Читать книгу Perry Rhodan 438: Im Jahr der Cappins - William Voltz - Страница 4

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1.

Die F-2020 hatte gerade die große Felsenbarriere sechshundert Kilometer westlich vom Enadatal überflogen, als das Fusionstriebwerk unregelmäßig zu arbeiten begann.

Cascal warf einen schnellen Blick in die Richtung von Dr. Kenosa Bashra. Bashra hatte jedoch nichts bemerkt. Er saß aufgerichtet in seinem Sessel und blickte durch die Kuppel auf die weite Ebene unter ihnen.

Cascals Blicke überflogen die Kontrollen. Er war nicht beunruhigt, denn sie konnten jederzeit auch ohne Hilfe der diskusförmigen Flugmaschine zum Nullzeitdeformator zurückkehren. Andererseits wäre der Ausfall der F-2020 ein unersetzlicher Verlust für die Zeitexpedition gewesen, denn die Maschine konnte durch fünf- oder sechsdimensionale Strahlungseinflüsse nicht gestört werden.

»Da vorn bewegt sich etwas«, bemerkte Dr. Bashra, der wegen seiner schmächtigen Figur von den Teilnehmern der Zeitexpedition auch spöttisch Big-B genannt wurde.

»Ja«, erwiderte Cascal, ohne aus der Kuppel zu blicken.

Bashra, ein leidenschaftlicher Anthropologe, entdeckte in regelmäßigen Abständen »Bewegungen«, die sich bei der Annäherung jedoch stets als Halluzinationen erwiesen.

Wieder gab es eine Unregelmäßigkeit beim Ausstoß der weißglühenden Luftmassen. Cascal versuchte sich zu erinnern, was ihm Major Timar Orsolon über die technische Einrichtung dieser Maschine gesagt hatte. Orsolon hatte seine Belehrungen auf ganz unkonventionelle Art erteilt. Cascal grinste, wenn er an den grauhaarigen Oldtimer dachte, der Atlan, Saedelaere und ihm das Steuern dieser altertümlichen Maschinen beigebracht hatte.

»Wenn Sie sich mit einer F-2020 durch die Luft bewegen, hat es noch ein bisschen was mit Fliegen zu tun«, hatte Orsolon während des Unterrichts erklärt. »Das sind keine Maschinen für überspannte Intellektuelle. Es gibt weder eine Positronik noch einen Computer an Bord.« Orsolons Augen hatten angriffslustig gefunkelt. »Das werden Sie alles selbst in die Hände nehmen müssen, meine Herren.«

»Was machen Sie da?«, unterbrach Dr. Bashra Cascals Gedanken.

Der Wissenschaftler hatte bemerkt, dass Cascal sich angestrengt mit den Kontrollschaltungen beschäftigte.

»Ein paar Korrekturen«, erwiderte Cascal.

»Ich glaube, es handelt sich um große Affen«, bemerkte Dr. Bashra.

Cascal starrte ihn verständnislos an. Er brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass Bashras letzte Bemerkung den »Bewegungen« galt, die er unten in der Ebene entdeckt zu haben glaubte.

»Affen?« Cascal richtete sich ein wenig auf. »Wo sind sie?«

Bashra hob den Arm, um in die entsprechende Richtung zu deuten. Da gab es einen heftigen Ruck, der den Anthropologen gegen die Kontrollen warf. Er klammerte sich geistesgegenwärtig fest.

»Was ist das?«, rief er.

Cascal, der auf einen solchen Zwischenfall vorbereitet war, saß wie festbetoniert in seinem Sessel. Die F-2020 fiel jetzt wie ein Stein auf die Ebene hinab.

Bashra sah unglücklich aus. Er riskierte einen Blick durch die Kuppel und verdrehte die Augen.

Jetzt wird ihm auch noch schlecht!, dachte Cascal grimmig.

Er schaltete die Kreisrotoren ein und atmete auf, als er die wabernden Feuerströme aus den gegenläufigen Rotorkränzen schießen sah. Sofort verlangsamte sich die Fallgeschwindigkeit der F-2020.

»Was jetzt?«, fragte Bashra.

»Wir werden landen«, antwortete Cascal. »Das ist alles, wozu wir im Augenblick in der Lage sind. Ich werde nachsehen, ob ich den Schaden reparieren kann.«

Big-B deutete auf das Funkgerät.

»Wollen wir nicht Atlan verständigen?«

Cascal zögerte. Er hatte auch schon daran gedacht, eine Funkbotschaft durchzugeben. Der Arkonide hatte jedoch genügend andere Sorgen. Als Cascal und Bashra aufgebrochen waren, hatte Atlan mit den Wissenschaftlern über Möglichkeiten einer Rettung von Perry Rhodan, Ras Tschubai, Alaska Saedelaere und Icho Tolot diskutiert.

»Später«, sagte Cascal ausweichend. »Wenn es sich herausstellen sollte, dass der Schaden am Triebwerk nicht zu beheben ist.«

Cascal fuhr das Fahrgestell aus. Die Ebene, in der sie landen würden, glänzte im Sonnenlicht. Der Boden bestand aus grobkörnigem Sand, in dem nur spärlicher Pflanzenwuchs gedieh. Es war erstaunlich, wie ein paar Jahrtausende die Flora einer Welt verändern konnte.

»Ich kann die Affen nicht mehr sehen«, beklagte sich Bashra. »Es waren mindestens zwei Dutzend. Ein ganzer Stamm, wenn Sie so wollen.«

»Sollten wirklich Affen in der Nähe sein, dann kommen sie bestimmt, um zu sehen, was da mit Donnergetöse in ihrem Gebiet gelandet ist.«

Bashras Gesicht rötete sich vor Eifer.

»Es kann sich um die Vorgänger der Neandertaler handeln. Um richtige Affenmenschen.« Er schluckte aufgeregt. »Solche Kreaturen zu beobachten wäre ein einzigartiges Erlebnis für mich.«

Cascal warf ihm einen schiefen Blick zu.

»Ich muss darauf bestehen, dass Sie die Maschine nicht verlassen, während ich die Reparatur durchführe. Wir wissen nicht, ob es in dieser Zeit schon Stationen der Cappins gibt. Also müssen wir vorsichtig sein.«

Er erhielt keine Antwort. Big-B blickte angestrengt aus der Kuppel. Er sah enttäuscht aus.

Cascal setzte die Maschine so auf, wie Major Orsolon es von ihm erwartet hätte. Er wartete, bis der Lärm der Rotorkränze erstarb. Sekundenlang saß er unbeweglich da und konzentrierte sich. Es gab eine Anzahl möglicher Fehlerquellen.

Wie hatte Major Orsolon doch gesagt? »Theoretiker sind als Piloten für diese Maschinen unbrauchbar. Das gilt auch für Sie, Lordadmiral.«

Atlan hatte sich damals über den Major amüsiert. Nun erwies es sich, dass die Ermahnungen Orsolons alles andere als übertrieben waren.

»Ich werde aussteigen und die Jalousien im Luftkanal überprüfen«, verkündete Cascal und erhob sich. »Sie sind am anfälligsten für Beschädigungen aller Art.«

»Ich erinnere mich an ein ähnliches Abenteuer, das ich vor Jahren auf Torgip zu bestehen hatte«, begann Dr. Bashra.

Cascal wusste, dass er sich beeilen musste, die Maschine zu verlassen. Bashra war der geschwätzigste Teilnehmer der Expedition. Wenn er sich erst einmal für eine seiner Lügengeschichten erwärmt hatte, gab es kein Halten mehr für ihn.

»Später!«, knurrte Cascal und öffnete die Seitenklappe.

Er stieg hinaus. Trotz der frühen Morgenstunde war die Luft überraschend warm. Sie hatte einen salzigen Beigeschmack und löste ein Prickeln in Cascals Gesicht aus.

Gleich darauf stand der Offizier auf dem Boden und blickte sich um. Von den Affenmenschen, die Bashra entdeckt haben wollte, war nichts zu sehen. Es gab in der Umgebung allerdings eine Anzahl guter Versteckmöglichkeiten. Senken und Felsformationen unterbrachen die Eintönigkeit der Ebene.

Bashra streckte den Kopf aus der Seitenklappe.

»Können Sie schon etwas sehen?«

»Dort drüben tanzen ein paar rosafarbene Elefanten Boogie-Woogie«, erwiderte Cascal freundlich. »Sie können das in Ihr Notizbuch eintragen.«

Bashras Kopf zuckte zurück.

Cascal lächelte. Für eine Weile hatte er den Anthropologen los.

Die Luftansaugstutzen befanden sich ober- und unterhalb des diskusförmigen Flugkörpers, direkt vor der erhöhten Kuppel. Cascal berührte sie mit seinen Handschuhen, um festzustellen, ob sie bereits erkaltet waren. Er musste noch ein paar Minuten warten, dann konnte er sie aufklappen. Er säuberte die Jalousien von Brennrückständen, obwohl nicht sicher war, dass sie den Grund für das Versagen des Triebwerkes bildeten. Ebensogut konnte der Wärmeaustauscher defekt sein.

Cascal kroch unter dem Diskus hervor, um auch die Jalousien des oberen Stutzens zu reinigen. In diesem Augenblick sprang Bashra aus der Maschine und deutete mit ausgestrecktem Arm in die Ebene.

»Da sind sie wieder! Die Affenmenschen!«

Cascal fuhr herum.

Etwa dreihundert Meter von ihnen entfernt bewegte sich eine Gruppe dunkelhaariger Wesen durch die Ebene. Sie gingen aufrecht und schwankten dabei auf seltsame Weise hin und her. Ihre Arme waren im Verhältnis zum Körper sehr lang. Cascal sah, dass einige der Kreaturen sich immer wieder auf alle viere sinken ließen.

Bashra seufzte.

»Das sind sie, Cascal! Die Vorgänger der Neandertaler! Die ersten Wesen, in denen der Funke der Intelligenz wirksam wurde. Ein historischer Augenblick.«

Cascal sah die Sache ein wenig nüchterner.

»Sie kommen hierher«, stellte er fest. »Was sollen wir tun? Werden sie uns angreifen?«

Bashra zuckte mit den Schultern.

Cascal tastete mit den Händen über seinen Waffengürtel.

»Ich habe keine Lust, einen meiner Vorfahren zu erschießen und durch diese bedauernswerten Umstände dann überhaupt nicht geboren zu werden«, erklärte er. »Deshalb schlage ich vor, dass Sie in die Maschine zurückkehren.«

»Ah!«, machte Bashra. Er hatte eine Mikrokamera in den Händen und filmte pausenlos.

Cascal klopfte ihm auf die Schulter.

»Nach oben!«, befahl er unnachgiebig. »Sie können auch von dort filmen.«

Murrend verschwand der Anthropologe in der Maschine. Cascal kletterte auf die Oberfläche des Diskus. Er brauchte ein paar Minuten, um die oberen Luftansaugstutzen zu reinigen. Inzwischen hatten sich die Affenmenschen bis auf wenige Dutzend Meter genähert. Es waren achtzehn. Junge waren nicht dabei. Die meisten von ihnen trugen spitze Knochen oder Steine als Waffen mit sich. Cascal schloss daraus, dass es sich um Jäger handelte, die für den Stamm auf Nahrungssuche waren.

Die Kreaturen sahen nicht sehr menschlich aus. Ihre Körper wurden von einem dunklen Fell bedeckt, das in der Sonne ölig glänzte. Cascal vermutete, dass das von tierischen Fetten herrührte, mit denen sich die Affenmenschen einrieben. Die Köpfe der Wesen waren fast eckig. Flache, nach hinten fliehende Stirnen und wulstartige Augenbrauen verrieten die geringe Intelligenz der Jäger. Die in tiefen Höhlen liegenden Augen leuchteten.

Cascal stand auf der Diskusoberfläche und beobachtete die Wesen, von denen er wusste, dass es seine Vorfahren waren. Er war kein Anthropologe wie Bashra, trotzdem lief ihm ein Schauer über den Rücken.

Knurrend und grunzend kamen die Affenmenschen näher. Sie schienen sich mit diesem Lärm Mut zu machen. Drohend schwangen sie ihre primitiven Waffen.

»Ist es nicht phantastisch?«, rief Bashra von der offenen Klapptür aus. »Ich werde sofort noch einen Film machen.«

Cascal antwortete nicht. Er klappte die Ansaugstutzen zu und befestigte die Verkleidung an der Außenhülle.

Dann kletterte er in die Maschine zurück.

»Sie können jetzt nicht starten«, sagte Bashra. »Das würde eine Panik unter diesen Wesen auslösen. Außerdem könnten ein paar von ihnen verletzt werden.«

»Und wenn sie vorhaben, uns zu belagern?«

»Dann wird es höchstens ein oder zwei Stunden dauern. Diese Kreaturen sind rastlos. Sie jagen Beute. Sobald sie merken, dass hier nichts zu holen ist, werden sie verschwinden.«

Cascal griff nach seinem Impulsstrahler.

»Ich könnte ein paar Warnschüsse abgeben.«

Der Anthropologe stellte sich vor ihn.

»Tun Sie das bitte nicht, Cascal. Sie könnten damit nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichten.« Er suchte in den Taschen seines leichten Kampfanzugs und brachte einen Translator zum Vorschein.

»He!«, rief Cascal überrascht. »Wo haben Sie den her?«

Bashra grinste zufrieden, als hätte er jemand bei einer Geburtstagsfeier eine Überraschung bereitet.

»Großartig, wie? Jetzt werde ich hinausgehen und mit ihnen sprechen.«

»Mit ihnen sprechen?« Cascal bekam große Augen.

Bashra zerrte am Verschluss der Seitenklappen. Er war so nervös, dass er sie nicht aufbekam. Der Translator baumelte an seinem Handgelenk.

»Helfen Sie mir doch! Sie sehen doch, dass ich nicht hinauskomme.«

Cascal warf einen Blick durch die Kuppel. Die Affenmenschen hatten das diskusförmige Flugzeug erreicht und umringten es. Sie führten eine Art Tanz auf. Vermutlich hielten sie die F-2020 für ein großes Tier, das man erlegen konnte.

Bashra hatte die Klappe endlich aufgestoßen.

»Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Bestimmt können wir wertvolle Informationen erhalten.« Er unterbrach seinen Redefluss einen Augenblick, um den Translator richtig einzustellen.

Cascal deutete in Richtung der Affenmenschen.

»Sie glauben doch nicht im Ernst, dass der Translator auch nur ein Wort dieses animalischen Gebrülls übersetzen kann?«

Bevor Cascal eingreifen konnte, war der kleine Wissenschaftler hinausgesprungen. Cascal zerrte seine Waffe heraus und folgte ihm fluchend. Bashra stand direkt neben dem Diskus und hielt den Wilden den Translator entgegen, als wollte er ihnen das Gerät zum Geschenk machen.

Die Affenmenschen knurrten misstrauisch. Sie hüpften herum, drehten sich um die eigene Achse und schlugen sich gegen die Brust. Einige von ihnen schüttelten drohend die Arme.

Cascal packte Bashra an der Schulter.

»Los!«, befahl er streng. »Zurück in die Maschine.«

Bashra schüttelte die Hand mit einem kurzen Kuck des Körpers ab und machte einen Schritt auf die Kreaturen zu.

Cascal seufzte.

»Soll ich Sie gewaltsam in die Maschine bringen?«

Bashra fragte wütend: »Können Sie denn nicht ermessen, was dieses Zusammentreffen bedeutet?«

»Es fällt mir schwer«, erwiderte Cascal ironisch.

Mit zitternden Händen machte sich Bashra abermals an dem Translator zu schaffen. Er schien es nicht zu verstehen, dass ihm das Gerät noch keine brauchbaren Worte geliefert hatte.

Cascal verlor die Geduld. Er packte Bashra um die Hüfte und stemmte ihn mühelos in den Eingang des Diskus hinauf.

Die Affenmenschen johlten und brummten. Wie auf ein geheimes Signal fielen sie plötzlich über einen aus ihrer Gruppe her und schlugen mit ihren primitiven Waffen auf ihn ein.

»Hört auf damit!«, schrie Cascal. Er wandte sich an Bashra, der das Geschehen atemlos verfolgte. »Was bedeutet das schon wieder? Warum kämpfen sie gegen ihren eigenen Gefährten?«

»Vermutlich deshalb, weil er irgendein Tabu gebrochen hat. Wenn Sie mich nicht an die Burschen heranlassen, kann ich Ihnen nicht mehr erklären.« Bashra ließ seine Fingergelenke knacken. »Ich wünschte, Sie wären nicht so engstirnig.«

Das Opfer war in einem Wust von Affenkörpern verschwunden. Die Angreifer standen sich selbst im Weg. Sie schlugen blindlings aufeinander ein. Cascal glaubte zu erkennen, dass sich allmählich zwei Parteien bildeten, die sich bekämpften. Nach einer Weile kroch das Opfer zwischen den Beinen der Kämpfer hindurch und beobachtete den Streit aus sicherer Entfernung.

»Ein kluger Bursche!«, bemerkte Bashra. »Ich gäbe viel dafür, wenn ich mit ihm reden könnte.« Er schwenkte den Translator.

Cascal antwortete nicht. Er ließ sich in den Pilotensessel sinken und startete die Kreisrotoren. Der Diskus erzitterte.

Die Affenmenschen fielen zu Boden und hielten sich die Ohren zu. Sand wurde hochgewirbelt. Auf allen vieren krochen die entsetzten Kreaturen davon.

»Jetzt haben Sie es doch getan!« Bashras Stimme klang schrill. »Sagte ich Ihnen nicht, was Sie damit anrichten können?«

Cascal zuckte mit den Schultern.

»Unser Hiersein beweist schließlich, dass wir nichts Falsches unternommen haben. Die Evolution wird nicht gestört.«

Im blassen Gesicht des Anthropologen zuckte es.

»Sie verstehen überhaupt nichts?«

Cascal kümmerte sich nicht länger um seinen Begleiter. Der Diskus hob vom Boden ab und gewann schnell an Höhe.

»Festhalten!«, ordnete Cascal an. »Ich werde jetzt versuchen, das Fusionstriebwerk zuzuschalten. Ich gehe sofort auf volle Beschleunigung.«

Er betätigte einen Hebel. Wie von einem Katapult abgeschossen, jagte der Diskus davon. Bashra klammerte sich an den Sessellehnen fest. Trotzdem unternahm er Anstrengungen, noch einen Blick auf die Jäger zu werfen. Cascal stabilisierte den Flugkörper.

»Wir fliegen weiter nach Thoronis«, erklärte er Bashra. »Dort stellen wir fest, ob der Asphaltsee mit der Insel darin auch in dieser Zeit schon existiert. Eine Goldene Spindel finden wir bestimmt nicht.«

Bashra schaltete den Translator ein.

»Phio Gus-Gus-Gus«, sagte der Lautsprecher.

Joak Cascal lachte, bis ihm die Tränen kamen. Bashra stopfte das Übersetzungsgerät in seine Tasche zurück und warf Cascal einen wütenden Blick zu.

»Jeder kann sich mal irren.«

»Gus-Gus-Gus«, erwiderte Cascal.

Bashra starrte auf seine Hände, als wollte er darüber nachdenken, ob sie kräftig genug waren, um Cascal damit zu erwürgen.

»Ich erinnere mich an einen Zwischenfall auf Proquol. Damals passierte uns ein tolles Missgeschick mit einem Translator. Wir ...«

»Aufhören!«, unterbrach ihn Cascal. »Diese Geschichte habe ich schon zweimal gehört.«

»So?« Bashra schien erstaunt. »Habe ich Ihnen auch erzählt, dass ich mich auf Proquol in die Frau eines stumischen Abgeordneten verliebte? Sie wollte meinetwegen ihren Mann verlassen, der einer der reichsten Diplomaten im East-Sektor war.«

»Ihr Weg ist gepflastert mit gebrochenen Frauenherzen, ich weiß.«

Bashra wölbte die Augenbrauen.

»Jetzt machen Sie sich über mich lustig!«

Cascal änderte den Kurs. Sie hatten die Ebene hinter sich gelassen und gelangten nun in ein Gebiet, das zum Land Thoronis gehörte. Cascal atmete auf, als er nirgends die Anzeichen für die Anwesenheit von Cappins entdecken konnte. Zu dieser Zeit war die Erde noch unberührt von fremden Raumfahrern. Oder, überlegte Cascal, befanden sich unter der Erde die Überreste anderer, die vor den Cappins gekommen waren?

Er gab diesen Gedanken auf, weil er zu nichts führte. Das Universum war ein Kreislauf, ein ständiges Kommen und Gehen; es wäre sinnlos gewesen, nach dem Anfang aller Dinge zu suchen. Vielleicht gab es auf alle Fragen nur metaphysische Antworten.

Ab und zu warf Bashra einen sehnsüchtigen Blick nach unten, aber sie sahen nur Tiere, die in dieser Zeit lebten. Einige waren Cascal von ihrem Äußeren her bekannt, andere dagegen erschienen ihm so fremdartig, als wären sie auf einem fremden Planeten geboren.

Als sie den Asphaltsee erreicht hatten, stellte Joak Cascal eine Funkverbindung zum Nullzeitdeformator her.

Atlan meldete sich.

»Wir haben den See jetzt ein paar Mal überflogen«, berichtete Cascal. »Auf der Insel gibt es keine technischen Einrichtungen. Das gesamte Land ist frei von Anzeichen der Cappins. In dieser Zeit sind sie noch nicht auf der Erde.«

»Warum haben Sie solange gebraucht, um den See zu erreichen?«, erkundigte sich Atlan. »Wir haben uns bereits Sorgen um Sie gemacht.«

Cascal schilderte in knappen Worten den Zwischenfall, der sie aufgehalten hatte.

»Die Triebwerke funktionieren jetzt wieder einwandfrei«, berichtete er abschließend. »Sollen wir weiter nach Spuren der Cappins suchen oder umkehren?«

»Kehren Sie sofort um!«, befahl der Arkonide. »Wir müssen in die Relativzukunft zurückkehren und versuchen, Perry und die drei anderen aus der Gefangenschaft der Cappins zu befreien.«

Für die Besatzungsmitglieder des Nullzeitdeformators stand es inzwischen fest, dass die vier Zurückgebliebenen Gefangene der Cappins waren.

Die Verbindung wurde unterbrochen.

»Werden wir während des Rückflugs noch einmal versuchen, Kontakt zu den Affenmenschen aufzunehmen?«, erkundigte sich Bashra hoffnungsvoll.

»Bestimmt nicht«, lehnte Cascal schroff ab. »Atlans Befehl ist eindeutig. Wir werden wahrscheinlich mit dem Nullzeitdeformator dreitausend Jahre in die Zukunft springen, um Perry zu helfen.«

»Sie wissen, was uns dort erwartet?«

»Ja«, sagte Cascal knapp.

In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung rief Bashra: »Warum müssen wir unser Leben riskieren? Sicherer wäre es, in die Gegenwart zu springen und zu überlegen, was zu tun ist.«

Cascal beschäftigte sich mit den Kontrollen.

»Ich habe nämlich Angst«, verkündete Dr. Kenosa Bashra trotzig. »Und nicht wenig.«

»Da sind Sie nicht allein«, meinte Cascal gelassen.

»Wissen Sie, was im Enadatal dreitausend Jahre in der Zukunft auf uns wartet?«, fragte Bashra. »Man wird den Nullzeitdeformator innerhalb weniger Sekunden zerstören.«

Cascal streckte die Beine aus und überließ es dem automatischen Piloten, den letzten Teil der Strecke zu fliegen.

»Schon möglich«, gab er zu.

Bashra klappte seine winzige Filmkamera auf und entnahm ihr die Aufnahmekugel.

»Verdorben!«, stieß er hervor. »Die Kugel ist verdorben. Das ist mir noch nie passiert.«

Er legte Cascal die Kugel in die ausgestreckte Hand. Cascal untersuchte sie kurz.

»Ich finde, sie ist in Ordnung. Die hellen Streifen haben nichts zu bedeuten.«

»Wir werden sehen!« Bashra verstaute die Kugel in seiner Bereitschaftstasche. Dann erhob er sich und blickte aus der Kuppel. »Wir sind bald da.«

Ein paar Minuten später schwebten sie über dem Enadatal. Unter ihnen lag die glänzende Kuppel des Nullzeitdeformators. Die Sonne hatte inzwischen ihren höchsten Stand erreicht und brannte auf das Land hinab. Cascal deutete hinaus.

»Dort drüben wird später der Pazifik sein«, sagte er. »Ist es nicht eigenartig, dass wir darin schon gebadet haben, obwohl wir uns jetzt in einer Zeit befinden, wo der Pazifik in seiner endgültigen Form noch nicht existiert?«

Bashra starrte auf seine Fingernägel.

»Tut mir leid, wenn ich Ihre romantischen Betrachtungen stören muss – aber ich bin Nichtschwimmer.«

Cascal musste lachen. Er blickte hinab ins Enadatal. Eine Gestalt war aus der Zeitkuppel getreten und winkte zu ihnen herauf. Der Mann war Dr. Gosling.

Cascal steuerte die F-2020 auf gleiche Höhe mit der Schleuse des Nullzeitdeformators. Wenige Minuten später befand sich die Maschine wieder an ihrem Platz im Inneren der Kuppel.

*

Jedes Mal, wenn Joak Cascal den Nullzeitdeformator betrat, hatte er das Gefühl, dass die Zeitkuppel jeden Augenblick bersten würde. Das Gerät war mit Einrichtungsgegenständen aller Art vollgestopft, so dass für die Passagiere kaum noch Platz blieb.

Cascal bewegte sich in einem Slalom an den Maschinen vorbei, bis er vor Atlan stand, der noch immer mit den Wissenschaftlern diskutierte. Gucky hockte etwas abseits auf einer Kiste und hörte zu.

»Ich bin sicher, dass ich mich nicht getäuscht habe«, sagte Tajiri Kase gerade. Sein langer Zopf hing ihm nach vorn über der Schulter. »Unmittelbar vor unserem Aufbruch in diese Zeit hörte ich ein kurzes Funkgespräch. Der Name Levtron fiel darin. Außerdem konnte ich dem Gespräch entnehmen, dass zwei verschiedene Gruppen von Cappins im Enadatal eintrafen. Zwischen diesen Gruppen gab es Meinungsverschiedenheiten.«

Atlan wandte sich an Cascal.

»Darüber reden wir uns jetzt schon seit zwei Stunden die Köpfe heiß«, erläuterte er.

»Ich habe mich nicht getäuscht«, bekräftigte Kase noch einmal.

»Angenommen, Sie hätten recht«, mischte sich Fellmer Lloyd ein.

»Es nützt uns wenig, wenn die Cappins untereinander Streit haben. In einem Punkt werden sie sich sofort einigen.«

»Sie meinen die Zerstörung des Nullzeitdeformators?«, fragte Professor Paczek.

»Genau!« Fellmer Lloyd nickte. »In den Augen der Cappins bedeutet der Nullzeitdeformator eine Gefahr, die alle Cappins gleichermaßen betrifft. Ich glaube nicht, dass sich die Mentalität der Cappins in dieser Sache sehr von der unseren unterscheidet. Sie werden ihren Streit vergessen, um den Nullzeitdeformator zu zerstören.«

»Es geht darum, ob wir einen Zeitsprung von dreitausend Jahren machen und versuchen Rhodan und dessen Begleiter zu retten«, sagte Atlan noch immer an Cascal gewandt.

»Das habe ich begriffen, Sir«, erwiderte der ehemalige Prospektor.

»Ich muss daran erinnern, dass zahlreiche Waffen der Cappins auf jenen Punkt im Enadatal gerichtet sind, zu dem die Zeitmaschine auf jeden Fall zurückkehren muss«, mischte sich Waringer ein. »Die Cappins werden sofort zu schießen beginnen, wenn der Nullzeitdeformator erscheint.«

Zustimmendes Gemurmel bewies Cascal, dass die meisten Teilnehmer der Expedition nicht mit einer Rückkehr in die Relativzukunft einverstanden waren.

»Es wäre ein Himmelfahrtskommando«, sagte Dr. Multer Prest, der Kosmopsychologe. »Ich sehe nicht ein, warum wir Selbstmord begehen sollen.«

Atlan warf einen Blick auf seine Uhr.

»Wir sind jetzt etwas länger als einen Tag hier, meine Herren. Das bedeutet, dass in der Relativzukunft die gleiche Zeit verstrichen ist. Die Wachsamkeit der Cappins dürfte inzwischen nachgelassen haben.«

»Ihre Waffen haben sie bestimmt nicht abgezogen«, meinte Dr. Gosling.

»Wir reden aneinander vorbei«, erwiderte Atlan. »Natürlich kann nicht die Rede davon sein, dass wir längere Zeit in der Relativzukunft verweilen. Unser Aufenthalt wird nicht lange dauern. Nur vierzig Sekunden.«

Die Wissenschaftler starrten ihn an.

»Vierzig Sekunden?«, wiederholte Paczek.

»Erklären Sie das. Was wollen wir innerhalb von vierzig Sekunden ausrichten?«

Atlan ging zu der Kiste hinüber, auf der der Mausbiber saß. Er legte dem Ilt eine Hand auf die Schulter.

»Gucky ist unser Trumpf. Er kann in diesen vierzig Sekunden viel unternehmen.«

Waringer kratzte sich an der Nase.

»Jetzt verstehe ich! Es sind einundvierzig Sekunden!«

Kase blickte ihn verblüfft an.

»Einundvierzig? Aber das ist doch die Zeit, die wir mindestens benötigen, um den Nullzeitdeformator nach seiner Materialisation in der Relativzukunft umzuschalten und hierher zurückzubringen.«

Atlan nickte.

»Was wir auch anstellen, um diese einundvierzig Sekunden kommen wir nicht herum. Solange werden wir auf jeden Fall in der Relativzukunft weilen. Innerhalb dieses kurzen Zeitraums muss es Gucky gelingen, den Paladin-Roboter, Lord Zwiebus, Fellmer Lloyd und Ausrüstungsgegenstände aus dem Nullzeitdeformator zu schaffen. Er muss ein sicheres Versteck für diese Gruppe suchen, deren Aufgabe es sein wird, Perry Rhodan zu finden.«

»Puh!«, machte Kase und zerrte aufgeregt an seinem Zopf.

Cascal fing einen skeptischen Blick von Dr. Claudia Chabrol auf. Er lächelte ihr zu, aber sie beachtete ihn nicht.

»Mit den ihnen zur Verfügung stehenden Waffen können die Cappins in einundvierzig Sekunden ein Dutzend Nullzeitdeformatoren zerstören«, gab General Harl Dephin über die Lautsprecheranlage des Paladins zu bedenken.

Professor Paczek trat vor Atlan.

»Warum geben Sie nicht zu, dass das Unternehmen gescheitert ist, Sir? Wir haben Rhodan und die drei anderen verloren, daran lässt sich nichts ändern. Anstatt nun Selbstmord zu begehen, sollten wir in die Gegenwart zurückkehren und unsere technische Ausrüstung so komplettieren, dass wir ohne Lebensgefahr einen Zweihunderttausend-Jahres-Sprung machen können.«

»Lassen Sie uns darüber abstimmen!«, rief Kase dazwischen.

Cascal beobachtete die Reaktion der einzelnen Expeditionsteilnehmer. Prest hatte die Augen halb geschlossen und sah schläfrig aus. Wentworth Gunnison nahm wie üblich an der Debatte nicht teil.

»Nein!« Atlans Stimme klang gedehnt. »Ich lasse nicht zu, dass darüber abgestimmt wird, was wir jetzt unternehmen werden. Ich bin bereit, in die Gegenwart zurückzukehren, wenn wir Gucky zusammen mit Lloyd, Lord Zwiebus und dem Paladin nicht ausschleusen können. Aber diesen Versuch müssen wir riskieren.«

Cascal, der mit zahlreichen Protesten gerechnet hatte, wunderte sich, dass alle ruhig blieben. Er machte ein paar Schritte zu Claudia Chabrol hinüber.

»Sind Sie damit einverstanden, dass wir für vierzig Sekunden in die Relativzukunft zurückkehren?«, fragte er die Ärztin, die von ihrer schweren Verletzung längst genesen war.

»Sind Sie es denn?«

Cascal hob die Schultern. Mit dieser Frage hatte er sich noch nicht beschäftigt.

Sie maß ihn mit einem abschätzenden Blick.

»Ich bin Soldat und kein Wissenschaftler«, erwiderte er.

Ihre Mundwinkel zuckten.

»Sie haben schon oft Proben Ihrer wissenschaftlichen Kenntnisse abgelegt. Als ehemaliger Prospektor sind Sie bestimmt kein verknöcherter Militär.«

»War das ein Kompliment, oder nur der Versuch, mich gegen das geplante Unternehmen aufzubringen?«

Die Ärztin lehnte sich mit dem Rücken gegen eine Maschine.

»Am Anfang unserer Bekanntschaft habe ich oft den Wunsch verspürt, Sie zu ohrfeigen, Oberst.«

»Oh!« Cascal deutete eine Verbeugung an. »Dieses Vergnügen können Sie sich jederzeit verschaffen.« Er hielt ihr herausfordernd den Kopf entgegen.

»Ich habe über Sie nachgedacht«, fuhr Claudia Chabrol unbeeindruckt fort.

Cascal stutzte.

»Tatsächlich? Darf man das Ergebnis Ihrer tiefschürfenden Überlegungen erfahren?«

»Gelegentlich.«

Cascal machte eine alles umfassende Geste.

»Vielleicht sind wir bald tot. Es wäre schön für mich, zuvor noch zu erfahren, was eine so schöne Frau von mir hält.«

Sie drehte sich um und ging davon. Cascal sah ihr bewundernd nach. Es war erstaunlich, wie gut sie sich als einzige Frau dieses Unternehmens hielt. Die Gedanken des Raumfahrers wurden abgelenkt, als Atlan die ersten Befehle zur Vorbereitung ihres Unternehmens gab. Waringer und Kase sollten den Nullzeitdeformator durch die Zeit bewegen, genau dreitausend Jahre in die Relativzukunft.

Bedauerlicherweise, überlegte Cascal, war es unmöglich, den Nullzeitdeformator auch räumlich zu bewegen. Das hätte ihnen viel Ärger erspart. Cascal versuchte sich vorzustellen, wie dreitausend Jahre in der Zukunft die Cappins an den Kontrollen ihrer Waffen saßen und nur darauf warteten, dass die Zeitkuppel wieder im Tal erschien.

Irgendwie fiel es Cascal schwer, sich vorzustellen, dass er bei diesem Unternehmen den Tod finden könnte. Der Tod, das war etwas, was immer die anderen traf.

Perry Rhodan 438: Im Jahr der Cappins

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