Читать книгу Wyatt Earp Classic 44 – Western - William Mark D. - Страница 3
ОглавлениеDie Zwillingsspur, die der schwere Planwagen mit seinen knarrenden Rädern in den gelben Sand grub, fiel mit dem Sinken der Staubwolke hinter dem Gefährt so zusammen, daß sie sofort viele Tage alt zu sein schien.
Der Mann oben auf dem Kutschbock blinzelte träge über die beiden dahintrottenden Braunen und lauschte schläfrig dem Knarren der ledernen Geschirre und dem monotonen Rumpeln und Stoßen des Wagens.
Jack Lambert hatte ein von Sonne und Sand gegerbtes Gesicht, das von tausend Falten zerschnitten war. Seine buschigen Lincolnbrauen verdeckten fast seine hellen Augen. Der graue Vollbart war struppig, und das Haar, das in wilden Strähnen unter der zerfledderten Hutkrempe hervorwucherte, ließ darauf schließen, daß der Mann an die sechzig Jahre mit sich herumschleppte.
Jack Lambert kam von Pearce herunter.
Sein Ziel war Tombstone.
Seit der Alte damals vor sieben Jahren seinen kleinen Store oben in Topeka aufgegeben hatte – weil auf der anderen Straßenseite ein wohlhabender junger Bursche einen größeren Laden mit reichhaltigerem Warenvorrat aufgemacht hatte – zog er mit seinem Prärie-schoner durch das Land. Es gab in den kleinen Ansiedlungen immer wieder Menschen, die Bürsten, Töpfe, Kessel und andere Gerätschaften benötigten. Es war ein hartes Brot, das sich der alte Trader da verdienen mußte, aber er blieb dabei, weil er glaubte, zu nichts anderem mehr zu taugen. Yeah, wenn Lissy, seine Frau, damals nicht gestorben wäre, hätte er seinen Store nicht so leicht gegen den jungen Matthews aufgegeben. Schließlich hatte er eine Kundschaft gehabt. Aber nichts ist treuloser als Kundschaft, vor allem, wenn die Frau hinter dem Ladentisch fehlt.
So war er denn durch die Staaten gezogen, von Ost nach West, und vom hohen Norden zog er jetzt hinunter in den heißen Süden. Schon seit Tagen quälte ihn der mehlfeine Flugsand, und Lambert hatte sich schon des öfteren Vorwürfe darüber gemacht, daß er nach Arizona gekommen war. Die Städte lagen in diesem dünnbesiedelten Land so weit auseinander, und die Wasserläufe waren so spärlich gesät, daß allein die Beschaffung von Trinkwasser für ihn und für seine Pferde große Schwierigkeiten machte. Ganz davon abgesehen, daß er bisher auf seinem Weg durch Arizona herzlich wenig verdient hatte.
Well, er würde noch nach Tombstone fahren und dann schleunigst aus diesem öden Land verschwinden. Hoffentlich konnte er unten in der alten Silberstadt, deren Ruf ihn allerdings etwas bedrückte, noch einige Bucks verdienen. Er hatte in Pearce, in Bowie und auch schon viel weiter nördlich von den Banden gehört, die in und um Tombstone ihr Unwesen trieben. In Richmond hatte ihm ein Mietstallowner erzählt, daß im letzten Monat wieder zwei fahrende Händler überfallen und getötet worden seien. In Pearce hatte ihm ein Salooner mitgeteilt, daß vor allem die Clanton Brothers rücksichtslos gegen jeden vorgehen, der sich in ihrem ›Revier‹ sehen ließe. Gerade die Angehörigen dieser berüchtigten räuberischen Familie verleideten einzelnen Reisenden den Weg durch Südarizona, weil sie in der Nähe der mexikanischen Grenze ungestört ihren dunklen Geschäften nachgehen wollten.
Jack Lambert hatte sich jedoch durch all diese Warnungen nicht beirren lassen und den Weg nach Süden genommen, weil er überzeugt war, hier ebenso wie in anderen Gegenden, wovor man ihn auch gewarnt hatte, durchkommen zu können. Vor allem glaubte er, durch sein biederes Aussehen, den geringen Wert seiner Waren, seinen schäbigen Wagen und seine struppigen Gäule für jeden Banditen uninteressant zu sein.
Am frühen Morgen war er einem Cowboy begegnet, der ihm noch von der Fahrt nach Tombstone abgeraten hatte. Den Namen Clanton allerdings hatte er nicht erwähnt. In dieser Gegend hütete man sich, ihn zu nennen. Der Weidereiter hatte den Alten auf einen Steinhaufen hingewiesen, unter dem der Körper eines Gesetzesmannes lag, der vor kur-zem mit einer Kugel im Rücken dort aufgefunden worden war. Das allerdings hatte den alten Händler tief beeindruckt. Damned! Wenn sie einem armseligen Deputy hier schon eine Kugel in den Rücken jagten, wie würden sie dann erst einen Trader behandeln, bei dem sie vielleicht einige Bucks vermuteten?
In diese düsteren Gedanken versunken, schaukelte der Alte auf seinem asthmatischen Prärieschoner in die Senke hinein, die mit dem Sandhügel und dem Mesquitegestrüpp einen Engpaß für den Weg bildete.
*
Die beiden Männer, die flach auf dem Boden hinter dem Gesträuch lagen, blinzelten zu dem herannahenden Wagen hinüber. Es waren große olivgesichtige Burschen mit kantigen Gesichtern, tief in der Stirn beginnendem Haaransatz und weit vorgeschobenen breiten Kinnladen. Sie waren gekleidet wie Cowboys, und jeder von ihnen trug zwei Revolver im Kreuzgurt.
Tom und Frank McLowery hatten den Prärieschoner schon vor zwei Stunden ausgemacht. Sie waren ihm aus der Ferne gefolgt, hatten ihn dann in der weiten Ebene im Halbkreis überholt und ihre Pferde bei einer Kakteengruppe untergebracht, die eine halbe Meile vom Fahrweg entfernt stand. Nachdem sie sich überzeugt hatten, daß der Wagen nicht die Abzweigung hinunter nach Bisbee nahm, also an dem Sandhügel vorüberkommen mußte, hatten sie sich lautlos wie Raubtiere hierher begeben, um dem Gefährt den Engpaß zu verlegen.
Noch dreihundert Yards war der Prärieschoner von der Paßstelle entfernt.
Jack Lambert wollte sich schon seit längerem eine Pfeife angezündet haben, aber der porenverstopfende Flugsand hatte es ihm, wie schon an den Vortagen, immer wieder verleidet.
Sein Blick streifte über den kegelförmigen Sandhügel zur Rechten, flog über den Mesquitestrauch zur Linken und verweilte dann auf dem kaum erkennbaren Fahrweg.
Zweihundert Yards trennten den Trader noch von der Paßenge.
Frank McLowery schloß die Augen zu strichdünnen Spalten. »Es ist ein alter Bursche«, zischelte er seinem Bruder zu. »Wir werden nicht viel Arbeit mit ihm haben.«
»Wenn er allein ist, schon«, gab Tom heiser zurück. »Fragt sich nur, wer noch im Wagen ist.«
»Eben«, versetzte Frank.
Noch einhundert Yards war der Wagen von der Paßenge entfernt.
»Er ist mindestens sechzig«, flüsterte Tom, »und sein Schießeisen stammt noch aus dem Bürgerkrieg.«
»Sei still, ich habe Kerle gesehen, die älter waren als der da und mit solchen Kanonen noch verteufelt gut schossen.«
»Der Kerl sieht nicht so aus, als ob er überhaupt mit einem Revolver umgehen könnte.«
»Darin kannst du dich täuschen. Jeff Conelly beispielsweise sah aus, als könne er nicht bis drei zählen, und doch war er einer der schärfsten Revolverschützen, die ich je kennengelernt habe. Oder denk doch nur an Doc Holliday, der soll doch aussehen wie ein Richter oder ein Prediger, und doch heißt es, daß er der beste Gunman des Westens sei.«
»Daß du mich jetzt ausgerechnet an Doc Holliday erinnern mußt«, knurrte Tom und schob sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. »Wenn ich daran denke, daß dieser Kerl die ganze Stadt in Atem hielt, wird mir jetzt noch grün. Hm, wenn Wyatt Earp nicht damals dabeigewesen wäre, hätte Ike ihn vielleicht gestoppt.«
»Nichts hätte er«, zischte Frank. »Man sieht, daß du immer noch nicht gescheit geworden bist. Die beiden Hunde sind nicht zu stoppen. Vor allem nicht im offenen Gunfight.«
»Du hast sie doch gar nicht gesehen.«
»Nein, so wenig wie du. Wir waren ja damals nicht in Tombstone. Aber das, was über die beiden noch wochenlang in der Stadt erzählt wurde, reichte mir vollkommen. Wenn Clanton Hemmungen einem Mann gegenüber hat, dann sagt mir das genug!«
Die Tatsache, daß die Desperados sich noch bei dieser großen Nähe so ruhig unterhielten, bewies wohl mehr als alles andere ihre Kälte. Insbesondere Frank, der ältere der beiden, war von einer Gefühlskälte, die ohnegleichen war.
Noch fünfzig Yards trennten den Schoner von der Wegenge.
Der Trader hatte die Zügel in beiden Händen, da das Gelände hier abfiel.
Frank brachte seinen Mund dicht vor das Ohr des Bruders. »Ich springe auf die andere Wegseite, und du hältst ihn von hier aus in Schach.«
»All right, wie immer«, gab Tom ohne jede Erregung zurück.
Fünfzehn Yards waren die beiden Pferde jetzt vor dem Mesquitegesträuch.
Frank duckte sich an den Boden. Nervenlos wartete der Bandit auf den genauen, zahllose Male erlebten Augenblick. Erst als das Gefährt die Enge erreicht hatte, federte er hoch und setzte mit drei, vier weiten Sprüngen über den Weg, spreizte die Beine und hielt in seinen vorgestreckten Händen die Revolver.
Kein Laut drang dabei über die Lippen des Desperados. Er hatte nicht einmal eine Larve vorm Gesicht. Sie waren höllisch selbstherrlich, die beiden McLowerys.
Der alte Lambert verharrte wie erstarrt vor Schreck auf seinem Bock. Er hatte die Zügelleine zurückgerissen und die Pferde zum Stehen gebracht. Hoch wirbelte die Staubwolke auf; als sie sich gesenkt hatte, starrte der Alte mit entsetzten Augen auf den Banditen. Dann sprangen seine staubverkrusteten Lippen auf.
»Was wollen Sie, Mann?«
»Runter von der Karre, Dreckskerl!« herrschte der Desperado ihn an.
»Ich habe nichts mit Ihnen zu schaffen!« entgegnete der Händler. »Gehen Sie mir aus dem Weg!«
»Runter von der Karre!« befahl Frank McLowery noch einmal.
Da sprang auf der anderen Wegseite sein Bruder Tom aus dem Gestrüpp hervor, riß eine Bullpeitsche hoch und ließ sie klatschend über den linken Rockärmel des Händlers fliegen.
Der Hieb ging bis auf die Haut durch. Ein halblauter Schmerzensruf flog von den Lippen des Händlers. Zornbebend griff er nach seinem Revolver.
Da stieß Frank McLowery einen Colt vor.
Der Schuß brüllte auf und fegte dem Trader den Hut vom Schädel. Rechts an seiner Stirn brannte eine Wunde.
»Komm runter von dem Karren, Alter, sonst fege ich dich mit heißem Blei vom Bock!«
»Ich denke einfach nicht daran, abzusteigen«, stieß der Alte knirschend hervor. »Was wollt ihr von mir? Ich ha-
be nichts. In diesem elenden Landstrich sind ja keine Geschäfte mehr zu machen.«
Eine zweite Kugel riß Lamberts rechten Stiefel auf.
»Verdammtes Pack!« knurrte der Alte.
Und wieder riß die Bullpeitsche des jüngeren McLowery einen blutigen Striemen in das linke Handgelenk des Überfallenen.
»Wegelagerer!« brüllte Lambert. »Aber wartet nur, auch hier wird eines Tages ein Staatenreiter aufkreuzen und eurem elenden Gewerbe ein Ende setzen.«
»Hol ihn runter!« rief Frank seinem Bruder zu.
Der sprang blitzschnell vor, packte das Bein des Händlers und riß ihn brutal vom Wagen.
Jack Lambert stürzte kopfüber in den Straßenstaub.
Der Trader blickte auf; aus seinem Mundwinkel rann Blut. »Das werdet ihr büßen«, keuchte er. »Ich habe euch gesagt, daß ein Staatenreiter kommen wird und hier aufräumt. Ich selbst werde dafür sorgen, und wenn ich dafür bis in die Hölle reiten müßte.«
»Den Weg kannst du dir sparen, Alter«, schnarrte Frank, »du wirst gleich von hier aus zur Hölle fahren.«
Und dann hieben sie gemeinsam auf den Unglücklichen ein.
Da gelang es dem Trader, seinen Colt zu packen. Aber mit einem blitzschnellen Schuß fegte der ältere McLowery ihm die Waffe aus der Hand. Halb besinnungslos vor Schmerz preßte der Alte seine Hand an sich. Und fast im gleichen Moment stieß seine Linke vor, packte Toms Bein und riß den Banditen an die Erde. Fast wahnsinnig vor Schmerz warf er sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Banditen und krallte seine Hände um dessen Hals.
Da hechtete Frank auf ihn zu und hieb ihm die Fäuste ins Genick. »Jetzt wirst du uns kennenlernen, ehe du in die Hölle fährst, verdammter Skunk!«
*
Es war etwa zwei Stunden vorher.
Da näherte sich von Nordwesten her ein Reiter dem Sandhügel.
Es war ein hochgewachsener Mann mit breiten Schultern, kantigem, sonnverbranntem Gesicht, tiefblauen Augen und dunklem Haar. Er hatte den flachkronigen Hut tief in die Stirn gezogen und sein rotes Hemd vorn offenstehen. Um die Hüfte trug er einen breiten, schwarzen, büffelledernen Waffengurt, der an beiden Seiten zwei große fünf-undvierziger Revolver hielt.
Der Mann saß auf einem reinrassigen Falbpferd, das jetzt mit müden Schritten auf den Sandhügel zuhielt.
Viele hundert Meilen lagen hinter dem Reiter. Die letzte Nacht war er durchgeritten, weil er vor der Tageshitze ein möglichst großes Stück hinter sich bringen wollte.
Sieben Meilen vor Tombstone war die Kraft des Pferdes doch so erschöpft, daß er eine Rast einlegen mußte. Als erfahrener Prärieläufer wählte er den Hügel, der oben eine kleine Mulde hatte, in der sowohl der Reiter als auch das Pferd Platz fanden. Der Mann warf einen prüfenden Blick von oben über das Land und legte sich dann, als er sich allein wußte, zur Ruhe nieder. Die Übermüdung ließ ihn in einen tiefen, festen Schlaf fallen, zudem die aufkommende Vormittagshitze ein übriges tat.
Er hörte nicht mehr das leise warnende Wiehern des Falben, der seinem Herrn das Herannahen der beiden Männer, unten von der Kakteengruppe her, meldete.
Er schlief – bis der Schuß unten in der Paßenge fiel.
Da fuhr er hoch, riß einen seiner großen Revolver aus dem Halfter und schlich geduckt auf den Hügelkamm hinauf.
Was er da sehen mußte, trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht.
Im Augenblick war es ausgeschlossen, dem Überfallenen Hilfe zu bringen.
Die beiden Desperados hatten ihre Revolver in den Händen und hätten ihm, der ja bergab rennen mußte, wenigstens ebenso gefährlich werden können wie er ihnen.
Er schlich geduckt nach links und robbte um den Hügelkamm herum.
Unten hatte der gepeinigte Trader gerade Tom McLowery an den Boden gerissen. Frank hechtete auf den Alten zu und hieb wie besessen auf ihn ein.
Das war der Augenblick für den Fremden, einzugreifen. In weiten federnden Sätzen jagte er die Halde hinunter.
Die drei Kämpfenden hörten ihn überhaupt nicht. Sie sahen ihn erst, als er hinter ihnen stand.
Mit einem Ruck riß er Frank McLowery hoch und versetzte ihm mit der Linken einen krachenden Faustschlag gegen die Kinnlade, der den Verbrecher zurücktaumeln und in die Knie gehen ließ.
Tom hatte sich inzwischen von dem Alten gelöst und stieß seinen Colt vor.
Aber er hatte das Pech, in dem Fremden einen kampfgewohnten Mann zu finden, der ihm an Schnelligkeit und Härte weit überlegen war.
Der Faustschlag, der den jüngeren McLowery traf, drehte ihn mehrmals um seine Achse und ließ ihn dann ebenso wie seinen Bruder in die Knie brechen.
Aber da war Frank wieder hoch. Seine Hand fuhr nach dem zweiten Revolver.
Da wirbelte der Fremde herum und wuchtete ihm einen fürchterlichen Haken in die kurzen Rippen.
Frank stöhnte auf und torkelte zur Seite.
Und schon war Tom wieder da. Er schleuderte dem unerwarteten Gegner einen Schwinger entgegen, den dieser abduckte und selbst mit einer Doublette zurückgab.
Der knallharte, blitzschnelle Linksrechts-Schlag warf den jüngeren McLowery um. Betäubt blieb er mit dem Gesicht nach oben im Straßenstaub liegen.
Frank hatte seine Benommenheit abgeschüttelt und suchte in seiner tückischen Manier in den Rücken des Gegners zu kommen. Beide Revolver waren ihm bei dem Kampf entfallen. Er riß ein Messer aus dem Gurt und drang damit von hinten auf den Fremden ein.
Wie ein Phantom fuhr der große Mann herum und warf dem Desperado diesmal eine Linke entgegen, die er tief aus der Hüfte gerissen hatte und die an den Prankenschlag einer Raubkatze erinnerte. Der Hieb riß dem älteren McLowery die Beine weg. Schwer betäubt kippte er über die Absatzspitzen nach hinten und blieb langausgestreckt drei Yards neben seinem Bruder liegen.
Der alte Trader hatte mit offenem Mund dem Fight zugesehen. Der Fremde kam jetzt zu ihm und sah ihn freundlich an, so, als ob nichts geschehen wäre.
»Hallo, Mister – wie sieht’s aus?«
Lambert richtete sich ächzend hoch und wischte sich das Blut und den Schweiß aus dem Gesicht.
»Thanks, es geht mir ausgezeichnet, Herkules«, suchte auch er die Düsternis des Geschehens zu verwischen.
Der Fremde lachte und zeigte dabei ein starkes, ebenmäßig gewachsenes, blendendweißes Gebiß. »Well, dann ist es sicher am besten, wenn Sie jetzt auf Ihren Wagen steigen und zusehen, daß Sie weiterkommen.«
Lambert nickte verstört. »Yeah.« Er zog sich auf den Kutschbock hinauf. Erst als er die Zügel bereits hochgenommen hatte, fragte er mit belegter Stimme: »Und Sie?«
»Machen Sie sich um mich keine Sorgen, Trader. Ich werde Sie ein bißchen begleiten.«
Lambert nickte. Er trieb die Pferde an und hatte die Paßenge bald hinter sich gelassen, ohne die beiden reglosen Verbrecher noch eines Blickes zu würdigen. Nach wenigen Minuten sah er den Fremden mit seinem Pferd von der Hügelhalde heruntersprengen und neben dem Wagen auftauchen.
Lambert hatte eine Wasserflasche in der Hand.
»Wollen Sie einen Schluck?«
Der Fremde schüttelte den Kopf. »No, geben Sie den beiden Braunen etwas Zunder, damit sie die Beine strecken. Möglicherweise hatten die beiden Gentlemen noch Verstärkung in der Nähe, die sofort mobil gemacht wird, wenn die Boys aus ihrem Traum erwachen.«
Lambert nickte wieder und trieb seine Pferde zu schnellster Gangart an.
Die beiden Banditen blieben jedoch außer Sicht. Und als in der Ferne die Dächer der Stadt über dem Horizont zu schwimmen schienen, meinte der Falbreiter: »Jetzt kommen Sie wohl allein weiter, Trader.«
»Sicher. Kommen Sie nicht mit?«
»Später. Ich will mich noch ein wenig nach unseren beiden Freunden umsehen.« Er tippte an den Hutrand, nahm die Zügel hoch und trabte nach Westen davon.
*
Jonny Behan saß vor sich hindösend in seinem reichlich verwahrlosten Office und kaute an einer hellen Zigarre herum. Hin und wieder polierte er mit der in die Hand vorgezogenen Flanellmanschette seinen verformten Blechstern.
Als er die Schritte auf dem Vorbau hörte, senkte er den Kopf und tat, als sei er mit einem der Schriftstücke, die vor ihm lagen, beschäftigt.
Jack Lambert trat ein.
»Hallo, Sheriff!«
Behan blickte kurz auf und senkte dann wieder den Kopf, um ihn gleich darauf wieder hochzunehmen. He, wie sah der Alte denn aus? Blutverschmiert, zerkratzt, mit zerfetzter Kleidung und hochrotem Schädel.
»Was gibt’s denn?« fragte er mürrisch.
»Ich bin überfallen worden. Ein paar Meilen vor der Stadt…«
»Überfallen?« fragte der Sheriff wenig interessiert.
»Yeah.«
»Von wem denn?«
»Von zwei Männern. Sie waren vielleicht achtundzwanzig oder dreißig, trugen Schnauzbärte und machten einen verdammt gefährlichen Eindruck.«
Behan wischte über die Tischkante und sah nicht auf. »Damit kann ich wenig anfangen, Mister.«
»Ich kann Ihnen die Halunken näher beschreiben, Sheriff. Sie glichen einander, möglicherweise waren es Brüder. Sie hatten dunkle Gesichter und braune Augen, wirres, strähniges Haar und zerlumpte Weidekleider auf dem Leib. Jeder von ihnen trug einen Kreuzgurt mit zwei großen Revolvern. Eine Gesichtsmaske hielten sie für überflüssig, da sie offensichtlich davon überzeugt waren, daß ich keine Chance mehr hätte, etwas über sie zu erzählen.«
Langsam hob der Sheriff den Kopf und blickte den Trader lauernd an. »Und – wie kam es, daß Sie diese Chance nun doch haben?«
»Wenn der Fremde nicht dazugekommen wäre, heavens, dann läge ich jetzt todsicher mit mehreren Löchern im Staub der Fahrstraße.«
Die Brauen Behans zogen sich zu einem einzigen Strich zusammen, als er fragte:
»Der Fremde?«
»Yeah, er war plötzlich da und machte sie im Handumdrehen fertig.«
Behan hüstelte gekünstelt. »Wie sah der Mann aus?«
»Er war groß, hatte breite Schultern, ein sonnenbraunes Gesicht – und…« Ja, wie sah er wirklich aus? Lambert sann nach.
Und der Sheriff drängte:
»Sie müssen sich genauer erinnern. Sein Gesicht, wie sah es aus?«
»Ich weiß es nicht genau. Er hatte dunkelblaue harte Augen – und vor allen Dingen harte Fäuste. By Gosh! Die beiden Strolche werden es bezeugen können.«
Behans Interesse galt offensichtlich mehr dem Fremden als den beiden Verbrechern. »War er alt, jung, groß oder klein?«
»Alt? Nein, aber zwanzig war er auch nicht mehr. Und daß er groß war, sagte ich ja schon.«
»Was trug er für Waffen?«
»Zwei Revolver.«
»Sein Pferd – wie sah das aus?«
Die schnellen, scharfen Fragen des Sheriffs irritierten den Alten.
»He, Sie scheinen weniger Interesse an den Banditen als an dem Mann zu haben, der mich von ihnen befreit hat.«
»Vielleicht gehörte er zu ihnen«, wich Behan geschickt aus.
Aber der Trader brach in eine rauhe Lache aus. »Das glauben Sie doch selbst nicht, Sheriff. Wenn er zu ihnen gehörte, hätte er sich wohl schwerlich so nachhaltig mit ihnen unterhalten.«
»Unterhalten? Er hat mit ihnen gesprochen?«
»Nicht mit Worten, Sheriff«, erwiderte der Alte jetzt grob, »nur mit den Fäusten. Es war völlig überflüssig, ihnen auch noch gute Worte dazu zu geben. Sie hätten sie doch nicht mehr verstanden.«
Behan fuhr hoch. Steil aufgerichtet stand er hinter seinem Schreibtisch. Auf seiner Stirn hatte sich eine tiefe Falte zum dunklen Haaransatz hochgegraben. »Soll das etwa heißen, daß er sie ermordet hat?«
»Ermordet?« Verstört nahm der Alte seinen mißfarbenen Hut ab und zerknautschte ihn zwischen seinen derben Fäusten. »Hören Sie, Sheriff. Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Ich hörte in Pearce, daß es hier einen US-Marshal gibt. Vielleicht hat der mehr Interesse für die Geschichte.«
Schroff wandte er sich ab.
Schneidend folgte ihm Behans Stimme. »Bleiben Sie! Ich muß die Sache untersuchen. Der Deputy Marshal hat damit nichts zu schaffen.«
»Im Gegenteil, Sheriff. Es ist mir zu spät eingefallen, daß Sie nichts damit zu schaffen haben. Und Ihr Interesse an meiner Story haben Sie mir ja deutlich genug gezeigt.«
Damit schlug die Tür hinter dem Trader zu.
Wie ein Wiesel schnellte der Sheriff hinter seinem Tisch vor und war an der Tür.
»Warten Sie!«
Der Trader blieb stehen und blickte sich mißmutig um.
»Was wollen Sie noch?«
»Ich muß den Bericht aufnehmen!«
»Ach…?«
»Ja, ich muß Ihren Namen aufschreiben. Die Zeit des Überfalls, den Ort…«
Der Alte verzog den Mund.
»Yeah, das müßten Sie. Aber das wußten Sie dann auch vorher. Ich will Ihnen etwas sagen, Mister…«
»… Behan«, sagte der Sheriff stockend.
Jetzt war die Reihe des Erstaunens an dem Trader.
»Behan? Sie sind Jonny Behan?«
»Yeah.«
Lambert schob sich den Filz auf den Schädel. Damned, er hatte von diesem Mann gehört, und es waren nicht gerade die angenehmsten Dinge, die man ihm über den Hilfssheriff von Tombstone berichtet hatte.
Behan trat jetzt nahe an ihn heran.
»Paßt Ihnen das etwa nicht?«
Lambert sah ihm offen in die Augen. »Nein, Mister Behan«, versetzte er düster, »es paßt mir nicht. Ich habe gehört, daß Virgil Earp hier den Marshalstern trägt. Es ist mir – wie schon gesagt – nur zu spät eingefallen, sonst hätte ich Sie bestimmt nicht erst behelligt.«
Damit machte er kehrt und ging zu seinem Wagen.
Behan blickte ihm mit schmalen Augen und strichdünn zusammengepreßten Lippen nach.
Lambert kletterte auf seinen Bock und trieb seine Gäule an. Einen vor-übergehenden Jungen fragte er nach dem Marshal Office.
Der Bengel grinste.
»He, waren Sie nicht eben beim Sheriff?«
»Yeah…«
»Und haben Sie ihn etwa auch nach dem Marshal Office gefragt?«
»Nein.«
»Das wäre Ihnen auch schwerlich gut bekommen«, bemerkte der höchstens Dreizehnjährige altklug.
»Verstehe ich nicht. Haben die beiden etwas gegeneinander?«
»Und ob!« Der Bursche feixte. »Virgil Earp und John Behan – das sind drei Paar Stiefel. Verstehen Sie?«
»Nein.«
»Macht nichts. Jedenfalls finden Sie Virgils Büro schräg gegenüber. Der kleine Steinbau da drüben neben dem Sa-loon an der Ecke.«
Der Alte nickte und warf einen Blick auf das Straßenschild.
Allen Street.
Er brachte sein Gefährt vor das Marshal Office, spannte die Braunen aus den Strängen und führte sie in den schmalen Schattenstreifen, den das Vorbaudach auf die Straße schickte.
Der alte Trader hatte Pech. Der US-Deputy Marshal Virgil Earp war nicht in der Stadt.
Lambert fragte einen alten Mann, der nebenan im Vorbauschatten in einem Korbstuhl döste, nach einem Wagenabstellplatz. Der krausköpfige Mann grinste. »Am besten fahren Sie zum OK-Corral, Mister.«
»Wo finde ich den?«
»In der Freemont Street.«
»Wie komme ich dahin?«
»Sie biegen hier links in die Fünfte ab, an der nächsten Ecke wieder links, dann sind Sie schon in der Freemont Street. Sie müssen noch über die Vierte hinüber, und dann ist es nicht weit von der Ecke aus. Neben der City Hall. Können Sie gar nicht verfehlen.«
Der Trader nickte dankend und spannte seine Gäule wieder ein. Als er in die Freemont Street bog, kam ein Reiter aus dem Hoftor des San Jose House. Es war ein junger Mensch mit dunklem Gesicht und seltsam hellen Augen. Er hatte schwarzes Haar und trug seinen Sombrero weit im Nacken. Mit seinen großen Sternradsporen trieb er seinen Schimmel an. Das Tier erschrak, stieg auf die Hinterhand hoch und setzte dann in einem weiten Sprung vorwärts. Der Bursche saß gut im Sattel und schien mit diesem Start gerechnet zu haben. Gleich darauf war er in der vierten Straße verschwunden.
Jack Lambert hatte den Reiter nur mit einem kurzen Blick gestreift und ahnte ganz sicher nicht, daß er soeben einem der Hauptakteure jenes berühmten Revolvergefechts begegnet war, das sich in wenig mehr als dreizehn Monaten drüben im OK-Corral abspielen sollte und das noch heute in allen Geschichtsbüchern der Staaten als einer der blutigsten Kämpfe des Westens verzeichnet ist.
Der Mann war Billy Clanton, der jüngste der Clanton Brothers, die unweit vor der Stadt eine Ranch führten.
Dann war Lambert bei der City Hall. Der etwas verschnörkelte Bau wirkte ziemlich grotesk in der Hüttenstraße. Nebenan war noch ein schmalbrüstiges Holzhaus, das an seiner Front ein großes Schild mit der Aufschrift ›C.S.Flys Photograph Galery‹ trug. Auch dieser Name würde in die Geschichte eingehen. Nicht nur, weil der berühmte Doc Holliday dort das einzige Foto, das je von ihm gemacht wurde, hatte anfertigen lassen, sondern weil in Flys Galery the bloodiest battle of the West – wie es in den Büchern heißt – endete.
Neben dem Haus war ein breites Tor, von dem nur noch ein Flügel in einer lebensmüden verrosteten Angel hing. Oben war bis zu dem flachen an-schließenden Haus hinüber ein gewaltiges Schild angebracht, das die verwitterte Aufschrift ›OK-Corral‹ trug.
Jack Lambert blickte durch das Tor in den Hof.
Er war nicht sehr groß und hatte links, zu Flys’ Anwesen hinüber ein langes Wagendach, das an zahllosen Stellen von Sonnenstrahlen durchbohrt wurde, die wie schräge dünne Silberfäden aussahen und alles, was dort untergebracht war, seltsam magisch beleuchteten. Rechts hinten war ein Stallschuppen. – Im übrigen war der Abstellplatz an diesem Tag ziemlich leer.
Der Trader lenkte den Wagen in den Hof. Vielleicht wäre ihm knapp anderthalb Jahre später bei diesem Weg beklommener zumute gewesen. Aber wie hätte er auch auf den Gedanken kommen können, daß hier auf diesen wenigen Quadrat-Yards der berühmte Wyatt Earp, der große Gambler Holliday und Virgil und Morgan Earp in der Morgenfrühe des 26. Oktobers 1881 zu dem fürchterlichen Gefecht gegen die Clanton Brothers antreten sollten…
Lambert brachte die Pferde in den baufälligen Stallschuppen und ließ den Wagen unter dem Dach. Dann sah er sich nach einem Wächter um, konnte aber niemanden entdecken. Als er den Corral verließ, gewahrte er in der offenen Tür der Photo-Galery einen kleinen Mann, der mit einer Frau, die gegenüber im Fenster lehnte, ein lautes Gespräch führte.
Der alte Trader Jack Lambert hatte noch zwei Akteure gesehen, die hier im kommenden Jahr auftreten sollten und die das Geschichtsbuch festhalten würden. Der kleine Mann war der Photograph C. S. Flys, und die Frau war Mrs. Addie Bourland, die Augenzeuge des Revolverkampfes drüben im Corral werden sollte.
Lambert blickte den Fotographen an. »Gibt es hier keinen Wächter, Mister?«
Flys kratzte sich den haarlosen Schädel. »Schon, aber er wird schlafen.«
»Jetzt, am hellichten Tag?« forschte der Trader verblüfft.
»Yeah, soll er nachts schlafen, wenn es kühl ist und wenn der Corral bewacht werden muß?«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Seltsame Stadt, dieses Tombstone.«
Langsam ging er die Straße hinunter und lenkte seine Schritte auf das Boardinghouse, aus dessen Hof vorher der junge Billy Clanton gekommen war.
Ein muffiger, gebeugter Greis trat ihm im halbdunklen Korridor entgegen. »Was suchen Sie?«
»Ein Zimmer.«
»Können Sie zahlen?« fragte der wenig gastliche Inhaber des San Jose House.
»Yeah«, knurrte der Trader unwirsch. »Machen Sie sich keine Sorgen. Außerdem habe ich die Absicht, hier in der Stadt Geschäfte zu machen.«
»Geschäfte?« forschte der spindeldürre John Picket mißtrauisch. »Was für eine Art von Geschäften?«
»Ich verkaufe Töpfe, Kessel und Bürsten…«
Picket winkte ab. »Da werden Sie hier nicht viel Glück haben, Mann. Es gibt hier zwei Stores, die diesen Trödel handeln.«
»Die gibt es überall«, versetzte der Trader grimmig, »und trotzdem habe ich überall Waren verkauft. Ich habe Töpfe aus St. Louis und Kessel, die in einer Fabrik oben am Missouri hergestellt werden. Was hier so verkauft wird, kommt von der Westküste und taugt meist nicht allzuviel.«
Picket grinste faunisch. »Meinen Sie, daß die Leute hier etwas darauf geben, woher ihre Kochkessel und Töpfe kommen? Wohl kaum. Außerdem verstehen die Tombstones ganz sicher nichts davon.«
Lambert hatte sich an dem Boardinghouse Owner vorbeigeschoben und warf einen Blick durch die halb offenstehende Küchentür. »Yeah, wenn ich die Scherben sehe, die Sie selbst auf dem Herd stehen haben, Mister, bin ich sogar davon überzeugt.«
Picket schoß vor und riß die Tür vor der Nase des Traders zu. »Was ich auf meinem Herd stehen habe, Mann, geht Sie einen Dreck an, verstanden? Und wenn Sie sich hier nicht anständig aufführen können, dann verschwinden Sie gefälligst und suchen sich anderwärts ein Quartier.«
Lambert hatte auf seinen weiten Fahrten alle Menschensorten kennengelernt. Diesen vergrämten Greis schätzte er sofort richtig ein. Und da er es in all den Jahren gelernt hatte, mit seinen ›Kunden‹ umzugehen, verstand er es auch jetzt richtig, den Mann hier anzupacken.
»Hören Sie, Mister. Ich habe schon oben an der Grenze von Ihrem Haus gehört…«
Der Greis wich erschrocken zurück und preßte seine knochendürre Hand auf den kragenlosen Halsausschnitt
seines Hemdes. »Was – haben Sie ge-hört?«
Lambert lachte. Er merkte nicht, daß der Mann offensichtlich kein allzu reines Gewissen zu haben schien.
»Nur Gutes, Mister«, log der Händler, »und zwar von Ihrer Küche. Ihre Frau soll das beste Essen weit und breit herstellen. Wie sie das allerdings mit diesen Scherben da drinnen schafft, ist mir ein Rätsel.«
Flammende Röte flog sogleich über das zerknitterte Greisengesicht. »So, das haben Sie gehört?« fragte er mißtrau-isch.
»Yeah, Ihre Frau soll ein Juwel im Kochen sein. Ich möchte sie gern begrüßen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
In diesem Augenblick schob sich eine dicke Frau von der Hoftür her in den Gang. Mit watschelnden Schritten kam sie näher. Als sie vor der Küchentür war, sah Lambert in ihr Gesicht. Es war eine Kreolin von abstoßender Häßlichkeit. Dennoch zog der Trader seinen Hut und sagte galant: »Madam, ich freue mich, Sie…«
»Elvira ist meine Köchin und Haushälterin«, unterbrach ihn der Salooner schnarrend.
Lambert schluckte die Verblüffung schnell. »Na und? Was hat das zu sagen? Sie jedenfalls kocht im San Jose House das vorzügliche Essen, von dem die Leute sogar oben an der Grenze noch sprechen.«
Die Kreolin schob sich mit ihrer verschwitzten Hand eine Haarsträhne aus der niedrigen Stirn und bleckte ihr gelbes, unregelmäßiges Gebiß.
»Well, Mister, ich freue mich, daß Sie bei uns essen wollen. Ich werde auch sofort dafür sorgen, daß Ihr Zimmer in Ordnung gebracht wird. Sie bekommen Nummer drei…«
»Nummer drei ist besetzt«, warf der Salooner krächzend ein, schob sich eine krumme, vorgedrehte Zigarette zwischen die dünnen Lippen und riß ein Zündholz an, das für einen Augenblick einen zuckenden Schein auf die Gesichter der drei Menschen warf.
Die Kreolin sah den Patron an. »Wer hat das Zimmer?« fragte sie mit einem Ton, der dem Trader schnell verriet, wer hier im Hause die Stiefel anhatte.
Picket sog nervös an seiner Zigarette. »Billy hat es gemietet.«
Da rollte die feiste Kreolin gefährlich mit den Augen. »Billy Clanton? Was fällt dir ein, John?« rief sie, alle Vorsicht und angebrachte Zurückhaltung vergessend. »Du hast doch diesem Banditensproß kein Zimmer in unserem Haus gegeben?«
»Was willst du denn, er hat im voraus für drei Tage bezahlt«, verteidigte sich der Mann.
»So, für drei Tage hat er bezahlt? Und wo ist das Geld, he?«
Picket wollte sich schnell abwenden. Da schoß die Rechte seiner ›Köchin und Haushälterin‹ vor, packte seinen knochendürren Arm und zerrte den kleinen Mann zu sich heran.
»Wo sind die Bucks, Jonny?«
Der Mann wollte sich losmachen. Da stieß die Linke der Kreolin vor, langte in die rechte Westentasche ihres ›Herrn‹ und zog einen Geldschein hervor, der gleich darauf im Halsausschnitt ihres Kleides verschwand.
»Und jetzt möchte ich noch einmal wissen, wie du dazu kommst, ausgerechnet einem Angehörigen dieser Banditenfamilie ein Zimmer bei uns zu vermieten, he? Was hat der Bursche überhaupt hier in der Stadt mit einem Zimmer vor, he? Er soll draußen in seinem Kuhstall schlafen. Weiß Ike, daß er hier gemietet hat? Weiß es Phin? Weiß es der Alte? Todsicher nicht. Du sagst ihm heute abend, daß er hier nicht wohnen kann. Wenn draußen auf der Ranch wieder Streit ist, soll er gefälligst in den Oriental Saloon zu seinen Freunden Jim Vizina und Mike Joyce gehen, die besser zu seiner Familie passen als wir!«
»Aber er hat doch schon bezahlt, Evy!«
»Das ist mir wirklich egal. Ich will
ihn jedenfalls hier nicht sehen. Wo die Burschen auftauchen, ist immer Mord und Totschlag in der Luft! – So, Mister…«
»… Lambert«, ergänzte der Trader.
»Well, Mister Lambert«, grinste sie und bleckte wieder ihr wenig ansehnliches Gebiß, »ich mache gleich das Zimmer fertig – und in einer Viertelstunde steht das Essen drüben in der Hall für Sie auf dem Tisch.«
Das Zimmer war schrägwandig und reichlich unsauber. Aber der Alte war froh, einigermaßen untergekommen zu sein. Das Essen war angebrannt. Dennoch lobte es der Trader, aber er riet der Frau, gelegentlich einmal einen St.-Louis-Kessel auszuprobieren, der das Essen vor dem Anbrennen schütze und seine Güte noch steigere.
Die Frau horchte auf. »Verkaufen Sie etwa St.-Louis-Kessel?«
»Yeah, ich habe zwar nur noch einen kleinen Vorrat auf dem Wagen, aber Sie sollen etwas davon bekommen dürfen…«
Das erste Geschäft war angebahnt. Trotz des grimmigen Gesichtes, das der in der Tür zum Korridor stehende John Picket schnitt.
Am Nachmittag ging der Trader noch einmal zum OK-Corral hinüber, um nach seinen Gäulen und dem Wagen zu sehen. Die Gäule waren noch da. Der Wagen auch – aber er war fast leer. Nur noch ein paar ziemlich wertlose Tonkrüge und zwei Kessel, die während der Reise ein paar Beulen abbekommen hatten, lagen in den Strohballen. Weiß vor Zorn rannte der Trader auf die Straße.
Mister Flys wandte sich schnell ab, unterbrach abrupt sein Dauergespräch mit seinem rundlichen Vis a vis, der Witwe Bourland, und verkroch sich in seinem Bau.
Lambert rannte hinüber zu der Frau. »Madam! Ich habe da drüben meinen Planwagen stehen. Als ich vor ein paar Stunden kam, war er noch halbvoll mit Waren. Jetzt ist er fast leer. Ich bin bestohlen worden. Mein ganzes Hab und Gut steckte in den Waren…«
Die Frau sah ihn mitleidig an.
»Haben Sie die Diebe gesehen?« fragte der Trader bebend vor Ärger.
»Nein, Mister. Ich könnte sie auch nicht sehen. Der Corral hat von der Rückseite her noch einen Zugang, den ich von hier aus nicht sehen kann. Wenn jemand unbemerkt den Corral betreten will, kann er das durch die kleine Pforte hinten ungestört tun.«
»Ungestört…, aber… das ist doch…« Lambert wischte sich über die Stirn, knäulte sein riesiges blaues Taschentuch zwischen den Fäusten und senkte dann resigniert den Kopf. »Bestohlen bin ich«, murmelte er. »Und dabei hatte ich schon die erste Bestellung. Ich habe hier auf einen guten Absatz gehofft.«
Die Frau sah sich nach allen Seiten um, dann streckte sie den Kopf weiter aus dem Fenster und flüsterte dem Trader zu: »Gehen Sie doch zu dem Marshal, er ist der einzige, der etwas für Sie tun wird.«
»Yeah, aber er ist nicht da. Man sagte mir, daß er hinunter nach Bisbee geritten sei.«
Bedauernd zog die Frau die Schultern hoch und schloß dann das Fenster.
Lambert sah auf seine staubigen Stiefel.
Heavens! Sie hatten ihn gewarnt vor diesem Nest. Allenthalben hatten sie ihn gewarnt. Aber er war ja klüger gewesen. Nun hatte er den Schaden. Mit gesenktem Kopf ging er die Straße hinunter, bog links ab und kam unten auf die Allen Street. Er hatte nicht mehr das Herz, zurück in sein Quartier zu gehen. – Die Kreolin wartete auf die Kessel, die er nicht mehr hatte… Mißmutig stakste der alte Mann durch die Stadt.
*
Es war gegen fünf Uhr am Nachmittag.
Von Nordosten her kamen zwei Reiter in die Stadt. Frank und Tom McLowery. Die beiden Desperados sahen aus, als hätten sie einen schweren Sturz vom Pferd gemacht. Frank hatte ein blaues Auge und eine aufgesprungene Lippe. Toms Kinn war angeschwollen, und seine Nase war blaurot. Mit finsteren Gesichtern ritten sie von der Staffordstreet die fünfte Straße hinunter. Vor dem Oriental Saloon hielten sie ihre Tiere an und rutschten aus den Sätteln.
Oben schob sich ein schlanker Mann in den Dreißigern, mit gewelltem Blondhaar und einem vornehmen braunen Anzug, durch die Schwingarme der Pendeltür. Als er die beiden McLowerys sah, brach eine bellende Lache von seinen Lippen.
»He, Frank, Tom! Hell and devils, wie seht ihr denn aus?«
Frank schob sich den Hut in den Nacken. »Tom ritt vor mir, als sein Gaul in einem Präriehasenloch stolperte. Wir kamen beide zu Fall.«
Der Snob oben auf dem Vorbau hielt sich den Bauch vor Lachen. »Damned, das sieht aber ganz so aus, als wenn der Präriehase ziemlich harte Fäuste gehabt hätte. Ich hätte gewettet, daß ihr eine Schlägerei mit fünf Bushcreepers hattet.«
Frank machte zwei hastige Schritte auf die Vorbautreppe zu. Sein gesundes Auge war zu einem schmalen Schlitz zusammengezogen.
»Hör zu, Mike. Wenn du jetzt nicht ganz plötzlich das Thema wechselst, wirst du in drei Minuten aussehen, als wenn du unter eine Horde von Mescaleros gefallen wärest!«
Der Barkeeper des Oriental Saloons kannte die beiden McLowerys genau. Er wußte, daß man mit Scherzen nicht zu weit bei ihnen gehen durfte. Insbesondere Frank, der ältere der beiden, vertrug verdammt wenig Spaß.
»Nichts für ungut, Frank. War natürlich nur ein dummer Scherz. Kommt rein, der Boß steht im Augenblick selbst hinter der Theke. Ich habe noch einen kleinen Weg hinunter zu Cabin.«
Tom, der inzwischen herangekommen war, meinte spöttisch:
»Ich hoffe, du läßt dir bei dem alten Hinkfuß wieder einen neuen Anzug machen.«
Der Keeper hörte den Spott nicht aus dieser Frage heraus und nickte dazu eifrig. »Yeah, ich habe nur drei Anzüge,
das geht ja auf die Dauer wirklich nicht.«
Die beiden Banditen lachten dröhnend. Dann schoben sie den Keeper zur Seite und betraten die Schenke.
Hinter der Theke stand ein schwerer großer Mensch mit blauschwarzem, öligem Haar und dünnem Schnurrbart. Es war Jim Vizina, der Inhaber des Saloons. Er war der Sohn italienischer Eltern und hatte die erste Schenke in dem einstigen Camp der Silberminen-Arbeiter aufgemacht. Vizina war gewissermaßen ein Wahrzeichen der Stadt. Es hieß, er habe den alten Saffort noch gekannt, der hier eine fürchterliche Schlacht gegen die Mescaleros geführt hatte. Was Vizina von den meisten anderen Wirten des Westens unterschied, war die Tatsache, daß er immer einen Waffengurt und einen Colt unter seinem schweren Leib trug. In seinen dunklen Augen schlummerte die Hinterlist, die Verschlagenheit, mit deren Hilfe er zu Wohlstand gekommen war. Vizina war kein Verbrecher, aber er war auch kein Mann, der das Gesetz achtete. In seinem Haus verkehrten mehr Banditen als sonst irgendwo in der ganzen Stadt. Und das wollte bei einer Stadt, in der es von Outlaws nur so wimmelte, etwas heißen.
»Hallo, Frank! Hallo, Tom!« rief er den beiden Banditen entgegen, ohne die Zähne allzusehr voneinander zu lösen.
Frank sah sich im Schankraum um.
Rechts am Fenster saß ein alter, zerlumpter Kerl vor einer fast geleerten Whiskyflasche.
Tom riß die Bullpeitsche hoch; die dünne Lederschlange züngelte auf den Alten zu. »Verschwinde, alter Säufer!«
Frank war weitergegangen, während Tom lachend das Aufspringen und Hinausstürmen des alten Mannes beobachtete.
Vizina übersah geflissentlich die demolierten Gesichter der McLowerys und schenkte aus der ›besseren‹ Flasche ein. Die beiden lehnten sich gegen die Theke und tranken.
Hinten links in der Ecke saßen vier Männer und pokerten stumm. Die McLowerys sahen sie erst jetzt.
»He, wer ist das?« fragte er den Wirt.
Vizina zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Die Burschen sitzen schon seit zwei Stunden da, spielen und haben jeder nur einen Whisky bestellt.«
Tom feixte. »He, und das läßt du dir bieten? Da werden wir sofort reine Luft machen.«
Er stieß sich von der Theke ab und hielt auf den Spieltisch zu. Die vier Männer beachteten ihn nicht, auch dann noch nicht, als sie seine Nähe längst bemerkt haben mußten. Tom riß die Peitsche hoch und ließ sie zwischen zweien von ihnen auf den Tisch schnellen und ein Glas herunterreißen.
Da wandte sich der eine der Männer um. »Was soll der Unsinn, Mann?«
Toms Gesicht erstarrte zur Grimasse. Dann schnarrte er: »He, Frank, komm doch mal her. Hier gibt’s was für uns zu tun. Dieses Käsegesicht kräht mich an!«
Frank, der nicht viel vernünftiger war als sein Bruder, kam näher. Er blieb neben Tom stehen, stemmte die Fäuste in die Hüften, spreizte die Beine und musterte die vier Männer herausfordernd.
»Verschwindet!« zischte Tom.
Die Männer sahen jetzt alle auf.
»Ihr sollt verschwinden!« brüllte Tom, und als sich die Männer immer noch nicht rührten, sauste seine Peitsche auf ihre Köpfe nieder.
Da sprang der blaßgesichtige Mann hoch und zog seinen Revolver.
Zu spät! Frank McLowery hatte seinen Colt bereits in der Hand. Der Schuß brüllte auf. Die Kugel traf den Spieler in den rechten Oberarm. Der Mann schrie gellend auf. Die beiden Rowdies lachten gefühllos.
Plötzlich stieß Tom seinen Bruder an. »He, Frank, sieh dir den an!« Er deutete aus dem Fenster und wies auf den Trader, der in diesem Moment die Straße überquerte und auf die Schenke zuhielt.
Frank stieß einen Pfiff durch die Zahnlücke. »Devils! Der alte Halunke. Na warte, Brother, den Drink werde ich dir versalzen.«
Blitzschnell postierten sich die beiden neben der Tür, so daß ein Eintretender sie nicht sofort sehen konnte.
Ein rätselhaftes Geschick hielt den Händler jedoch kurz vor der Tür von seinem Vorhaben ab. Er dachte daran, daß ihm alles gestohlen worden war und daß ihm hier in dem Banditennest kaum jemand zu seinem Eigentum zurückverhelfen würde. Nein, er brauchte keinen Drink. Weiß Gott nicht. Jeder Dollar mußte jetzt gespart werden. Er würde alle Not haben, sich und seine Pferde hinüber nach New Mexico zu bringen.
Daß dieser vernünftige Gedanke ihn soeben vor neuem Unheil bewahrt hatte, wußte der alte Trader nicht. Er blieb auf den Stepwalks und ging langsam und unschlüssig zur Fremont Street hinauf.
Die beiden McLowerys merkten, daß der Mann nicht kam.
Frank stieß die Schwingarme der Tür auf und brüllte hinter dem Alten her. »He! Kesselflicker! Nicht so eilig!«
Lambert zuckte beim Klang der Stimme hinter ihm zusammen und fuhr dann herum.
Der Erfolg dieser Worte verblüffte selbst den Desperado.
»By gosh! Der Wegelagerer!« Lambert sprang schneller, als man es ihm zugetraut hätte, vom Vorbau, rannte über die Straße, passierte das Eck des Crystal Palace und überquerte die Allen Street und hielt auf das Sheriff Office zu. Dabei rief er unentwegt: »Help! Help!«
Jonny Behan kam trotz seiner Trägheit an die Tür des Office. »He, was brüllen Sie so durch die Gegend, Mensch!«
Lambert hielt atemlos inne. »Sheriff, ich habe sie gefunden!«
»Wen?«
»Die beiden Halunken, die mich unterwegs überfallen haben!«
Behan rieb sich das Kinn. Er hatte über den Alten hinweggeblickt und drüben auf dem Vorbau vom Crystal Palace die Gestalt Frank McLowerys auftauchen sehen. Der Sheriff preßte die Lippen zusammen.
Damned! Die beiden Kerle machten ihm in letzter Zeit höllisch zu schaffen. Und immer wieder gab es Ärger mit ihnen. Wenn sie sich nicht mit den Clantons zusammengetan hätten, würde er schon lange ein ernstes Wort mit ihnen gesprochen haben. Aber die Tatsache, daß sie sich der Rancherfamilie angeschlossen hatten und zu ihrer Gang gehörten, veranlaßte den Sheriff, sie mit Samthandschuhen anzufassen. Andererseits trug die Freundschaft mit den Clantons für die McLowerys noch weitere Früchte. Sie dachten gar nicht daran, vor diesem Sheriff irgendwelchen Respekt zu zeigen. Wer war dieser Jonny Behan denn schon? Ein kleiner Hilfssheriff, den sie vom Pima County aus in Tombstone eingesetzt hatten – und der den Posten genommen hatte, weil ihn sonst niemand nehmen wollte.
Auch Tom McLowery war jetzt um die Ecke gekommen.
Die beiden Rowdies hatten die Stirn, näherzukommen.
»He, Sheriff«, rief Frank, »wollen Sie diesen Verrückten da nicht einsperren? Wenn er weiter hier herumschreit, macht er die Pferde scheu.«
Jack Lambert hatte sich entgeistert umgewandt. Fassungslos starrte er in die gezeichneten Gesichter der Banditen.
»Sheriff, Sheriff«, rief er, »das sind die Leute! Sie müssen sie verhaften!«
Die beiden Desperados lachten dem Händler frech ins Gesicht.
Hinter sich hörte Lambert die gepreßte Stimme des Sheriffs. »Sie müssen sich irren, Mister. Diese beiden Gents sind gute Bekannte von mir und können ganz unmöglich für das in Frage kommen, was Sie ihnen vorwerfen wollen.«
Der alte Trader Jack Lambert hatte begriffen. Langsam wandte er sich ab und ging auf die vierte Straße zu.
Tom brüllte hinter ihm her: »He! Kesselflicker! Willst du dich nicht gefälligst bei uns entschuldigen?«
Diese Frechheit ließ den Alten stehenbleiben. Aber er bezwang sich noch, sagte kein weiteres Wort und ging vorwärts.
Da riß der unbeherrschte jüngere McLowery den Revolver aus dem Halfter, und schon peitschte der Schuß über die Straße. Die Kugel zerfetzte den schon angerissenen Absatz des Traders völlig.
Der Alte stand da mit gesenktem Kopf, ballte die Fäuste und preßte die Zähne knirschend in bebendem Zorn zusammen. Kalkweiß war er plötzlich geworden.
Es war ein beschämendes Bild.
Aus einem kleinen Barbershop schoß ein zwergenhafter Mann auf den Vorbau und stieß den Zeigefinger in Richtung des Sheriffs.
»Wie können Sie das dulden, Mister Behan?« rief er mit krähender Stimme. »Wie können Sie es zulassen, daß diese beiden Burschen dem alten Mann eine solche Demütigung zufügen?«
Der Sheriff warf dem Barbier einen scheelen Blick zu. »Ich würde mich da raushalten, Mister Miller.«
»Raushalten!« fauchte da der kleine Barbier. »Damned, ich möchte mit beiden Fäusten dazwischenschlagen. Von Tag zu Tag wird es gefährlicher, über unsere Straßen zu laufen. Man ist ja seines Lebens nicht mehr sicher.«
Die beiden Desperados kamen heran. Frank blieb unten auf der Straße stehen, schob die Hände hinter den Waffengurt, spreizte die Beine und legte den Kopf in den Nacken. Herausfordernd sah er den Barbier an. »Hören Sie, Miller! Sie haben ein verdammt vorlautes Maul!«
»Scheint mir, daß der Gute es gestopft haben will«, meinte Tom, der inzwischen herangekommen war.
Unerschrocken blickte der Barbier die beiden an. »Hört zu, Boys. Ich bin dreiundsechzig; wenn ich auch nur zwanzig Jahre jünger wäre, käme ich jetzt runter und würde euch eure ungewaschenen Mäuler stopfen.«
Mit einem Sprung trat Tom auf den Vorbau, hatte aber das Pech, in die vorgestreckte Stiefelspitze des Barbiers zu laufen. Rücklings stürzte er wieder vom Vorbau herunter. Flammender Zorn stand in dem Gesicht des Banditen.
Als er hochspringen wollte, schob sich der Trader zwischen ihn und den Vorbau. »Schaffen Sie sich meinetwegen keine Ungelegenheiten.«
Frank riß den Trader an der Schulter herum, so daß der alte Mann zu Fall kam. Tom, der eben zum Sprung auf den Vorbau ansetzte, hielt mitten in der Bewegung inne. Mit weitgeöffneten Augen blickte er hinüber zur Ecke der fünften Straße, um die soeben ein Reiter bog.
Auch der ältere McLowery, der dem gestürzten Trader noch einen Tritt versetzen wollte, verhielt und blickte zu dem Reiter hinüber.
»Zounds! The beater!«
Yeah, es war der Mann, der ihnen in der Fahrwegenge, wo sie den Händler überfallen hatten, derartig nachhaltig heimgeleuchtet hatte. Obgleich die beiden Banditen den Sheriff in ihrem Rücken wußten, hatten sie es merkwürdig eilig, auf die andere Straßenseite zu kommen.
Jonny Behan hatte den Reiter auch gesehen, der Schreck ließ sein Gesicht zur Maske erstarren. Dann machte er kehrt, blieb aber mit dem Rücken zur Straße in seiner Officetür stehen.
Tom und Frank lehnten am Office an zwei Dachpfeilern. Sie hatten die Hüte tief ins Gesicht gezogen und die Köpfe gesenkt. Dennoch behielten sie den Reiter scharf im Auge.
Der Fremde machte vor dem Marshal Bureau halt.
Der jüngere McLowery hatte ihn aus glimmenden Augen betrachtet. Er sah, wie der Mann das Bureau betrat, gleich darauf aber wieder auf die Straße kam.
Tom schob die Unterlippe hoch. Und plötzlich jumpte er über das Geländer, das hier den Vorbau zur Straße hin abschloß. In weiten, von der Wut getriebenen Sätzen sprang er auf den Fremden zu.
»He, da bist du ja wieder, Langer!«
Der Fremde blickte ihn aus kühlen Augen an. Vielleicht wäre nichts passiert, wenn der unbeherrschte Bandit sich zurückgehalten hätte. Aber die eisige, überlegene Ruhe des Fremden reizte Tom. Er hechtete plötzlich vorwärts und wollte den anderen zu Fall bringen.