Читать книгу Hauptwerke: Der Kaufmann von Venedig, Der Widerspenstigen Zähmung, Die Komödie der Irrungen, Ein Sommernachtstraum, V... - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 16
Lied
ОглавлениеERSTE STIMME.
Sagt, woher stammt Liebeslust?
Aus den Sinnen, aus der Brust?
Ist euch ihr Lebenslauf bewußt?
ZWEITE STIMME.
In den Augen erst gehegt,
Wird Liebeslust durch Schaun gepflegt;
Stirbt das Kindchen, beigelegt
In der Wiege, die es trägt,
Läutet Totenglöckchen ihm;
Ich beginne: Bim! bim! bim!
CHOR.
Bim! bim! bim!
BASSANIO.
– So ist oft äußrer Schein sich selber fremd,
Die Welt wird immerdar durch Zier berückt.
Im Recht, wo ist ein Handel so verderbt,
Der nicht, geschmückt von einer holden Stimme,
Des Bösen Schein verdeckt? Im Gottesdienst,
Wo ist ein Irrwahn, den ein ehrbar Haupt
Nicht heiligte, mit Sprüchen nicht belegte,
Und bürge die Verdammlichkeit durch Schmuck?
Kein Laster ist so blöde, das von Tugend
Im äußern Tun nicht Zeichen an sich nähme.
Wie manche Feige, die Gefahren stehn
Wie Spreu dem Winde, tragen doch am Kinn
Den Bart des Herkules und finstern Mars,
Fließt gleich in ihren Herzen Blut wie Milch?
Und diese leihn des Mutes Auswuchs nur,
Um furchtbar sich zu machen. Blickt auf Schönheit,
Ihr werdet sehn, man kauft sie nach Gewicht,
Das hier ein Wunder der Natur bewirkt
Und, die es tragen, um so lockrer macht.
So diese schlänglicht krausen goldnen Locken,
Die mit den Lüften so mutwillig hüpfen
Auf angemaßten Reiz: man kennt sie oft
Als eines zweiten Kopfes Ausstattung:
Der Schädel, der sie trug, liegt in der Gruft.
So ist denn Zier die trügerische Küste
Von einer schlimmen See, der schöne Schleier,
Der Indiens Schönen birgt; mit einem Wort
Die Scheinwahrheit, womit die schlaue Zeit
Auch Weise fängt. Darum, du gleißend Gold,
Des Midas harte Kost, dich will ich nicht;
Noch dich, gemeiner, bleicher Botenläufer
Von Mann zu Mann; doch du, du magres Blei,
Das eher droht als irgend was verheißt,
Dein schlichtes Ansehn spricht beredt mich an:
Ich wähle hier, und sei es wohlgetan!
PORZIA.
Wie jede Regung fort die Lüfte tragen,
Als irre Zweifel, ungestüm Verzagen,
Und bange Schau'r und blasse Schüchternheit!
O Liebe, mäß'ge dich in deiner Seligkeit!
Halt' ein, laß deine Freuden sanfter regnen;
Zu stark fühl' ich, du mußt mich minder segnen,
Damit ich nicht vergeh'.
BASSANIO öffnet das bleierne Kästchen.
Was find' ich hier?
Der schönen Porzia Bildnis? Welcher Halbgott
Kam so der Schöpfung nah? Regt sich dies Auge?
Wie, oder, schwebend auf der meinen Wölbung,
Scheint es bewegt? Hier sind erschloßne Lippen,
Die Nektarodem trennt: so süße Scheidung
Muß zwischen solchen süßen Freunden sein.
Der Maler spielte hier in ihrem Haar
Die Spinne, wob ein Netz, der Männer Herzen
Zu fangen, wie die Mück' im Spinngeweb'.
Doch ihre Augen – oh, wie konnt' er sehn,
Um sie zu malen? Da er eins gemalt,
Dünkt mich, es mußt' ihm seine beiden stehlen
Und ungepaart sich lassen. Doch seht, so weit
Die Wahrheit meines Lobes diesem Schatten
Zu nahe tut, da es ihn unterschätzt,
So weit läßt diesen Schatten hinter sich
Die Wahrheit selbst zurück. – Hier ist der Zettel,
Der Inbegriff und Auszug meines Glücks.
»Ihr, der nicht auf Schein gesehn:
Wählt so recht, und trefft so schön!
Weil Euch dieses Glück geschehn,
Wollet nicht nach anderm gehn!
Ist Euch dies nach Wunsch getan,
Und find't Ihr Heil auf dieser Bahn,
Müßt Ihr Eurer Liebsten nahn,
Und sprecht mit holdem Kuß sie an!«
Ein freundlich Blatt – erlaubt, mein holdes Leben,
er küßt sie
Ich komm', auf Schein zu nehmen und zu geben,
Wie, wer um einen Preis mit andern ringt
Und glaubt, daß vor dem Volk sein Tun gelingt:
Er hört den Beifall, Jubel schallt zum Himmel;
Im Geist benebelt, staunt er – »dies Getümmel
Des Preises«, fragt er sich, »gilt es denn mir?«
So, dreimal holdes Fräulein, steh' ich hier,
Noch zweifelnd, ob kein Trug mein Auge blend't,
Bis Ihr bestätigt, zeichnet, anerkennt.
PORZIA.
Ihr seht mich, Don Bassanio, wo ich stehe,
So wie ich bin: obschon, für mich allein,
Ich nicht ehrgeizig wär' in meinem Wunsch,
Viel besser mich zu wünschen; doch für Euch
Wollt' ich verdreifacht zwanzigmal ich selbst sein,
Noch tausendmal so schön, zehntausendmal
So reich. –
Nur um in Eurer Schätzung hoch zu stehn,
Möcht' ich an Gaben, Reizen, Gütern, Freunden
Unschätzbar sein; doch meine volle Summa
Macht etwas nur: das ist, in Bausch und Bogen,
Ein unerzognes, ungelehrtes Mädchen,
Darin beglückt, daß sie noch nicht zu alt
Zum Lernen ist; noch glücklicher, daß sie
Zum Lernen nicht zu blöde ward geboren.
Am glücklichsten, weil sich ihr weich Gemüt
Dem Euren überläßt, daß Ihr sie lenkt,
Als ihr Gemahl, ihr Führer und ihr König.
Ich selbst und was nur mein, ist Euch und Eurem
Nun zugewandt: noch eben war ich Eigner
Des schönen Guts hier, Herrin meiner Leute,
Monarchin meiner selbst; und eben jetzt
Sind Haus und Leut', und eben dies Ich selbst
Eu'r eigen, Herr: nehmt sie mit diesem Ring!
Doch trennt Ihr Euch von ihm, verliert, verschenkt ihn,
So prophezei' es Eurer Liebe Fall,
Und sei mein Anspruch, gegen Euch zu klagen.
BASSANIO.
Fräulein, Ihr habt der Worte mich beraubt,
Mein Blut nur in den Adern spricht zu Euch;
Verwirrung ist in meinen Lebensgeistern,
Wie sie nach einer wohlgesprochnen Rede
Von einem teuren Prinzen wohl im Kreis
Der murmelnden zufriednen Meng' erscheint,
Wo jedes Etwas, in einander fließend,
Zu einem Chaos wird von nichts als Freude,
Laut oder sprachlos. – Doch weicht dieser Ring
Von diesem Finger, dann weicht hier das Leben:
O dann sagt kühn, Bassanio sei tot!
NERISSA.
Mein Herr und Fräulein, jetzt ist unsre Zeit,
Die wir dabei gestanden und die Wünsche
Gelingen sehn, zu rufen: Freud' und Heil!
Habt Freud' und Heil, mein Fräulein und mein Herr!
GRAZIANO.
Mein Freund Bassanio und mein wertes Fräulein,
Ich wünsch' euch, was für Freud' ihr wünschen könnt,
Denn sicher wünscht ihr keine von mir weg.
Und wenn ihr beiderseits zu feiern denkt
Den Austausch eurer Treue, bitt' ich euch,
Daß ich zugleich mich auch verbinden dürfe.
BASSANIO.
Von Herzen gern, kannst du ein Weib dir schaffen.
GRAZIANO.
Ich dank' Euch, Herr: Ihr schafftet mir ein Weib.
Mein Auge kann so hurtig schaun als Eures;
Ihr saht das Fräulein, ich die Dienerin;
Ihr liebtet, und ich liebte: denn Verzug
Steht mir nicht besser an als Euch, Bassanio.
Eu'r eignes Glück hing an den Kästchen dort,
Und so auch meines, wie es sich gefügt.
Denn werbend hier, bis ich in Schweiß geriet,
Und schwörend, bis mein Gaum von Liebesschwüren
Ganz trocken war: ward ich zuletzt – geletzt
Durch ein Versprechen dieser Schönen hier,
Mir Liebe zu erwidern, wenn Eu'r Glück
Ihr Fräulein erst gewönne.
PORZIA.
Ist's wahr, Nerissa?
NERISSA.
Ja, Fräulein, wenn Ihr Euren Beifall gebt.
BASSANIO.
Und meint Ihr's, Graziano, recht im Ernst?
GRAZIANO.
Ja, auf mein Wort.
BASSANIO.
Ihr ehrt durch Eure Heirat unser Fest.
GRAZIANO. Wir wollen mit ihnen auf den ersten Jungen wetten, um tausend Dukaten. –
Doch wer kommt hier? Lorenzo und sein Heidenkind?
Wie? und mein alter Landsmann, Freund Salerio?
Lorenzo, Jessica und Salerio treten auf.
BASSANIO.
Lorenzo und Salerio, seid willkommen,
Wofern die Jugend meines Ansehns hier
Willkommenheißen darf. Erlaubet mir,
Ich heiße meine Freund' und Landesleute
Willkommen, holde Porzia.
PORZIA.
Ich mit Euch;
Sie sind mir sehr willkommen.
LORENZO.
Dank Euer Gnaden! – Was mich angeht, Herr,
Mein Vorsatz war es nicht, Euch hier zu sehn;
Doch da ich unterwegs Salerio traf,
So bat er mich, daß ich's nicht weigern konnte,
Hieher ihn zu begleiten.
SALERIO.
Ja, ich tat's,
Und habe Grund dazu, Signor Antonio
Empfiehlt ihn Euch.
Gibt dem Bassanio einen Brief.
BASSANIO.
Eh' ich den Brief erbreche,
Sagt, wie befindet sich mein wackrer Freund?
SALERIO.
Nicht krank, Herr, wenn er's im Gemüt nicht ist,
Noch wohl, als im Gemüt; der Brief da wird
Euch seinen Zustand melden.
GRAZIANO.
Nerissa, muntert dort die Fremde auf,
Heißt sie willkommen! Eure Hand, Salerio!
Was bringt Ihr von Venedig mit? Wie geht's
Dem königlichen Kaufmann, dem Antonio?
Ich weiß, er wird sich unsers Glückes freun,
Wir sind die Jasons, die das Vlies gewonnen.
SALERIO.
O hättet Ihr das Vlies, das er verlor!
PORZIA.
In dem Papier ist ein feindsel'ger Inhalt,
Es stiehlt die Farbe von Bassanios Wangen.
Ein teurer Freund tot; nichts auf Erden sonst,
Was eines festgesinnten Mannes Fassung
So ganz verwandeln kann. Wie? schlimm und schlimmer?
Erlaubt, Bassanio, ich bin halb Ihr selbst,
Und mir gebührt die Hälfte auch von allem,
Was dies Papier Euch bringt.
BASSANIO.
O werte Porzia!
Hier sind ein paar so widerwärt'ge Worte,
Als je Papier befleckten. Holdes Fräulein,
Als ich zuerst Euch meine Liebe bot,
Sagt' ich Euch frei, mein ganzer Reichtum rinne
In meinen Adern, ich sei Edelmann;
Und dann sagt' ich Euch wahr. Doch, teures Fräulein,
Da ich auf nichts mich schätzte, sollt Ihr sehn,
Wie sehr ich Prahler war. Da ich Euch sagte,
Mein Gut sei nichts, hätt' ich Euch sagen sollen,
Es sei noch unter nichts; denn, in der Tat,
Mich selbst verband ich einem teuren Freunde,
Den Freund verband ich seinem ärgsten Feind,
Um mir zu helfen. Hier, Fräulein, ist ein Brief,
Das Blatt Papier wie meines Freundes Leib,
Und jedes Wort drauf eine offne Wunde,
Der Lebensblut entströmt. – Doch ist es wahr,
Salerio? Sind denn alle Unternehmen
Ihm fehlgeschlagen? Wie, nicht eins gelang?
Von Tripolis, von Mexiko, von England,
Von Indien, Lissabon, der Barbarei?
Und nicht ein Schiff entging dem furchtbar'n Anstoß
Von Armut droh'nden Klippen?
SALERIO.
Nein, nicht eins.
Und außerdem, so scheint es, hätt' er selbst
Das bare Geld, den Juden zu bezahlen,
Er nähm' es nicht. Nie kannt' ich ein Geschöpf,
Das die Gestalt von einem Menschen trug,
So gierig, einen Menschen zu vernichten.
Er liegt dem Doge früh und spät im Ohr,
Und klagt des Staats verletzte Freiheit an,
Wenn man sein Recht ihm weigert: zwanzig Handelsleute,
Der Doge selber, und die Senatoren
Vom größten Ansehn reden all' ihm zu:
Doch niemand kann aus der Schikan' ihn treiben
Von Recht, verfallner Buß' und seinem Schein.
JESSICA.
Als ich noch bei ihm war, hört' ich ihn schwören
Vor seinen Landesleuten Chus und Tubal,
Er wolle lieber des Antonio Fleisch,
Als den Betrag der Summe zwanzigmal,
Die er ihm schuldig sei; und, Herr, ich weiß:
Wenn ihm nicht Recht, Gewalt und Ansehn wehrt,
Wird es dem armen Manne schlimm ergehn.
PORZIA.
Ist's Euch ein teurer Freund, der so in Not ist?
BASSANIO.
Der teu'rste Freund, der liebevollste Mann,
Das unermüdet willigste Gemüt
Zu Dienstleistungen, und ein Mann, an dem
Die alte Römerehre mehr erscheint,
Als sonst an wem, der in Italien lebt.
PORZIA.
Welch eine Summ' ist er dem Juden schuldig?
BASSANIO.
Für mich, dreitausend Dukaten.
PORZIA.
Wie? nicht mehr?
Zahlt ihm sechstausend aus und tilgt den Schein,
Doppelt sechstausend, dann verdreifacht das,
Eh' einem, Freunde dieser Art ein Haar
Gekränkt soll werden durch Bassanios Schuld.
Erst geht mit mir zur Kirch' und nennt mich Weib,
Dann nach Venedig fort zu Eurem Freund:
Denn nie sollt Ihr an Porzias Seite liegen
Mit Unruh' in der Brust. Gold geb' ich Euch,
Um zwanzigmal die kleine Schuld zu zahlen:
Zahlt sie und bringt den echten Freund mit Euch.
Nerissa und ich selbst indessen leben
Wie Mädchen und wie Witwen. Kommt mit mir,
Ihr sollt auf Euren Hochzeittag von hier:
Begrüßt die Freunde, laßt den Mut nicht trüben:
So teu'r gekauft, will ich Euch teuer lieben. –
Doch laßt mich hören Eures Freundes Brief!
BASSANIO liest. »Liebster Bassanio, meine Schiffe sind alle verunglückt, meine Gläubiger werden grausam, mein Glücksstand ist ganz zerrüttet, meine Verschreibung an den Juden ist verfallen, und da es unmöglich ist, daß ich lebe, wenn ich sie zahle, so sind alle Schulden zwischen mir und Euch berichtigt. Wenn ich Euch nur bei meinem Tode sehen könnte! Jedoch handelt nach Belieben: wenn Eure Liebe Euch nicht überredet zu kommen, so muß es mein Brief nicht.«
PORZIA.
O Liebster, geht, laßt alles andre liegen!
BASSANIO.
Ja, eilen will ich, da mir Eure Huld
Zu gehn erlaubt: doch bis ich hier zurück,
Sei nie ein Bett an meinem Zögern schuld,
Noch trete Ruhe zwischen unser Glück!
Alle ab.