Читать книгу Leben und Leiden während des Dreissigjährigen Krieges (1618-1648) - Werner Rockstuhl - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеDie Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) hat Thüringen und Franken ebenso schlimm gezeichnet wie das übrige Deutschland. Vor allem durch die Ortspfarrer sind uns so manche bruchstückhafte Schilderungen überliefert. In den zwanziger Jahren machten sich Heimatfreunde aus Thüringen daran, sich dieser Überlieferungen anzunehmen.
In verschiedenen Publikationen, wie dem „Pflüger“ und in regionalen Veröffentlichungen, finden wir diese abgedruckt. Dabei ragt eine Schilderung aus allen hervor - Martin Bötzingers Augenzeugenbericht. Zwar nicht mehr vollständig, der Anfang und der Schluß fehlen, finden wir den ersten Abdruck 1730 in Krauß seiner „Hildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landeshistorie”. (In diesem Heft vollständig abgedruckt.)
Der Schriftsteller Gustav Freytag schreibt in „Vom Dreißigjährigen Krieg, Teil I, Die Dörfer und ihre Geistlichen“ auf Seite 17 ff über Martin Bötzinger: „Unter den biographischen Aufzeichnungen protestantischer Pfarrer ist eine der lehrreichsten die des Franken Martin Bötzinger. Sowohl das Dorfleben zur Zeit des Krieges als auch die Verwilderung der Menschen wird aus seiner Erzählung zum Erschrecken deutlich. Bötzinger war kein großer Charakter, und die kläglichen Schicksale, welche er zu ertragen hatte, haben ihn nicht stärker gemacht. Ja, man wird ihm das Prädikat eines recht armen Teufels schwerlich versagen. Dabei besaß er aber zwei Eigenschaften, welche ihn für uns wertvoll machen: eine unzerstörbare Lebenskraft, welche mit nicht geringem Leichtsinn verbunden war, und jenes verzweifelte, deutsche Behagen, das auch der trostlosesten Lage immer noch erträgliche Seiten abzugewinnen weiß. Er war ein Poet. Seine deutschen Verse sind, wie die vorgesetzte Probe zeigt, durchaus erbärmlich, aber sie dienten ihm in der schlechtesten Zeit als zierliche Bettelbriefe, durch welche er sich Mitleiden zu verschaffen suchte. So hat er alle Amtleute und Schösser der Kirchengemeinde Heldburg in einem gewissermaßen epischen Gedicht gefeiert, so die traurigen Verhältnisse von Koburg, wo er eine Zeitlang als Flüchtling verweilte.
Auszug aus dem Jahr 1730: „Hildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landeshistorie“. (Die Originalschrift ist heute leider nicht mehr auffindbar.)
Als Martin Bötzinger in die Gemeinde Heubach kam, begann er das hiesige Kirchenbuch zu schreiben. Die Seite 2 des Kirchenbuches mit der Handschrift von Martin Bötzinger sehen Sie oben. Im Jahr 1997 schickte mir der Heubacher Pfarrer Joachim Neubert die abgebildete Kopie.
Von dem Lebenslauf, welchen er niederschrieb, waren der Anfang und der letzte Teil schon abgerissen, als ihn im Jahre 1730 Krauß seiner Hildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landeshistorie einverleibte. Aus diesem Fragment wird das folgende treu mitgeteilt. ...“
Anno 1897 erschien ein bald 650 Seiten umfassender Roman: „Martin Bötzinger - Ein Lebens- und Zeitbild aus dem siebzehnten Jahrhundert” von Johann Heinrich Löffler (gestorben 1903).
Anno 1897 erschien ein bald 650 Seiten umfassender Roman: „Martin Bötziner - Ein Lebens- und Zeitbild aus dem siebzehnten Jahrhundert” von Johann Heinrich Löffler (gestorben 1903).
Im Jahr 1925 bearbeitete Dr. H. Lilienstein diese Originalausgabe. Dabei kürzte er das Buch um etwa ein Drittel. Trotzdem hatte der „neue” Roman 452 Seiten.
Wahrscheinlich 1920 hat der Eisenacher Verleger und Chronist Oskar Wünscher den damals über 250jährigen handschriftlichen Bericht vom Pfarrer Martin Bötzinger in die Hände bekommen. Oskar Wünscher dazu:
„Verlottertes Gesindel” von Prof. A. Hoffmann.
„Er ist kein Held gewesen, der gute alte Pfarrherr aus dem fränkisch-thüringischen Grenzland, aber offene Augen hat er gehabt und ein immerdar fröhlich Herz und dazu eine Gabe des Erzählens, die stellenweise an die dichterische Kraft des ‘Simplizius Simplizissimus’ von dem gleichzeitigen Hans Jakob Chistoffel von Grimmelshausen heranreicht. ...“.
Oskar Wünscher nahm sich dem Schriftstück an, studierte und bearbeitete es. Dabei hat er es „ergänzt und behutsam dem Deutsch der Gegenwart angenähert“.
1925 wurde das Ergebnis von ihm in zwei Auflagen 10.000 mal herausgegeben.
Ebenso, wie diese Überlieferung seinerzeit den Eisenacher Chronisten und eine große Leserschaft beeindruckte, hat es auch mich in den Bann gezogen. Schon viele alte Bücher habe ich gelesen, aber manche ragen sichtbar heraus. Dazu zählt zweifellos diese Schrift.
Ich möchte Oskar Wünscher noch einmal zu Wort kommen lassen: „Diese Lebens- und Leidensgeschichte Martin Bötzingers ist dem heutigen Geschlechte leider nur als Bruchstück erhalten geblieben, aber auch als Bruchstück ist es ein Kulturdokument allerersten Ranges, weil sie in erschütternder Eindringlichkeit ein Schicksal vor uns aufrollt, wie es im Deutschland des Dreißigjährigen Krieges überall erlebt worden sein kann und also im Einzelfall ein Zeitbild von allgemeiner Bedeutung gibt.“
Eine Überlieferung, die heute zwar nur in einer sehr kleinen Auflage erscheint, aber dennoch wieder dem Leser und Heimatforscher zugänglich gemacht werden soll.
Harald Rockstuhl