Читать книгу Hauptwerke: Der Kaufmann von Venedig, Der Widerspenstigen Zähmung, Die Komödie der Irrungen, Ein Sommernachtstraum, V... - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 41
Zweite Szene
ОглавлениеStraße.
Antipholus von Syrakus tritt auf.
ANTIPHOLUS.
Das Gold, das ich dem Dromio gab, liegt sicher
Mir im Zentauren, und mein treuer Diener
Ist ausgegangen, um mich aufzusuchen.
Nach Zeit und Stund' und meines Wirts Bericht
Konnt' ich mit Dromio nicht gesprochen haben,
Seit ich vom Markt ihn schickte. – Sieh, da kommt er!
Dromio von Syrakus kommt.
Nun, Freund? ist dir der Übermut vergangen? –
Nun spaße wieder, wenn du Schläge liebst!
Du kennst den Gasthof nicht? Bekamst kein Gold?
Dich schickt die Frau, zum Essen mich zu rufen?
Ich wohn' im Phönix? Sag mir, warst du toll,
Daß du mir solche tolle Antwort gabst? –
DROMIO VON SYRAKUS.
Welch eine Antwort, Herr? Wann war das alles?
ANTIPHOLUS.
Jetzt eben hier, kaum vor 'ner halben Stunde.
DROMIO VON SYRAKUS.
Ich sah Euch nicht, seit Ihr das Gold mir gabt
Und mich damit heimsandtet zum Zentauren.
ANTIPHOLUS.
Schlingel, du leugnetest des Golds Empfang
Und sprachst von einer Frau mir und von Mahlzeit;
Doch hoff' ich, fühlst du noch, wie mir's gefiel.
DROMIO VON SYRAKUS.
Es freut mich, Euch so aufgeräumt zu sehn;
Was meint Ihr mit dem Scherz? Erzählt mir's, Herr!
ANTIPHOLUS.
Ei, sieh! du höhnst und neckst mich ins Gesicht?
Denkst du, ich scherze? Da! und hier noch eins!
Schlägt ihn.
DROMIO VON SYRAKUS.
Halt, Herr, ich bitt' Euch, Euer Spaß wird Ernst:
Um welchen Handel ernt' ich solches Handgeld?
ANTIPHOLUS.
Weil ich wohl manchmal in Vertraulichkeit
Als meinen Narr'n dich brauch' und mit dir schwatze,
Wird frech dein Scherz, der Freundlichkeit vertrauend,
Und stört durch Marktgeschwätz die ernsten Stunden.
Die muntre Mücke tanz' im Strahl der Sonne,
Doch kriech' in Ritzen, wenn der Glanz sich birgt;
Eh' du mich neckst, betrachte meinen Blick,
Und modle deinen Witz nach meiner Miene,
Sonst schlag' ich die Manier in deine Schanze.
DROMIO VON SYRAKUS. Schanze nennt Ihr's? Wenn Ihr nur mit Sturmlaufen aufhören wolltet, möcht' es lieber Kopf bleiben; und fahrt Ihr noch lange so mit Schlägen fort, so muß ich mir eine Schanze für meinen Kopf anschaffen und ihn einschanzen, oder ich werde meinen Witz in meinen Schultern suchen. Aber mit Vergunst, Herr, warum werd' ich geschlagen?
ANTIPHOLUS. Das weißt du nicht? –
DROMIO VON SYRAKUS. Nichts, Herr, als daß ich geschlagen werde.
ANTIPHOLUS. Soll ich dir sagen, warum?
DROMIO VON SYRAKUS. Ja, Herr, und wofür; denn wie man sagt, hat jedes Warum sein Wofür.
ANTIPHOLUS.
Zuerst, warum? Fürs Necken; dann, wofür?
Weil du's zum zweiten Mal mit mir versuchst.
DROMIO VON SYRAKUS.
So komm' ich ohne Recht und Fug zu solchem barschen Gruß,
Denn Eu'r Warum und Eu'r Wofür hat weder Hand noch Fuß.
Nun gut, ich dank' Euch.
ANTIPHOLUS.
Dankst mir, Freund? Wofür? –
DROMIO VON SYRAKUS. Meiner Treu, Herr, für etwas, das ich für nichts bekam.
ANTIPHOLUS. Ich will's nächstens wieder gut machen und dir nichts für etwas geben. Aber sag mir, Freund, ist es Essenszeit?
DROMIO VON SYRAKUS. Nein, Herr, denn unser Fleisch ist noch nicht, was ich bin.
ANTIPHOLUS. Und was wäre das?
DROMIO VON SYRAKUS. 's ist noch nicht mürbe.
ANTIPHOLUS. Dann wird's also noch hart und trocken sein?
DROMIO VON SYRAKUS. Ja, und wenn das ist, so bitte ich Euch, eßt nicht davon!
ANTIPHOLUS. Dein Grund?
DROMIO VON SYRAKUS. Es möchte Euch cholerisch machen, und Ihr schlügt mich noch einmal.
ANTIPHOLUS. Siehst du? Lerne zu rechter Zeit spaßen; jedes Ding hat seine Zeit.
DROMIO VON SYRAKUS. Den Satz hätte ich wohl geleugnet, ehe Ihr so cholerisch wurdet.
ANTIPHOLUS. Nach welcher Regel?
DROMIO VON SYRAKUS. Nun, nach einer Regel, die so klar ist als die klare kahle Platte des uralten Gottes der Zeit.
ANTIPHOLUS. Laß hören!
DROMIO VON SYRAKUS. Wenn einer von Natur kahl wird, so gibt es keine Zeit für ihn, sein Haar wieder zu bekommen.
ANTIPHOLUS. Auch nicht durch Prozeß und Restitution?
DROMIO VON SYRAKUS. O ja; durch den Prozeß eines Perückenkaufs oder durch die Restauration, die man durch das abgeschnittene Haar eines andern erlangt.
ANTIPHOLUS. Warum ist doch die Zeit ein solcher Knicker mit dem Haar, das sonst ein so reichlicher Auswuchs ist?
DROMIO VON SYRAKUS. Weil's ein Segen ist, mit dem sie das Vieh begabt; was sie dem Menschen an Haar entzieht, das ersetzt sie ihm an Witz.
ANTIPHOLUS. Und doch hat mancher Mensch mehr Haar als Witz.
DROMIO VON SYRAKUS. Kein einziger, der nicht so viel Witz hätte, sein Haar zu verlieren.
ANTIPHOLUS. Du machtest aber den Schluß, starkbehaarte Menschen seien täppische Gesellen ohne Witz?
DROMIO VON SYRAKUS. Je täppischer der Gesell gewesen, desto schneller verliert er's; aber mit dem allen verliert sich's mit einer Art von Lustigkeit.
ANTIPHOLUS. Aus welchem Grund?
DROMIO VON SYRAKUS. Aus zwei Gründen, und gesunden dazu.
ANTIPHOLUS. Gesunden wohl eigentlich nicht!
DROMIO VON SYRAKUS. Oder sichern.
ANTIPHOLUS. Auch nicht sichern, in einer so mißlichen Sache.
DROMIO VON SYRAKUS. Gewissen denn, also.
ANTIPHOLUS. Und die sind?
DROMIO VON SYRAKUS. Der erste, weil er das Geld fürs Haarkräuseln sparen kann; und der zweite, weil ihm beim Essen das Haar nicht in die Suppe fallen wird.
ANTIPHOLUS. Du wolltest alle die Zeit her beweisen, nicht jedes Ding habe seine Zeit.
DROMIO VON SYRAKUS. Nun allerdings, und das tat ich auch; namentlich, daß es keine Zeit gäbe, Haar wieder zu bekommen, das von Natur verloren ist.
ANTIPHOLUS. Aber dein Grund hielt nicht Stich, warum es keine Zeit gäbe, es wieder zu bekommen.
DROMIO VON SYRAKUS. Ich verbessere ihn so: die Zeit selbst ist kahl, und deshalb wird sie bis ans Ende der Welt Kahlköpfe in ihrem Gefolge haben.
ANTIPHOLUS. Ich wußte schon, es würde einen kahlen Schluß geben. Aber still! Was winkt uns dort? –
Adriana und Luciana kommen.
ADRIANA.
Ja, ja, Antipholus! Sieh fremd und finster:
Für eine andre hast du süße Blicke!
Ich bin nicht Adriana, nicht dein Weib!
Es gab 'ne Zeit, da schwurst du ungefragt:
Kein Wort sei wie Musik in deinem Ohr,
Kein Gegenstand erfreulich deinem Blick,
Kein Fühlen je willkommen deiner Hand,
Kein Mahl von Wohlgeschmack für deinen Gaum,
Wenn ich nicht Blick, Wort, Hand und Becher tauschte!
Wie kommt's denn jetzt, mein Gatte, oh, wie kommt's,
Daß du so ganz dir selbst entfremdet bist?
Dir selber, sagt' ich; mir ja wirst du fremd,
Mir, die ich, unzertrennlich dir vereint,
Nichts bin als deines Herzens bester Teil.
Ach, reiße nicht dein Innres von mir los!
Denn wisse, mein Geliebter, leichter träufst du
'nen Tropfen Wasser in die tiefe See,
Und nimmst den Tropfen unvermischt zurück,
Ohn' allen Zusatz oder Minderung, –
Als daß du dich mir nimmst, und nicht auch mich.
Wie müßt' es dich verwunden bis ins Mark,
Vernähmst du je, ich sei nicht treu und rein,
Und dieser Leib, der dir allein geweiht,
Befleckt durch Üppigkeit und schnöde Lust?
Du würd'st mich anspein, mich mit Füßen treten,
Den Namen Gattin ins Gesicht mir schleudern,
Die sünd'ge Haut mir reißen von der Stirn,
Den Trauring abhaun von der falschen Hand
Und ihn zerbrechen mit der Trennung Fluch; –
Ich weiß, du kannst; und darum tu' es auch!
Des Eh'bruchs Makel trag' ich schon an mir,
Mein Blut ist angesteckt von sünd'ger Lust;
Denn sind wir zwei wie eins, und du bist falsch,
So wohnt das Gift in meinen Adern auch:
Von dir berührt, werd' ich zur Buhlerin.
Drum halt' den Bund! Dem echten Bett sei treu;
Dann leb' ich rein, und du von Schande frei.
ANTIPHOLUS.
Gilt mir das, schöne Frau? Ich kenn' Euch nicht;
Ich bin zwei Stunden erst in Ephesus
Und Eurer Stadt so fremd als Eurer Rede;
Denn wie mein Witz die Worte prüf' und wende,
Mir fehlt's an Witz, der nur ein Wort verstände.
LUCIANA.
Pfui, Bruder! Kann die Welt sich so verändern?
Wenn spracht Ihr je mit meiner Schwester so?
Sie ließ durch Dromio Euch zum Essen rufen.
ANTIPHOLUS.
Durch Dromio?
DROMIO VON SYRAKUS.
Durch mich?
ADRIANA.
Durch dich; und diese Antwort bracht'st du mir:
Er habe dich gezaust und unter Schlägen
Mein Haus als seins, mich als sein Weib verleugnet.
ANTIPHOLUS.
Sprachst du vorhin mit dieser Dame schon?
Was wollt ihr? Wohin zielt die Heimlichkeit?
DROMIO VON SYRAKUS.
Ich, Herr? Ich sah sie nie, bis eben jetzt.
ANTIPHOLUS.
Schurke, du lügst; denn eben diese Worte
Hast du mir richtig auf dem Markt bestellt.
DROMIO VON SYRAKUS.
Ich sprach in meinem Leben nicht mit ihr!
ANTIPHOLUS.
Wie könnte sie uns dann bei Namen nennen,
Wenn es durch Offenbarung nicht geschah?
ADRIANA.
Wie schlecht mit deiner Würde sich's verträgt,
Mit deinem Knecht so plump den Gaukler spielen
Und ihn verhetzen, mir zum Ärgernis!
Von dir getrennt erduld' ich schon so viel:
Treib' nicht mit meinem Gram ein grausam Spiel! –
O laß mich, fest am Ärmel häng' ich dir!
Ihr Männer seid der Stamm, die Reben wir,
Die unsre Schwäch' an eure Stärke ranken
Und euch geteilte Kraft und Hülfe danken.
Ach! wuchernd Unkraut wuchs schon übergroß!
Habsücht'ger Epheu, Dorn, unnützes Moos,
Das, weil man's nicht vertilgt, mit gift'ger Gärung
Den Saft dir raubt und droht dem Baum Zerstörung.
ANTIPHOLUS.
Bin ich's denn wirklich, den ihr Vorwurf schmält?
Ward sie vielleicht im Traum mit mir vermählt?
Hab' ich im Schlaf dies alles nur gehört?
Was für ein Wahn hat Aug' und Ohr betört?
Bis ich den sichern Zweifel klar erkannt,
Biet' ich dem dargebotnen Trug die Hand.
LUCIANA.
Geh, Dromio, heiß' sie decken, mach' geschwinde!
DROMIO VON SYRAKUS.
Nun, beim Sankt Veit, verzeih' uns Gott die Sünde!
Hier walten Feen, der Himmel sei mir gnädig,
Mit Alp und Kauz und Elfengeistern red' ich! –
Und tun wir ihren Willen nicht genau,
Man saugt uns tot, man kneipt uns braun und blau.
LUCIANA.
Was redst du mit dir selbst und rührst dich nicht,
Dromio, du Drohne! Schnecke, Tölpel, Wicht!
DROMIO VON SYRAKUS.
Herr, sagt, bin ich vertauscht, bin ich noch ich?
ANTIPHOLUS.
Du bist vertauscht, mein Sohn, das bin auch ich.
DROMIO VON SYRAKUS.
Zweifelt Ihr noch, daß man mich neu erschaffe?
ANTIPHOLUS.
Du siehst noch aus wie sonst!
DROMIO VON SYRAKUS.
Nein, wie ein Affe.
LUCIANA.
Du bist zum Esel worden, glaub' mir das.
DROMIO VON SYRAKUS.
's ist wahr, sie reiten mich; schon witt'r ich Gras;
Es kann nicht anders sein; 'nen Esel nennt mich,
Sonst müßt' ich sie ja kennen, denn sie kennt mich.
ADRIANA.
Genug, ich will nicht länger wie ein Kind
Die Hand ans Auge tun und töricht weinen,
Indes Gemahl und Diener mich verhöhnt.
Kommt, Herr, zum Essen: Dromio, hüt' das Tor; –
Wir woll'n heut oben speisen, lieber Mann,
Und tausend Sünden sollst du mir gestehn.
Bursch, wenn dich jemand fragt nach deinem Herrn,
Sag, er sei auswärts; laß mir niemand ein!
Komm, Schwester! Dromio, du behüt' die Schwelle! –
ANTIPHOLUS.
Ist dies die Erd'? Ist's Himmel oder Hölle?
Schlaf oder wach' ich? Bin ich bei Verstand?
Mir selbst ein Rätsel, bin ich hier bekannt? –
Ich mach's wie sie, und dabei will ich bleiben,
Durch Nebel auf dem Meer des Schicksalstreiben.
DROMIO VON SYRAKUS.
Herr, soll ich wirklich Wache stehn am Tor?
ADRIANA.
Laß niemand ein, sonst schlag' ich dich aufs Ohr.
LUCIANA.
Kommt denn, das Essen geht jetzt allem vor.
Sie gehn ab.