Читать книгу Wyatt Earp Classic 37 – Western - William Mark D. - Страница 3

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Freunde,

vielen, vielen Dank für die zahllosen Briefe, die mich in den letzten Wochen erreichten. Yeah, Freunde, ich ahnte damals, als ich mit den Arbeiten an der Roman-Reihe Wyatt Earp begann, ganz sicher nicht, welchen Erfolg – und welchen Wirbel sie entfalten würde. Er ist ihnen zu groß geworden, den anderen, der Western peace office Earp. Nun suchen sie seinen Namen und seine Popularität zu verunglimpfen. Dies alles ist nicht neu; als Karl Mays Old Shatterhand zu bekannt wurde, tauchten liebe Zeitgenossen auf, die ihn angifteten. Das alles erlebt nun der tote Wyatt Earp. Er liegt drüben an der Westküste Amerikas auf den Hills of Eternity von San Francisco und kann sich nicht mehr wehren. Aber er hat eine ganze Armee von Freunden gefunden, die zu ihm stehen. Ein junger Mann aus Stuttgart schrieb mir. »… und wenn sie ihn hier in unseren wildwütigen Germany mit Steinen bewerfen würden, ich bleibe auf seiner Fährte, weil sie gut und sauber ist. Und weil er – wie er in Ihren Geschichten durch den Westen streift – ein charaktervoller Mann ist, zu dem wir sehr wohl aufschauen dürfen!«

Der junge Mann aus Stuttgart hat es richtig empfunden. Es ist im Grunde das, was mir fast aus all Euren Briefen entgegengerufen wird: Wir wollen unseren Wyatt Earp behalten! Auch wenn das anderen Leuten nicht paßt.

Seid ohne Sorge, Freunde, wir reiten weiter – und der Trail des Missouriers ist noch längst nicht zu Ende. Er geht jetzt erst dem Mittelpunkt seiner spannenden Erlebnisse entgegen. Ich werde Euch weiter berichten. Und Ihr dürft mir glauben, daß mich der ganze Sturm um Wyatt Earp in die sonst wohl kaum mögliche Lage gebracht hat, die Treue und Zustimmung meiner großen Leserschar vor Augen geführt zu bekommen.

Thanks, Boys!

Unser Marshal wird weiterleben – und die Straßen in Amerika werden weiterhin seinen Namen in Ehren tragen. Seine bronzene Gedenktafel wird weiter an der Mauer des alten Tombstoner Gerichtsgebäudes bleiben, auch wenn es hierzulande einigen Leuten nicht gefällt.

Der Missourier ist ein Mann, der stets gut und charaktervoll war und nach dem Gesetz gehandelt hat. Ich habe nie und werde auch nie anders von ihm berichten.

Unsere heutige Geschichte führt uns hinüber in die sonnendurchglühte Landschaft New Mexicos, in das heiße County Sandoval, wo Ende der siebziger Jahre die kleine Stadt Landola stand.

Vorwärts, zieht die Sporen fest, schnallt die Gurte enger und schwingt Euch in die Sättel. Es ist ein weiter Ritt, hinüber zum Rio Puerco…

So long

Euer William Mark

Landola.

Eine Stadt von zwei Dutzend Häusern, die windschief und völlig ausgedörrt in der wabernden Hitze des gelben Sandes standen.

Landola – ein Name, der spanisch klingt und wohllautend ist und an den sich heute kaum noch die Hundertjährigen in der Stadt Santa Fé erinnern können.

Landola steht längst nicht mehr. Der Sturm hat den Flugsand der gigantischen Dünen des Cabezon über ihre Straßen geweht, hat ihre Häuser vermodern lassen und unter sich begraben.

Fast ein Jahrhundert ist über den gelbbraunen Fleck Erde zwischen Santa Fé, Los Alamos und den fernen San Mateo hinweggeweht. Es hat die im Sand versunkene Stadt fast vergessen lassen.

Und doch stand sie einst da.

Ihre Mainstreet war breit, und unter den Vorbaudächern saßen die Männer schläfrig im Schatten und rauchten.

Das erste Haus, wenn man von Osten kam, gleich auf der linken Seite, war zweigeschossig, graubraun und fahl wie die andern; von seiner Fassade ragte ein aufdringlich wuchtiges Schild in die Straße, das in leuchtend weißen Lettern jedem, der es wissen wollte und nicht wissen wollte, entgegenrief, daß er sich der Brandeisen-Bar näherte.

Die Schenke selbst war schlauchförmig, länger also als breit, düster, lag stets im Halbdämmerlicht und hatte eine Theke, die fast ihrer ganzen Länge entsprach.

Jonny Fenner war der Wirt; zwergenhaft klein, vogelköpfig, hager und sauertöpfig. Er stand im Ruf, der schweigsamste Mann des Westens zu sein. Er begrüßte grundsätzlich keinen Menschen, auch nicht seine besten Gäste. Und deren gab es genug.

Bill Geoffry beispielsweise, den kahlköpfigen Barbier mit der Schweinsbeule im Genick. Jim Tucker, den bulligen Blacksmith von gegenüber, Mat Stevens, den kurzsichtigen Storehalter und nicht zuletzt But Baker, den Sheriff.

Hal Flanagan darf nicht vergessen werden. Obgleich er nicht in der Stadt wohnte. Er hatte vier Meilen westlich von Landola eine Ranch. Neun Cowboys arbeiteten für ihn.

Flanagen darf auf keinen Fall vergessen werden, weil er der Satan in der Geschichte von Landola ist.

Bei dieser Gelegenheit muß auch Dave Coogan, der Vormann Flanagans, erwähnt werden. Und Jeff Kirby, den sie den Indio nannten, und Larry Owen, der krummbeinige Cowboy, Gil Parker, der Riese aus Texas, Barcley Jenkins, den sie kurz Ohio nannten und der graugesichtige Ike Barinca, der Mann mit der schnellen Hand.

Sie alle gehören zu der Geschichte von Landola.

But Baker hatte nichts zu lachen, wenn die wilde Mannschaft von der Hügel-Ranch in die Stadt kam. Und sie kam oft. Der Durst war auf der Weide noch größer als in der Stadt.

Und es dauerte geraume Zeit, bis die Boys ihren Durst gestillt hatten. Und was danach kam, war für die Menschen in der Stadt schlimmer als der größte Durst…

*

Der Salooner wischte eben mit seinem Ärmel über die Theke, als die hölzernen Schwingarme der Pendeltüren auseinandergestoßen wurden und sich die vierkantige Hünengestalt eines Mannes in Weidereiterkleidung in den Raum schob.

Gil Parker war nicht allein. Es kam überhaupt selten einer allein von den Boys der Hügel-Ranch.

Barc Jenkins, der Ohio-Mann, kam mit seinem ewiggrinsenden Gesicht hinterher.

Den Schluß bildete Kirby, der Indio. Er war übrigens kein reinblütiger Indianer. Es hieß, sein Vater sei ein Comanche gewesen; aber Jeff selbst wußte nichts Genaues darüber.

Der riesige Tex lehnte sich mit der Hüfte gegen die Thekenkante, sah Ohio an, und nur von einem Wolfshund hätte man verlangen können, daß er das, was der Hüne über die Lippen brachte, hören konnte.

Fenner schien auf seine Art ein solches Tier zu sein; er hatte den Tex offensichtlich verstanden, denn er wandte sich um, nahm drei Gläser vom Bord, schob sie mit geschickten Schübsen nebeneinander auf das Thekenblech, zog eine Whiskyflasche an sich heran und führte sie ebenso geschickt darüber. Ein gezielter Guß hatte sie zur Hälfte gefüllt und nicht ein Tropfen war verschüttet worden.

Die drei kippten den Drink mit einer Handbewegung weg.

Nach dem dritten Schluck wurde Ohio munter.

Er wandte sich um und sah auf das Orchestrion. Das heißt, jemand, der die Örtlichkeiten in der Schenke nicht kannte, hätte das Musikgerät in der finsteren Ecke nie erkennen können; aber die ›Boys‹ wußten ja, daß es dort stand. Sie hatten es zweimal zertrümmert, zweimal dafür gespart und erst in der vergangenen Woche hatte einer von ihnen wieder einen Angriff darauf unternommen.

Seitdem war es stumm – und blieb es auch auf den sanftesten Zuspruch und den goldhaltigsten Eagle.

Die Sache lag diesmal etwas anders, weil der Salooner nicht wußte, wer das Gerät ›entschärft‹ hatte.

Jonny Fenner fand in dem Schlitz, in den die Musikliebhaber die Münzen zu werfen hatten, eine Schusterahle und ein Stück Draht. Ferner fand er, als er den Mechanismus des Gerätes weiter auseinanderoperiert hatte, daß das Innenleben eines Orchesterions doch eigentlich nicht so hartnäckig nach schlechtem Whisky riechen dürfte.

Es waren die ›Boys‹. Jedenfalls stand das für Fenner fest.

Aber wie gesagt: Er war der schweigsamste Mann des Westens.

Er handelte auf seine Art.

Der Tex merkte es nicht. Ohio schien auch arglos zu sein. Aber der Indio rümpfte die Nase und schob das vierte Glas, das vor ihn glitt, zurück.

Der Tex schien vom Großen Manitu beim Verteilen der Stimmen übergangen worden zu sein. Er krächzte etwas, und der Mestize mußte ebenfalls das Gehör eines Wolfshundes haben, denn er erwiderte in der gutturalen Art seiner Ahnen väterlicherseits:

»Es fehlte jedesmal ein Strich!«

Der Tex warf den Kopf herum und sah den Wirt aus schmalen Augen an.

»He, Schnapseule, hast du gehört, was er gesagt hat?«

Jonny Fenner schien plötzlich stocktaub geworden zu sein. Er sah mit ausdruckslosen Augen vor sich hin, wischte mit dem Unterton ein paar nicht vorhandene Tropfen vom Thekenblech und schob in tausendfach geübter Bewegung den Korken auf die Flasche.

Der Texaner knurrte: »Verdammter Geizhals!«

Auch diese Schmeichelei prallte von dem Salooner ab. Er wandte sich um und polierte die Gläser auf dem untersten Bord.

Gilbert Parker blieb mit dem Stiefelabsatz gegen die Frontseite der Theke, daß der faustgroße Sternradsporn aufkreischte.

Aber der schweigsame Jonny Fenner blieb unerschütterlich in seiner Ruhe.

Die grasgrünen Augen des Ohio-Mannes hingen indes immer noch an dem Orchestrion.

»Daß der Wimmerkasten hin ist, will mir nicht in den Schädel. Man müßte dem Ding auf die Füße helfen.«

Viel schneller, als man es ihm zugetraut hätte, hatte er seinen großen Bull-Revolver gezogen und richtete ihn spielerisch auf die dunkle Ecke, in der er den Musikkasten wußte.

Sicherlich wäre der Schuß losgegangen, wenn nicht der Handkantenschlag des Indios ihm die Waffe nach unten geschlagen hätte.

Ohio fuhr sofort herum und richtete den Colt auf seinen Kameraden.

»He, bist du wahnsinnig geworden?« fauchte er.

Der Mestize streifte ihn mit einem fast verächtlichen Blick.

»Wahnsinnig bist du wahrscheinlich. Er«, dabei wies er mit dem Daumen auf den Salooner, »schenkt ohnehin zuwenig ein.«

»Wieso?« Ohio begriff nicht. Auch er schien vom Großen Manitu in einer Weise stiefmütterlich behandelt worden zu sein: Sein Gehirn müßte nach der Schätzung seiner Kameraden unschwer in einen Mäuseschädel gepaßt haben.

Krächzend erklärte Parker ihm, um was es ging.

Ohios Reaktion war logisch. Er richtete den Colt auf den Salooner – mußte aber erleben, daß der ihm bereits eine abgesägte Schrotflinte entgegenstreckte.

Ohio sah trotz seines Spatzengehirns ein, daß der Wimmerkasten weitere Erörterungen nicht wert war.

Der Colt verschwand.

Und auch die Flinte.

Einem heimlichen Beobachter wäre die Routine, mit der sich das alles abspielte, sicher aufgefallen. Ganz zweifellos hatte sich diese Szene nicht zum erstenmal zwischen den Männern abgespielt.

Ohio kratzte sich das Kinn und goß seinen Whisky hinunter. Als er sah, daß der Mestize sein Glas nicht leerte, gönnte er sich auch noch diesen Drink.

Da knarrte vorn ein Arm der Schwingtür.

Im Eingang stand ein schlanker, hagerer Mensch mit eingefallenen Wangen, tiefen Falten um die Mundwinkel, scharfer Nase, schmallippigem Mund und stechenden grauen Augen.

Er trug einen dünnen Waffengurt ohne Patronenschlaufen. Dieser fadenscheinige Riemen hielt an jeder Hüftseite eine schmale, abgewetzte Lederschnalle, die je einen Single Action Revolver mit blankgewetzten schwarzen Knaufschalen hatten.

Die Männer wußten alle, wer da gekommen war.

Ike Barinca, der Revolvermann.

Hal Flanagan hatte ihn in seine Crew genommen, weil er einen Mann brauchte, der notfalls, allein durch seine schnelle Hand, den Worten des Ranchers Nachdruck verleihen konnte. Barinca hatte keinen sonderlich guten Ruf. Er kam aus Nebraska, sollte oben in Mitchell einen Rancher erschossen haben, in Deadwood einen Indianer-Agenten und in Wichita einen Schmied.

Niemand wußte, ob es stimmte. Aber Barinca tat nichts, diesen ›Ruf‹ zu entkräften. Im Gegenteil, er ging wie ein Gespenst durch die Gegend, setzte die Füße fast schwerelos wie eine Marionette voreinander, hielt den Kopf stets hochgereckt, so daß sein spitzer Adamsapfel aus dem Geierhals hervorreckte. Seine Arme begleiteten den Schritt nicht, wie bei einem normalen Menschen; sie blieben immer leicht angewinkelt und mit hängenden Mittelfingern drei Inches über den Hüftknochen hängen.

Über den Hüftknochen? Man könnte auch sagen; anderthalb Inches über den hochstehenden Knäufen seiner Revolver.

Ike Barinca kam langsam auf die Theke zu. Er vermied dabei, einen unnötigen Blick in den Hintergrund des Schankraumes zu werfen. Um genau zu berichten, muß man sagen, daß er von der Tür her im spitzen Winkel auf die Thekenmitte zuhielt. Das obere Thekenende begann ja beinahe links neben der Tür.

Und Fenner hielt sich immer in der Thekenmitte auf; jedenfalls so lange, wie er nur wenige Gäste zu bedienen hatte.

Barinca blieb neben dem Texaner stehen. Er behielt dabei einen gewissen Abstand einmal zur Theke und auch zu dem Texaner frei.

»Einen Kentucky«, sagte er.

Daß er es sagte, war bedeutungslos, aber wie er es sagte! Sicher wären die vier Männer in diesem Augenblick erschrocken herumgefahren, wenn sie die Stimme des Schießers nicht bereits gekannt hätten.

Es war ein Schnarren, das an das ratschende Geräusch eines zu schnell absinkenden großen Uhrgewichtes erinnerte.

Jonny Fenner, der auch den Schie­ßer nicht gegrüßt hatte, fischte eine längliche Whiskyflasche heran, schnipp­ste den Korben ab und goß ein Glas zu einem Drittel voll.

Kirby, der Indio, blickte Barinca forschend an.

Das Gesicht des Coltmans verzog sich auch sofort. Er sah über das angehobene Glas hinweg in die Augen des Wirtes.

»Ich habe einen Whisky bestellt – keinen halben!«

Blitzschnell landete die goldbraune Flüssigkeit in dem hölzernen Gesicht des Salooners.

Fenners gichtige, knotige Finger lagen auf dem Thekenblech. Langsam hob er die Rechte und wischte sich mit dem Unterarm den Whisky aus seinen Augen.

Barinca griff in seine linke Westentasche und warf ein kleines Geldstück auf die Theke.

Mit einem affenähnlichen Klauengriff ließ der Wirt es in die blitzartig aufgezogene Thekenlade verschwinden, nahm wieder die Flasche und goß kaltherzig die gleiche Menge ein.

Barinca preßte einen lästerlichen Fluch durch die Zähne, nahm das Glas aber und trank es aus.

»Warte nur, alter Brunnenvergifter, du lernst mich noch kennen.«

Ohio hatte sich wieder umgewandt und sah in das Dunkel, wo das Orchestrion stehen mußte.

Er hatte nicht nur ein kleines Gehirn, er konnte auch nicht viel vertragen. Der Alkohol hatte ihn mutiger und tatendurstiger gemacht, als er gemeinhin war.

Jetzt zog er seinen Colt so, daß der Indio es nicht bemerken konnte, stieß ihn vor, und schon brüllte der Schuß durch den Raum.

In der Schenke herrschte für einen Herzschlag lang absolute Stille.

Dann sprang Ohio mit einem Satz vorwärts, stieß den Colt wieder vor und knallte zwei weitere Schüsse in das Dunkel des Schankraumhintergrundes.

Die darauffolgende Pause wurde durch das harte Klicken eines Gewehrhahns ausgefüllt.

Ohio warf sich herum.

Der Salooner hatte das Schrotgewehr wieder im Anschlag.

Es war Irrsinn, was in der nächsten Sekunde geschah.

Barcley Jenkins schoß.

Fenner starrte ihn an, stierte in die weißgraue kleine Pulverwolke, die auf ihn zuflog. Seine Augen waren überweit aufgerissen und schienen aus ihren Höllen quellen zu wollen. Seine Finger krampften sich ins Thekenholz.

Und dann rutschte er ganz langsam zurück und verschwand hinter dem Tresen.

Im Schankraum herrschte Schweigen.

Keiner der Männer von der Hügel-Ranch rührte sich.

Sekunden verrannen.

Dann dröhnten harte schnelle sporenklirrende Schritte über den Vorbau.

Die Pendeltür wurde aufgestoßen.

Sheriff Baker stand da und blickte in den Schankraum.

Er sah die vier steif dastehenden Männer.

»Fenner!« brüllte er.

Dann stürmte er vorwärts – und die vier Cowboys wichen gleichzeitig von der Theke zurück in den Raum.

Baker hatte die Theke erreicht, blickte darüber hinweg – und im gleichen Augenblick peitschte ein Schuß durch den Raum.

Der Sheriff zuckte zusammen und wurde wie von einem schweren Stoß gegen die Frontwand der Theke gestoßen.

Dann gaben seine Knie nach.

Im Niedersinken wandte er sich um.

Die vier Männer hinter ihm hatten ihre Colts in den Halftern.

Und vor Ike Barinca stand noch eine dünne Pulverwolke, die auf die Theke zukroch.

Der Gesetzesmann rutschte an dem Thekenholz nieder und schlug dann mit einem dumpfen Geräusch seitlich auf die Dielen.

Wieder herrschte Schweigen im Schankraum der Brandeisen-Bar.

Stumm standen die Männer da.

Niemand sah zu dem Schießer hin.

Da drehte der Indio sich um. »Wir müssen weg!«

Mit polternden Schritten stürmten die vier aus der Schenke, schwangen sich auf ihre Gäule und stoben aus der Stadt.

Sekundenlang stand noch die Staubwolke, die sie hinterlassen hatten, am Ende der Straße.

Sie hatten hinter den Fenstern und den nur angelehnten Türen gestanden, die Bürger von Landola.

Eine ganze Reihe von ihnen hatte schon den ersten Schuß gehört.

Sie hatten auch den Sheriff über die Straße stürmen und in der Schenke verschwinden sehen.

Aber niemand hatte auch nur den Versuch gemacht, irgend etwas zu tun. Sie hatten die Cowboys aus der Stadt reiten lassen, obgleich sie alle wußten, daß die Burschen wieder etwas angestellt hatten. Schließlich waren Schüsse gefallen, zwei Schüsse.

Und der Sheriff kam nicht aus dem Saloon zurück.

Wo blieb der Sheriff?

Endlich, nachdem tatsächlich Minuten vergangen waren, löste sich die herkulische Gestalt des Schmiedes aus dem Dunkel der Werkstatt.

Jim Tucker sah sich nach allen Seiten um, blieb auf der Straßenmitte noch einmal stehen und blickte dahin, wo die Reiter schon vor Minuten verschwunden waren. Dann stampfte er langsam weiter. Vor der Saloon-Tür wischte er sich seine gewaltigen Pranken an der Schürze ab und öffnete langsam die hölzernen Schwingarme.

Zwei Dutzend Augenpaare starrten auf seinen breiten Rücken, über dem sich das graue fleckige Kattunhemd spannte.

Jim Tucker rührte sich nicht. Steif stand er da und starrte in den Raum.

Da hielt es den kleinen Barbier nicht mehr. Er stürzte aus seinem Laden heraus und überquerte mit seinen kurzen krummen Beinen im Laufschritt die Straße.

An der Schankhaustür angekommen, hielt er keuchend inne, bückte sich, um unter den Armen des Schmiedes hindurch einen Blick in das Innere der Schenke werfen zu können.

»He, laß mich vorbei!« hechelte er und betrat den Schankraum.

Als er nach zwei Minuten wieder herauskam, standen die Leute auf der Straße.

Geoffrey schob sich an dem Black­smith vorbei und blieb vor der obersten Vorbaustufe stehen.

»Er ist tot!« stieß er heiser hervor.

Mat Stevens, der Storehalter, rief: »Wer…?«

»Der Sheriff…«

Auf der Mainstreet von Landola herrschte tiefes, bedrückendes Schweigen.

Die Menschen vermochten nicht zu begreifen, daß der Sheriff tot sein sollte.

Ein alter weißhaariger Mann ging gebeugt auf den Saloon zu. In der rechten Hand trug er eine Arzttasche. Doc Winters betrat den Saloon.

Und jetzt erst folgten die Bürger von Landola nach.

Es gab keinen Zweifel mehr, But Baker, der Sheriff, war tot. Tot – durch einen Rückenschuß. Er war also ermordet worden.

Jonny Fenner lebte noch. Die Kugel des Kuhtreibers hatte ihm den rechten Brustflügel durchschlagen.

Als Jim Haycox, der Mayor, den Saloon betrat, und den Arzt fragend ansah, erklärte Doc Winters:

»Baker ist ermordet worden. Und Fenner schwebt in Lebensgefahr…«

Die ganze Nacht bangte die Stadt um das Leben des Salooners.

Im Morgengrauen endlich ging das Licht im Vorderzimmer des Doktorhauses aus.

Der Schmied klopfte an die Tür.

Die Frau des Arztes öffnete.

»Ist er…?« Die Stimme des Black­smith brach ab.

Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, er wird leben. Mein Mann hat ihm die Kugel herausgeholt… Es war sehr schwer…«

*

Und das Leben in Landola ging weiter.

Schon am Vormittag des neuen Tages wurde But Baker auf dem Boot Hill, am nördlichen Rand der Stadt, in die Erde gesenkt.

Landola hatte keinen Sheriff mehr.

Und das Leben mußte weitergehen.

Doc Winters suchte gegen Mittag den Bürgermeister auf.

Haycox betrieb in der Stadt eine Gerätehandlung. Den Bürgermeister-Job hatte er nur nebenbei inne, leben konnte man von diesem Amt mit sechs Kindern in Landola nicht.

Der Arzt nahm seinen zerkauten Zigarrenstummel aus dem Mund, als er den Mayor ansprach:

»Haben Sie die Nachricht abgeschickt?«

Der Mayor machte sich an einer Kiste zu schaffen. Er vermied es, dem Blick des alten Arztes zu begegnen.

»Welche Nachricht?«

Der Doc schleuderte seinen Zigarettenstummel aus dem offenen Fenster in den Hof.

»Hören Sie, Maycox. Ich hoffe doch nicht, daß Sie mich zum Narren halten wollen. Ich meine die Nachricht über das, was gestern in der Stadt passiert ist.«

Haycox richtete sich auf. Sein feistes Gesicht war blutrot bis zum Haaransatz.

»Was wollen Sie, Doc? Ich habe meine Arbeit, eine Frau und sechs Kinder…«

»Das weiß ich«, unterbrach ihn der Doktor schroff.

»Was soll ich denn tun? Baker ist tot. Und Fenner wird ja durchkommen, wie die Leute sagen.«

Winters schickte dem Major einen schnellen Blick aus engen Augen zu.

»Ist das alles, was Sie mir zu sagen haben?«

»Yeah.«

Winters wandte sich um. An der Tür blieb er noch einmal stehen.

»Ich habe meine Pflicht getan, Mayor. Ich wollte nur wissen, ob Sie auch Ihre Pflicht getan haben. Und falls Sie die nicht kennen sollten, will ich sie Ihnen nennen: Sie mußten unverzüglich den County Sheriff in Santo Domingo benachrichtigen.«

Haycox stieß eine heisere Lache aus.

»Und was sollte das nützen?«

Der Arzt kam zurück, blieb dicht vor dem Mayor stehen und fuhr ihn an:

»Ob es etwas nützt, ist eine zweite Sache. Jedenfalls war es Ihre Pflicht.«

»Ich muß selbst wissen, was ich zu tun habe, Doc!« faucht der Bürgermeister. »Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich das merken würden. Noch bin ich hier Mayor.«

»Noch ja!«

»Was soll das heißen?« zischte der Mayor lauernd.

»Ich habe gesagt, daß Sie noch Mayor sind.«

Doc Winters wandte sich ab. Als er den Drehknopf der Tür in der Hand hatte, hielt ihn ein Ruf des Mayors auf.

»Winters!«

Der Arzt blieb stehen, ohne sich umzuwenden.

»Was wollen Sie denn? Sie wissen doch genau, daß eine Benachrichtigung des County Sheriffs nichts genützt hätte. Jesse Helborn ist über dreißig Meilen entfernt von Landola. Bis er hier wäre, vergingen ohnehin Tage. Außerdem käme er nicht. Er war ein einziges Mal hier. Und das war, als Baker eingesetzt wurde. Seitdem hat er sich hier nicht mehr blicken lassen. Als damals die Jenkins-Bande die Stadt unsicher machte, hat Baker drei Depeschen nach Santa Domingo geschickt und keine Antwort erhalten. Das wissen Sie so gut wie ich. Es ist ein verdammtes Land, diese New Mexico. Ein Land ohne Recht und Gesetz…«

»… und ohne Leute, die für den Posten eines Mayors geeignet sind«, knurrte der Arzt und warf die Tür hinter sich ins Schloß.

Haycox starrte mit weiten Augen auf die Tür.

Dann zündete er sich mit zitternden Händen eine Zigarette an.

Durch die Tür zum Nebenzimmer blickte eine Frau.

»Ist etwas passiert, Jim?«

»Nein, nichts…«

Jim Haycox wußte, daß er log. Es war etwas passiert. Und der Doc hatte es ausgesprochen.

Haycox zog seine Weste zuecht, strich sich das Haar zurück, zertrat die Zigarette am Boden und ging hinaus.

Als er auf die Straße trat, blieb er wie angenagelt stehen.

Drüben am Vorbaupfosten des Post-Offices lehnte ein Mann.

Er war groß und breit gebaut, hatte einen bulligen Schädel und ein Hundegesicht. Tief über seinem rechten Oberschenkel hing im Halfter des patronengespickten Waffengurtes ein großer Revolver. Seine Kleidung war derb und verwaschen.

Jeder in der Stadt kannte diesen Mann.

Es war Dave Coogan, der Vormann der Hügel-Ranch, Hal Flanagans rechte Hand.

Coogan schob sich gerade eine lange krumme Viginia zwischen die Zähne, riß ein Zündholz am Vorbaupfosten an und rauchte.

Aus engen Raubtieraugen fixierte er den Mayor.

Haycox stand steif da.

Dann sah er drüben in der Tür des Arzthauses den Doktor stehen. Mit einem Ruck setzte der Mayor sich in Bewegung.

Er überquerte die Straße, betrat den Vorbau des Offices, ging an dem Cowboy vorbei und näherte sich der Tür des Post-Offices.

In seinem Nacken saß die Angst wie ein Zentnergewicht.

»He, Mayor!« schlug da die Stimme des Cowboys an seine Ohren.

Haycox blieb stehen. Ganz langsam wandte er sich um.

»Was wollen Sie, Coogan?«

»Ich hatte vor, Ihnen einen guten Tag zu wünschen.«

Haycox stieß die Tür des Post-Büros auf.

»Mayor!« rief ihm der Cowboy nach.

Haycox blieb wieder stehen. Und als er sich umwandte, sah er, daß sich auch der Weidereiter umgewandt hatte. Breitbeinig stand er da. Um seinen schmallippigen Mund lag ein böses Lächeln.

»Ich hatte gesagt, daß ich Ihnen einen guten Tag wünschen wollte. Jetzt aber habe ich das dunkle Gefühl, daß Sie gar nicht die Absicht haben einen guten Tag zu erleben.« Und mit einem drohenden Unterton fügte er hinzu: »Daß Sie anscheinend die Absicht haben, diesen schönen Tag nicht zu überleben.«

Haycox spürte, daß ihm der Schweiß aus allen Poren trat.

Er wußte, daß nicht nur der geduckt dastehende alte Posthalter ihn anstarrte, nicht nur der Cowboy vor ihm, sondern die halbe Stadt.

Langsam kam er wieder auf den Vorbau hinaus und sagte mit brüchiger, weithin vernehmbarer Stimme:

»Sie bedrohen mich auf offener Straße, Coogan?«

Der Cowboy hob die Hände langsam in Brusthöhe und spreizte die überlangen starken Finger.

»Wie kommen Sie auf so etwas Dummes, Mayor?« Wieder kroch das unangenehme Lächeln um seinen Mund.

»Dann lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!«

Und als Haycox sich umwenden wollte, peitschte ein Schuß über den Vorbau.

Die Kugel klatschte hart neben dem Mayor in das Holz des Türrahmens.

Der Bürgermeister stand wie gelähmt da. Er wagte nicht mehr, sich umzudrehen.

Es war drei Sekunden still, dann dröhnte die bellende Lache des Weidereiters über den Vorbau.

»Damned, wie schnell so ein Ding losgeht!«

Haycox hielt den Atem an. Er hatte das sichere Gefühl, daß im nächsten Augenblick eine Kugel in seinem Rücken sitzen müßte.

Da gellte eine Frauenstimme über die Straße:

»Jim!«

Der Mayor schloß die Augen.

»Jim! Komm zurück, denk an die Kinder!«

Wieder krochen drei endlose Sekunden über die breite Mainstreet von Landola.

Sekunden, in denen sich das Geschick der Stadt vollzog.

Jim Haycox wandte sich langsam um und ging mit bleichem Gesicht an dem Cowboy vorbei auf die Straße, hinüber zu seinem Haus.

»Verdammter Feigling!«

Es war die harte, rauhe Stimme des Arztes, die diese beiden Worte über die Straße geschickt hatte.

Dave Coogan wandte sich zur Seite. Er fixierte den alten Arzt aus engen, glimmenden Augen.

»Was wollen Sie denn, Grandfather? Verschwinden Sie schleunigst in Ihrem Bau, sonst wird’s verdammt ungemütlich für Sie!«

Unerschrocken blieb der Arzt in der Tür stehen.

In dem Blick, den er dem Vormann zuwarf, lag abgrundtiefe Verachtung.

Da flog der Colt des Hügel-Ranch-Cowboys aus dem Halfter, und hart hintereinander brüllten drei Schüsse über die Straße.

Haarscharf neben dem linken Arm des Arztes rissen sie das Holz der Türfüllung auf.

Und im gleichen Augenblick kamen drüben aus der Seitengasse drei Reiter.

Reiter von Flanagans Ranch.

Der Arzt sah zu ihnen hinüber.

Dann wandte er sich langsam um und ging in sein Haus zurück.

*

Landolas Schicksal war besiegelt.

Die Gewalt war in die Stadt eingezogen.

Die von der Hügel-Ranch hatten die ›Macht‹, wie Hal Flanagan es nannte, an sich gerissen.

Niemand wagte mehr, den Mund aufzumachen.

Von dieser Stunde an verließen die Weidereiter die Stadt nicht mehr. Es blieb immer eine ›Abordnung‹ von ihnen da.

Drüben im Mietstall standen ihre Pferde.

Sie selbst lungerten nebenan auf dem Vorbau des Hauses, das dem Rancher gehörte, herum, wippten auf den Stuhlkanten, schoben sich mit den Stiefeln von den Vorbaupfosten zurück und hatten die Hüte tief ins Gesicht gezogen.

Es war eine regelrechte Besatzung.

Der Saloon war geschlossen.

Die Cowboys tranken in Flanagans Haus; der Rancher hatte da eine Art Notsalon einrichten lassen.

Für die Bürger gab es keinen Whisky mehr.

Im Post-Office hielt sich ständig ein Cowboy auf.

Im Store saß einer.

Einer bewachte die Schmiede und den Barber-Shop.

Niemand in Landola fragte sich, wie Flanagan seine Vieh-Ranch ohne Cowboys aufrechterhalten konnte.

Bis Mike Langlegg dem Schmied zuflüsterte, daß er zufällig beobachtet habe, wie der Revolvermann Barinca mit einem halben Dutzend Reiter eine halbe Meile südlich von der Stadt die Fahrstraße gekreuzt hatte.

Da wußte man, daß der Rancher sich neue Leute ›gekauft‹ hatte.

Wie sollte es weitergehen?

Geduckt schlichen die Menschen ihrem Tagewerk nach.

Und wer dazu die Stadt verlassen mußte, konnte sicher sein, daß er nicht unbeobachtet blieb.

Die Reiter von der Hügel-Ranch konnten überall auftauchen.

Man wußte es bald.

Und vielleicht wäre es noch viel länger so weitergegangen, wenn nicht jener Freitagvormittag gekommen wäre.

Oder besser, jener Reiter, der an diesem sonnenüberstrahlten heißen Vormittag von Norden her in die Stadt ritt.

Er war ein großer breitschultriger Mann mit einem kantigen, gutgeschnittenen Gesicht. Er war braungebrannt und trug auf der Oberlippe einen kräftigen schwarzen Bart.

Sein Hemd war grau und wurde am Hals von einer Samtschleife zusammengehalten. Die Weste war kurz und schwarz. Die enge Levishose lief über die hochhackigen Stiefel aus. An der rechten Hüfte trug der Mann einen achtunddreißiger Revolver in einem abgewetzten Halfter.

Der Braune, den er ritt, war hochbeinig und hätte dem Pferdekenner das edle Blut auf fünfzehn Yards verraten.

Vor der Schmiede hielt der Reiter an, rutschte aus dem Sattel, warf die Zügelleinen über den Querholm und nahm sich den Hut vom Kopf, um sich mit dem Unterarm über die Stirn zu wischen.

Niemand nahm allzuviel Notiz von diesem Mann.

Es waren in den letzten Tagen mehrfach Reiter gekommen – und weitergeritten, nachdem sie im Store muffig behandelt wurden und nachdem sie festgestellt hatten, daß der einzige Saloon geschlossen war.

Der Mann aber, der jetzt gekommen war, hatte einen Grund, nicht gleich weiterzureiten: Sein Pferd hatte vorn links den Huf verloren.

Der Mann nahm ihn aus der Satteltasche und ging damit auf das Tor der Schmiedewerkstatt zu.

Sofort erhob sich Gil Parker, der riesige Texaner, von seinem Beobachterposten auf dem Vorbau und schlenderte auf die Schmiede zu.

Der Fremde blieb im Eingang stehen.

Er grüßte und hielt dem verbissen auf einem glühenden Eisenstück herumhämmernden Blacksmith den Huf hin.

»Könnten Sie mir den wieder aufleimen, Mister?«

Mürrisch blickte der Blacksmith auf. Und dann sagte er etwas, was er nie in seinem bisherigen Leben zu einem Menschen gesagt hatte, der mit einem solchen Anliegen zu ihm gekommen war:

»Scheren Sie sich zum Teufel, Mann!«

»Was…?« fragte der Fremde verblüfft.

»Yeah, Sie haben richtig verstanden! Scheren Sie sich zum Teufel. Es ist besser für Sie und für mich.«

In diesem Augenblick tauchte der Cowboy seitlich am Werkstattor auf.

»Los, tu, was er gesagt, Tucker!« krächzte der Tex.

Da warf sich der Blacksmith herum. Sein Gesicht war flammendrot vor Zorn.

»Einen Dreck werde ich tun.«

Parker sah ihn einen Moment entgeistert an, dann stürmte er vorwärts und drang auf den Schmied ein.

Tucker hatte noch den Hammer in der Hand. Er wich geschickt zur Seite und riß das Handwerkszeug hoch, das er besser als mancher Schießer den Colt handhabte.

Im nächsten Augenblick krachte die Flachseite des Hammereisens auf die linke Schulter des Cowboys nieder.

Der Tex schrie gellend auf.

Dann zuckte seine Rechte zum Colt.

»Halt, Langer!« schnitt da eine harte Stimme an das Ohr des Weidereiters.

Parker sah sich um und starrte aus geweiteten Augen auf den Fremden, der einen Revolver in der rechten Hand hielt.

Ein solches Bild hatte Landola noch nicht gesehen: Da hielt ein Mann einen Revolver auf einen der Hügel-Leute.

Parker riß den Mund auf und brüllte: »Nimm das Schießeiesen weg, Mensch, sonst harke ich dich auseinander.«

Das Gesicht des Fremden blieb fast freundlich.

»Das wäre ein unschöner Anblick für die Leute, Amigo…«

»Du sollst…«

Der Revolverhahn in der Hand des Fremden knackte.

»Sprich leiser, Amigo.«

Da schrie der Tex heiser: »Boys! Help…«

Die Boys waren auch sofort zu sehen.

Drüben vor dem Store sprang Jeff Kirby, der Indio, hoch.

Rechts vom Vorbau kamen der Ohio-Mann und der krummbeinige Larry Owen.

Sie waren nicht sehr klug, die Boys. Sie kamen heran. Und zwar so, daß der Fremde nur mit dem Rücken an das offenstehende Werkstattor zurückzuweichen brauchte, um sie alle vor sich zu haben.

Die vier Cowboys begriffen gar nicht, was eigentlich geschehen war.

Da stand ein Fremder und hielt einen Colt in der Hand.

Damned, das war ein Anblick, den sie eigentlich überhaupt nicht kannten.

Der Indio faßte sich zuerst.

»He, Junge, was soll das werden?«

Der Fremde lachte ihn entwaffnend an.

»Du wirst lachen – das möchte ich auch wissen.«

Da versetzte Parker dem Schmied heimtückisch einen Fußtritt.

»Dieser dreckige Eisenverrenker hat es gewagt, mir einen Schlag mit dem Hammer zu versetzen. Ich werde dem Dreckskerl…«

»Gar nichts wirst du!« versetzte der Fremde.

Noch ahnte niemand, daß Landolas Geschick scharf, haarscharf vor einer Wende stand.

Im Gegenteil, all jene, die diese Szene beobachteten, gaben dem Fremden keine fünf Minuten mehr.

Die Banditen von der Hügel-Ranch würden ihm ganz ohne Zweifel einen ruhigen Platz auf dem Totenacker verschaffen.

Aber es kam anders. Ganz anders.

Ohio hüstelte spitz.

»He, Stranger, du mußt krank im Schädel sein. Siehst du nicht, daß wir vier sind?«

»Doch, so weit kann ich noch zählen!«

»Nimm das Eisen herunter!« knurrte der Mestize heiser.

»Du hast recht«, entgegnete der Fremde zur Überraschung der vier seelenruhig. »Vielleicht läßt es sich dann besser reden.«

Der Colt flog ins Halfter zurück.

Auf diesen Augenblick hatte Barcley Jenkins, der Ohio-Mann, gewartet. Aber er sollte die scheußlichste Enttäuschung seines Gaunerdaseins erleben.

Als er nämlich nach seinem Colt griff und ihn auch schon halb aus dem Halfter hatte, klickte vier Yards vor ihm am Schmiedetor wieder der Revolverhahn.

Nicht nur Ohio hatte den Mund vor Staunen offenstehen.

»He, der ist spaßig!« quetschte Ohio rauh hervor.

»Findest du?« fragte der Fremde kühl.

Sicher hätte in diesem Augenblick noch keiner der Cowpuncher auch nur im entferntesten daran gedacht, daß ihres Bleibens in der Stadt keine fünf Minuten mehr war.

Da trat der Mestize vor. Breitbeinig stand er da. In seinen dunklen Kohlenaugen flimmerte es.

»Hör zu, Stranger, wir geben dir eine Chance: Nimm deinen Klepper und verschwinde.«

Ein helles Lachen kam von den Lippen des Fremden.

»Ich hätte gute Lust, euch diesen Rat zu geben, Boys.«

Die Boys blickten einander betreten an.

Was war da zu tun?

Zum Colt zu greifen wagte im Augenblick niemand mehr.

Mit offenem Staunen blickte der Schmied auf den Fremden.

»Tun Sie, was er sagt, Mister«, mischte er sich plötzlich ein, »nehmen Sie Ihren Gaul und reiten Sie weiter. Es ist hier verdammt ungemütlich in der Stadt.«

»Das kann ich absolut nicht finden«, versetzte der Fremde.

»Es ist heiß hier«, sagte der Schmied rauh.

»Ich liebe heiße Städte.«

Nein, es war kein Spaß, was der Mann da sagte. Niemand spürte es deutlicher als der hellhörigste der drei Kuhtreiber, als der Mischling. Abwartend stand er da.

Da nahm der Schmied seine Arbeit wieder auf. Hell drang sein Hämmern über die Straße.

»Hör auf!« geiferte der Texaner ihn an.

Tucker hielt erschrocken inne. Dann sah er den Fremden an.

»Sie müssen dümmer sein, als Sie aussehen, Mann«, fauchte er den Fremden an. »Es ist brenzlig in der Stadt…«

»Du sollst dein dreckiges Maul…«

Der Fremde machte einen halben Schritt vorwärts.

»Dein Maul hältst zunächst du, Tex!«

Parker starrte den Fremden verblüfft an.

»Woher weißt du…?«

»Du hast so eine nette Aussprache. Ich war ein paar Jahre unten in Texas. Ich erkenne Leute von dort auch ohne, daß sie den Mund auftun.«

Da knurrte der Schmied noch einmal: »Gehen Sie endlich, Mann, Sie machen uns alle unglücklich!«

In den Augen des Fremden blitzte es auf.

Drüben kam ein alter Mann aus einem der Häuser auf die Schmiede zu.

»Was will der Knochenflicker hier?« zischte Jenkins.

Der Arzt kam furchtlos heran.

»Reiten Sie weiter, Mister. Der Blacksmith hat recht. Sie richten hier nichts aus, Sie allein nicht. Wir…«

Da fuhr Jenkins herum und hechtete dem Arzt entgegen.

Aber gedankenschnell wie eine Stahlfeder warf sich ihm der Fremde in den Weg und wuchtete dem Cowboy einen fürchterlichen Haken in die kurzen Rippen.

Der heißblütige Ohio-Mann wurde zurückgeschleudert und beging den Wahnsinn, wieder zum Colt zu greifen.

Der Fremde ließ sich fallen und riß seinen Revolver hoch.

Zwei Schüsse heulten über die Main­street von Landola.

Barcley Jenkins wälzte sich brüllend am Boden.

Und als die anderen Miene machten, ihre Waffen zu ziehen, sprang der Fremde zur Seite, so daß er die schwere Bohlentür wieder im Rücken hatte.

»Er hat ein Stück Blei in der Hüfte. Wer mehr Appetit hat, kriegt die gleiche Ladung ins Herz!«

Seine Stimme klang plötzlich hart und metallen. Und dann trat er auf den Indio zu.

»Heb die Hände hoch, Amigo!«

Ehe der Mestize eine Bewegung machen konnte, hatte der Fremde ihm den Revolver aus dem Halfter gerissen.

Er lachte klirrend.

»Ich bin ein guter Zweihandmann, Boys, nur hatte ich wenig Lust, zwei Eisen ständig mit mir herumzuschleppen. Jetzt habe ich noch elf Kugeln in den Trommeln. Ihr könnt sicher sein, daß ich drei davon auf die Reise schicken werde, ehe ich selbst runtergehe.«

Die Boys waren gestellt. Sie hatten alle Lust verloren, weitere Kostproben der Schießkunst des Fremden mitanzusehen.

Der Mestize wandte sich um und stakste langsam davon.

»Ich schätze, daß du in einem Zelt wohnst, Junge!« rief ihm der Stranger nach. »Vergiß deinen Gaul nicht, und laß dir keine Späße einfallen. Die Sache war bis jetzt Spaß.«

Da wollten auch die anderen gehen.

»Wartet noch, Freunde«, mahnte sie der Fremde halblaut, »wir haben uns so gut unterhalten, daß ich noch nicht auf eure Gegenwart verzichten möchte. Ich hatte einen reichlich langweiligen Trail hinter mir.«

Sie warteten.

Und ein paar Minuten später kam der Mestize mit seinem Pferd aus dem Mietstall. Wortlos ritt er an der Schmiede vorbei und verschwand drüben in einer Seitengasse.

»Vielleicht sehen Sie mal nach dem Mann da!« forderte der Fremde den Arzt auf.

Doc Winters sah ihn an.

»Wer sind Sie?«

»Ich wollte hier nur einen Huf aufgeschlagen bekommen.«

»Wie kommen Sie darauf, daß ich nach seiner Wunde sehen sollte? Woher kennen Sie mich?« fragte Winters.

»Nannte er Sie nicht Knochenflicker?«

Doc Winters zog die Schultern hoch und ließ sie resigniert wieder fallen. Dann machte er sich an die Untersuchung der Wunde des Ohio-Manns.

Der Fremde feixte die andern an.

»Ihr dürft jetzt der Rothaut folgen. Haltet euch gut in seiner Spur. Das ist das gesündeste.«

»Wir nehmen ihn mit«, keifte der Texaner und hielt sich die schmerzende Schulter.

»Verschwindet!« zischte der Fremde schneidend.

Da stoben sie davon.

Minuten später hatten auch sie Landola verlassen.

Barcley Jenkins wurde in Flanagans Haus gebracht.

Der Schmied trat auf die Straße und sog die Luft ein.

»Teufel auch, atmet sich das gut. Mir ist, als käme ich aus einer Höhle!«

Der Fremde sah ihn an.

»Habe ich eine Chance mit dem Huf, Mister…?«

Tucker lachte bitter auf.

»Yeah, und ob Sie die haben. Ich werde Ihnen sogar ein neues Eisen kostenlos aufbrennen. Sie werden es nötig haben.«

»Glauben Sie?«

»Ganz sicher. Hal Flanagan wird noch vor Einbruch der Dunkelheit mit seinen Boys in der Stadt sein. Bis dahin müssen Sie zusehen, daß Sie möglichst viel Land zwischen sich und die Stadt bringen.«

Der Fremde sah sich auf der Straße um.

»Sie werden es wieder verrückt finden, Mister, aber ich habe plötzlich den Wunsch, noch etwas hierzubleiben.«

»Was…?« Der Schmied starrte ihn sprachlos an.

»Kann man hier irgendwo ein Zimmer bekommen?«

»Nein. Und wenn einer eines frei hätte – er gäbe es Ihnen nicht. Reiten Sie los, Mann! Wir werden Sie in bestem Andenken halten und uns freuen, wenn wir morgen erfahren, daß Sie Flanagans Hunden entkommen sind.«

Wieder lachte der Fremde.

»Sie sind ziemlich nervös, Black­smith.«

Der Schmied rieb sich durch den Kragen.

»Mann, merken Sie nicht, daß hier was faul ist?«

»Es gibt kaum eine Stadt in diesem Land, wo nichts faul ist.«

»Yeah, aber hier ist die Hölle los! Haben Sie nicht bemerkt, daß sich kein Mensch aus seinem Bau traut? Die feigen Kröten hocken alle in ihren Nestern. Den alten Doc dürfen Sie nicht rechnen. Erstens ist er alt und hat kaum noch was zu verlieren und zweitens ist er auch irgendwie verrückt wie Sie.«

»Thanks.«

»Nichts für ungut – aber reiten Sie! Ich werde jetzt Ihr Eisen schlagen.«

Der Fremde legte eine Hand auf den behaarten Unterarm des Schmiedes.

»Lassen Sie sich Zeit, Blacksmith. Ich hab’s nicht eilig. Sie glauben nicht, wie neugierig ich bin.«

»An so was ist hier schon einer gestorben.«

Und dann erzählte der Schmied zögernd, was sich in der Brandeisen-Bar ereignet hatte.

Nun mußte er erleben, daß sich der Fremde umwandte und auf das Doktorhaus zuging.

»Hallo, Doc, kann ich den Salooner sprechen? Er soll bei Ihnen liegen.«

Mit unbewegtem Gesicht führte der Arzt den Fremden in einen kleinen halbdunklen Raum, wo Jonny Fenner auf einer Pritsche lag.

Der Fremde blieb vor dem Bett stehen, tippte an seinem Hutrand und fragte:

»Hallo, Mister Fenner, wie geht’s?«

Der Salooner lächelte schwach. »Gut«, sagte er mit schwacher Stimme.

»Er redet nie viel«, sagte der Arzt lakonisch.

»Ich im allgemeinen auch nicht«, versetzte der Fremde. »Ich habe nur eine Frage, Mister Fenner: Kann ich den Saloon nicht für Sie wieder aufmachen? Ich habe schon immer gern mit Flaschen und Gläsern herumhantiert. Und denken Sie an den Ausfall. Die Dollars könnten Sie festhalten. Wir machen Halbpart, so lange, bis Sie wieder in den Stiefeln stehen, dann können Sie mich ja rauswerfen.«

Jonny Fenner warf einen forschenden Blick über die Erscheinung des Fremden.

Wyatt Earp Classic 37 – Western

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