sei, pressten hart die Finger ineinander und suchten, ob uns gelänge, Funken aus den knackenden Knöcheln zu schlagen. Wir erzählten hastig vom Gedenken an die vergangene Nacht, und wie alles blass sei, was uns zuvor begegnete. Ausgelöscht!
Dennoch fanden wir immer mit Worten in das Vergangene zurück, gruben Schlacken aus, erinnerten uns lächelnd, dass jeder getrennt vom andern durch seltsame Wirrungen in diese Stunde getrieben sei und reichten alle Dinge der Vergangenheit wie verblasste Kostbarkeiten dar. Ich erzählte etwa, wie den Knaben noch unter den Apfelblüten eines engen Gartens erste Leidenschaft zum Schluchzen zwang und die tastenden Hände sich am harten Stamm des Baumes wundrüttelten, so dass ein früher Schnee durch die Mondstrahlen wirbelte. Und sie erzählte von einer Fahrt der Leidenschaft, Leib fest an Leib gepresst, durch Städte, die ihren Namen verloren und durch Zimmer, die unvergesslich und ewig waren, von Flüssen und Bergen, die immer im Hintergrund standen und einer Schiffskabine, die fest im Gedächtnis gemauert blieb. Wege alles nur, verstaubt, vom Räderrollen aneinandergedrängter Geschehnisse. In das Schweigen hinein fielen dann Küsse der Leidenschaft, spitz und glühend, trieben uns zu immer schnellerer Lust und vergruben uns in die Bergwerke des brennenden Verlangens. „Es gibt nur einen Weg“, sagte sie, „Vergessen und das Vergessen vergessen. Verströmen und nicht mehr wissen, dass man Strom ist.“ Und ich breitete meine Hände, als müsste ich diesen Strom fangen. Seitdem liebe ich meine Hände und zuweilen, wenn Morgensonne in meine Fenster fällt, hebe ich die Finger gegen das Licht, sehe dass hellrote Blut unter der Haut schwimmen, und weiss, dass sie es ist, die in meinen Adern ewig unruhig den Weg zu meinem Herzen sucht. So sehr ist Besitz und Verlust dasselbe, so sehr ist einmal und ewig das Gleiche, dass ich nun lächeln kann, während die Tränen, die sie nicht erlöste, mir die Kehle dörren.
Damals glaubten wir, dass der Tag kein Ende nähme, so sehr leuchteten unsere Glieder im Dunkeln, und wir fanden nirgend den Weg in die Wirklichkeit zurück, auch dort nicht, wo man sie von Tellern speist und aus Gläsern trinkt. Wein wurde zum Kuss, Bissen, die wir teilten, zur Zärtlich keit, Worte des täglichsten Lebens vom Überfluss zum Erlebnis durchtränkt.
Die Wellen kurzer Trennungen wurden seltener, Leidenschaft brannte aus überblauem Himmel. Wir gingen nicht voneinander, zerrten schon nach wenigen Minuten nacheinander und begruben die Schmerzlichkeit der Pausen unter einem Bergsturz von Zärtlichkeiten. Unsere Füsse gingen so gleichen Takt, dass wir den Boden nicht mehr fühlten, unsere Gedanken sprangen so ineinander, dass sie im Wettlauf jedes Ziel erreichten. Menschen waren noch um uns, aber da wir hell glühten, sahen wir sie nicht in ihrer Beschattung. Ihre Masken, dumpf von zu vielem Schlaf und schwammig von der Trägheit der Getriebenheit, standen an unserem Weg wie ein lustiges Satyrspiel, das unser hohes Lied uns zum Ergötzen nachäffte. Es erschien uns oft, als seien alle anderen Menschen wahnsinnige Marionetten. Denn wir allein wussten den Sinn des Lebens und den Unsinn der Leben, die nicht unser Leben waren.
Mitten im Sommer, als die Bäume wie grüne Fackeln im Asphalt schmolzen und die Hitze zwischen den Häusern in dicken Quadern lag, als die Schritte der nachts Vorübergehenden in der Luft hängen blieben und unsere Lüste keinen Raum mehr im Zimmer liessen, beschlossen wir, unsere Einsamkeit auch nach aussen hin wahr zu machen nnd uns eine Zuflucht zu suchen, die noch nicht so durchtränkt war von unserer Liebe, ein Bett zu suchen, das noch nicht so viel von uns getrunken hatte, damit unsere Liebe wieder leichteren Schritt gehn könne. Aber es erwies sich, dass wir alle unsre Glut mit uns trugen, dass der Eisenbahnwagen zum Bett wurde, die Wiese zum Pfühl, dass die Zimmer, die wir betraten, schon von unserer Liebe wussten, dass unsere Einheit in allen Bäumen rauschte, aus allen Bächen uns entgegensprang; dass die Blumen uns kannten und die Vögel mitten im Sommer zu pfeifen begannen. Weit breitete sich vor uns die Welt wie ein einziges Blütental, obgleich die Blätter schon zu gilben begannen. Zu bunten Sträussen band sich der Herbstwald vor unseren Fenstern, zu Hochzeitsgirlanden schwangen sich die Berge in den Horizont, und die Häuser der Menschen lagen unerreichbar tief unter uns, auch wenn wir an ihnen vorübergingen. — — —
In dieser Zeit erst, in der wir von Fest zu Fest taumelnd in einer Lohe von Glück gingen, lernte ich Nina kennen. Jetzt erst gelang mir, tief in den Schoss ihrer Augen zu dringen. Jetzt erst baute sich ihr reicher Leib aus einzelnen Gliedern zu einem Ganzen, jetzt erst vermochte ich, wenn sie aus dem Zimmer gegangen war, die Linie ihres Nackens nachzuziehen, die wiegende Trägheit ihrer Hüften und das herbe Oval ihres schmerzensreichen, durchglühten Gesichts, das immer ein wenig den kleinen, lebendigen Brüsten zugeneigt war. Wir erforschten einander unermüdlich, belauschten heisshungrig und gierig alle Geheimnisse des Rhythmus, der vielgestaltig zwischen zwei Körpern schwingt, spannten unsere Lust zu immer neuen Lüsten und versuchten immer wieder die Grenzen zu überschreiten, die zwischen eins und zwei, zwischen du und ich aufgestellt sind.
Wie sehr gelang das! Schmerzlich über jene Tage gebeugt erschüttert mich immer wieder der rastlos gleitende Flug aus der Verdammtheit des verketteten Ichs in die ruhevolle Gelöstheit des atemlosen Genusses. Erschlafften unsere Glieder, so erglühte die Zärtlichkeit des Geistes, waren die Seelen des Fluges müde, so erhoben sich unsere Leiber zu dem Spiel, in dem Dasein und Gegenwart sich mit Zukunft und Vergangenheit zu einer Flamme vereinen, die zeugend zugleich und sich selbst vernichtend, die aus sich gebärend und an der Zukunft zerrend um unser Bett brannte, als müsste sie in die immer dunkle Ewigkeit hinüberleuchten.
Wir spürten nicht, dass die Stunden rastlos und gedrängt durch unser Zimmer rannen, wir sahen nicht, dass Tag und Nacht ihre ewigen Ronden vor unserer Tür gingen — Zeit war nicht und der sanfte Bläuerfall vom Ahorn im Hof war nur eine Bestätigung, dass auch Ewigkeit Zeit sei. Wir versteckten uns spielerisch und voll kindlichen Vertrauens hinter unserer Liebe, wir öffneten tagelang nicht unsere Fensterläden und freuten uns am Rätselraten, welche Tageszeit es sei. Immer höher stieg die Flut unserer Liebe, immer ferner ward unserer Insel das Land der Menschen, und mit dem Willen zur Zerstörung, der als bitterer Kern in jeder Liebe wuchert, ersehnten wir hochmütig den Augenblick, da die Wellen uns ersäufen würden.
Wir peitschten uns zu immer neuer Vereinigung, überschwemmten uns mit Wollust, zerrten einander immer neue Türen auf und durchschritten schaudernd selbst jene verstaubten Kammern, in denen die Gerippe vermoderter Wünsche lagern und — mit der Kühnheit des Wahnsinnigen, der vermeint, sich an einem Strick in den Himmel hineinhängen zu können — öffneten wir auch die Keller, die bevölkert sind vom rastlos nagenden Ungeziefer der Verneinung. Überall fanden wir erschreckt unsere Bilder an den Wänden. Keine Leere gab es, die wir nicht erfüllten, und darum ahnten wir nicht, dass die Erfüllung unseres Gesetzes nahe sei. Wir erkannten bald, dass es keinen Wunsch geben könne, der nicht im andern als Gegenbild die Erfüllung habe, dass kein Gelüst in einem sei, das nicht der andere Jahre hindurch schon getragen. Es gab keine Bewegung, die nicht einer erträumt, keinen Kuss, den nicht der andere schon zuvor gedacht, keine Vereinigung, zu der wir nicht beide hemmungslos bereit gewesen wären.
Die Wände zwischen uns waren zerrissen, unsere Gesichter tauchten ineinander ein, Bild und Spiegelbild vereinte sich, und als wir erschreckt innehielten vor dem Nichts, dass keine Masse mehr enthielt, dämmerte uns, dass wir ohne Grenzen verschwammen, und keine Schatten in das sonnüberspannte Nirwana warfen, an dem wir die Umrisse unserer Gestalten hätten abmessen können. Wir riefen angstvoll, aber da wir Stimme und Echo zugleich waren, wurden unsere Worte von der Unendlichkeit verschlungen; nur beugten uns weit über die Brunnen der Tiefe, aber die warfen kein Bild zurück, und wenn wir uns hineinstürzten, so verschwanden wir in uns selbst und landeten eng umschlungen im Luftleeren.
In einer Nacht, als die Schweigsamkeit unserer rastlosen Vereinigungen uns die Kehlen verschnürte, hieben wir — da keine Worte mehr von unseren Zungen kamen — einander die Zähne ins Fleisch und erwachten ungetrennt am andern Morgen vom Schmerz der Wundmale. Aber auch dies liess uns nicht erwachen, weil wir den gleichen Schmerz trugen. Immer teuflischer erschien uns der Ring, in dem wir uns gefangen, aber wir vermochten nicht, uns seinem Würgen zu entziehen, da wir in keinem Winkel allein waren. Wir hatten nicht einen Punkt, von dem aus wir uns hätten zur Wehr setzen können. Wir waren nirgends einsam, und darum gelang uns auch nicht der geringste Hass gegeneinander. Denn Hass entzündet sich nur, wo Verbundenheit in die Trennung hineinzerrt.
Verloren in die tiefste Einsamkeit, verschneit in einer Hütte, weit über den ersten Häusern, versenkt in die weisse Wüste eines harten Winters, umsponnen von Eisblumen lebten wir — — und zählte ich noch so lange, ich wüsste die Zahl der Tage nicht. Das aber weiss ich, dass wir nicht mehr sprachen, weil Worte zwischen uns nur Wiederholungen waren, dass wir immer mehr uns weiteten, weil der eine im andern ganz Wohnung nahm, und dass wir oft tagelang, wenn der Rausch uns verlassen hatte, die Stirnen aneinandergelehnt uns gegenübersassen, umströmt vom Kreislauf des Blutes, das aus einer Quelle gepumpt durch beide Herzen in gleichem Takt getrieben wurde.
An einem Morgen, da wir mühsam aus den Schluchten des Schlafs in den Tag dämmerten, taute Schnee in Bächen vom Dach. Die Berge, deren mattes Elfenbein fern über der Ebene sonst leuchtete, standen glasblau und nah vor unserer Tür, und wir wussten plötzlich — und ich erschrak — dass Welt sich hinter ihnen spannte. Taumelnd stürzte der sonst träge Bach zu Tal, und ich sah, dass deine Augen mit ihm schwammen, hellblau und nach der Ferne gierig, sah, dass du blind neben mir zurückbliebst und mit meinen Augen nicht mehr sehen wolltest. Da wusste ich, dass Erfüllung für eine Frau doch immer nur der Weg zu einer neuen Erfüllung ist, dass es kein Ziel gibt, dem ein weibliches Herz ewig und unwandelbar zustrebt. Da erkannte ich, dass es Mannessache ist, ewig zu sein, und weil die Ewigkeit dunkel ist, gläubig und einsam im Dunkel zu verharren.
Einen Weg noch versuchte ich, den einzigen, der die Frau mit der Ewigkeit verknüpft: ich wollte, dass Nina ein Kind trüge. Und der Rausch dieses Willens fing uns beide noch einmal zusammen. Unter den Blütenbäumen ging Nina zärtlich, trächtig und gedankenlos an meiner Seite. Aber der Weg von der Blüte zur Frucht führt durch jene schalen Tage, in denen das hellgrüne Laub zu dunkeln beginnt und vom Staub der Landstrasse gepudert wird.
Nicht mehr vereint waren wir, denn in ihr wuchs, was wohl ich beginnen, aber nur sie vollenden konnte. Was eins war, war nun drei, und zwei war wieder übersprungen. Das zärtliche Streicheln ihrer Hände über ihren fruchtbaren Leib sagte mir, dass ich sie verloren habe. Einmal noch riss ich meine Kräfte zusammen, und in einer furchtbaren Nacht, in der unsere Tränen wie Schleierwände zwischen uns standen, gehorchte sie mir und tötete die Frucht.
In den Tagen ihrer Krankheit schien ihr Bedürfnis nach Zärtlichkeit und mein Schuldgefühl uns noch einmal zu vereinen. Als aber ihre Füsse wieder erstarkten — es war mitten im Sommer und Sonne und Mond lösten einander mit ihrem Leuchten ab, so dass das reife Laub der Bäume Tag und Nacht im Wechsel von Grün und Staubsilber schimmerte — da wurde ihre Fremdheit so gross, dass sie hinter Springketten von Worten sich zu verbergen suchte, und nun gab es für mich kein Entrinnen mehr vor dem Wissen: dass begonnen und vollendet vor der Ewigkeit der Liebe das Gleiche ist, und dass ebenso, wie Wunsch und Erfüllung in uns eins war, auch die Trennung in uns erwachen und Wirklichkeit werden musste, in dem Augenblick, da wir uns dem Wachsen und Vergehen der Zeit beugten und uns einfügten in das Gesetz von Geburt und Tod. — Gott und Mensch zugleich sein, geht nicht. Nur eins gibt es: zwei wird zu eins und drei zu zwei und zwei zu eins. Und Liebe ist ewig unfruchtbar wie alle Vollendung. Tod und Ewigkeit ist das Gleiche, und Leben ist nur ein Zwischenspiel der Unvollkommenheit.
Wie wir schieden, weiss ich nicht mehr, weil ich den Tag tief in mir vergraben habe und dieses Grab erst öffnen werde, wenn mein Grab mir geöffnet entgegenlächelt. Jetzt aber sehe ich lächelnd fast den Gang der geliebten Frau an meinem Fenster vorübergehen. Wohl weiss ich, dass sie zerstört sich zu betäuben sucht. Wohl weiss ich, dass sie hofft, unsere Liebe möge ihr winken; so oft ich aber versucht bin, die Hand zu heben ober die Stimme, sinke ich wieder zusammen. Denn Ewigkeit einmal unterbrochen ist ein Nichts und weniger als das Blatt, das leuchtend an meinem Fenster vorüberschaukelt und mich erinnert, dass nun die Jahreszeit gekommen ist, in der unsere Liebe am stärksten leuchtete.
So lebe ich — ein ewiger Kalender unserer Liebe, und warte, dass der Felsblock des Schmerzes, der mir die Welt vermauert, endlich zermalmend mein Herz trifft und so ihr Bild löscht.