Читать книгу Wyatt Earp Classic 38 – Western - William Mark D. - Страница 3

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George Hoyt war ein großer, breitschultriger Bursche mit kantigem, braungebranntem Gesicht, funkelnden grünen Augen und wildwucherndem, strähnigem Blondhaar. Er bevorzugte karierte grellbunte Hemden, enge Levishosen und hochhackige zweifarbige Stiefel mit überdimensionalen Sternradsporen, die bei jedem Schritt ein nervenzersägendes Klirren von sich gaben. In dem abgewetzten hellbraunen Halfter, das tief über dem linken Oberschenkel am patronengespickten Waffengurt hing, steckte ein großer fünfundvierziger Coltrevolver.

Geo – wie er seit seinen Knabentagen genannt wurde – trug einen hellen Stetson, den er meistens weit aus der Stirn geschoben hatte.

Er saß auf der obersten Stange des Corralgatters, zog mit den Spornrädern tiefe Furchen in das weiche Holz und kaute mit seinen starken Zähnen auf einem Zündholz herum. Das linke Auge hatte er zusammengekniffen und blinzelte zur Straße hinüber, die im hellen Sonnenglast des Mittags lag.

Hinter ihm, in dem hohen Pferch, dösten fünf struppige Pferde mit hängenden Köpfen vor sich hin. Und hoch im flimmernden Stahlblau des wolkenlosen Texashimmels jubelte ein kleiner Sommervogel.

Drüben lag die Stadt.

Happy, dieses elende ausgebleichte Nest, das nicht einmal wußte, zu welchem County es gehörte. Die Hälfte der Bürger war dafür, daß man sich für Randall entschließe, während die andere Hälfte darauf schwor, daß die Stadt zum Swesher County gehörte. Mat Kelton, der Sheriff, hielt sich an Randall, es gab allerdings Leute, die behaupteten, daß er nicht selten erklärt habe, die Stadt gehört zu Sweshers County. Dies allerdings geschah nur dann, wenn es galt, einen gefährlichen Outlaw zu verfolgen, der sich nach Norden und somit ins Randall County gewandt hatte.

Geo Hoyt kümmerte sich um diese Dinge nicht. Er wußte zwar, daß der große weißgraue Stein, der da drüben hinter der Scheune stand, die Grenze zwischen den beiden Countys markierte, hatte sich aber niemals Gedanken darüber gemacht. Die Jungs von der großen Ranch, mit denen zusammen er drüben auf den einsamen dürren Weiden am Prärie-Dog Fork aufgewachsen war, wußten alle nur, daß sie Texaner waren. Und das allein war für Geo wichtig.

Die große Ranch in der Talmulde, zehn Meilen vom Memphis, hatte dem Vater gehört…, yeah, sie gehörte ihm heute noch, und sicher würde sie eines Tages Geo gehört haben, wenn die Sache mit Jeff Breakridge nicht gewesen wäre.

Geo griff mit der Linken zur Brusttasche seiner abgetragenen hellen Lederweste und nahm sein Tabakzeug hervor. Während er sich mit seinen großen Händen aus den Durhamblättern und dem senfbraunen Papier eine Zigarette drehte, dachte er, wie so oft in den letzten Jahren, an den kleinen Cowboy Jeff.

Es war nur eine kleine Geschichte. Aber immerhin war sie wichtig genug, das Leben des Texaners George Hoyt zu bestimmen.

Breakridge war Vormann auf Vaters Ranch gewesen. Ein kleiner drahtiger Bursche, der die große Mannschaft der Hoyt Ranch immer in bester Ordnung gehalten hatte. Für Geo, dem einzigen Sohn des Ranchers, hatte der grauhaarige Cowboy immer eine besondere Schwäche gehabt. Der Junge hatte alles von ihm gelernt, was man im Leben auf der Weide können und wissen mußte.

Auch das Schießen. Breakridge war ein Meisterschütze gewesen. Eine Tatsache, die immerhin bemerkenswert war, wenn man bedenkt, daß die meisten Cowboys zwar mit Ihren Colts umzugehen wußten, aber doch keine großen Schützen waren.

Jeff hatte den ungebärdigen Ranchersohn nicht selten unter eigener Gefahr aus manch brenzliger Lage gerissen. Aber Geo hatte ihm keinen Dank gewußt. Im Gegenteil, der wilde Bursche hatte den schwerarbeitenden Vormann insgeheim wegen seiner schnellen Schußhand so sehr beneidet, daß mit der Zeit aus diesem Neid ein regelrechter Haß wurde.

Eines Nachts lehnte Geo in Memphis im River Saloon an der Theke. Er war angetrunken. Plötzlich stand Jeff Breakridge in der Tür. Der Rancher hatte den Vormann geschickt, seinen erst siebzehnjährigen Sohn nach Hause zu holen. Flammender Zorn schoß in dem Burschen hoch. Und nach kurzem Redewechsel schrie Geo: »Zieh!«

Es war nur eine Reflexbewegung gewesen, die die Hand des Vormanns zum Colthalfter geführt hatte. Break-ridge hatte und hätte nicht gezogen. Aber er hatte die Bewegung gemacht, sie allein war später so eine Art Rechtfertigung für Geos Schuß gewesen.

Der siebzehnjährige texanische Ranchersohn George Hoyt hatte den Vormann Jeff Breakridge erschossen.

Niemand hatte ihm etwas anhaben können, denn die Bewegung des Vormanns hatte die Sache zu einem fairen Gunfight gemacht. Wahrscheinlich hätte ohnehin niemand gewagt, den Sohn des mächtigen Großranchers anzuklagen.

Breakridge hatte einen sinnlosen Tod sterben müssen. Sinnlos, weil ein siebzehnjähriger angetrunkener Bursche ihn, der gar nicht die Absicht gehabt hatte, sich tatsächlich auf einen Revolverkampf einzulassen, niedergeschossen hatte.

Nein, es hatte niemanden im County gegeben, der Geo angeklagt hätte. Und doch gab es einen Mann, der von dieser Stunde an von dem Burschen nichts mehr wissen wollte. Dieser Mann war wichtiger für Geo als jeder andere Mann auf der Welt, sein eigener Vater.

Austin George Hoyt hatte seinen Sohn von der Ranch verstoßen. »Mit einem Mörder habe ich nichts zu schaffen. Du bist mein Sohn nicht mehr.«

In dieser Nacht hatte das zweite Leben des jungen Hoyt begonnen. Er hatte die Ranch verlassen und war mit seinem schwarzen Hengst ziellos westwärts geritten. Es dauerte auch nicht lange, da hörten sie daheim im Hall County von ihm. Er hätte oben im Duro Canyon eine Schießerei mit einem Mann aus Amarillo gehabt. Wenig später mußte der Rancher erfahren, daß Geo auf der berühmten Boys Ranch bei Tascosa in eine Schießerei verwickelt worden war.

Dann kam unten aus Lamesa die düstere Nachricht, daß Geo Hoyt den Revolvermann Andrew Weatherland erschossen hatte.

Eine Zeitlang war es still geblieben, dann wurde im County erzählt, Geo sei bei einem Duell in Penwell erschossen worden.

Der Cowboy Perkins, der die Nachricht auf die Hoyt Ranch gebracht hatte, sah nur, daß sich das faltige Gesicht des Ranchers für einen Augenblick zusammenzuziehen schien.

Seither waren die Nachrichten über den schon mysteriös gewordenen »schwarzen Reiter« ausgeblieben.

Aber George Hoyt lebte noch. Die schwere Verwundung, die er sich im Kampf mit dem Revolvermann Jake Midland in Penwell zugezogen hatte, war von seiner robusten Natur überwunden worden.

Er war weitergeritten. Hinüber nach New Mexico. Dann hinunter nach Arizona. Bald aber war er nach Texas zurückgekehrt. Wie jeden echten Texaner, so zog es den jungen Hoyt wieder in seine Heimat zurück. Er konnte nicht leben ohne dieses weite gelbbraune Land.

So war er nach Jahren hierher nach Happy gekommen. Ohne jede Absicht, wie er überhaupt völlig ohne jede Absicht durch das Land zog.

*

Drüben aus dem zweiten Haus auf der rechten Straßenseite kam ein Mann.

Geo konnte das Haus hier von seinem Platz aus noch gut sehen. Es war nicht viel größer als die anderen, war ebenfalls aus dem üblichen schlechten Bretterholz zusammengenagelt und wirkte ebenfalls so windschief, wie all die anderen auch. Was es von denen unterschied, war nur die Tatsache, daß es oben an seiner hohen Fassade ein grellweißes Schild mit den Buchstaben Saloon trug.

Der Mann war groß und hatte einen schweren Körper. Er blieb auf der zweistufigen Vorbautreppe stehen und sah die Straße hinunter. Dann hatte er den Mann drüben am Corralgatter entdeckt.

Dreihundert Schritte waren es bis dahin.

Der Mann nahm einen kurzbeinigen Braunen von der Haltestange, zog sich in den Sattel und ritt zum Corral hinüber.

Als er vor Geo hielt, stützte er sich aufs Sattelhorn. Er war ein Mann in den Vierzigern. Er hatte ein breitflächiges, schwammiges, wenig angenehmes Gesicht mit stechenden gelblichen Augen und einem aufgeworfenen Mund. Unter seinem breitrandigen Melbahut kam strähnig angegrautes Haar hervor. Er hatte einen mächtigen Leib, trug eine Jacke aus grauem Tuchzeug, eine auffällige gelbkarierte Hose und zu seinem grauen Kattunhemd eine schwarze Samtschleife.

Als er jetzt sprach, schob er die Unterlippe links vor und ließ eine Reihe gelber starker Zähne sehen. »He, Hoyt, ich hätte einen Job für Sie.«

»Ich suche keinen.«

»Weiß ich«, gab der Mann schnarrend zurück. »Trotzdem mache ich Ihnen ein Angebot. Dreihundert.«

Geo nahm sein Rauchzeug wieder aus der Tasche und drehte sich bedächtig eine Zigarette.

Dreihundert.

Er hatte noch ganze zwei Dollar in der Tasche. Die hielten nicht lange vor.

Er kannte den Mann, der ihm das Angebot machte. Es war Winston Legger, er hatte einen Spielsalon in der Stadt. Seit mehreren Jahren lebte er hier in der Stadt und luchste den Männern das Geld aus der Tasche. Im vergangenen Herbst hatte er auch drüben den alten Saloon zugekauft. Legger war ein Blutsauger schlimmster Güte. Er verlieh Geld und nahm Zinsen, daß ein armenischer Händler hätte erbleichen können.

Es gab kaum jemanden in der Stadt, der ein freundliches Wort über den Mann hätte sagen können.

Und jetzt hatte er dem Revolvermann Geo Hoyt ein Angebot gemacht.

Hoyt brauchte nicht zu fragen, um was es sich handelte. Das war klar. Denn wer einen Georg Hoyt ein Angebot machte, brauchte seine schnelle Revolverhand.

Geo riß an dem rauhen ausgetrockneten Holz des Gatters ein Zündholz an. Gelbzischend fraß sich die Flamme in den dünnen Span.

Geo zündete sich die Zigarette an, ließ das Zündholz fallen und schob mit der staubigen Stiefelspitze Sand darüber.

In dem Gesicht des Salooners spiegelte sich Ärger. Unwillig fragte er: »Was ist nun, willst du es dir überlegen?«

Geo hob langsam den Kopf und sah Legger an.

Der erschrak, als er in die kalten grünschimmernden Augen des Revolvermannes sah. Er erschrak bis ins Innerste.

Er hatte jetzt größeren Ärger. Es gab da einen Mann, den der wohlhabende Win Legger gern auf dem Boot Hill wüßte.

Und dazu konnte ihm nur ein Mann wie Geo Hoyt verhelfen.

Ed Billings war Zimmermann. Eine Zeitlang war er Deputy bei dem Sheriff gewesen, aber dann hatte er bei einer Schießerei mit Banditen ein Auge verloren und den Nebenjob aufgeben müssen.

Billings war einer der Männer in Happy, die verschworene Gegner des »Blutsaugers« aus Alabama waren. Von jeher. Ed besuchte nie den Spielsaloon und seit Legger auch die alte Schenke am nördlichen Stadtausgang gekauft hatte, ließ sich Billings auch da nicht mehr sehen.

Legger machte das nichts aus, wie er sich überhaupt nicht um die Leute kümmerte, die unwichtig für ihn waren.

Billings war jedoch urplötzlich äußerst wichtig für den Spielhöllen-Besitzer geworden, der das Alkohol-Monopol in der Stadt und überhaupt im Umkreis von dreißig Meilen zu besitzen glaubte.

Billings Grundstück an der mittleren Main Street war nicht sehr groß. Und da seine Zimmerei nicht besonders gut ging, hatte er nichts dagegen gehabt, als eines Tages Ted Sullivan, der Inhaber des alten Saloons, den Legger für ein Spottgeld gekauft hatte, zu ihm kam und ihm eine hübsche Summe für das Grundstück bot. Sullivan hatte das Geld von den Bürgern zur Verfügung gestellt bekommen, die Legger boykottieren wollten.

Der alte Sullivan war nur der Strohmann – ganz klar. Die Bürger wollten eine neue Schenke in der Stadt haben. Und nur Billings Grunstück war feil.

Billings hatte zugesagt.

Da hörte er die heisere rostige Stimme des Revolvermannes: »Wer ist es?«

Hoyt hörte sich die Worte Leggers an. Und als der ihm eine wortreiche Geschichte auftischen wollte, machte der Coltmann eine wegwischende Handbewegung.

»Er ist Ihnen im Weg. Habe vollkommen verstanden.«

»Im Weg? Das ist nicht ganz richtig, Hoyt«, tat Legger gekränkt. »Im Wege – nein. Er ist ein charakterloser Bandit. Er will mir in den Rücken fallen. Weil er was gegen Leute aus Alabama hat, deswegen will er mich ruinieren. Vielleicht verstehen Sie das nicht, Hoyt, aber…«

»Ich will es auch gar nicht verstehen.« Der Revolvermann hatte es kurz und blechern über die Lippen gebracht. Seine Augen hingen drüben an der Main Street.

»Wann?« fragte er plötzlich.

»Das ist Ihre Sache. Am besten gleich.«

»Name?«

»Billings, Edward«, sagte der Salooner hastig.

»Wo ist er!«

»In Websters Boardinghouse.«

»Wie alt?«

Legger schluckte. Die präzisen Fragen des Schießers irritierten ihn gewaltig.

»Ich weiß es nicht.«

»Zwanzig oder sechzig?«

»Spielt das eine Rolle?«

Da richtete der Revolvermann seine kalten grünen Augen wieder auf den Geldverleiher. Für eine lange Sekunde haftete der Blick dieser Augen auf Leggers verschwommenem Gesicht.

»Yeah, Mister, das spielt eine Rolle. Männer unter zwanzig sind keine Männer. Dafür zahlen Sie auch weniger. Und Männer über sechzig sind alt. Dafür zahlen Sie auch ebenfalls weniger.«

Legger blickte betreten in dieses harte, steinerne Gesicht, in dem sich kein Muskel bewegte.

»Und Männer um vierzig?«

»Das sind die gefährlichsten. Wenn ein Mann etwas kann, dann kann er es mit vierzig am besten.« Dieser Satz war von Jeff Breakridge, wie vieles, was Geo Hoyt sagte. »Und wenn ein Mann schießen kann, dann kann es es mit vierzig am besten. Ist das klar?«

Legger rieb sich das Kinn. »Nicht ganz. Soll das heißen, daß dreihundert Dollar zu wenig sind?«

»Yeah.«

Legger richtete sich im Sattel auf. »Well, dann verzichte ich, Hoyt.«

Der Schießer nahm sein Messer aus dem Gurt und reinigte damit ungeniert seine Fingernägel. Für ihn war die Sache erledigt – und der Geldverleiher nicht mehr vorhanden.

Legger blickte mit verkniffenem Gesicht auf ihn nieder. »Sie sind ein hartgesottener Bursche, Hoyt. Aber da haben Sie bei mir kein Glück. Ich habe mich selbst durch dieses lausige Leben und durch dieses dreckige Land schlagen müssen.«

Da hob der Texaner den Kopf. »Wenn das Land dreckig ist, dann sollten Sie zurück nach Alabama gehen.«

Legger erschrak. Heavens, da war er in den Fettnapf getreten. Er suchte sofort wieder auszugleichen, indem er sagte: »Ich lege zwanzig Böcke zu, Hoyt. Dann muß die Sache aber klargehen.«

Der Coltmann schabte weiter geräuschvoll an seinen Nägeln herum. »Vierhundert«, kam es frostig von seinen schmalen Lippen.

Legger schrak zusammen. Damned. Wie der Mann das gesagt hatte. So, daß man kein weiteres Wort über die Geschichte zu verlieren brauchte.

Legger dachte nicht daran, vierhundert Bucks für den toten Ed Billings auszuspucken.

Das war entschieden zuviel. Dreihundert waren nach seiner Ansicht bereits Geld genug.

Da kam dem Geldverleiher ein neuer Gedanke. Er äußerte ihn auch sofort. »Sie irren sich, wenn Sie glauben, daß ich auf Sie angewiesen bin, Hoyt. Es ist heute mittag ein Mann in der Stadt angekommen, der weniger Fragen stellt als Sie.«

Hoyt, der nun wirklich ein wortkarger Bursche war und im allgemeinen nur das Notwendigste sprach, blickte nicht auf. »Nehmen Sie ihn«, sagte er nur.

Legger schluckte. »Yeah, ich werde es tun. Billy the Kid ist ohnehin schneller als Sie.«

Der Kopf des Schließers flog herum.

Was hatte der Alabama-Mann da gesagt? Es sollte einer in der Stadt sein, der schneller wäre als er?

Billy the Kid!

Der Alabama-Mann unterbrach die Gedanken des Texaners. »Er ist der schnellste Schütze des ganzen Westens.«

Geo Hoyt zischte: »Unsinn. Sie sagen, daß Doc Holliday der schnellste Schütze wäre. Ich habe ihn noch nie gesehen. Und Wyatt Earp soll Holliday nicht nachstehen. Aber Billy the Kid? No, Mister.«

Flammende Zornesröte flog über das Gesicht des Geldverleihers. »Billy the Kid ist der schnellste Schütze in Texas, darüber gibt es jedenfalls keinen Zweifel. Doc Holliday und Wyatt Earp mögen schneller sein, well, das will ich nicht bestreiten – ich habe sie übrigens beide schon gesehen – aber Billy ist der schnellste Mann in Texas.«

Das Geschoß saß. Der gerissene Legger hatte schnell die verwundbare Stelle des Coltmanns getroffen.

Hoyt schob das Messer in den Gurt und richtete sich auf. »Well, ich werde mir Billy ansehen.«

Legger erschrak. Teufel auch, was hatte er davon, wenn sich die beiden Gunslinger niederschossen? Nichts. Er brauchte Hoyt. An Billy hatte er nicht einen Augenblick ernsthaft gedacht. Er wußte genau, daß er einen solchen Mann gar nicht hätte anzuwerben brauchen. Wenn Billy solche »Aufträge« überhaupt annahm, dann auch gegen eine entsprechende Bezahlung, die seinem großen Namen angepaßt war.

Legger nahm die lange dünne Virginia aus der Jackentasche, riß ein Zündholz an und zog hastig ein paar Rauchwolken aus der Zigarre.

Plötzlich nahm er die Virginia aus dem Mund und stieß hervor: »Mein letztes Wort: Dreihundertfünfzig.«

Wie eine Holzfigur stand der Revolvermann da und blickte zur Main

Street hinüber. Er hatte die Linke gewohnheitsgemäß dicht über dem Hirschhornknauf seines Revolvers hängen, so als stünde er bereits im nächsten Gunfight.

»Es ist nicht Ihr letztes Wort«, gab er frostig zurück.

Legger sah ihn verblüfft an. Dann knurrte er: Dreihundertsechzig.«

»Ich sagte ja, daß es nicht Ihr letztes Wort war.«

»Sie nehmen an?«

»Vierhundert.«

Der Alabama-Mann zischte: »All right! Aber ich wünsche, daß die Bucks Ihnen die Hölle an den Hals bringen, Sie verdammter Halsabschneider.«

Hoyt fuhr herum. Der Revolver flog in seine Linke. Ganz langsam senkte sich der Kopf des Revolvermannes auf die linke Schulter. »Hören Sie, Mister, mir scheint, daß sie näher an dem Sarg sind als der Zimmermann.«

Legger war blaß geworden. Die Blitzreaktion des Texaners hatte ihn bis ins Tiefste erschrocken. Er schluckte und brachte stotternd hervor: »Keinen Ärger, Mr. Hoyt. Es ist alles klar. Sie kriegen die vierhundert. Gleich nach dem Fight werde ich…«

»Zweihundert jetzt, den Rest später«, schnarrte der Schießer geschäftsmäßig.

Legger sah, daß er bei dem Mann mit seinen Tricks nichts werden konnte. Er zog zweihundert aus der Tasche und warf sie dem Coltmann zu.

Der Texaner blickte hartäugig in das Gesicht des anderen. »Heben Sie das Geld auf, Mister, und geben Sie es mir.«

Ganz leise hatte er es gesagt, bedrohlich leise. Aber so nachdrücklich, daß sich der schleimige Wirt aus dem Sattel gleiten ließ und tatsächlich nach dem Geld bückte. Als er die Hand danach ausstreckte, sah er plötzlich die staubige Stiefelspitze des Revolvermannes auf dem Papierbündel.

Legger wandte den Kopf und blickte hoch. Er sah wieder in das harte, grünflimmernde Augenpaar. »Was soll das?« fragte er zitternd. »Ich verstehe nicht.«

»Sie geben mir die vierhundert voll.«

»Aber…«

»Vorwärts!«

»Haben Sie etwa kein Vertrauen zu mir?« erboste sich der Salooner.

Ein trockenes Lachen brach von den Lippen des Schießers. »Vertrauen? Bei einem Mann, der glaubt, mich in den Staub schicken zu können, sind zweihundert Bucks verdammt schlecht aufgehoben. Vorwärts, jetzt, vierhundert!«

Win Legger begriff, daß er alles, aber auch alles bei diesem Coltmann falsch gemacht hatte. Er spürte, daß es absolut keinen Sinn hatte, es mit weiteren Verhandlungen zu versuchen. Wenn er diesen Mann mit dem »Job« beauftragen wollte, dann mußte er jetzt die vierhundert auspacken.

Win Legger gab dem Schießer das Geld. Es zuckte in seinem Gesicht, als er Hoyt die vier Bündel überreichte. »Ich …«

Der Gunslinger hob die Hand. »Sparen Sie sich lieber Ihre Worte, Mister. Es könnte mich die Lust anwandeln, diese schöne Stadt gleich zu verlassen.«

Legger erschrak erneut. »Aber dann wären Sie …«

Hoyt warf den Kopf herum. Wie Dolchmesser bohrten sich seine Smaragdaugen in das schwammige Gesicht des Geldverleihers.

»Ich könnte vor meinem Abritt die bezahlte Kugel noch auf die Reise schicken, Mister«, sagte er gedehnt, »aber es ist durchaus möglich, daß sie den Mann trifft, der sie bezahlt hat. Yeah, so was soll’s geben.«

Legger starrte den Revolvermann sprachlos an.

Da schob der das Geld in die Hemdtasche und setzte sich in Bewegung.

Legger sah ihm nach, zeichnete mit den Augen die eckige Silhouette nach, die die hochgewachsene Gestalt des Texaners in den stahlblauen Himmel warf.

In schnurgerader Linie ging der Revolvermann auf die Main Street hinüber.

*

Websters Boardinghouse lag etwa dreihundert Yards weiter.

Der Revolvermann blieb stehen. Mit gespreizten Beinen und steif herabhängenden Händen.

Sein breiter Hutrand warf einen tiefen Schatten auf sein sonnenverbranntes, hartes, eckiges Gesicht.

Mit einem Ruck warf er den Kopf hoch und brüllte: »Billings!«

Er tat es ohne jede Erregung.

Oben im Boardinghouse wurde eines der Fenster hochgestoßen.

Ed Billings blickte auf die Straße. Als er den Schießer sah, den er natürlich wie jeder in der Stadt kannte, wurde er aschgrau. In rasender Schnelle begriff er, was das zu bedeuten hatte.

Der Halsabschneider Legger hatte einen Gruß geschickt. Einen unmißverständlichen Gruß.

Billings Frau stand zitternd in der Fensternische. »Was soll das bedeuten, Ed?« fragte sie entgeistert.

Mit kaum bewegten Lippen gab der Zimmermann zurück: »Er fordert mich.«

»Was?«

»Yeah – ich muß auf die Straße.«

Mit belegter Stimme hatte der Zimmermann es hervorgebracht. Er hatte inzwischen die ganze Brutalität der Situation begriffen, er wußte, daß er verloren war, daß ihm jetzt niemand helfen konnte. Niemand, keiner von all jenen Männern, die hinter Ted Sullivan standen und die ihn als Figur gegen Legger aufgestellt hatten.

Billings atmete schwer.

Da drang der zweite Schrei der Holzfigur von der Straße an sein Ohr.

Der Zimmermann hob mit einer vagen Bewegung die Hand. »Yeah, ich komme.«

Billings wandte sich ins Zimmer zurück. Seine Frau hatte nur einen kurzen Blick auf den Mann unten auf der Straße geworfen. Sie preßte ihre Hände um seine Rechte.

»Geo Hoyt! Nein, Ed. Das kannst du nicht tun. Du kannst nicht hinuntergehen. Es ist Hoyt. Der Coltmann. Er wird dich ermorden.«

Ermorden. Das war es. Die Frau hatte es ausgesprochen.

Und es war die Wahrheit. Denn was Hoyt vorhatte, war blanker Mord. Auch wenn die Gesetze des Westens es anders sagten.

»Ed!«

Der Schrei der Frau gellte in seinem Ohr, als er bereits draußen auf dem Korridor stand und den alten, brüchigen, mit Schimmel besetzten Colt umschnallte.

Er nahm den Colt nicht aus dem Halfter. Er prüfte ihn nicht, wog ihn nicht in der Hand.

Wozu auch?

Edward Billings wußte, daß er keine Gelegenheit hatte, ihn zu ziehen.

Der Mann, der ihn zum Sterben gerufen hatte, war der Revolvermann Geo Hoyt.

Yeah, der Zimmermann wußte, daß er seinen letzten Gang antrat. Er ging mit harten Schritten die Treppen hinunter und verließ das Haus.

Mat Kelton sah mit harten Augen diesem Irrsinn zu. Er war kein junger Mann mehr, der Sheriff von Happy. Mit gebeugtem Rücken stand er in der Tür seines Bureaus und starrte auf die Straße.

Genau wie die anderen Männer in den umstehenden Häusern.

Das Drama vollzog sich mit tödlicher Genauigkeit.

Niemand hinderte den Unseligen daran, in die Kugel zu laufen.

Als der Schuß über die Straße peitschte, hatte Edwand Billings nicht einmal den Knauf seines Revolvers berührt.

Das Tor des Mietstalls flog auf.

Ein hochgewachsener Mann stand da und blickte auf die Straße.

Hoyt, der reglos auf der Straße stand, hörte, wie von einem Vorbau die Worte: »Das ist er!« flogen.

Von einer anderen Seite hörte er drei geraunte Worte, die für einen Augenblick sein Herz stillstehen ließ.

»Billy the Kid!«

Hoyts Kopf flog herum. Mit engen Augen blickte er dem Mann entgegen, der jetzt die Straßenmitte erreicht hatte, ihn jedoch überhaupt nicht beachtete, sondern auf den Niedergeschossenen zuging, sich bückte, ihn abtastete und sich dann wieder erhob.

Der Blick des Fremden traf Hoyts Gesicht.

Was dem Texaner noch nie passiert war, geschah jetzt: Er spürte einen glühendheißen Stoß in seiner Brust unter diesem Blick.

Der Fremde stand unbeweglich da.

Auf einmal sagte er drei Worte, die auf der Main Street von Happy wie ein Donnerschlag einschlugen:

»Es war Mord!«

Der erste, der reagierte, war Win Legger. Er war inzwischen herangekommen, sprang von seinem Gaul und brüllte: »Mord? Was fällt ihnen ein, Bill. Es war ein fairer Kampf.«

Der Fremde nahm seinen Blick von dem Revolverschwinger und sah den Salooner an. »Wer sind Sie?«

Legger hüstelte. »Ich bin Win Legger, die beiden Saloons der Stadt gehören mir.

Ich…«

Mit dem Daumen seiner Rechten wies der Fremde auf Hoyt. »Sie haben ihn bestellt.«

Es war keine Frage und kein Vorwurf, es war eine Feststellung.

Und niemand wußte etwas dazu zu sagen.

Eine heiße Minute kroch über die Main Street.

Und an ihrem Ende sagte der Fremde noch einmal: »Es war Mord.«

Da trat Hoyt zwei Schritte vor. In seinen grünen Augen stand wieder das Flimmern.

»Was wollen Sie von mir?« preßte er etwas heiser hervor. Seinen Colt hatte er wieder ins Halfter gleiten lassen.

Der Fremde sah ihn aus eisblauen Augen an. »Ich habe es Ihnen ja gesagt. Es war Mord!«

Das Gesicht des Coltmanns verfärbte sich, und dann zuckte seine Hand zum Revolver – um jedoch am Knauf zu erstarren.

In der Hand des anderen lag bereits ein Schießeisen.

Fassungslos starrte George Hoyt auf die Waffe.

Einen Herzschlag lang war in seinem Hirn absolute Leere.

Was war das? Der Mann hatte den Revolver in der Hand. Vor einer Sekunde stand er noch ohne die Waffe da.

Dem Texaner schien plötzlich alles klar zu sein: Der Fremde war Billy the Kid.

Hoyts Gesicht hatte eine wächserne Farbe angenommen.

Da wandte der Fremde den Kopf und sah zum Sheriff hinüber. »Sie müssen ihn festnehmen.«

Mat Kelton stand reglos da.

Festnehmen? Geo Hoyt? Das wäre glatter Selbstmord.

Aber auch Mat Kelton hatte gesehen, wie der Revolver plötzlich in die Hand des Fremden geflogen war. Mit unnachahmlicher Schnelligkeit hatte der Mann die Waffe aus dem Halfter gezaubert.

Der Sheriff dachte das gleiche wie Geo Hoyt: Er ist Billy the Kid. Er muß Billy the Kid sein.

»Nehmen Sie in fest, Sheriff!«

Mat Kelton stakste auf tauben Beinen an den Rand des Vorbaues. Ganz langsam stieg er die beiden Stufen hinunter auf die Straße.

»Festnehmen«, kam es heiser aus seiner Kehle. »Aber…«

»Was aber? Es war Mord!«

Da sprangen die schmalen Lippen des Schießers auseinander. Ohne den Fremden aus den Augen zu lassen, bellte er: »Er ist wahnsinnig! Wieso war es Mord?«

Da bückte sich der Fremde und nahm dem Toten den Colt aus dem Halfter. Er richtete die Mündung auf den Texaner.

Hoyt wurde noch einen Schein bleicher. Da zog der Fremde den Abzugshahn durch.

Sechsmal.

Und sechsmal klickte der Hammer scharf und metallen auf die leeren Trommeln.

Totenstille herrschte auf der Main Street.

Da machte der Fremde eine kurze, kaum wahrnehmbare Handbewegung, und Ed Billings Colt fiel in den Straßenstaub. »Sheriff, nehmen Sie den Mann fest.«

Da kroch die Hand des Gesetzesmannes ans Kinn. »Yeah, ich…«

Geo Hoyt wußte, das er jetzt handeln mußte, sofort handeln.

In einem weiten Step flog er zur Seite, hechtete zu Boden und riß im Fallen den Colt hoch.

Ein fauchender Schuß brüllte ihm entgegen. Der Colt wurde ihm aus der Hand gewirbelt.

Geo Hoyt lag am Boden, stützte sich auf den linken Ellenbogen und stierte den Fremden fassungslos an.

Der gefürchtete schwarze Reiter, der texanische Revolvermann George Hoyt, hatte nun seinen Meister gefunden.

Hochaufgerichtet stand der Fremde mitten auf der Straße. Aus eiskalten Augen sah er den Schießer an. Sein Revolver war in einem kaum wahrnehmbaren kurzen Wirbelflug ins Halfter zurückgeflogen.

Ich muß handeln, hämmerte es im Hirn des Gunslingers, sofort handeln.

Wie ein Tier federte er hoch und setzte mit zwei Riesensprüngen auf den Fremden zu.

Der war kaltblütig stehengeblieben. Als der Schießer bei ihm war, riß er einen linken Haken nach vorn und wuchtete ihn Hoyt in die kurzen Rippen.

Der Coltmann stand einen Augenblick schwankend da und schleuderte dann einen weithergeholten pfeifenden Schwinger auf seinen Gegner.

Mit artistischer Gewandtheit blockte der Fremde den Schlag mit der Linken ab und riß im gleichen Augenblick einen steif angewinkelten linken Haken aus der Hüfte, der krachend am Kinnwinkel des Schießers explodierte.

Für den Bruchteil einer Sekunde stand der Getroffene steif da, dann kippte er langsam zurück und stürzte in den Straßenstaub.

Aus! Der berüchtigte Revolvermann George Hoyt war geschlagen. Wie leblos lag er am Boden.

Die Zuschauer vermochten sich noch nicht aus der Erstarrung zu lösen.

Da warf der Fremde den Kopf herum, seine Augen suchten den Sheriff. »Nehmen Sie ihn fest!«

Da kam Leben in die Gestalt des Sheriffs. Er setzte sich in Bewegung und ging mit krummen Reiterbeinen auf den niedergeschlagenen Coltmann zu.

Wenige Minuten später lag der immer noch schwer betäubte Revolvermann auf einer der harten Pritschen im Jail des Sheriff-Office von Happy.

*

Mat Kelton kam aus dem Office und sah sich nach dem Fremden um. Der war verschwunden.

Win Legger lehnte noch drüben am Zügelholm. Als er den Sheriff sah, deutete er mit dem rechten Daumen über die Schulter auf Websters Boardinghouse. »Da ist er hineingegangen.«

»Billy?« fragte Kelton und rieb sich unbehaglich das Kinn.

Legger nickte.

Der Sheriff nahm den fleckigen Stetson vom Kopf und wischte sich mit dem riesigen blau-weiß-karierten Taschentuch durchs Schweißband. »Ich werde ihn später aufsuchen.«

Der Salooner verzog das Gesicht. Nachdem er die bedrückende Szene auf der Main Street verdaut hatte, war ihm sein eigenes Anliegen wieder eingefallen.

Hoyt fiel aus. Er hatte die vierhundert Bucks kassiert und steckte im Jail. Und drüben, mitten auf der Straße, lag der zusammengekrümmte Körper des Zimmermanns.

Legger starrte auf den Toten. Ganz langsam, Schritt für Schritt, näherte er sich ihm. Bis er vor der Leiche stand.

Da lag er, der Einäugige und hatte sein Leben ausgehaucht.

Ein unbehagliches Gefühl kroch dem Salooner bei diesem Anblick über den Rücken.

Aber was sollte das? Er war ihn los, den Widersacher. Geo Hoyt hatte ihn aus dem Weg geräumt – für vierhundert Dollar.

Und dann war da noch der Fremde. Legger wandte sich um, blickte zum Boardinghouse hinüber und schrak zusammen.

Da drüben hinter dem hochgeschobenen Fenster stand der Fremde und blickte ihn an.

Legger spürte den Blick förmlich durch sich hindurchgehen.

Mit einem Ruck wandte er sich um, ging zu seinem Gaul, machte ihn von der Halfterstange los, zog sich mit hastigen Bewegungen in den Sattel und ritt davon.

Aber auch daheim in seinem Zimmer oben über dem Spielsaloon sah er noch die Augen des Fremden.

*

Mat Kelton sprach nicht mit dem Fremden.

Aber er ließ Hoyt auch nicht aus dem Jail. Andererseits hatte er auch nicht den Mut, im Office zu bleiben, da er fürchtete, dort von den Verwünschungen und Drohungen des Revolvermannes behelligt zu werden.

Mat Kelton war kein sehr mutiger Mann. Vielleicht war er es früher einmal, damals, als die Roten noch die Ansiedlungen bedrohten, aber Jab Henderson hatte ihn zerbrochen. Yeah, der riesige Cowboy von Fenners Farm, mit dem Mat vor Jahren in der Schenke einmal zusammengeraten war.

Henderson hatte ihn in einem wilden Fight so zusammengeschlagen, daß in Kelton etwas zerbrochen war. Seitdem war es mit seinem Mut nicht mehr allzuweit her. Die Leute in Happy wußten das – aber es kümmerte sie nicht, da der Sheriff selten in die Verlegenheit kam, Mut beweisen zu müssen.

Aber es gab dort einen Mann, dem es nicht gleichgültig war, daß der Revolvermann hinter Gittern saß.

Win Legger. Er machte sich berechtigte Sorgen darüber, wie Hoyt sich verhalten würde, wenn es ihm gelang, aus dem Jail zu entkommen. Und daß es dem Schießer gelingen würde, bezweifelte der Salooner absolut nicht.

Was konnte er tun, den Mann da herauszubringen?

Mit dem Sheriff sprechen? Yeah, er konnte versuchen, ihn zu bestechen. Kelton war ohnehin ein armer Mann, für ein paar blanke Dollars würde er sich schon bewegen lassen, die Gittertür zu öffnen.

Legger machte sich nicht sehr froh auf diesen Weg. Als er das Office erreichte, blieb er lauschend stehen.

Erst dann wagte er, die Tür zu öffnen.

Der kleine Bureau-Raum war leer.

Drüben links waren die beiden Zellen.

Mit weitaufgerissenen Augen starrte der Salooner auf den Mann, der an den Gittern stand, die beiden schweren Fäuste um die Stäbe gespannt hatte und den Salooner aus wilden Augen anfunkelte.

»Hör zu, Mister, du siehst jetzt zu, daß du den Sheriff herschafftst und ich hier herauskomme.«

Legger nickte verstört. »Ja, deshalb bin ich ja hier, Mr. Hoyt. Ich wollte dem Sheriff Geld bieten, damit er Sie losläßt.«

»Das will ich dir auch geraten haben. Schließlich habe ich die Schießerei deinetwegen gehabt.«

Legger hatte den Türgriff schon wieder in der Hand. »Well, ich werde den Sheriff suchen.«

»Vergiß das Wiederkommen auch nicht, Brother«, rief der Schießer ihm nach.

Legger schob sich hastig hinaus.

*

Mat Kelton lehnte an der Theke des Saloons. Er hatte bereits den zweiten Whisky vor sich stehen.

Als Legger die Schwingarme der Tür auseinanderschob, warf der Sheriff einen forschenden Blick in den Thekenspiegel.

»Auf wen wartest du eigentlich?« fragte der gelbgesichtige Mann hinter dem Thresen. »Jedesmal, wenn sich die Tür öffnet, siehst du in den Spiegel.«

Kelton setzte das Glas, das er bereits angehoben hatte, wieder ab. »Warten? Ich?« Er wischte sich mit der Hand den Nacken. Aber das unbehagliche, das beklemmende Gefühl, das da saß, vermochte er nicht zu vertreiben. »Auf wen soll ich denn warten?«

»Eben, das meine ich auch«, kam es von der Tür her. Legger trat an die Theke und blieb neben dem Sheriff stehen. »Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«

Kelton musterte den Alabama-Mann mißtrauisch.

Legger gab dem Keeper einen Wink. »Gib dem Sheriff noch einen Whisky, Joe.«

Der Kerl hat doch was vor, dachte der Sheriff. Wann hatte man denn bisher gehört, daß der schiefgesichtige Blutsauger Winston Legger, einen Drink ausgab?

Yeah, der Salooner hatte auch etwas vor. Und Kelton sollte es sofort erfahren. »Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen, Sheriff.«

»Ja?« forschte Kelton unsicher.

Legger sah sich im Schankraum um. Drüben neben dem Orchestrion saß ein alter Mann mit hängendem grauen Schnurrbart, eingefallenem Gesicht und schmalen hochgezogenen Schultern. Mit trüben Augen starrte er in sein Bier. Es war Ric Parrend. Sie sagten, er sei früher einmal ein berühmter Scout gewesen. Jahrelang soll er Planwagenkolonnen durch den Llano geführt haben. Bei einem Indianerüberfall war er dann so schwer verletzt worden, daß er nicht mehr über längere Strecken im Sattel sitzen konnte. Seitdem saß er nur noch im Saloon und vertrank das Geld, das er sich mühsam in jahrzehntelanger Arbeit erspart hatte.

Legger kannte den Alten, er wußte, daß er nichts von ihm zu befürchten hatte.

Und der Keeper stand bei dem Salooner im Lohn. Winston Legger konnte also frei sprechen.

»Sie haben da nämlich einen Mann eingesperrt, Sheriff, der mein Freund ist.«

Diese Unverfrorenheit war selbst Kelton zu viel. Er schob das Glas von sich und sah den Geldverleiher abweisend an. »Ihr Freund?«

»Ja, Hoyt ist mein Freund. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«

Der Sheriff hob die Schultern und ließ sie resigniert wieder fallen. »Meinetwegen«, sagte er mürrisch.

Legger fuhr sich mit dem Daumennagel über die Unterlippe. »Ganz so gleichgültig sollte Ihnen die Sache nicht sein, Sheriff. Ich lege Wert drrauf, daß meine Freunde nicht im Jail sitzen.«

Kelton stieß einen dünnen Pfiff durch die Zahnlücke. Daher wehte also der Wind?

Mit einem Ruck goß der Sheriff die Flüssigkeit in die Kehle. Dann wollte er sich zum Gehen wenden.

Legger lachte leise. »Damit wir uns richtig verstehen, Sheriff: Geo Hoyt kommt aus dem Jail.«

Der Hüter des Gesetzes schickte ihm einen abschätzenden Blick zu. Aber er sagte nichts.

Dann meinte Legger in fast vertraulichem Ton: »Wenn Sie sich die Sache richtig überlegen, haben Sie sich von Billy nur bluffen lassen. Was hat Geo denn getan? Er hat einen Mann gefordert und ihn im reellen Gunfight erschossen. Was gibt’s dagegen einzuwenden? Hoyt hat nach dem Gesetz gehandelt. Sie haben nicht den mindesten Grund, ihn einzusperren.« Das Lachen fiel plötzlich aus dem Gesicht des Salooners. »Absolut keinen Grund hatten Sie.«

Verstört blickte der Sheriff den anderen an.

Teufel auch. Wie war das gewesen? Vorher war er noch ganz sicher, daß der Gunfight faul war.

Legger ließ ihm keine Zeit zum Nachdenken. »Ich sagte schon, daß ich Wert darauf lege, meine Freunde in Freiheit zu wissen.«

»Was soll das heißen?« fragte der Sheriff heiser.

Ein geringschätziges Lächeln spielte um die Lippen des Geldverleihers. »Was das heißen soll? Das will ich Ihnen gern erklären. Sie gehen jetzt hinüber und holen den Mann aus dem Gefängnis raus.«

Der Sheriff wollte sich abwenden, da packte ihn der Salooner am Ellenbogen und zerrte ihn herum. Ganz nah war dabei sein Gesicht vor dem des anderen.

»Hören Sie zu, Kelton. Geo Hoyt ist in einer Viertelstunde draußen. Wenn er es nicht ist, sehe ich mich gezwungen, einen Bericht über Sie und Ihre falsche, reichlich merkwürdige Amtsführung an den County Sheriff zu schicken.«

Mat Kelton erschrak. Zounds. Das konnte er sich nicht leisten. Und im gleichen Augenblick sah er in der Hand des Geldverleihers zwei zusammengefaltete größere Dollarnoten.

Da war jeder Widerstand in dem Sheriff erstorben. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach den Geldscheinen und schob sie in die Westentasche. Dann wandte er sich um und verließ die Schenke.

Aber gleich hinter den Schwingarmen der Tür hielt er inne.

Er blickte in ein hartes blaues Augenpaar. Drei Yards nur trennten ihn von dem Mann, der hochaufgerichtet vor ihm am Rand des Vorbaus stand.

Es war der Fremde, den sie für Billy the Kid hielten.

Kelton schluckte. Dann hörte er sich zu seiner eigenen Verwunderung selber sagen: »Hallo, Mister.«

Aber er rührte sich nicht von der Stelle. Plötzlich bekam er die Tür ins Kreuz. Legger stand hinter ihm. »Was ist denn Kelton, weshalb stehen Sie denn hier herum? Ich habe Ihnen doch gesagt…«

Legger brach plötzlich ab. Erst jetzt hatte er den Fremden gesehen.

Damned, was wollte der schon wieder? Stumm standen die drei Männer auf dem Vorbau.

Da wandte sich der Fremde plötzlich ab, ging mit harten, weitausgreifenden Schritten quer über die Straße auf den Mietstall zu. Als seine hohe Gestalt im Hof verschwunden war, stieß Legger zischend hervor: »Sie sind ein Feigling, Kelton.«

Der Sheriff warf den Kopf herum. »Hören Sie, Mr. Legger, Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, daß Sie in diesem Ton mit mir reden können. Ich stehe nicht bei Ihnen im Lohn und …«

»Halten Sie Ihren Mund!« fuhr Legger ihn an. »Ich habe Ihnen befohlen, Hoyt aus dem Jail zu holen. Ich habe Ihnen sogar Geld dafür gegeben. Und was machen Sie? Sie stehen auf dem Vorbau und starren den Fremden an, wie ein Kaninchen die Schlange. Was haben wir mit dem Mann zu schaffen? Er hat sich nicht in unsere Angelegenheit zu mischen. Der Gunfight war eine faire Sache…«

Win Legger redete noch eine Menge mehr.

Und Mat Kelton hatte plötzlich begriffen: Hoyt sollte auf jeden Fall aus dem Jail geholt werden. Jetzt erst recht. Es war ganz klar, daß Legger Wert darauf legte, daß der Schießer mit dem Fremden zusammenprallen sollte – und es war ebenso klar, daß Legger keinen sehnlicheren Wunsch hatte, als den, daß der Fremde Geo Hoyt aus dem Wege räumen sollte.

Yeah, denn der Schießer Geo Hoyt war dem Geldverleiher im Wege – weil er etwas von ihm wußte.

Well, Kelton hatte nun alles begriffen. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Legger hatte Hoyt gegen Billings angeworben. Es war keine Sache zwischen Hoyt und Billings gewesen. Legger hatte den Schießer gegen ihn gekauft. Das war es. Und nun legte der gewissenlose Spielhöllen-Besitzer bereits die nächste Schlinge. Er suchte den lästigen Mitwisser durch einen neuen Gunfight loszuwerden. Denn, daß der Fremde ebenfalls ein Revolvermann war, mußte für Legger schon feststehen.

Ganz einerlei, ob er nun Billy the Kid war oder nicht – er mußte sich mit Hoyt schießen.

Und Winston Legger mußte tief in seinem Inneren das sichere Gefühl haben, daß der gefährliche Hoyt den Gunfight mit dem eisäugigen Fremden nicht lebend überstehen würde.

So sah es aus. Mat Kelton hatte es nun voll und ganz begriffen. Aber da er ein Mann des geringsten Widerstandes war, machte er sich keine weiteren Gedanken darüber. Sollten sie sich doch gegenseitig niederschießen, die verdammten Fremden.

Er äugte noch mal hinüber zum Mietstall und als der Fremde auch nach mehreren Minuten noch nicht herauskam, setzte Kelton sich in Bewegung.

Hoyt fauchte ihn an, als er kaum die Tür des Bureaus geöffnet hatte. »Lassen Sie mich raus, Sheriff. Sie haben kein Recht mich einzusperren. Es war ein fairer Gunfight.«

Mat Kelton war nicht der Meinung, daß es ein fairer Gunfight war. Seit er gesehen hatte, daß Billings Revolver nicht eine einzige Patrone in den Kammern hatte, war er zu einer ganz anderen Ansicht gekommen. Aber er dachte nicht daran, diese Ansicht jetzt noch zu ändern. Im Gegenteil, er zog sich äußerst geschickt aus der ganzen Geschichte, indem er sagte: »Halten Sie Ruhe, Mann, ich bin ja dabei, Sie rauszulassen. Und damit Sie wissen, weshalb ich Sie hier untergebracht habe, werde ich Ihnen das erklären: Der Mann war gegen Sie. Ich konnte nicht wissen, was er noch vorhatte, deshalb habe ich Sie hierhergebracht. Und in diesem Zustand ist man im Jail nicht am schlechtesten aufgehoben.«

Hoyts finsteres Gesicht hellte sich etwas auf.

Wenn es so war, konnte er dem Sheriff keine Vorwürfe machen. Als er aus der Zelle herauskam, wartete er nicht ab, bis Kelton ihm seinen Waffengurt zurückgab – er schritt auf die Wand zu und nahm ihn mit einem herrischen Griff vom Haken.

Dann prüfte er den Colt, füllte die leergeschossene Kammer auf, betrachtete die Waffe kurz, und entdeckte am oberen Ende des Laufes die Einbuchtung, die die Kugel des Fremden gerissen hatte.

Er ließ den Revolver um den Mittelfinger rotieren und preßte heiser durch die Zähne: »Billy the Kid! Well – das war ein guter Schuß. Aber du kennst Geo Hoyt noch nicht, Brother.«

Damit verließ er das Sheriff Office.

*

Der Fremde hatte im Mietstall nach seinem Pferd gesehen. Als er zurückkam, sah er drüben vor der Schenke noch den schwammigen schiefgesichtigen Geldverleiher stehen.

Beim Anblick des Fremden verkroch sich Legger hastig in die Kneipe.

Der Fremde hatte die Straßenmitte fast erreicht, als drüben von Gadebys Barbershop ein schriller Laut über die Main Street fegte.

»Bill!«

Yeah, wenn man sehr aufmerksam war und zudem etwas Phantasie besaß, konnte man diesen unartikulierten Schrei den Namen Bill entnehmen.

Der Fremde ging weiter.

Da peitschte ein Schuß hinter ihm her und ließ einen halben Yard vor ihm den Sand aufstieben. Ganz langsam wandte sich der Fremde um.

Die Straße war leer.

Sogar die Vorbauten waren wie leergefegt.

Aber oben in einer Nische neben der Tür des Tonseriol Palaces entdeckten die Falkenaugen des Fremden den Lauf eines Revolvers.

Ganz ruhig stand der Fremde da. Hochaufgerichtet und breitbeinig. Reglos hingen die Arme neben seinem Rumpf.

»So machst du mich nicht fertig, Brother!« brüllte Hoyt. »Los, zieh deinen Colt!«

Die Situation war eindeutig. Geo Hoyt stand in sicherer Deckung und hatte den Revolver schußbereit in der Hand. Aber bei dem Mann, den er gefordert hatte, steckten die Waffen noch in den Lederhalftern.

Genau neununddreißig Menschen sahen in diesem Augenblick auf die Straße. Aber es gab keinen Menschen, der den Mut gehabt hätte, da einzuschreiten.

Der Fremde war auf jeden Fall verloren.

Wenn er nur eine Bewegung zum Revolver machte.

Aber er machte diese Bewegung nicht.

Still stand er da und sah zu der Nische hinüber.

Da schob sich der Schießer langsam auf den Vorbau, den Colt wie einen Stock in der vorgestreckten Linken.

Drüben im Obergeschoß der Bank of Texas stand ein alter Mann und blickte mit glimmenden Augen auf die Straße. Es war Doc Barny. Da er kein Geld für ein eigenes Haus besaß, hatte er im Bankhaus ein Zimmer gemietet. Seine Patienten kamen gern die paar Stufen zu ihm hinauf. Leider war in Happy nur selten ein Mensch krank, und wenn doch mal einer etwas hatte, dann genügte es meistens, wenn John Gerrit, der Totengräber, kam.

So war es bei Billings der Fall gewesen.

Doc Barney war weit über sechzig, in früheren Jahren war er einmal ein gewaltiger Feuerkopf gewesen. Aber das hatte sich gegeben, als er die Sechzig überschritten hatte.

Er sah auf den Mann, der reglos mitten auf der Straße stand, jetzt sogar die Arme hob, um sie über der Brust zu verschränken. Und er wußte wie jeder andere, der auf die beklemmende Szene starrte, daß der Mann tot sein würde.

Barney wischte sich über die Stirn und zerquetschte einen Fluch auf den Lippen.

Dann wandte er sich ab und ließ sich in einem alten abgewetzten Sessel nieder. Plötzlich preßte er die Hände über die Ohren. Nein, er wollte die Schüsse nicht hören, den Mann nicht fallen sehen, so wie er Ed Billings, den hilflosen einäugigen Ed Billings, vorhin hatte fallen sehen.

Wyatt Earp Classic 38 – Western

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