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Fraktale Asympathische Aberration

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Es geht ja Vieles, aber ohne Raum geht gar nichts.

Bewegen sich die Astronomen nicht nur in unserer Nachbarschaft, lullen sie uns, um uns nicht mit den gewaltigen Distanzen zu sehr zu verschrecken, mit einer noch anderen Entfernungs-Dimension ein. In der großen Sternenwelt wären nämlich schon Angaben in Lichtjahren mächtig gewaltig. Deshalb erfanden die Sternen-Fachleute eine Art Online-Währung, einen künstlichen Entfernungs-Maßstab, das Parsec.

Nicht zu verwechseln mit Parship, das ist etwas ganz anderes.

Parsec ist einen Abkürzung des Begriffes Parallaxensekunde. Der ist wiederum eine Kombination zweier verschiedener Begriffe.

Parallaxe ist aus parállaxis hergeleitet, was die alten Griechen unverständlicherweise zur Bezeichnung einer Hin- und Herbewegung verwendeten, mitunter auch als Verschiebung verstanden. Ach die alten Griechen. Sagten also zur Hin- und Herschieberei parallaxen? Vielleicht sollten wir wieder darauf zurückgreifen. Heute Nacht gleich zweimal parallaxt. Klingt aber auch nicht so richtig.

Parallaxe darf aber auch nicht mit Parallele verwechselt werden. Der Begriff ist aus parállelos entlehnt und meint etwas nebeneinander Bestehendes.

Ja man muss sich schon auch im Griechischen auskennen, wenn man in der Wissenschaft klar kommen will.

Der zweite Begriff, der hier mit Parallaxe kombiniert wurde, ist die Bogensekunde.

Mit der ist es auch etwas seltsam. Sie wissen ja sicher von der Existenz von Winkeln, also Winkel im geometrischen Sinn. Und da ist Ihnen bestimmt geläufig, dass die Größe von Winkeln, sofern es sich um Winkel im geometrischen Sinn handelt, in Grad angegeben wird.

Wissenschaftler sind häufig eigensinnig. Sie nehmen nicht alles einfach so hin, wie es ihnen hingestellt wird, sondern nehmen es her und wollen genau wissen, woher es kommt.

Grad, warum ausgerechnet Grad, fragten sie. Und da niemand antwortete, beschlossen sie auf einer geheimgehaltenen Klausurtagung, die als Der Große Winkelzug in die Geschichte der modernen Naturwissenschaft eingehen wird – oder auch nicht – ein anderes Winkelmaß einzuführen.

Die Tagungsteilnehmer wählten mit überwältigender Mehrheit – nur zwei Geologen, die das eigentlich gar nichts anging, hatten dagegen gestimmt – eine Fachkommission zur Entwicklung eines modernen und einheitlichen Winkel-Maßsystems, kurz WiMaß2000 genannt. Der Kommission war ein enger Zeitrahmen zugeteilt worden, denn man wollte das neue Winkelmaß einführen, bevor die Politik würde eingreifen oder sich gar Schüler und Studenten zu Protestdemonstrationen würden aufraffen können.

Die Mitglieder der WiMaß2000 schauten deshalb häufig auf ihre Uhren. Und da funkte es. Momentemal, sagten sie sich und gegenseitig. Bei der Zeitmessung kommt das Sexagesimalsystem zur Anwendung. Und das klappt doch ganz gut, da kann man nicht meckern. Warum nehmen wir das denn nicht auch als Basis für das WiMaß2000?

Nun muss man allerdings, um das Folgende zu verstehen, erst einmal wissen, was ein Sexagesimalsystem ist. Das wiederum sollte nicht verwechselt werden mit irgendeiner neu- oder abartigen Sexualpraxis. Mit Sex hat das Sexa gar nichts zu tun. Hier ist ein Zahlensystem gemeint, dass sich an der Zahl Sechs orientiert.

Zur Erinnerung: Eine Minute mitteleuropäischer sexagesimalträtierter Durchschnittszeit umfasst 60 ±0 Sekunden, eine Stunde wiederum 60 ±0 Minuten, ein Tag dann 60 ±0 Stunden und ein Jahr 60 ±0 Tage.

Ich weiß nicht, ob man das bei der Erfindung des Sexagesimalsystems – den Begriff finde ich schweinisch gut, weshalb ich ihn gern benutze – so vorhatte. Konsequent wäre es gewesen. Man wird dann freilich bestimmt schnell bemerkt haben, dass die Natur wenig Neigung zeigte, sich in das Sexagesimalsystem zwingen zu lassen. Die Erde dreht sich nun mal nicht in 60 Stunden einmal um ihre Achse, sondern hat es schon ein wenig eiliger. Andererseits lässt sie sich mehr Zeit, die Sonne zu umrunden. Im Sexagesimalsystem müsste sie in nur 60 Tagen einmal herum flitzen. Die 365 Tage des schalttaglosen Kalenderjahres lassen es da gemächlicher angehen.

Nur mal so: Das ist doch auch so eine Frage, die man mal an den Schöpfer, anderenfalls an die Evolution richten müsste. Auch da hätten sie die Welt mit einer größeren Perfektion ausstatten können, ja eigentlich müssen. Es musste ja nicht unbedingt das Sexagesimalsystem sein, wenn ihnen das damals nicht einfiel, ein penta- oder okta-Dingens wäre ja auch gegangen. Aber jedenfalls ein stimmiges und besser handhabbares System hätte die doch schaffen können – oder?

Die Rotation der Erde um die eigene Achse lässt sich partout nicht mit der Umlaufzeit um die Sonne so in Zahlen fassen, dass da ein einfaches und übersichtliches System herauskommt. Deshalb musste der Mensch schon verschiedene Jahre definieren. So gibt es das Siderische, das Tropische, das Julianische (seit 1582 nicht mehr), das Gregorianische und das schon erwähnte Kalenderjahr, auch vom Wahljahr, von Olympischen Jahr, Probejahr, Ehejahr, Flegeljahr hörte ich schon sagen.

Und trotzdem passt da nichts richtig zusammen, müssen Sekunden oder Tage zugeschaltet, auch mal etwas um- oder abgeschaltet werden, damit die Jahre nicht aus dem Ruder laufen und wir nach wenigen Umläufen schon im Sommer fragen müssen: Ja ist denn schon Weihnachten?

Wo war ich oben eigentlich stehengeblieben? Ach ja, beim Bogenmaß. Die kecken Wissenschaftler transformierten das Winkel-Gradmaß einfach in unser geläufiges Zeit-Sexagesimalsystem. Ich finde das, mit Verlaub, gar nicht so logisch. Das System der Winkel-Grade ist ja eigentlich auch ein Sexagesimalsystem. Ein Kreis besitzt ringsherum genau 360 Grade, jedenfalls theoretisch und wenn er ordentlich gezeichnet wird. Das sind genau 6 mal 60 Grad. Also ist auch hier die 6 die Basis des Systems.

Die Wissenschaftler überlegten sich aber etwas anderes. Man könne doch, wenn man es will, die Winkelgrade als Zeit ausdrücken. Deshalb setzten sie einfach: 1 Winkelgrad, das sind ab sofort 60 Bogenminuten und 1 Bogenminute dann halt 60 Bogensekunden. 1 Grad besitzt daher stolze 3600 Bogensekunden. Bogenstunden, Bogentage und Bogenjahre ließ man weg, denn da wäre man schon wieder mächtig ins Schleudern geraten. 60 Grad für eine Bogenstunde wäre ja noch gegangen, aber warum sollte ein Bogentag für einen Winkel von 1440 Grad stehen, oder ein Bogenjahr für einen Winkel von 525600 Grad. Das wäre doch ziemlich albern.

Und so kann man lesen, der Sonne wurde eine Größe von 31'59'', also von 31 Bogenminuten und 59 Bogensekunden verordnet, zusammen 1919 Bogensekunden.

('' steht übrigens für Bogensekunden, ' für Bogenminuten; aber das werden Sie ja schon bemerkt haben.)

Dem Vollmond wurden 31'5'' oder 1910 Bogenminuten zugewiesen. Diese Fast-Übereinstimmung der Größen war notwendig, damit die Mondscheibe beim Vorbeizug vor der Sonnenscheibe diese gerade so verdeckt, dass wir die so faszinierende Sonnenfinsternis erleben können. Hätte der Mond ein Größe von vielleicht nur schlappen 200 Bogenminuten, hätten wir wahrscheinlich den Begriff der Sonnenfinsternis nie erfunden. Der Vorbeizug des Mondes vor der Sonnenscheibe würde dann lediglich eine leichte Eintrübung der Sonne auslösen, sozusagen einen Grauen Star.

Eine Sonnenfinsternis ist da viel eindrucksvoller. Das hat der Schöpfer sauber hingebogen. Man muss dabei ja noch berücksichtigen, dass es sich bei den Größenangaben der Astronomen um scheinbare Größen handelt, um die für uns beobachtbare Ausdehnung der Sonnen- bzw. Mondscheibe vor dem Raumhintergrund. Die Entfernungen der Erde von der Sonne und vom Mond spielen entscheidend mit. Auch eine nur 200 Bogensekunden große Mondscheibe könnte ebenfalls zu einer Sonnenfinsternis führen, wenn die Entfernung der Erde inklusive Mond zur Sonne entsprechend größer wäre. So richtig gut wäre das für uns aber nicht; dann schon besser, wie es ist.

Als mich meine Frau kürzlich nach der genauen Uhrzeit fragte, antwortete ich, es sei genau 12 Uhr und 0,5 Grad. Ich fand das lustig, meine Frau nicht so, die verkündete daraufhin, bei meinem nächsten Arztbesuch würde sie mal besser mitkommen, um persönlich mit dem Arzt reden zu können.

Dass ein Sportreporter mit vor Begeisterung zitternder Stimme verkünden könnte, beim soeben absolvierten 100-Meter-Endlauf seien all 8 Starter unter 0,0028 Grad geblieben, ist wohl eher unwahrscheinlich.

Obwohljedoch, die Dopingfahnder würde das vielleicht etwas ablenken.

Wie und warum aber waren denn die wissenschaftlichen Strategen überhaupt auf Hin- und Herbewegung und auf Bogenmaß gekommen, um die dann zum Entfernungsmaßstab Parsec zu verschmelzen? Nun, das ist eine der merkwürdig-logischen Geschichten von der Denke der Wissenschaftler.

Jedenfalls wurde sie mir so erzählt:

Eines trüben Tages, da sie wegen des Wetters die Sterne nicht beäugen konnten und deshalb etwas ratlos in ihren Sternwarten auf besseres Wetter warteten, lungerte eine Gruppe Astronomen einfach so in der Kantine herum.

Man sprach über das dürftige Kantinen-Angebot, den miesen Kaffee, die neue Freundin des Sternwartenchefs, das schrecklich quietschende Räderwerk der Nachführ-Vorrichtung des großen Rohres, die schlechten Leistungen der Mannschaft von Borussia, die jüngste Veröffentlichung amerikanischer Astronomen über die merkwürdigen asymmetrischen Schlingerdrehungen des Asteroiden Ruckzuck 4408, der voraussichtlich erst in 3125 Jahren den Beobachtern auf der Erde seine Rückseite präsentieren wird, und über die Möglichkeit, dass der gerade erst entdeckte sehr kleine Jupitermond Amoralis vielleicht gar kein Jupitermond ist, sondern einer des Saturn oder ein großer Asteroid auf Abwegen oder auch nur eine Lichtbrechung in der Linse des großen Rohres, die möglicherweise mal wieder geputzt werden sollte.

So plauderte man lustig vor sich hin, denn das Wetter ließ auf sich warten. Aber man war auch nicht sonderlich in Eile, die Sterne liefen ja nicht weg.

Schließlich kam man auf ein Thema zu sprechen, das für Astronomen immer interessant ist, auf die Definition der kosmischen Entfernungen.

Sie bedauerten sich gegenseitig ob der Umständlichkeit, mit denen man Entfernungen im Kosmos definieren musste. Kilometer ging ja schon lange nicht mehr. 10^12 oder 10^17 Kilometer könne sich kein Mensch mehr sinnlich vorstellen. Jetzt, da man immer weiter in das Universum hinausblicken und -denken müsse, sei es aber auch schon unerträglich, mit Lichtjahren operieren zu müssen. Man sei da jetzt auch schon 10^6, 10^7, gar schon bei mehreren 10^9 Lichtjahren – das sei doch recht unhandlich.

Auch sei der Begriff Lichtjahr leicht missverständlich. Es habe schon mehrere Schlagertexte, Twitternachrichten und Facebook-Einträge gegeben, in denen jemand versicherte, er würde Lichtjahre auf irgendjemand warten oder irgendetwas würde Lichtjahre dauern. Bei einer solchen Vermischung von Zeit und Distanz würde es selbst einem hungrigen Astronomen den leeren Magen umdrehen.

Und als man so daher plauderte, stellte ein junger, deshalb auch recht naseweiser Forscher eine wichtige Frage: Wie groß ist eigentlich der Daumensprung, in Winkeln ausgedrückt?

Die Runde wies den Typen zurecht, es ginge hier um ernsthafte astronomische Probleme. Seine Frage könne er ja mal bei einer Quiz-Show im TV unterbringen, bei Jauch vielleicht oder bei Pflaume. Hier ginge es um ein großes, sogar immer größer werdendes wissenschaftliches Problem.

Der junge Astronom wunderte sich, woher die Alten überhaupt die Namen der TV-Show-Akteure kannten, sagte aber nichts.

Das übernahm ein besonders alter Kollege, der wegen seines Alters und seiner Sternenforscherverdienste schon jenseits von Gut und Böse stand. Der Verdiente riet, man solle doch mal genauer über die harmlose Frage nachdenken. Viele zunächst harmlos erscheinende Fragen würden sich bei genauerem Nachdenken als für die Geschicke der Menschheit außerordentlich bedeutsame Fragen entlarven, deren Beantwortung nichts mehr so sein lassen würde, wie es vorher war.

Man solle sich doch nur mal an die scheinbar harmlose und von Wissenschaftlern über die Jahrhunderte als völlig überflüssig angesehene Frage erinnern, warum ein Marmeladenbrot, wenn man es hoch wirft, immer mit der Marmelade auf den Boden knallt. Als man endlich der Frage nachging, entdeckte man schließlich nichts Geringeres als das bedeutende Prinzip der Fraktalen Asympatischen Aberration, das heute in vielen technologischen Verfahren Anwendung findet.

Auch die lange für unbedeutend gehaltene Frage, ob man, wenn man konsequent gen Westen segelt, doch nur wieder am Ganges landet oder mal was Neues findet, hätte schließlich und ziemlich überraschend zur Entdeckung der Kartoffelchips und von Jennifer Lopez geführt.

Die Runde nickte zwar, aber das Gespräch erstarb, da niemand mit der Asympatischen Aberration etwas anfangen konnte, und mit Jennifer Lopez schon gar nicht.

Wenig später machten sich aber ein oder zwei Teilnehmer der Runde doch über die Frage her und ermittelten, dass der Winkel beim Daumensprung rund 6 Grad oder 21600'' Bogensekunden beträgt, je nach Länge der Arme, die ja bei verschiedenen Menschen auch leicht verschieden sein können.

Das ist auch so eine Sache. Warum hat der Schöpfer keine Normgrößen eingeführt? Das würde uns viel Aufwand und manchen Ärger ersparen. Es gibt sehr kleine, kleine, mittelgroße, große, sehr große und übergroße Menschen; sie können dürr, dünn, schlank, stramm, mollig, dicklich, dick, auch fett sein; es gibt langbeinige und kurzbeinige Menschen, Sitzriesen und Sitzzwerge, die Brustumfänge sind unterschiedlich (besonders bei Frauen); die Köpfe können verschiedener Größe sein, die Füße auch, selbst der Penis bei den Männern ist nicht genormt. Das alles erschwert die Kleiderwahl und sonstige Körperausstattungen.

Wer einen durchschnittlichen Körper hat, kommt noch am besten klar. Aber Menschen mit Körperlängen von 1,40 oder 2,20 Meter und Schuhgrößen von 22 oder 52 haben da große Schwierigkeiten, Passendes zu finden, was trotzdem noch ansehnlich ist. Eine einheitliche Normgröße für alle Körperdetails würde der Bekleidungsindustrie, dem Handel und uns als Konsumenten das Dasein wesentlich erleichtern. Unverständlich, warum der Schöpfer, wenn es ihn gab, uns das verweigerte.

Und die Evolution, die alte Schabracke, hätte da auch besser aufpassen müssen. Effektivität ist der wohl ein Fremdwort. Tut arrogant immer so, als würde sie nur das Geeignetste auswählen, aber schon bei den einfachsten Sachen merkt man, groß nachgedacht hat die wohl selten.

Gäbe es, nur mal als Beispiel, wenigstens eine einheitliche Norm für den Abstand der beiden Augen im menschlichen Antlitz und für die Länge der Arme, einschließlich der Distanz vom Auge zum aufgerichteten Daumen, und würden wir den Daumensprung mit einem Sensor in einer elektronischen Daumensprungbrille exakt vermessen, wir könnten freiäugig sehr präzise Entfernungs- und Größenmessungen vornehmen. Aber leider – es gibt die Körpernormung nicht. Vielleicht auch ganz gut. So können wir uns wenigstens auseinander halten.

Wo war ich gleich stehen geblieben? Ach ja, beim Daumensprung-Winkel.

Wie bitte, wo da jetzt ein Winkel herkommt? Ja, Sie müssen schon ein wenig mitdenken, wenn Sie ein wissenschaftliches Buch lesen und vielleicht sogar verstehen wollen.

Stellen Sie sich einfach vor, sie würden vom Daumen aus mal auf ihr rechtes Auge blicken und dann auf ihr linkes. Wie, Sie können das nicht? Sie sollen es sich ja auch nur vorstellen, stellen Sie sich doch nicht so an. Wenn sie sich jeweils eine Linie zwischen Daumen und Auge denken, dann laufen diese Linien eben nicht parállelos, sondern sie wären in einem Winkel zueinander. Sie können sich die beiden Linien auch hin- und herparallaxt denken, damit sie sich schneller dem Thema nähern

Gut, sagten sich die Astronomen, nun schon soweit vorgedrungen, die Distanz zwischen den Augen spielt also eine wichtige Rolle, jedenfalls beim Daumensprung; sie ist eine Art Basislinie, auf die sich der Winkel beziehen muss. Haben wir im weiten kosmischen Rund auch so eine Basislinie?

Ja doch, frohlockten sie. Die Distanz der Erde zur Sonne ist so eine Basislinie. Die Bahn der Erde ist zwar leicht elliptisch, aber der Unterschied zwischen der großen und der kleinen Halbachse ist nicht sehr groß. Der Durchmesser der Galaxis könnte auch so eine Basislinie sein, oder der Radius. Aber die kennt niemand so ganz genau. Also entschied man sich für die zwischen großer und kleiner Halbachse gemittelte Erdbahn als Basislinie.

Nun erst kam die entscheidende Fragestellung. Die Astronomen fragten sich nämlich, was sie machen müssen, wenn sie die Halbachse der Bahn der Erde um die Sonne in einem Winkel von genau einer Bogensekunde sehen möchten.

Diese Frage hatte schon viele Menschen beschäftigt. Es gibt ja kaum eine Handvoll Fragen, auf die die Menschen einheitlich und dringend auf Antworten hoffen. Die Frage nach der Entstehung des Universums, der Herkunft des Menschen und der Existenz Außerirdischer etwa, auch wann Dortmund mal wieder Fußballmeister wird, vielleicht noch die nach der Existenz Gottes und dann eben die Frage, unter welcher Bedingung man die Halbachse der Erdbahn in einem Winkel von genau einer Bogensekunde sehen könnte.

Wenn ich ehrlich bin, mich hat diese Frage nicht so sonderlich bewegt, ich wollte die Halbachse der Erdbahn gar nicht sehen, weder in einem Winkel von einer Bogensekunde noch überhaupt. Ohne Brille könnte ich das sowieso nicht und dann blendet die Sonne auch immer recht lästig. Und für halbe Sachen bin ich sowieso nicht.

Die Antwort der Astronomen auf die Fragestellung war ebenso naheliegend wie umwerfend überzeugend: Man muss dann die Halbachse aus einer Entfernung von genau einem Parsec betrachten.

Das war's; damit war eine neue Entfernungsdefinition geschaffen.

Hier noch einmal die ganze Definition:

Ein Parsec ist die Entfernung, in die man sich begeben muss, wenn man die mittlere Halbachse der Bahn der Erde um die Sonne gerade in einem Winkel von einer Bogensekunde sehen möchte. Wenn man das nicht möchte, kann man es auch bleiben lassen. Aber ein Parsec ist dann immer noch ein Parsec.

Na, war denn das so schwer? Jetzt konnten die Astronomen die kosmischen Distanzen handlich ausdrücken, einige wenige Parsec, vielleicht auch mal einige hundert Mpc oder 1 oder 2 Gpc – das ist doch handlich.

Gut, ein Pc, das sind auch schon 31 Billionen Kilometer und Mpc sind immerhin schon wieder Millionen Parsec, aber trotzdem sind Pc und Mpc übersichtlich. Das Parsec wird daher heute hartnäckig benutzt, um Distanzen und Größen in handlichen Zahlen ausdrücken zu können. Warum auch nicht, wenn es nützt.

Warum ich das alles in dieser Ausführlichkeit hier beschrieben habe? Sehr einfach. Es war mir eine Möglichkeit, anschaulich zu zeigen, wie komplex die Dinge in der Wissenschaft sind, wie alles mit allem zusammenhängt und auch, wie mühsam und verschlungen die Wege sind, die die Wissenschaft gehen muss.

Gut, die Astronomen hätten auch sagen können: Wir rechnen ab dem 1. Juli (das Jahr muss noch festgelegt werden) mit dem Entfernungsmaßstab Qwertz. Ein Quertz soll ab sofort 123456007 Lichtjahre betragen. Und zwar nicht, weil es so ist, sondern weil wir das so wollen.

Wären sich die Astronomen darin einig gewesen, niemand hätte daran etwas ändern können. Es hätte vielleicht Diskussionen gegeben, Leserzuschriften, Beschimpfungen in den so genannten sozialen Medien, möglicherweise auch mal eine samstägliche studentische Protestdemo gegen die Willkürherrschaft des wissenschaftlichen Establishment, die Grünen und die Linken hätten bestimmt den Rücktritt des Ministers für Heimatkunde gefordert, aber mehr wäre nicht passiert.

Jedenfalls hätte man sich mit Qwertz alle die Überlegungen mit Basislinie, Winkelgrad und Bogensekundenminuten ersparen können.

Nur wäre Qwertz reine Willkür gewesen, Parsec aber wurde auf wissenschaftlichem Weg ermittelt und auch so begründet, ist also eine kognitiv fundierte Größe. So haben Sie auch darin ein wichtiges Stück Wissenschaft kennengelernt.

Und Sie sollen ja auch was lernen, wenn Sie meinen Text lesen.

Wer verarscht hier eigentlich Wen?

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