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Schopenhauers Politische Dialektik: Einführung

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In meinen Betrachtungen der „Eristischen Dialektik“ habe ich bereits vor einigen Jahren die Grundzüge eines unausgesprochenen Verhaltenskodex festgehalten, der die Grundlage eines jeden öffentlichen Streitgesprächs zwischen zwei Menschen darstellt, und in dessen Rahmen sich die Argumentationsmuster beider Seiten im Regelfall bewegen. Dabei habe ich meine Vorstellung der Eristik von der klassischen Dialektik Aristoteles' abgegrenzt, indem ich sie gänzlich nur als Kunst auffasste so zu diskutieren, dass man im Anschluss Recht zugesprochen bekommt, oder aber zumindest die Sympathien der Zuhörer auf seiner Seite hat; ganz unabhängig davon, ob der eigene Standpunkt wirklich logisch durchdacht, wissenschaftlich bewiesen oder überhaupt sinnvoll ist. Wie ich aufzeigen konnte, ist das alles leichter zu bewerkstelligen, wenn man in der eigentlichen Sache tatsächlich richtig liegt. Aber sollte man seiner eigenen Einschätzung nicht zu hundert Prozent vertrauen, der Gegner mit unerwarteten Argumenten zurückschlagen oder das Niveau des Angreifers, besser noch das des Publikums, eine bestimmte Mindestgrenze unterschreiten, so habe ich angeraten auf eine tiefgehendere, präzise und vor allem klare Beweisführung für die eigene Behauptung zu verzichten, um stattdessen die traditionellen Mittel der Eristik zu nutzen.

Heute, im 19. Jahrhundert, besteht Deutschland aus zahlreichen autoritären Fürstentümern. Öffentliche politische Diskussionen sind daher selten von Nöten, seltener noch erwünscht. Es ist also nur zu verständlich, weshalb sich meine Studie zur „Eristischen Dialektik“ vor allem auf das bürgerliche, halbgebildete Streitgespräch bezog, und weniger auf das Ebendiese unter den staatstragenden, halbgebildeten Persönlichkeiten oder den politischen, semi-intellektuellen Eliten; obwohl ich mich der strukturellen Ähnlichkeit derselben, nicht in ihrer Quantität, aber durchaus in der Qualität, selbstredend bewusst bin. Da ich jedoch ahne, dass politische Parteien und bürgerliche Politiker in naher Zukunft eine nicht ganz unbedeutende Rolle im öffentlichen Diskurs spielen werden, vor allem weil Deutschland, das wage ich heute zu prophezeien, in nicht mehr als 15 Jahren ein geeinter Bundesstaat unter der Herrschaft eines Kaisers sein wird, möchte ich nun diesen bedauerlichen Umstand beheben, indem ich unter Anwendung meiner einzelnen, in der „Eristischen Dialektik“ entwickelten Kunstgriffe aufzeige, inwiefern gerade in modernen politischen Disputen die Schlauheit und Gewandtheit in der Argumentation den Diskussionssieger bestimmen, nicht aber die qualitative Richtigkeit und innere Wahrheit der Ausgangsthese. Denn dies ist, wie ich schon einmal bemerkte, auch keinesfalls das Ziel des gewöhnlichen Gesprächsverlaufs, weder in der Politik, noch im zivilen Leben; Beispiele aus der näheren, republikanisch gesinnten europäischen Nachbarschaft belegen es. Vorrangig ist vielmehr die unerbittliche Verteidigung der aufgestellten Behauptung gegen eine Widerlegung durch den Anderen oder selbst verursachte Widersprüche, als auch der gnadenlose Angriff auf alles, was der Gegner seinerseits behauptet oder beweisen möchte. Denn dieser soll im Auge des unabhängigen Betrachters als unfähig, geradezu schwachsinnig oder gemeingefährlich erscheinen; man selbst hingegen vernünftig, tiefsinnig und geistig gutsituiert wirken. Immerhin ist es am Ende einer Diskussion nur noch wichtig, dass einem recht gegeben wird; und zwar unabhängig davon, auf welchem rhetorischen Wege man sich durchgesetzt, oder ob der Gegner wirklich inhaltlich falsch gelegen hat.

Schopenhauers Politische Dialektik

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