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Einleitung

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Im Jahr 2018 jährte sich zum 100. Mal das Ende des Ersten Weltkrieges.

»Ich werde nie begreifen, wie es passieren konnte«, sagte die Autorin Rebecca West zu ihrem Mann, als sie 1936 auf dem Balkon des Rathauses von Sarajevo stand. Später sinnierte sie, dass dies nicht etwa daran liege, dass es zu wenige Informationen gebe, »vielmehr gibt es zu viele«. Diese Worte schreibt der Historiker Christopher Clark zum Schluss seines Buches Die Schlafwandler auf Seite 709. Im Vorwort zu diesem Buch heißt es: »Lange Zeit galt es als ausgemacht, dass das deutsche Kaiserreich wegen seiner Großmachtträume die Hauptverantwortung am Ausbruch des Ersten Weltkrieges trägt. In seinem bahnbrechenden neuen Werk kommt der angesehene Historiker Christopher Clark, dessen Buch über die Geschichte Preußens ein Bestseller wurde, zu einer neuen Einschätzung. Clark beschreibt in seiner Darstellung der Vorgeschichte des Krieges minutiös die Interessen und Motive der wichtigsten politischen Akteure in den europäischen Metropolen und zeichnet dabei das Bild einer überaus komplexen Welt, in der gegenseitiges Misstrauen, Fehleinschätzungen auf vielen Seiten, Überheblichkeit, Expansionspläne und nationalistische Bestrebungen zu einer Situation führten, in der ein Funke genügte, den Krieg auszulösen, dessen verheerende Folgen kaum jemand abzuschätzen vermochte.«

In seinem Buch Der Große Krieg vertritt der Historiker Herfried Münkler die Auffassung, dass Russland mit der Mobilmachung die Julikrise entscheidend verschärfte. Beide bezweifeln die alleinige Schuld des Deutschen Reiches am Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Einen Schritt weiter gehen die britischen Historiker Gerry Docherty & Jim Macgregor in ihrem Buch Verborgen Geschichte: Wie eine geheime Elite die Menschheit in den Ersten Weltkrieg stürzte. Sie sehen in dieser Elite einen britischen Geheimbund, der die schwindende Bedeutung des Empires aufhalten und das Empire zu neuer Größe führen wollte. Dieser Auffassung von Macgregor schließt sich Wolfgang Effenberger im Buch Sie wollten den Krieg an. Der Franzose Georges Demartial untersucht die offizielle Darstellung der französischen Regierung zu den Ursachen des Ersten Weltkrieges. In dem Buch Die dreiste Fälschung: Das französische Gelbbuch und die Kriegsursachen von 1914 von Georges Demartial und Stefan Scheil (Hrsg.) wird die französische Darstellung zu den Ursachen des Krieges widerlegt.

Die unzähligen Meinungsäußerungen, Rechtfertigungs- und Verschleierungsversuche nach dem Krieg, die Clark in seiner Einleitung beschreibt, lassen die Ursachen des Ersten Weltkrieges zu einem undurchsichtigen Nebel werden. Am Ende des Buches auf Seite 710 schreibt er: »Ausschlaggebend für die Komplexität der Ereignisse von 1914 waren die raschen Veränderungen im internationalen System: die plötzliche Entstehung eines albanischen Nationalstaates, das türkisch-russische Wettrüsten im Schwarzen Meer oder die Umorientierung der russischen Politik von Sofia auf Belgrad, um nur einige zu nennen.« Christopher Clark verknüpft alle politischen Erscheinungen jener Zeit zu einer „komplexen Welt“, sodass jedes Ereignis den „Sprengstoff“ für einen Weltkrieg beinhaltete. Dieser Auffassung kann aber nicht jeder folgen, weil es der entscheidende Grund für ein nicht mehr zu überblickendes Bild ist, das die wahren Ursachen des Krieges untergehen lässt.

Das Attentat von Sarajevo war eine Angelegenheit zwischen Serbien und Österreich-Ungarn und wurde anfangs auch so gesehen und behandelt. Erst durch das Einmischen der Großmächte wurde der lösbare Konflikt zum Weltenbrand. Die Großmächte nutzten das Ereignis, um ihre „höheren Interessen“ durchzusetzen. Aber was waren im Hintergrund die Triebkräfte der Großmächte, die auf den Krieg zusteuerten?

Zur Ermittlung dieser Interessen und Triebkräfte sollen zunächst die Großmächte mit ihrer Geschichte betrachtet werden. Daraus ergeben sich erste Aufschlüsse auf das Verhalten zu Ereignissen vor dem Kriegsausbruch. Eine entscheidende Entwicklung stellt die zweite industrielle Revolution von 1870 bis 1914 dar. In dieser Zeit kam es zur Anwendung von Verbrennungs- und Elektromotoren, der Telegraphie, zum Aufstreben der chemischen und pharmazeutischen Industrie, der Schwerindustrie und des Maschinenbaus. Das technologische und wirtschaftliche Zurückbleiben von Staaten musste zwangsläufig zu Ängsten in diesen Ländern führen. Eine solche Entwicklung setzt Triebkräfte frei und liefert Motive. Deshalb wird dieser Problematik in diesem Buch ein Schwerpunkt eingeräumt, weil sie von den Autoren der genannten Bücher fast völlig unbeachtet bleibt. Ihr Augenmerk liegt auf den Ereignissen und Verhaltensweisen der entscheidenden Politiker vor dem Krieg. Dazu führten sie umfangreiche Recherchen zu Dokumenten dieser Zeit durch. So verfügt das Buch Die Schlafwandler von Christopher Clark über ein Anmerkungsverzeichnis von 111 Seiten und ein Quellen- und Literaturverzeichnis von 38 Seiten.

Generell haben die Autoren sich um hohe Wissenschaftlichkeit bemüht.

Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine's College in Cambridge. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte Preußens und der Erste Weltkrieg. Für sein Werk Die Schlafwandler wurde ihm der Bruno-Kreisky-Preis verliehen.

Herfried Münkler ist Historiker und Politikwissenschaftler, der an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrte. Für sein Buch Der Große Krieg wurde er mit dem Friedrich-Schiedel-Literaturpreis ausgezeichnet.

Georges Demartial (1861-1945) war ein französischer Verwaltungsfachmann. Nach 1914 fanden seine Veröffentlichungen zum Ersten Weltkrieg internationale Beachtung. Wegen seiner kritischen Auseinandersetzung mit der französischen Kriegsschuld wurden Demartial 1928 für fünf Jahre die Rechte eines Ehrenlegionärs aberkannt.

Gerry Docherty stammt aus Schottland. Gemeinsam mit Jim Macgregor verfasste er die Hidden History, eine minutiös recherchierte und dokumentierte Widerlegung der offiziellen Version über die Ursachen des Ersten Weltkrieges. Jim Macgregor hat in Glasgow Medizin studiert und als Allgemeinmediziner in Schottland gearbeitet.

Wolfgang Effenberger ist ein deutscher pensionierter Offizier der Bundeswehr, ehemaliger Lehrer, Politologe und Sachbuchautor.

Ergänzend zu den genannten Autoren kommt Ehrhard Bödecker mit seinem Buch Preußen und die Wurzeln des Erfolges zu Wort. Er studierte Recht, Wirtschaft und Geschichte. Er war Amtsrichter, Verwaltungsrichter und Rechtsanwalt, seit 1966 selbständiger und erfolgreicher Privatbankier in Berlin.

Die große Intrige

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