Читать книгу Wyatt Earp Classic 41 – Western - William Mark D. - Страница 3

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Freunde,

nun ist es doch schon so gekommen, daß ich nicht mehr all Eure Briefe beantworten kann. Es sind so viele geworden, daß ich über der Beantwortung nicht mehr zu meiner Arbeit käme – und das wollt Ihr ja sicher auch nicht. Deshalb will ich Euch hier danken. Allen – auch den vielen Soldaten, die mir aus ihren Kasernen so aufmunternde Briefe geschrieben haben, daß ich direkt stolz darauf bin.

Nein, Freunde, seid ohne Sorge: Wyatt Earp reitet weiter! Wie er all seine Feinde im Leben besiegt hat, so werden wir ihm auch jetzt beistehen, all seine Widersacher zu bezwingen. Weder ein böswilliger Zeitungsartikel noch ein bombastisch aufgebauschter Film kann daran etwas ändern. Plötzlich wollen sie alle etwas von ihm wissen, selbst die, die ganz sicher nichts wissen können, weil sie erstens nie da waren, wo er lebte, und weil sie sich zweitens nicht einmal der Mühe unterzogen, sein Leben wirklich ernsthaft zu durchforschen.

Bleibt im Sattel, Freunde, der Ritt geht weiter. Diesmal führt er uns hinaus an den Rand der Salzwüste von Utah. Der Missourier hat im Spätsommer, nachdem es in Dodge still geworden war, eine Zeitlang als Wildpferdjäger in Nevada gearbeitet, ritt dann aber, weil sein berühmter Name die Revolverschwinger aus allen Teilen dieses Landes anzog, hinüber nach Quiney, wo er hoffte, bei dem berühmten Wildpferdzüchter Red Joe Arbeit finden zu können. Aber wenn er glaubte, dem Abenteuer, das er ja nie suchte, und dem Kampf entronnen zu sein, so hatte er sich getäuscht. Hier erwartete ihn Schlimmeres.

So long!

Euer William Mark

»Von hier aus könnt ihr die Pferde sehen!« Der Colorado-Mann Jubal Moris gab seinen Begleitern einen Wink und deutete in die Ebene hinunter.

Vier Reiter saßen auf struppigen Gäulen, verdeckt durch die Laubdächer der hohen Bäume auf der Anhöhe und blickten mit gierigen Augen auf die Tiere, die in einem großen Korral weideten.

»Worauf warten wir eigentlich noch?« knurrte der Texaner Jeff Calligan, ein breitschultriger Mann mit brutalem Gesicht und verwildertem Bart.

Jubal Moris antwortete nicht. Sein rissiges Gesicht mit der eingeschlagenen Sattelnase blieb unbewegt. Aus der abgewetzten Lederweste holte er eine zerdrückte Zigarre und schob sie tief in dem linken Mundwinkel; eine alte Angewohnheit von ihm. Wenn er rauchte, wirkte die Kinnpartie immer leicht verzerrt. Er schob seinen rechten Fuß nach vorn und riß an der Sohle ein Schwefelholz an. Genießerisch setzte er das braune Kraut in Brand.

Der dicke Pat Johnson aus Tennessee, mit seinem vom Whisky aufgeschwemmten Gesicht und den ausdruckslosen Augen, nahm seinen zerbeulten Hut ab und wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn.

Der vierte Reiter war der Alabama-Mann Jimm McLean; er sah sonderbarerweise am gefährlichsten aus. In seinem schmalen, strengen Gesicht schienen nur die Augen zu leben.

Calligans Pferd drängte plötzlich nach vorn, um an den Büschen zu knabbern. Dadurch wurde Moris aus seinen Gedanken aufgeschreckt. Erst jetzt beantwortete er Jeffs Frage. »Worauf wir warten? Yeah, eigentlich auf nichts. Wir sind am Ziel. Also, reiten wir los. Macht keine Dummheiten, die Verhandlung führe ich.«

Der kleine Trupp setzte sich in Richtung auf den Korral zu in Bewegung.

Der Besitzer der kleinen Pferde-Ranch, der Rote Joe, trat aus seiner Blockhütte, als er das Hufgetrappel hörte. Joe war ein Mischling, aber in ihm vereinigten sich nicht die niedrigen Instinkte zweier Rassen, wie es bei Mestizen häufig der Fall war. In seinem Äußeren ähnelte er stark seiner Mutter, einer Comanchen Squaw, aber charakterlich und in geistiger Beziehung war er seinem Vater, einem Trapper und Fallensteller, nachgekommen. Joe hatte das große weite Tal von seinem Vater geerbt. Das Land war rechtmäßig eingetragen, und niemand konnte es ihm nehmen, obgleich oft die habgierigen Blicke der anliegenden Rancher darauf fielen.

Der County Sheriff Luke Coppers in Norton war ein gerechter Mann. Jeden Versuch, dem Halbblut die Zuchtranch mit Gewalt zu nehmen, war er bisher immer entgegengetreten. Joes Vater war schließlich ein Weißer gewesen, dessen letzter Wille respektiert werden mußte.

Der Mestize war oft wochenlang unterwegs und fing Wildpferde ein, die er dann im Tal in mühseliger Arbeit zähmte und zuritt. Es war eine harte Sache, bis ein Pferd so weit war, daß es verkauft werden konnte. Gemessen an den Anstrengungen, die ein verkaufsfertiges Pferd von ihm gefordert hatte, waren Joes Forderungen bescheiden.

Die vier Reiter waren an den Korral herangeritten. Sie konnten Rufe der Bewunderung nicht unterdrücken, als sie die gepflegten prächtigen Tiere sahen.

Joe hatte ein ungutes Gefühl, als er an das Gatter herantrat. Es war nicht die verschlissene Kleidung der Männer, die ihn abstieß; er wußte ja, daß die Leute bei der Weidearbeit nicht anders aussehen konnten; die gierigen Blicke mahnten ihn zur Vorsicht.

»Gehört die Ranch Ihnen?«

»Yeah.«

Der Bandit nickte. »Wir wollen Pferde kaufen. Natürlich nur, wenn Sie uns einen anständigen Preis machen.«

»Pferde aus meiner Zucht haben ihren festen Preis«, erklärte der Mestize in bestimmtem Ton.

»Wir brauchen mindestens fünfzehn Tiere, und da dachte ich«, Jubal machte eine kleine Pause, während er den Züchter scharf musterte, »mit fünfzehn Dollar wäre ein Gaul gut bezahlt.«

»Auf keinen Fall«, versetzte der Mestize. »Ich verkaufe meine Pferde nicht für solch einen Schandpreis. Fünfundzwanzig Dollar, und keinen Cent weniger.«

Ruhig und besonnen hatte Indianer-Joe gesprochen, seinem bronzefarbenen Gesicht konnte man die Erregung über das schändliche Angebot, das man ihm gemacht hatte, nicht ansehen. Nur seine dunklen Augen glühten wie feurige Kohlen.

Jubal Moris lächelte hinterhältig. In aufreizender Weise holte er eine Handvoll Zehndollarnoten aus der Brusttasche und hielt sie dem Mischling hin. »Siebzehn!« krächzte er.

Joe schüttelte schweigend den Kopf.

Da warf der Bandit einen Blick hinüber zum Korral und schnarrte. »Well, mein letztes Wort: zwanzig!«

Joe antwortete nicht, drehte sich um und schritt mit federnden Schritten dem Blockhaus zu.

Moris schickte ihm einen ellenlangen Fluch hinterher, dann wechselte er mit seinen Leuten einen vielsagenden Blick.

Jeff Calligan knurrte: »Du wirst alt, Jub. Seit wann zahlst du, wenn du etwas haben willst?«

Pat Johnson und Jim McLean grinsten hämisch.

Das Gesicht ihres Anführers lief rot an. »Du reißt in letzter Zeit reichlich oft dein Maul auf. Wundere dich nicht, wenn ich es dir stopfe!«

Calligan wollte aufbegehren, aber als er in die eisigen Augen seines Chiefs sah, senkte er den Kopf und schwieg.

Jubal Moris wandte sein Pferd und rief über die Schulter: »Kommt!«

Der Trupp setzte sich in Bewegung. Mißmutig ritten die Männer dahin, und als sie wieder den bewaldeten Hügel erreicht hatten, ließ Moris absitzen.

Nachdem die Pferde angepflockt waren, setzten sich die Reiter in das hohe Gras und drehten sich aus Durhamtabak Zigaretten.

Schweigend rauchten sie. Ihre Gedanken kreisten nur um das Thema: Wie kommen wir an die Pferde?

Weshalb hatte der Boß dem Mestizen überhaupt Geld geboten?

Jubal Moris schien die Gedanken seiner Leute erraten zu haben. Spöttisch ließ er seine Blicke über ihre stoppelbärtigen Gesichter fliegen.

»Ihr Dummköpfe habt natürlich nicht begriffen, weshalb ich dem roten Halunken Geld geboten habe.«

Pat Johnson wollte etwas sagen, aber Moris winkte ab.

»Ein heller Kopf ist mehr wert als alles andere!« erklärte er schroff.

»Dann hättest du Advokat werden sollen«, brummte McLean und stocherte mit einem Streichholz in seinen Zähnen herum.

»Rechtsverdreher? By Gosh, eher würde ich meine Stiefel auffressen!« entrüstete sich Moris. Dann aber senkte sich seine Stimme zu einem dämonischen Flüstern. »Ich habe nie im Ernst daran gedacht, der Rothaut die Pferde zu bezahlen. Ich wollte nur wissen, was die Gäule wert sind. Schließlich versteht der Kerl etwas davon. Wir sind fremd hier im Land und kennen die Preise nicht.«

»Und wo willst du die Tiere absetzen, falls sie dir zufällig nachlaufen sollten?« warf Calligan in gewagtem Spott ein.

»Das laß nur meine Sorge sein. Ich wüßte schon Abnehmer, wenn wir nur erst die Pferde hätten.«

»Hätten, hätten – wir haben sie eben nicht«, krächzte Johnson. »Vielleicht bequemst du dich endlich dazu, uns zu sagen, wie du dir die Sache vorstellst.«

»Ganz einfach: Das Halbblut muß verschwinden.«

Johnson kniff ein Auge zu und preßte zynisch durch den Mundwinkel: »Du meinst, ich soll ihn auspusten?«

»So einfach ist die Sache. Sein Land grenzt an die Weide der O’Connor Ranch. Die Cowboys könnten die Schüsse hören. Nein, die Sache muß geräuschloser steigen.« Und wieder ging seine rauhe Stimme in ein Flüstern über.

So abgebrüht die Burschen auch waren, bei Jubals Vorschlag kroch ihnen doch ein kalter Schauer über den Rücken.

*

Der Reiter, der da die Halde hinunter auf die Talsohle zuhielt, war breitschultrig, hatte ein braungebranntes Gesicht und unter seinem Hut quoll dunkles Haar hervor.

Der Mann hatte einen langen Trail hinter sich. Er kam von Nevada herüber aus den Tusceroa Mountains im Elko County. Er hatte diese Gegend verlassen, weil er sich monatelang mit einer Bande herumschlagen mußte, die die Wildpferdjäger und Fallensteller, mit denen er das ganze Frühjahr hindurch in den Bergen verbracht hatte, immer wieder überfiel. In einem mörderischen Gunfight hatte der hochgewachsene Jäger die beiden Anführer der Bande auf der Mainstreet von Halifax geschlagen. Dann hatte er sich in den Sattel gesetzt und war nach Osten geritten.

Es war ein großer breitschultriger Mann mit wetterbraunem, gutgeschnittenem Gesicht und blauen Augen. Den flachkronigen schwarzen Hut hatte er tief in die Stirn gezogen. Er trug ein leuchtendrotes Hemd, eine kurze offenstehende schwarze Lederweste und enge Levishosen, die unten über die hochhackigen Stiefel liefen. Sein Waffengurt war aus Büffelleder und hielt an jeder Seite einen großen Revolver.

Der Mann saß auf einem Fuchs, der die Beine nur noch müde und staksig voreinander zu setzen vermochte. Das Tier war am Ende seiner Kraft.

Auch der Mann war stark erschöpft.

Seit Tagen hatte er weder ein Wild schießen noch sonst etwas Eßbares erjagen können. Es war ihm nicht oft auf seinen Ritten passiert, daß ihm der Proviant ausgegangen war. Oben in den Bergen war er vor einer Woche auf einen Trupp kriegerischer Shoshonen gestoßen, die ihm nach hartem Kampf niedergezwungen hatten und mit in ihr Lager hatten schleppen wollen. Dabei hatte er nicht nur seine Vorräte an die Roten verloren, sondern oben auch die letzten Kraftreserven seines Pferdes in der Salzwüste von Utah erschöpfen müssen.

Bis in die vergangene Nacht hatte er die Verfolger hinter sich beobachtet. Erst in der hügeligen Einöde des Toele Countys hatte er die hartnäckigen Rot-häute abschütteln können.

Plötzlich zügelte der Reiter sein Pferd und richtete sich auf. Lauschend hob er den Kopf, während seine scharfen Falkenaugen suchend über die wellige Prärie glitten.

Da – jetzt gab es für ihn keinen Zweifel mehr, er hatte es deutlich gehört, die dünne Luft trug aus der Ferne das Geknatter von Gewehrschüssen zu ihm herüber.

Der Reiter straffte seine Gestalt. In seinem Gesicht spiegelte sich Besorgnis. Einen Moment verharrte er in dieser Stellung, dann wandte er sein Pferd in die Richtung, aus der er die Schüsse gehört hatte. Mit leichtem Schenkeldruck versuchte er, das Tier zu größerer Schnelligkeit anzutreiben; aber vergebens, der Fuchs war durch die Strapazen in der Salzsee-Wüste völlig ausgepumpt. Der Ritt hatte ihn so stark mitgenommen, daß er willig nur noch im Trott vorwärtszubewegen war.

Der Reiter, der sonst seinem Pferd nie unnötige Anstrengungen zumutete, setzte ihm jetzt die Sporen in die Weichen.

Das Tier schnaubte auf und schoß eine Anhöhe hinan. Auf der anderen Seite fiel der Hang unvermutet steil

ab.

Das Tier stolperte und kam ins Rutschen. Schrill wieherte es auf, als ihm beide Vorderläufe einknicken. Über den Hals des Pferdes hinweg stürzte der Reiter den Abhang hinunter und blieb bewußtlos liegen.

Unbarmherzig schickte die Sonne ihre sengenden Strahlen auf den Bewußtlosen nieder. Erst nach Minuten kam er wieder zur Besinnung. Er öffnete die Augen, um sie gleich darauf vor der gleißenden Helle des Sonnenlichtes wieder zu schließen.

Ein unbändiges Durstgefühl quälte ihn. Vergebens versuchte er, mit der Zunge die trockenen Lippen zu netzen.

Allmählich kam ihm die Erinnerung zurück. Taumelnd erhob er sich und bickte sich benommen um. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich den Schweiß von der Stirn.

Da fiel sein Blick auf seinen verbeulten Hut. Der Rücken schmerzte ihm, als er sich bückte, um ihn aufzuheben.

Er tastete seinen Körper ab. Gebrochen hatte er anscheinend nichts. Die Schürfwunden beachtete er nicht. Er wandte sich um und kletterte die Höhe hinauf, bis er bei dem gestürzten Pferd ankam.

Der Fuchs stöhnte tief auf. Nach kurzer Untersuchung wußte der Reiter, daß das Tier verloren war; es hatte einen Voderlauf gebrochen.

Einen Moment verzog sich das Gesicht des Mannes. Dann nahm er einen seiner Revolver aus dem Halfter.

Der Schuß peitschte über die Halde…

Der Mann begann, die Sattelgurte von dem toten Tier zu lösen.

Jetzt kam ihm wieder der brennende Durst zum Bewußtsein. Er öffnete den Verschluß der Wasserflasche und ließ sich die lauwarme Flüssigkeit durch seine Kehle rinnen.

Während er auf das tote Pferd sah, kam ihm für einen Moment das Bild eines anderen Tieres ins Gedächtnis: Es war ein hochbeiniger Falbe von prächtigem Wuchs, dessen Fell einen seidigen Glanz hatte und in dessen Augen das dunkle Feuer glomm, das nur ein wirklich edles Pferd auszeichnete. Der Mann hatte das Tier daheimgelassen, da es für den Trail in die Berge Nevadas die Union Pacific Railroad benutzt hatte. Da jedoch die Hinfahrt dem an frische Luft und freie Natur gewöhnten Mann bereits eine Last gewesen war, hatte er für den Rückritt in Holborn den Fuchs gekauft.

Resigniert warf sich der Mann seinen Sattel über die Schultern und machte sich auf den Weg.

Die hochhackigen Reiterstiefel erschwerten den Marsch sehr. Sein Kopf schien schwerer und schwerer zu werden und sank ihm immer öfter auf die Brust.

Anfangs hatte er noch hin und wieder den Kopf erhoben, um festzustellen, ob er dem Wald schon näher gekommen war. Aber je länger er ging, desto seltener blickte er auf. Schließlich starrte er nur noch auf den Boden, der im Schneckentempo unter seinen Stiefeln dahinkroch.

*

In den Häusern der kleinen Stadt Quiney brannten schon die Lichter. Die Männer lungerten auf den Vorbauten herum.

Die Tür zum Generalstore wurde eben geöffnet. Frank Potter, der Inhaber, ließ einen Mann hinaus. Während er sich von seinem Besucher verabschiedete, sagte er: »Sie können sich auf mich verlassen, Mister Burton. Ich werde die Waren zusammenstellen. Sie können sie dann abholen lassen.«

Der andere nickte zustimmend und trat auf die Straße, wo er sich suchend umsah. Für die kleine Kistenholzstadt am Rande der Salzwüste war er eine Spur zu elegant gekleidet. Ein St. Louis Anzug nach neuestem Schnitt, das weiße Rüschenhemd mit der weinroten Samtschleife und der hellgraue steife Californiahut – so etwas mußte hier auffallen. Steve Burton war einer der fähigsten Leute der Telegraph Western Union. Bisher hatte er im Osten gearbeitet; vor einem Vierteljahr hatte man ihn beauftragt, eine neue Telegraphenlinie hier im Westen an der Salzwüste entlang zu bauen.

Drüben im Osten war alles leichter gewesen. Da hatte er immer genügend Arbeitskräfte gefunden. Hier tauchten unentwegt Schwierigkeiten auf, mit denen er nicht gerechnet hatte. Die Menschen und das Land waren rauher und abweisender. Überall gab es Schwierigkeiten mit den Ranchern, die nicht dulden wollten, daß auf ihrem Land Masten gesetzt werden sollten, obgleich sie nach dem Gesetz dazu verpflichtet waren, diese Arbeiten zu unterstützen, da sie dem Gemeinwohl dienten.

Gesetz! Wer kümmert sich in diesem Land schon um das Gesetz? In jenen rauhen Tagen wurde das Gesetz von der persönlichen Stärke und dem fünf-undvierziger Revolver geschrieben.

Mißmutig schritt Burton die Straße hinunter. Noch bevor er die Schwingarme des Star Saloons erreichte, hörte er die Musik, grölenden Lärm und lautes Lachen, das von dem schrillen Gesang einer Frauenstimme übertönt wurde. Einen Moment zögerte er noch, als er vor der Pendeltür stand, dann aber trat er ein.

Der Raum war breit, die Theke im Hintergrund nahm fast die gesamte Länge der Rückwand ein. Links war eine kleine Bühne, auf der die ›Sängerin‹ stand, die ihr Lied beendet hatte und sich verbeugte.

Tische und Stühle füllten den Raum, bis auf den Platz vor der Theke, wo etwa ein Dutzend Männer standen und zur Bühne blickten. Von der Tür bis zur Theke führte ein breiter Gang. Burton ging zur Theke und bestellte sich einen Whisky. Dann betrachtete er prüfend die Gäste neben sich.

Das Gesicht des Ingenieurs verzog sich mißmutig. Was er suchte, konnte er hier nicht finden; das sah er sofort. Er brauchte einen harten Mann, der sich im Westen auskannte, einen Arbeits-trupp führen und sich Respekt verschaffen konnte.

Die ›Sängerin‹, die inzwischen nach dem polternden, wenig echten Beifall das Podium verlassen hatte, beugte sich zu einem Mann hinunter und flüsterte: »Jube, das ist der Kerl aus dem Osten. Der Junge muß Geld haben. Er hat im Store allerlei Dinge gekauft und bezahlt, ohne zu feilschen.«

Jubal Moris, der mit seinen Leuten an einem Tisch saß, nahm seinen Zigarrenstummel aus dem Mundwinkel und brummte: »Du weißt ja Bescheid; wir müssen ihn vor die Tür kriegen.«

Das Mädchen tänzelte langsam und wie unabsichtlich auf die Theke zu. Neben Burton blieb sie stehen.

»Fremd hier?« fragte sie flötend, wobei sie einen reichlich mißlungenen Augenaufschlag riskierte. »Habe Sie noch nie hier gesehen.« Ihre vom Whisky heisere Stimme sollte etwas Verführerisches ausstrahlen, aber auch das mißlang.

Burton, der nicht die Absicht hatte, Frauenbekanntschaften zu machen, erwiderte: »Yeah, ich komme aus dem Osten.«

Die ›Schöne‹ lächelte kokett. »Wie wäre es mit einem Drink, Steve?«

Der Ingenieur horchte auf. Steve? Woher kannte sie seinen Vornamen? »Well, nehmen Sie einen Drink auf meine Rechnung, Miß – wenn Sie mir verraten, woher Sie meinen Namen wissen!«

Das Mädchen biß sich auf die Unterlippe. Verdammt! ich habe einen Fehler gemacht, dachte sie. Aber schnell hatte sie sich gefaßt.

»Heißen Sie tatsächlich Steve?« tat sie treuherzig. »Wissen Sie, es ist eine Angewohnheit von mir, alle Männer, die ich nicht kenne, Steve zu nennen.«

Burton lächelte dünn. »Einen Doppelten für Mary!«

»Ich heiße Sally.«

»Für mich heißen Sie Mary. Ich finde, der Name paßt viel besser zu Ihnen. Mir geht es da wie Ihnen: Ich sage zu allen Mädchen, die ich nicht kenne, Mary.«

»Ich will aber nicht Mary genannt werden«, wehrte das Mädchen sich, wobei es schon ärgerlich wurde.

»Streiten wir uns nicht. Prost, Mary!«

»Scheren Sie sich zum Teufel!« keifte Sally, die freundliche Maske fallenlassend. Da hatte ihr der Fremde selbst den Grund zum Streit, den sie ja suchte, gegeben.

»Aber Mary! Weshalb regen Sie sich auf?« versuchte Burton sie zu beruhigen.

»Sie nennen mich schon wieder Mary! Das ist eine Beleidigung.« Sie drehte sich halb um und rief schrill: »Hallo, Gents! Ich brauche euch. Hier ist jemand, der keine Achtung vor einer Lady hat!« Plötzlich war ihr verwüstetes Gesicht trotz des dick aufgetragenen Puders peinlich deutlich zu erkennen.

Angeekelt wollte sich Burton abwenden. Da aber war Moris bereits aufgesprungen und kam auf ihn zu. Während Calligan und Johnson folgten, stahl sich McLean zur Tür hinaus.

Durch das Gekeife des Mädchens waren auch die anderen Männer im Schankraum aufmerksam geworden. Neugierig sahen sie auf Burton und Sally. Und als Moris sich jetzt heran-drängte, wußten sie, daß es eine Auseinandersetzung geben würde.

Was hatte der Stadtfrack auch hier zu suchen? dachten die meisten, und ohne daß sie Moris kannten, standen sie auf seiner Seite.

Burton spürte jetzt auch, daß es Ärger geben würde. Zum Teufel! dachte er, auf was habe ich mich da eingelassen?

Jetzt stand Moris vor ihm.

»Sie haben die Frau beleidigt? Wir Männer hier im Westen achten unsere Frauen«, knurrte er drohend.

»Und nicht mal entschuldigen will er sich!« kreischte das Tanzgirl.

»Was will er nicht?« fauchte der Bandit. »Sofort entschuldigen Sie sich bei ihr!«

Nun hätte der Mann aus dem Osten beigeben können, und damit wäre dem Bandit der Wind aus den Segeln genommen worden. Aber Burton war ein Dickkopf. Er fühlte sich im Recht, denn dort, wo er zu Hause war, herrschte das Recht.

»Wofür soll ich mich entschuldigen?« gab er bissig zurück.

Gespannt lauschten die umstehenden Männer dem Rededuell der beiden. Jeder spürte, daß die Sache keinen friedlichen Ausgang nehmen konnte. Während dieser Zeit hatten sich Calligan und Johnson so postiert, daß Burton in ihrer Mitte stand.

Moris hatte nur darauf gewartet. »Wofür, wofür?« äffte er Burton nach und stieß seine Faust blitzschnell nach vorn. Der Mann von der Telegraph Union taumelte zurück und konnte nicht verhindern, daß er dem hinter ihm stehenden Calligan auf die Füße trat.

»Verdammter Skunk!« brüllte Calligan und trieb Burton mit einem Faustschlag den steifen Californiahut über die Ohren.

Johlendes Gelächter brandete im Schankraum auf.

Vergebens versuchte Burton, sich von dem Hut zu befreien. In gemeiner Weise war Calligan einen Schritt zurückgetreten, um dem Hilflosen einen Fußtritt zu versetzen, der ihn vorwärts taumeln ließ.

Darauf hatte Johnson nur gewartet. Ein diabolisches Grinsen trat in sein Gesicht, als er seine Faust krachend gegen die Kinnspitze des Ingenieurs hämmerte.

Der Mann aus dem Osten klappte wie ein Taschenmesser zusammen.

»Gegen Ladies frech werden, das kann der Kerl! Aber gegen Männer wagt er sich nicht zur Wehr zu setzen«, röhrte Moris und stieß dem hilflos am Boden Liegenden die Stiefelspitze in die Rippen.

Burton stöhnte tief auf. Trotz seiner Schmerzen gelang es ihm, sich von dem Hut zu befreien.

»Los, Boys! Macht ihn fertig und dann hinaus mit ihm«, hetzte Sally.

Aber Moris machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Er hatte vergessen, weshalb er den Streit vom Zaune gebrochen hatte. Jetzt fühlte er sich als Mittelpunkt und wollte den Umstehenden zeigen, welch ein Bursche er war. Mit sich überschlagender Stimme schrie er: »Los, zieh!«

Verständnislos sah Burton, der noch immer auf den Dielen lag, zu ihm auf.

»Feiger Hund, du sollst ziehen!« bellte Moris erneut.

Niemand hatte während des Tumults bemerkt, daß sich die Pendeltür geöffnet hatte. Der Mann, der sich auf einen der Schwingarme stützte und auf der linken Schulter einen Sattel trug, war hochgewachsen, sonnenverbrannt und staubbedeckt. Mit finster zusammengezogenen Brauen sah er dem ungleichen Kampf zu. Als Moris den Ingenieur aufforderte, zu ziehen, trat der Fremde mit schnellen Schritten hinter Moris.

»Womit soll der Mann denn ziehen?« Messerscharf klang seine Stimme durch den Raum.

Schnell wie ein Wiesel wandte Moris sich um. Mit unruhigen Augen musterte er den Sattelmann. Dann machte er eine wegwerfende Handbewegung und zischte:

»Halt dich hier raus, sonst werde ich…«

»Sind Sie so kurzsichtig, daß Sie nicht sehen, daß der Mann keine Waffe hat?«

»By Gosh, er hat tatsächlich keinen Colt!« rief einer der Männer, die an der Theke standen.

»Aber ich habe deutlich gesehen, daß der Stadtfrack in die Westentasche gelangt hat«, behauptete Moris frech.

Während dieser Zeit war es Burton gelungen, sich wieder auf die Beine zu stellen. Die zitternde Rechte hatte er auf eine Stuhllehne gestützt und blickte noch immer benommen um sich. Trotz aller Schmerzen hatte er erfaßt, daß er dem Fremden etwas zu verdanken hatte.

Jubal Moris gab das Spiel noch nicht auf. Er baute auf seine Helfershelfer. Außerdem glaubte er, aus dem schadenfrohen Lachen der Gäste schließen zu dürfen, daß diese ebenfalls auf seiner Seite waren. Er stemmte seine Fäuste in die Hüften und blickte den Fremden herausfordernd an. Mit verzerrtem Mund zischte er:

»Scheren Sie sich zum Teufel, Mann! Dies hier ist meine Sache. Und wenn Sie nicht hören wollen, lasse ich Sie von meinen Boys auseinandernehmen!«

»Mit Ihren Boys meinen Sie sicherlich die beiden Schläger«, sagte der dunkelhaarige Fremde ironisch und deutete mit der Kinnspitze auf Calligan und Johnson.

Ein Wutschrei aus drei Banditenkehlen war die Antwort.

»Los, Boys, macht ihn fertig!« brüllte Moris, dann drehte er sich um und wollte wieder auf Burton eindringen.

Der Fremde warf Johnson, der als erster auf ihn zustürmte, den Sattel vor die Füße. Der Bandit stolperte und fiel mit dem Gesicht auf die Dielen. Dann stürtzte der Fremde sich auf Calligan. Blitzschnell bückte er sich, stieß seinen Kopf zwischen dessen Beine, hob den Desperado mit einem Ruck hoch und schleuderte ihn krachend hinter sich gegen die Bordwand der Theke.

Als er sich umwandte, sah er gerade, wie Moris bei dem Ingenieur einen Backhander landen wollte. Er hechtete auf den Banden-Boß zu, packte ihn am Hemdkragen, zerrte ihn herum und riß mit der Rechten einen Uppercut hoch, der Moris rückwärts torkeln ließ. Und als der Verbrecher wieder angriff, bezog er die Prügel seines Lebens. Haargenau prasselten die Hiebe auf ihn nieder. Vergebens versuchte Moris zu kontern. Aber er hatte keine Chance; er war diesem Mann einfach nicht gewachsen. Was er jetzt einstecken mußte, hätte eine Lehre für ihn sein sollen.

Aber der Verbrecher riß in wildem Zorn seine letzten Kräfte zusammen und rannte, einen tierischen Schrei ausstoßend, mit gesenktem Kopf auf den Fremden zu, um ihn im Magen zu treffen. Der andere aber steppte leichtfüßig zur Seite, und der Bandit prallte mit dem Schädel krachend gegen die Theke. Da brach er in die Knie.

Einen Moment sah es so aus, als ob er aufgeben wollte. Aber sein verbrecherisches Hirn hatte einen Gedanken gefaßt, der den Kampf vielleicht trotz allem noch zu seinen Gunsten ausgehen lassen konnte.

Seine Hand zuckte zum Colt. Aber Jubal Moris hatte nicht mit der Wachsamkeit seines Gegners gerechnet, der blitzschnell seine Stiefelspitze vorschnellen ließ und die Hand des Tramps so schmerzhaft traf, daß der aufschrie und den Colt fallen ließ.

Die Stimmung im Schankraum war umgeschlagen. Gegen einen fairen Kampf hatten die Männer nichts einzuwenden gehabt, aber als Moris seinen Colt gezogen hatte, ertönten laute Mißfallensrufe. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Gäste wären auf die drei Verbrecher losgestürzt.

Doch da kam plötzlich Rettung für die Moris Crew: Jim McLean, der sich bisher hinter einem breiten Holzpfeiler auf dem Vorbau verborgen gehalten hatte, schlich sich an die Pendeltür zurück und sah, daß sich der Kampf nicht so abspielte, wie seine drei Komplicen es sich vorgestellt hatten. McLean lief zu seinem Pferd und zerrte das Gewehr aus dem Scabbard. Mit dem Kolben zertrümmerte er die Lampe vor dem Eingang und hatte nun den Vorteil, im Dunkeln zu stehen. Die Pendeltür als Stütze benutzend, richtete er den Lauf ins Innere der Bar.

Ein Schuß fauchte durch den Raum; die Kugel klatschte in einen Deckenbalken.

»Hands up!« schnarrte der hartgesichtige Alabama-Mann.

Außer seinen drei Genossen ahnte niemand, wer der Rufer war. Gehorsam nahmen die Gäste die Hände hoch, während sich die drei Tramps aus der Schenke schlichen. Draußen banden sie hastig ihre Pferde los. Erst als sie im Sattel saßen, und davonsprengten, verließ auch McLean seinen Posten, um ihnen zu folgen.

In der Schenke herrschte betretenes Schweigen. Als sich das Hufgetrappel entfernte, stießen die Männer wilde Verwünschungen aus.

Währenddessen schlich sich das Mädchen durch die Hintertür hinaus.

Der Sattelmann trat an die Theke, wo ihm die Männer bereitwillig Platz machten.

»Ein Bier«, forderte er.

»Einen Whisky für den Gentleman, und zwar einen doppelten, aber auf meine Rechnung!« schaltete sich Burton ein. »Ich stehe in Ihrer Schuld, Mister…«

Der Fremde wehrte ab: »Ich zahle mein Getränk selbst, Mister.« Dann hob er das Glas und trank in bedächtigen Schlucken.

Die Männer nahmen ihre Unterhaltung gedämpft wieder auf, wobei sie scheue Blicke nach dem Fremden schickten.

»Aber Sie werden mir doch den Drink nicht abschlagen?« drängte Burton.

»Lassen Sie nur, Mister. Sie sind mir keinen Drink schuldig. Ich kann es einfach nicht leiden, wenn unfair gekämpft wird.«

Er ließ die Münze in die offene Hand des Keepers fallen, wuchtete sich den Sattel auf die Schulter und schritt dem Ausgang zu. An der Pendeltür wandte er sich noch einmal um.

»He, Keeper! Wo kann ich hier ein Pferd kaufen?«

»K a u f e n wollen Sie?« fragte der Mann hinter der Theke verblüfft.

»Yeah, schenken wird mir wohl keiner eines.«

»No, gewiß nicht«, lachte der Keeper unsicher zurück. »Well, gehen Sie zu Milt Velton am Ende der Mainstreet, der wird Ihnen weiterhelfen.«

»Thanks!« Der Sattelmann ging mit sporenklirrenden Schritten hinaus.

Burton lief ihm nach. »Mister, ich wollte…«

Der Fremde winkte ab. »Keine Zeit!« Er schritt die Straße hinunter, bis er an den Mietstall gelangte.

Vor der Tür döste ein Mann in einem Schaukelstuhl; den Hut hatte er tief in die Stirn gezogen.

»Wo wohnt Milt Velton?« fragte der Mann mit dem Sattel.

Der Alte erhob sich langsam und schob den Hut in den Nacken. Er war von zwergenhaftem Wuchs, und aus seinem faltigen Gesicht blickte ein listiges Augenpaar.

»Was wollen Sie von ihm?« quetschte er durch die Zähne, wobei er den Mann mit dem Sattel eingehend musterte.

»Ein Pferd kaufen.«

»Kaufen?« belferte der Kleine los. »Ich verkaufe keine Pferde! Ich kann Ihnen allenfalls einen Gaul leihen, wenn Sie Geld haben.«

»Weshalb wollen Sie mir kein Pferd verkaufen?« forschte der Fremde mit zusammengezogenen Brauen.

»Ich stelle meine Tiere der Overland zum Wechseln zur Verfügung. Sie werden einsehen, daß ich da kein Pferd mehr verkaufen kann.«

»Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als eines zu mieten, ich kann ja schlecht zu Fuß den Weg machen«, meinte der Fremde resigniert.

»Wo soll’s denn hingehen?« fragte Velton neugierig.

»Ich suche einen Mann hier im County«, entgegnete der Fremde.

Der Kleine verengte die Augen zu einem Spalt und erkundigte sich: »Alte Rechnung zu belgeichen?«

»No, Mister, habe nur eine Frage an ihn.«

»Und wer ist der Mann? Ich kenne eine Menge Leute im County, weil ich früher lange die Overland gefahren habe.«

»Ich suche den Roten Joe.«

Über das Gesicht des Mietstallowners zog ein Grinsen. »Kenne ich, ein braver Bursche. Aber ich weiß nicht, ob Sie ihn treffen werden. Er ist oft tagelang unterwegs in den Bergen.«

»Ich weiß, ich habe eine ganze Zeit den gleichen Job gehabt«, erklärte der Fremde.

»Und nun glauben Sie, hier von dem cleveren Joe noch etwas lernen zu können, he?«

»Weshalb nicht? Zunächst brauche ich einen Gaul, damit ich zu ihm kommen kann.«

»Wenn es so ist, bekommen Sie natürlich ein Pferd, Mister.«

Der Fremde folgte dem gnomenhaften Mann in den Hof.

Im Stall herrschte Dämmerlicht. Der scharfe Geruch von Ammoniak und Leder durchzog den Raum. Hier und da hörte man eines der Pferde schnauben. Velton zog ein Tier heraus; es war ein niedriggebauter Fuchs mit einer sternförmigen Blesse.

»Den hier kann ich Ihnen geben. Mein bestes Stück…«

»No, Mister, die Mähre dürfen Sie behalten. Geben Sie mir den Grauen dort.« Der Fremde deutete auf die erste Box, in der ein starkknochiger Grauschimmel stand. Mit kundigem Blick hatte er erkannt, daß es ein schnelles und ausdauerndes Tier war.

»He! Das ist doch mein eigenes!« knurrte der Mietstallbesitzer.

»Das dachte ich mir. Aber für die kurze Zeit werden Sie es sicher entbehren können.«

Velton wand sich hin und her. Aber schließlich, als der Fremde drei Zehndollarnoten in der Hand hatte, ließ er sich herab, das Pferd auszuleihen. Er half dem Fremden sogar noch beim Satteln.

Steve Burton, der Mann von der Telegraph Union, stand vor dem Tor, als der Reiter auf die Mainstreet ritt.

»Mister, ich muß Sie unbedingt sprechen.«

»Well, schießen Sie los. Aber machen Sie es kurz. Ich habe es eilig.«

»Ich brauche einen Mann wie Sie, Mister. Seit Wochen suche ich danach. Aber die Leute sind hier scheußlich starrsinnig. Ich kann Ihnen einen guten Job bieten, Mister.«

»Einen Job haben Sie zu vergeben?« Die Stirn des Fremden krauste sich. »Für mich – oder für meinen Colt?«

»Aber hören Sie mich doch an. Man hat mich beauftragt, hier einen Draht zu verlegen. Ich kenne die Verhältnisse im Westen überhaupt nicht. Die Leute stoßen sich daran, daß ich aus dem Osten komme. Ich kann nur schlecht mit ihnen verhandeln. Sie – Sie können das besser.«

Als der Fremde abweisend den Kopf schüttelte, sagte Burton rasch: »Die Arbeit wird gut bezahlt.«

Der andere sah sinnend die Straße hinunter. Eigentlich keine schlechte Sache, dachte er. Doch dann hob er den Kopf und sah in der Ferne die Berge. Dort wollte er Wildpferde einfangen und zähmen. Schon von fern hatte

er die zackigen Gipfel der Lakeside Mountains sehnsüchtig betrachtet.

»No, Mister, daraus wird nichts. Trotzdem, vielen Dank für das Angebot.«

»Drei Meilen ostwärts bis zum Fluß, und dann scharf nach Norden!« sagte der kleine Velton, der im Tor stand.

»Thanks!« Mit leichtem Schenkeldruck trieb der Fremde den Grauschimmel an.

Einen Moment stand Burton wie festgenagelt da, dann aber rannte er hinter dem Reiter her.

»Mister, überlegen Sie es sich! Ich biete hundert Dollar im Monat…«

Der Fremde schüttelte den Kopf und ritt im Trab davon.

Der Ingenieur blickte so lange hinter ihm her, bis der Reiter in der Dunkelheit verschwand.

*

Nördlich der Stadt, oben in den Bergwäldern, hockte die Moris-Bande um ein kleines Lagerfeuer; der flackernde Schein warf tanzende Lichter auf die wilden Gesichter der Desperados.

Mißmutig starrte Jubal Moris auf seine Stiefelspitzen.

Calligan schob seine brennende Zigarette von einem Mundwinkel zum anderen, warf Johnson einen Blick zu und deutete mit dem Kopf zu Moris hinüber, wobei er sein Gesicht zu einem höhnischen Grinsen verzog.

Johnson hob vielsagend die Schultern; er wollte schon zum Sprechen ansetzen, preßte dann aber seine Lippen doch zusammen, so, als hätte er sich eines Besseren besonnen.

Nur der hartgesichtige Jim McLean aus Alabama trug selbstbewußt den Kopf hoch. War er es doch gewesen, der dafür gesorgt hatte, daß sie alle ungeschoren aus der Stadt herausgekommen waren. Er glaubte daher, sich gegen den Boß etwas herausnehmen zu dürfen.

»Verdammt noch mal, wie konnte das passieren? Es war doch alles abgesprochen?«

»Der Boß wollte eine Sondervorstellung geben«, spottete Calligan feixend.

»Maul halten!« fuhr Moris ihn gallig an.

»Man wird doch noch fragen dürfen, weshalb du mit aller Gewalt einen Feuerzauber haben wolltest?« warf Johnson ärgerlich ein.

Moris sprang auf. Mit geballten Fäusten stand er vor seinen Genossen. Sein Gesicht war wutverzerrt. Er wußte, daß er versagt hatte, doch er wollte es nicht wahrhaben. Er fühlte sein Ansehen bei den Männern schwinden. Und er wußte, daß er sich nur durch größte Härte behaupten konnte. Sein Blick fiel auf Calligan, der ihm am nächsten stand. Der Mann hatte wiederholt aufbegehrt. Alle Wut konzentrierte sich deshalb auf den Burschen mit dem zottigen, verwilderten Bart.

Fühlte Calligan die Gefahr? Jedenfalls sprang er jäh auf und ging in Abwehrstellung. »Was willst du von mir?« fauchte er.

»Dir dein loses Maul stopfen!« keifte Moris und riß einen rechten Schwinger nach vorn, der Calligans Kopf traf. Der Getroffene taumelte, stand aber gleich wieder fest auf den Beinen. Seine Linke schoß nach vorn; er versuchte die Schläge des Gegners zu blockieren. Aber vergebens. Die aufgespeicherte Wut gab dem Bandenchief ungeahnte Kräfte. Von einem knallharten Uppercut schwer angeschlagen, stürzte Calligan mit einem dumpfen Geräusch auf den Waldboden. Die beiden anderen Banditen waren aufgesprungen und hatten dem Kampf mit gemischten Gefühlen zugesehen.

Moris wandte sich den beiden zu. »Habt ihr noch was zu fragen?« schnarrte er heiser.

Die beiden schwiegen betreten und starrten auf ihre staubigen Stiefel.

Sekunden krochen zwischen den Männern auf der kleinen Lichtung dahin.

Da – Moris hatte sich eben wieder niederlassen wollen – horchten die Banditen auf. Durch die Stille der Nacht klang aus der Ferne das unverkennbare Geräusch eines trabenden Pferdes.

Gespannt lauschten die Männer dem Geräusch nach.

Dann war Moris’ gedämpfte Stimme da: »Es ist nur ein einzelner Reiter.«

»Vielleicht der Sheriff?« zischte McLean.

»Wir müssen das Feuer löschen!« mahnte Johnson.

Doch Moris winkte ab. »Wozu? Wir haben nichts zu verbergen.«

Der Hufschlag kam rasch näher.

Moris wandte sich zu den dreien um. »Vorwärts, bringt die Gäule ins Gebüsch. Wir selbst werden uns hinter den Bäumen verstecken.«

Eiligst zogen die Banditen ihre Pferde ins Dunkel. Selbst der bullige Calligan, der sich noch vor kaum einer Minute am liebsten auf den Boß gestürzt hätte, wußte nichts Eiligeres zu tun, als sich und seinen Gaul in das schützende Dunkel zu bringen.

Der Hufschlag verstummte plötzlich.

Die Stille der Nacht wurde nur durch das Rauschen der Baumkronen, die sich im leichten Wind wiegten, und das leise Knistern des Feuers unterbrochen.

Mit gespannten Sinnen verharrten die Desperados hinter den Bäumen.

Es blieb still.

Moris krauste die Stirn. Verdammt noch mal! Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu. Der Reiter mußte den Feuerschein gesehen haben. Weshalb kam er nicht heran?

Die Banditen wurden unruhig.

Moris überlegte: Vielleicht ist es einer der umliegenden Rancher, der aus der Stadt kommt, wo er beim Poker eine Stange Geld gewonnen hat. Das wäre die Lösung; dann könnte man dieses verdammte Land verlassen.

Angestrengt lauschte der Verbrecher weiter in die Richtung, aus der er den Hufschlag gehört hatte.

Der Reiter war niemand anders als der hochgewachsene Fremde, der die Banditen in Quiney so hart hatte auflaufen lassen.

Er hatte den Feuerschein schon von weitem gesehen.

Langsam glitt er aus dem Sattel und machte den Grauen an einem tiefhängenden Ast fest. Dann schob er die beiden Halfter nach vorn, so daß die Revolver über den Oberschenkeln lagen, und schlich auf das Feuer zu. Ein untrügliches Gefühl warnte ihn, sich direkt dem Feuer zu nähern. Behutsam wie eine jener Raubkatzen, die er oft in den Bergen beobachtet hatte, setzte er Fuß vor Fuß. Hin und wieder blieb er stehen und lauschte, während seine Augen sichernd die Umgebung durchforschten.

Nur langsam kam er vorwärts.

Das Warten machte die Banditen unruhig.

Johnson hatte es nicht mehr an seinem Platz ausgehalten und war zu Moris hinübergeschlichen. Ganz dicht brachte er seinen Mund an dessen Ohr.

»Jub, der Kerl kommt nicht. Er wird sich in seine Decke gerollt haben und schlafen.«

»Glaube ich nicht«, gab der Boß ebenso leise zurück.

»Aber wir können doch nicht die ganze Nacht hier stehenbleiben. Ich jedenfalls habe ein paar Stunden Schlaf dringend nötig. Es kann ja abwechselnd einer von uns wachen.«

»Wir warten«, kam es schroff von Moris’ Lippen.

Die Zeit kroch dahin.

Ein großer Nachtvogel zog mit rauschendem Flügelschlag über die Bäume. Immer wieder hob der eine oder der andere von den Tramps den Kopf und lauschte angestrengt in die schweigende Dunkelheit.

Nichts.

Dem dicken Johnson fiel das Stehen schwer. Und als er sah, daß die Flammen des Feuers verlöschten, trat er auf die Lichtung hinaus.

»Zurück!« zischte Moris.

Aber der feiste Bursche aus Tennesse schüttelte trotzig den Kopf. »Hab’ die Nase voll, mich zu verkriechen«, gab er bissig zurück und warf ein paar dünne Zweige auf die zuckende Glut, so daß nach kurzer Zeit das Feuer wieder hell aufflammte.

War es die verlockende Wärme des Feuers, oder hatte das nerventötende Warten den Anstoß gegeben, jedenfalls verließen auch Calligan und McLean das schützende Dunkel und ließen sich in der Nähe der wärmenden Glut nieder.

»Das kann euch teuer zu stehen kommen«, knirschte Moris.

»Laß doch den Unfug! Komm, setz dich zu uns. Wir machen uns ja lächerlich!« rief Calligan. Er hatte sich keine Mühe gegeben, die Stimme zu dämpfen.

»Ich warne euch!« zischelte der Bandenboß hinter dem Baumstamm hervor.

Aber Calligan winkte ab. Er hatte den Schlag noch nicht vergessen. Eine höhnische Lache kam von seinen Lippen. »Hätte ich nur die Schürze meiner Mutter hier, der Boß könnte sich dahinter verstecken! Hahaha!«

Die beiden anderen stimmten in die Lache ein.

Moris antwortete mit einem Fluch.

Nun ließ sich auch McLean hören. »Jub, komm doch her! Willst du denn vielleicht bis morgen früh Verstecken spielen?«

»Wenn er nicht will«, belferte Johnson, »von mir aus kann er die ganze Nacht da abwechselnd von einem Bein auf das andere treten.«

»Das meine ich auch, Jub. Was willst du hier unnütz herumstehen?« tönte da auf einmal eine Stimme hinter dem Bandenführer.

Wäre ein Blitz neben dem Verbrecher eingeschlagen, er hätte nicht heftiger erschrecken können. Doch dann zuckte seine Rechte zum Colt, und wie ein Wiesel warf er sich herum.

Zu spät.

Ein glasharter Schlag traf seine Kinnspitze so genau, daß er über seine hohen Absatzspitzen nach hinten in den Lichtkreis des Feuers stürzte.

Der Fremde blieb hinter dem Baum stehen.

Die Banditen waren aufgesprungen, wagten aber nicht, zum Colt zu greifen. Sie wußten, daß sie im Schein des Feuers unfehlbare Ziele boten.

Lastendes Schweigen lag über dem Lagerplatz. Die Nerven der Tramps waren zum Zerreißen gespannt.

Moris hatte sich fluchend hochgerappelt. Mit stieren Augen blickte er auf den Mann, der jetzt mit dem Revolver in der linken Faust vor ihm stand.

Heavens! dachte er, das ist doch der Kerl mit dem Sattel! Dann starrte der Verbrecher auf den schweren Colt in der Hand des Fremden. Er hatte einen sechskantigen überlangen Lauf.

Moris hatte eine solche Waffe noch nie gesehen.

»Was wollen Sie von uns?« schnarrte er mit heiserer Stimme.

»Nur einen Becher Kaffee«, gab der Femde ruhig zurück.

»Kaffee?« stotterte der Bandenchief verblüfft.

»Yeah, das Zeug da in der Kanne riecht so verlockend.«

Moris warf seinen Männern einen bezeichnenden Blick zu, aber auch der Fremde hatte ihn aufgefangen.

»Gib ihm einen Becher Kaffee«, sagte Moris rauh.

Während Calligan, der dem Boß die Abfuhr gönnte, einen Becher füllte, bückte sich Moris plötzlich. Aber er mußte zum zweitenmal an diesem Tag erleben, daß der Fremde über ein erheblich größeres Reaktionsvermögen verfügte als er selbst.

Blitzschnell hatte der Fremde dem Banditen einen Derringer aus dem Stiefelschaft gezogen und schleuderte ihn in weitem Bogen hinter sich.

Moris starrte ihn aus zornfunkelnden Augen an.

Stumm brachte Jeff Calligan den Becher mit Kaffee und trat sofort zurück, wobei er scheu auf den vorgehaltenen Revolver schielte.

»Sie sind verdammt schnell, Mister«, preßte Moris hervor. Lauernd tasteten die Augen des Desperados das Gesicht des Fremden ab. Plötzlich war ein wissender Zug um seinen Mund. Er glaubte auf einmal zu begreifen. Seine Komplicen angrinsend, meinter er: »He, ich habe das Gefühl, er ist einer von uns!«

Der Fremde trank einen Schluck von dem Kaffee, dann trat er ans Feuer, goß mit einem Schwung den Rest des Getränkes in die Glut und warf Calligan den Becher zu. Dann ließ er seinen Colt wieder ins Halfter gleiten.

Moris knurrte. »Sie haben meine Frage nicht beantworett, Mister.«

»Mit Antworten muß man sparsam umgehen, wenn man nicht weiß, wen man vor sich hat«, kam es schneidend zurück.

Die scharfe Abweisung trieb dem Verbrecher die Zornesröte ins Gesicht. Unbeherrscht wollte er vorwärts stürzen, hielt dann aber erschreckt inne. Der Fremde hatte plötzlich ein dolchartiges Messer in der Linken.

Der Bandenchef fuhr zurück.

»Gewöhnlich benutze ich das Messer zur Rasur«, versetzte der Fremde eisig.

Der Bandit wich noch einen Schritt zurück.

Spöttisch fuhr der Fremde fort: »Man kann auch damit werfen.«

Keiner der Tramps konnte später sagen, wie es eigentlich passiert war. Das Messer saß plötzlich federnd in einem Baumstamm, der wenigstens zwölf Yards entfernt stand.

Ungläubig starrten die Männer auf das Messer.

Moris schluckte. Ein verdammt unangenehmer Gedanke kroch in ihm hoch: Teufel auch, er hatte oft davon gehört, daß Staatenreiter im Messerwerfen ausgebildet wurden, und irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, den Mann schon einmal gesehen zu haben. Jetzt zwang er sich ein Lächeln ab.

»Sie sind ein Staatenreiter,

stimmt’s?« Und während er das sagte, klang seine Stimme heiser.

Staatenreiter! Dieses Wort übte auf die anderen Banditen einen unbeschreiblichen Eindruck aus. In ihren Hirnen tauchte die Vergangenheit auf. Calligan und Johnson dachten an die Überfälle, die sie gemeinsam drüben in New Mexico und in Texas ausgeführt hatten. Sie hörten wieder die Schreie der Überfallenen in ihren Ohren gellen, das Stöhnen der Verletzten und das Wimmern der Frauen. In ohnmächtiger Angst ballten sie die Fäuste über den Revolverknäufen.

Johnsons Gesicht war schreckensbleich. Mit stieren Augen blickte er auf den Fremden. Ein Staatenreiter! Da war man also jetzt noch, nach all den Jahren, auf seine Spur gekommen! Man würde ihm todsicher die hanfene Schlinge um den Hals legen. Für das, was er getan hatte, gab es keine andere Strafe. Seine Gedanken flogen um Jahre zurück. Noch einmal zogen die damaligen Ereignisse an ihm vorbei. Ja, so war es gewesen:

Mit drei Burschen hatte er unten bei Lamesa eine Postkutsche überfallen. Ein Hilfsheriff war zufällig in der Nähe gewesen und hatte den Überfall beobachtet. Sofort hatte der Gesetzesmann sich an die Verfolgung der Tramps gemacht. Die vier Banditen hatten ihm einen Hinterhalt gelegt. Von dort aus hatte man den Verfolger, der langsam ritt, um die Spur nicht zu verlieren, aufgelauert. Und er – Pat Johnson – hatte den tödlichen Schuß abgegeben. Ja, er, weil die anderen nicht zu schießen gewagt hatten. Dann hatten sie sich getrennt. Jonson war nach Norden geritten, um zwischen sich und den Tatort einige hundert Meilen zu bringen. Und nun war alles vergebens gewesen. Der Mann, der dort stand, war seinetwegen hier. Todsicher war es so. Es konnte gar nicht anders sein. Er war ihm bis hierher gefolgt, um ihn endlich zu stellen.

Der Körper des Mörders war schweißnaß. Er bebte an allen Gliedern. Mit flackernden Augen besah er sich den hochgewachsenen Mann.

Der Fremde ging rückwärts. In der vorgestreckten Linken hielt er wieder den großen Revolver.

Kurz vor den Bäumen wandte er sich um und zeigte den Männern einen Moment seinen Rücken. Da verlor Johnson die Nerven. Seine Hand zuckte zum Colt und spannte den Hahn.

Das scharfe Ohr des Fremden hatte das Geräusch vernommen; mit einer gedankenschnellen Drehung fuhr er herum. Der schwere Buntline Special in seiner Hand spie Feuer; orangerot stach die Mündungsflamme aus dem Dunkel.

Wyatt Earp Classic 41 – Western

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