Читать книгу Perry Rhodan 533: Der Durchbruch - William Voltz - Страница 4
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Blazon Alpha war gerade dabei, dreiundzwanzig Solar von Roi Danton zu gewinnen, als der Massetaster der GEVARI ansprach. Rhodans Sohn warf die Karten auf den Tisch und stand auf.
»Einen Moment noch!«, protestierte Blazon Alpha. »Sie müssen dieses Spiel zu Ende führen.«
»Ich wette, er hat mit den Emotionauten der INTERSOLAR ein Abkommen getroffen«, grinste Blazon Beta. Im Gegensatz zu seinem 1,79 Meter großen Bruder war er ein kleiner dürrer Mann mit faltigem Gesicht und spitzer Nase. Sein Kopf war teilweise kahlgeschoren, gleichzeitig aber Ausgangspunkt eines armdicken Zopfes, der fast bis zu den Fersen hinabreichte.
Blazon Beta beobachtete, wie sich sein Bruder im Gesicht verfärbte. Unter normalen Umständen war Blazon Alpha ein gutmütiger und verträglicher Mensch. Am Spieltisch jedoch schien er alle seine guten Vorsätze vergessen zu haben.
Blazon Alpha erhob sich ebenfalls und wischte die Karten mit einer Handbewegung vom Tisch.
»Wir haben Kontakt zur INTERSOLAR«, sagte er. »Es besteht kein Grund, das Spiel jetzt abzubrechen.«
Danton hatte an den Kontrollen Platz genommen. Auf den Oszillographen der Ortungsanlage erschienen mehrere Amplituden. Der Bildschirm im Zentrum der Ortungsgeräte zeigte einen hellen Leuchtimpuls.
»Es ist soweit!«, rief Danton. »Das ist die INTERSOLAR.«
Blazon Alpha ließ sich in einen Sessel fallen und machte ein mürrisches Gesicht.
Danton warf ihm einen Seitenblick zu.
»Ärgerlich?«
»Er ist grün im Gesicht«, erklärte Blazon Beta schadenfroh. »Sehen Sie das nicht?«
Danton wandte sich von den Kontrollen ab und blickte Blazon Alpha an. Er sah einen muskulösen Mann mit kurzgeschnittenen dunklen Haaren.
Die beiden Brüder, die auf Last Hope zusammen mit Roi Danton an Bord der GEVARI gegangen waren, unterschieden sich nicht nur äußerlich. Sie besaßen auch verschiedene Charaktere. Trotzdem hatten beide den gleichen Beruf: Sextadim-Physiker.
Blazon Alpha hatte den Spielabbruch überwunden und zeigte die ihm eigene Gelassenheit.
»An Bord der INTERSOLAR wird man schon ungeduldig auf unsere Ankunft warten«, vermutete Roi Danton. »Wir bringen die letzten Sextagoniumvorräte von Last Hope mit.«
»Vier Kilogramm«, fügte Blazon Alpha hinzu. »Das ist mehr, als Corello manipulieren kann.« Danton zuckte mit den Schultern. »Vielleicht sind mehrere Versuche notwendig. Dann werden wir froh sein, wenn wir auf eine Reserve zurückgreifen können.«
»Ich bin sowieso skeptisch«, erklärte Blazon Beta. »Wir wissen zu wenig über den Schmiegschirm, der den Schwarm umschließt.«
Auf dem großen Bildschirm konnte Danton einen Teil des Schwarmes sehen. Wenn sie auch nur eine geringe Chance haben wollten, die endgültige Katastrophe von der Galaxis abzuwenden, mussten sie in den Schwarm eindringen und das Übel an der Wurzel bekämpfen. Alles, was sie an einem solchen Einsatz hinderte, war der Schmiegschirm, der sich bisher nur dann als durchlässig erwiesen hatte, wenn die Schwarmbewohner mit dem Eindringen eines Körpers in den Schwarm einverstanden gewesen waren.
»Wir müssen jede Chance wahrnehmen«, meinte Danton. »Corello weiß außerdem genau, was er will. Er würde uns nicht diesen Flug machen lassen, wenn er keinen Sinn darin sähe.«
Er erinnerte sich noch einmal daran, was Ribald Corello plante. Der Supermutant hatte durch seine Erkrankung zwar viel von seinen ehemaligen Fähigkeiten eingebüßt, konnte jedoch immer noch 750 Gramm Materie in der Art eines Fiktivtransmitters befördern.
Das Sextagonium, das Danton und die beiden Sextadim-Physiker von Last Hope geholt hatten, sollte von Corello abgestrahlt und unmittelbar vor dem Ziel zur Explosion gebracht werden. Während des Transports durch den fünfdimensionalen Hyperraum würde die Übersättigungsstabilität des Sextagoniums schwinden. Das war eine bereits feststehende Tatsache, die sich bei früheren Experimenten ergeben hatte. Durch Aufhebung der Übersättigungsstabilität sollte die im Sextagonium enthaltene psionische Energie freigemacht werden. Die Wissenschaftler vermuteten, dass diese Energie dem Schmiegschirm Schaden zufügen würde.
Abgesehen von der Möglichkeit eines totalen Misserfolgs, barg das geplante Unternehmen auch das Risiko einer Katastrophe in sich. Niemand konnte genau sagen, wie die artfremde Energie des Schmiegschirms während des Kontaktes mit dem Sextagonium reagieren würde. Die Gefahr, dass es in der gesamten Galaxis zu schweren Erschütterungen des Raum-Zeit-Gefüges kommen konnte, war nicht auszuschließen.
Von welcher Seite man auch das geplante Experiment betrachtete: Es war ein verzweifeltes Unternehmen von Intelligenzen, die um die Erhaltung ihrer Art kämpfen mussten.
»Worüber denken Sie nach?«, erkundigte sich Blazon Alpha bei Rhodans Sohn.
»Worüber sollte ich schon nachdenken?« Danton blickte die beiden immunen Wissenschaftler an. »Es gibt für die Menschheit jetzt nur ein Problem. Wir müssen verhindern, dass die Planeten der Galaxis von Gelben Eroberern überschwemmt werden. Dieses Ereignis scheint jedoch unmittelbar bevorzustehen. Bisher hatten wir es nur mit der Vorhut zu tun.«
Bevor einer der Brüder antworten konnte, erhellte sich der Bildschirm des Hyperfunks. Rhodans energisches Gesicht zeichnete sich darauf ab.
»Michael!«, rief er. »Einen Tag später als erwartet.«
»Wir haben uns Zeit genommen und die GEVARI auf Last Hope noch einmal gründlich überprüft. Du weißt, wie wichtig dieses Schiff für uns werden kann.«
»Es war vielleicht gut so«, stimmte Rhodan nachdenklich zu. »Die GEVARI soll unsere Fünfte Kolonne in den Schwarm tragen.«
Seine Blicke wanderten und blieben an den beiden Wissenschaftlern hängen.
»Habt ihr das Sextagonium?«
»Natürlich!«, erwiderte Danton. »Sonst wären wir nicht hier. Es sind vier Kilogramm, genug für mehrere Versuche.«
»Du kannst mit der GEVARI neben der Hauptschleuse der INTERSOLAR anlegen«, sagte Rhodan. »Es ist überflüssig, dass wir das Schiff an Bord nehmen.«
Danton, der genau wusste, dass dies eine Vorsichtsmaßnahme war, nickte.
Die GEVARI war eine Sonderkonstruktion. Äußerlich glich sie einer Space-Jet, war jedoch wesentlich größer. Sie durchmaß fünfzig Meter und war fünfundzwanzig Meter hoch. Mit seinen Schwarzschildreaktoren in Ultrakompaktbauweise erreichte das diskusförmige Schiff Beschleunigungswerte bis zu 800 km/sec. Die Reichweite des Schiffes im Linearflug betrug 800.000 Lichtjahre. An Bord gab es Plätze für zehn Besatzungsmitglieder. Außerdem hatte die GEVARI sechs extrem flache Raumlinsen als Beiboote an Bord und war mit zwei Transformkanonen in Kompaktbauweise ausgerüstet.
Rhodan machte für Corello Platz, der jetzt von seinem Tragroboter vor das Funkgerät gebracht wurde. Der Mutant mit dem zwergenhaften Körper und dem riesigen Kopf wirkte erregt.
»Ich befürchtete schon, dass es zu einem Zwischenfall gekommen sei, Roi.«
»Ich erklärte bereits meinem Vater, dass unsere Verspätung durch ein nochmaliges Testen der GEVARI zustande gekommen ist.«
Corello bewegte seine Händchen.
»Hauptsache ist, Sie haben das Sextagonium an Bord.«
»Vier Kilogramm!«
»Ausgezeichnet!«, lobte der Mutant. »Das wird auf jeden Fall reichen.«
»Es gibt auf Last Hope kein Sextagonium mehr«, stellte Danton fest. »Und es ist niemand dort, der aus Howalgonium neues Sextagonium herstellen könnte. Deshalb sollten Sie vorsichtig mit der Lieferung umgehen.«
Corello schwieg. Er schien nachzudenken.
»Ich habe leider meine Fähigkeiten als Quintadimtrafer verloren«, sagte er schließlich. »Ansonsten hätte ich die Energie, die wir brauchen, mit Hilfe meiner parapsychischen Fähigkeiten hergestellt.«
Danton gestand sich ein, dass er die Minderung von Corellos Fähigkeiten unbewusst begrüßte. Zwar hatte Corello sich seit seiner Heilung als loyal erwiesen, aber er war ein seelisch labiler Mensch, bei dem es immer wieder zu Krisen kommen konnte. Ein Corello, der außer Telepsimat auch noch Quintadimtrafer gewesen wäre, konnte von niemand kontrolliert werden.
Sollte der Supermutant jedoch unter den gegenwärtigen Umständen die Kontrolle über sich verlieren, würde man ihn überwältigen können.
Danton gab sich einen Ruck.
An ein solches Verhalten Corellos durfte er jetzt nicht denken. Der Mutant war jetzt ihre wichtigste Waffe im Kampf gegen die Gelben Eroberer, die aus unverständlichen Gründen ihre Zellteilung innerhalb der Galaxis vornehmen wollten oder mussten.
Die GEVARI fiel aus dem Linearraum.
Sie war nur noch sechshunderttausend Meilen von der INTERSOLAR entfernt. Rhodan und einige andere wichtige Besatzungsmitglieder waren an Bord der INTERSOLAR gegangen, weil dieses Schiff besser für die Vorbereitung des geplanten Einsatzes geeignet war als die GOOD HOPE II.
Danton rief sich erneut ins Gedächtnis zurück, dass die vereinte Menschheit im Augenblick nur über zwei voll einsatzfähige Schiffe verfügte: Die GOOD HOPE II und die INTERSOLAR. Im Vergleich zu früheren Zeiten war das wenig, im Vergleich zu der Anzahl der Flugkörper, die der Schwarm einsetzen konnte, war es zu wenig.
Auf den Bildschirmen erkannte Danton, dass die INTERSOLAR sich im freien Fall bewegte. Sie flog in einem Abstand von zwei Lichtjahren am Schwarm entlang. Das war der Sicherheitsabstand, den Perry Rhodan gewählt hatte. Er wollte sich durch nichts überraschen lassen.
Danton steuerte die GEVARI auf die INTERSOLAR zu.
Er rechnete damit, dass noch ein paar Tage vergehen würden, bevor die GEVARI zu ihrem Einsatz starten konnte. Die Mannschaft musste ausgesucht und eingewiesen werden. Vor allem aber Ribald Corello musste sich gründlich auf seine schwere Aufgabe vorbereiten.
Auf dem Bildschirm der Funkanlage erschien jetzt Rhodan neben dem Supermutanten.
»Das Sextagonium bleibt vorläufig in den Spezialbehältern an Bord der GEVARI«, ordnete er an.
Eine weitere Vorsichtsmaßnahme, dachte Danton. Sein Vater war sich also durchaus bewusst, wie gefährlich diese Substanz war, mit der sie experimentieren wollten.
Sextagonium, rief sich Danton ins Gedächtnis zurück, war ein durch Quintatronbeschuss von 910 Milliarden QWA (Quintron-Wari) aus Howalgonium künstlich hergestelltes Element.
Dieses violett strahlende und leicht pulsierende Element war in erster Linie für die Dakkartastresonatoren erschaffen worden. Corello war bei der Stabilisierung während des Quintatronbeschusses maßgeblich beteiligt gewesen.
Auch Blazon Alpha und Blazon Beta, die beiden ungleichen Brüder, waren bereits während der ersten Herstellung von Sextagonium auf Last Hope gewesen. Auf Grund ihrer Immunität hatten sie den Flug der anderen Wissenschaftler zur Hundertsonnenwelt nicht mitgemacht, sondern in den riesigen Labors von Last Hope weitergearbeitet.
Inzwischen hatte sich die GEVARI der INTERSOLAR so weit genähert, dass Danton den Schatten des riesigen Kugelschiffes durch die Panzerplastkuppel über der Zentrale sehen konnte. Rhodans Sohn begann mit dem Anlegemanöver. Er brauchte nur ein paar Minuten, bis das Diskusschiff fest mit der Außenfläche der INTERSOLAR verankert war. Magnettrossen hielten es an seinem Platz neben der Hauptschleuse.
»Wir ziehen Schutzanzüge an und steigen um«, entschied Danton. »Sie haben gehört, dass das Sextagonium vorläufig an Bord der GEVARI bleiben soll.«
»Eine vernünftige Entscheidung«, stimmte Blazon Beta zu.
Blazon Alpha, der, wenn er nicht gerade an irgendeinem Spiel teilnahm, verschlossen und wortkarg war, nickte nur.
»Das Teufelszeug kann uns alle ins Jenseits befördern«, bemerkte Blazon Beta, während er seinen Helm verschloss. »Wenn es unstabil wird, sind die GEVARI und die INTERSOLAR verloren. Da nutzt es wenig, dass wir das Diskusschiff nicht in einen Hangar gebracht haben.«
»Es geht Rhodan nur darum, die GEVARI schnell wegzubringen, wenn eine kritische Situation eintreten sollte«, erklärte Roi Danton. Er blickte sich um. »Fertig?«
Blazon Beta deutete auf seinen Bruder.
»Er braucht ein bisschen länger.«
Blazon Alpha ließ sich nicht irritieren. Als er seinen Anzug druckfest verschlossen hatte, gab er Danton ein Zeichen.
Der ehemalige König der Freihändler, der in den letzten Monaten fast ausschließlich auf Terra gearbeitet hatte, öffnete die Schleuse des Raumschiffes.
Danton schaltete das Flugaggregat ein und schwebte zur Hauptschleuse der INTERSOLAR hinüber.
Hinter ihm folgten die beiden Sextadim-Physiker.
An Bord der GEVARI blieb ein harmlos aussehender Behälter zurück, in dem eine violett strahlende Masse gleichmäßig pulsierte.
*
Ribald Corellos Tragroboter stelzte in den Konferenzraum und blieb auf Befehl des Mutanten unmittelbar neben dem Eingang stehen. Der Roboter, der den nahezu bewegungsunfähigen Corello herumtragen musste, erinnerte Danton immer wieder an eine Metallspinne.
Rhodan, der am Kopfende des Tisches saß und einen detaillierten Bericht der Ortungszentrale las, blickte auf.
»Damit wären wir komplett«, stellte er fest. Er richtete sich auf und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. Dann ließ er seine Blicke von einem zum andern wandern. Alle wichtigen Immunen hatten sich im Konferenzraum eingefunden. Auch die Mutanten waren anwesend.
»Sie wissen, warum wir uns hier getroffen haben«, eröffnete Rhodan die Besprechung. »Es geht um die Entsendung einer Fünften Kolonne in den Schwarm. Unser erster Versuch dieser Art ist gescheitert, weil wir nur dort eindringen konnten, wo der Schwarm seinen Schmiegschirm freiwillig öffnete. Wo immer das geschieht, findet innerhalb des Schwarmes eine Konzentration an Kampfschiffen statt. Mit einem Schiff haben wir an solchen Stellen keine Chance.«
Rhodan trat ein paar Schritte zurück, wo auf einer Leuchttafel ein Bild des Schwarmes abgebildet war. Er deutete auf den Kopf des Schwarmes.
»Hier begann unser gescheiterter Versuch. Wir könnten diesen Versuch wiederholen, sind uns aber alle darüber im klaren, dass wir auch beim zweiten Mal keine Chance hätten.«
Die ausgestreckte Hand des Terraners glitt über das Bild.
»An allen anderen Stellen wären unsere Chancen weitaus größer. Doch dort wird der Schmiegschirm selten oder überhaupt nicht geöffnet. Wir können nicht warten, bis uns der Zufall eine Chance zum Eindringen gibt. Wir müssen die Initiative ergreifen. Corellos Plan kann, wenn er sich verwirklichen lässt, die GEVARI ins Innere des Schwarmes bringen, und zwar an eine Stelle, wo die Besatzung nicht mit gegnerischen Schiffen zu rechnen braucht. Das ist die Ausgangssituation.«
Er nickte dem Supermutanten zu.
»Corello wird Ihnen nun erklären, wie wir vorgehen wollen. Doch zuvor möchte ich Ihnen mitteilen, wer die acht Besatzungsmitglieder der GEVARI sein werden, wenn das Schiff zu seinem gefährlichen Unternehmen aufbricht.«
Im Konferenzraum wurde es vollkommen still. Gespannt sahen die Versammelten zu, wie Rhodan eine Liste in die Hand nahm.
Jeder in der Runde hätte sich sofort freiwillig gemeldet, doch bei dem geplanten Einsatz musste die Besatzung nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt werden.
»Sicher werden sich einige unter Ihnen wundern, dass wir wichtige Personen mit in diesen Einsatz schicken«, klang Rhodans Stimme wieder auf. »Wir gehen damit von einem früher gefassten Standpunkt ab. Bisher versuchten wir, Mutanten und andere fähige Wesen abzusichern, um sie im äußersten Notfall einsetzen zu können. Jetzt müssen wir anders handeln. Es muss uns gelingen, im Schwarm einen Brückenkopf zu errichten. Das hat zu geschehen, bevor die große Masse der teilungsbereiten Gelben Eroberer die Planeten unserer Galaxis überschwemmt.«
Er machte eine Pause und wartete auf Einwände. Niemand meldete sich.
»Je schneller und erfolgreicher wir jetzt operieren, desto größer ist unsere Aussicht, den Gegner aufzuhalten«, fuhr der Großadministrator fort. Er wurde nachdenklicher. »Ich frage mich noch immer, warum der Geburtenvorgang der Gelben Herrscher nicht innerhalb des Schwarmes vollzogen wird, obwohl dort offensichtlich genügend geeignete oder zumindest manipulierbare Welten zur Verfügung stehen. Vielleicht bedarf es nur eines geringfügigen Eingreifens, um die Gelben Eroberer an einem Verlassen des Schwarmes zu hindern.
Das herauszufinden, wird eine der Hauptaufgaben der Fünften Kolonne sein. Die Mitglieder dieses Teams müssen möglichst viel über den Schwarm und dessen Bewohner in Erfahrung bringen. Vielleicht haben wir eine Gelegenheit, mit diesem Team in Kontakt zu bleiben. Wenn es nicht auf dem Funkweg oder über Transmitter geht, kann uns vielleicht Harno helfen.«
Er lächelte, als er die steigende Unruhe bemerkte.
»Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Chef der Immunenmannschaft wird Alaska Saedelaere sein.« Rhodan nickte dem Mann mit der Maske zu. »Ich denke, dass Sie damit einverstanden sind. Sie hatten bereits Kontakt mit Wesen aus dem Schwarm, deshalb habe ich Sie als Anführer bestimmt.«
Saedelaere, der rechts neben Atlan saß, stand umständlich auf und sagte: »Ich werde alles tun, damit der Einsatz ein Erfolg wird.«
Verlegen rückte er seine Plastikmaske zurecht und nahm wieder Platz.
»Es ist klar, dass die GEVARI einen guten Piloten benötigt, denn sie kann in Situationen geraten, die schnelle Manöver zur Rettung erforderlich werden lassen. Ich habe mich daher entschlossen, einen Emotionauten als Piloten einzusetzen. Mentro Kosum, sind Sie einverstanden?«
Der große Raumfahrer am anderen Ende des Tisches grinste selbstsicher.
»Der Flotte bester Emotionaut ... bekämpft den Schwarm, dem jetzt schon graut.«
»Lassen Sie das!«, verwies ihn Rhodan. »Heben Sie sich diese Sprüche für die Rückkehr auf.«
»Wie Sie wollen«, erwiderte Kosum gelassen. »Aber ich stehe schon seit Beginn der Diskussion unter Dampf. Da musste ich einmal einen Spruch loswerden.«
Rhodan winkte ungeduldig ab.
»Es ist klar, dass Ribald Corello an Bord der GEVARI sein muss. Er wird versuchen, das Sextagonium direkt vor dem Schmiegschirm zur Explosion zu bringen.«
»Ich bin gespannt, wann ich endlich an die Reihe komme!«, rief Gucky dazwischen. »Schließlich habe ich ein gewisses Anrecht darauf, an diesem Einsatz teilzunehmen. Ich bin schon sehr erstaunt darüber, dass man mich nicht zum Chef des Unternehmens ernannt hat.«
»Nur Geduld«, beruhigte ihn Rhodan. »Du wirst zum Team gehören. Allerdings ohne deinen Freund Ras Tschubai, den wir als Einsatzreserve hier zurücklassen.«
Er warf einen Blick zu dem Afroterraner hinüber.
»Enttäuscht, Ras?«
Der Teleporter schüttelte den Kopf.
»Weshalb? Ich glaube nicht, dass sich jemand an Bord der INTERSOLAR darum reißt, in den Schwarm zu gehen.«
»Dessen bin ich mir bewusst«, gab Rhodan zurück.
»Zwei weitere Mutanten werden an Bord der GEVARI gehen«, sagte Rhodan anschließend. »Es sind Balton Wyt und Merkosh. Hat einer der beiden dagegen etwas einzuwenden?«
»Im Gegenteil!« Merkosh stülpte seinen rüsselförmigen Mund nach außen. »Ich stelle mir die ganze Sache sehr unterhaltsam vor.«
Balton Wyt nickte nur. Er war von seiner Wahl nicht überrascht, denn Atlan hatte schon vor der Konferenz mit ihm gesprochen und ihm eröffnet, dass er zum Team gehören würde.
»Die neuangekommenen Wissenschaftler Alpha und Beta Blazon werden die Besatzung der GEVARI vervollkommnen«, Rhodan faltete das Papier zusammen. »Beide müssen an Bord sein, da sie Experten der Sextadim-Physik sind und Ribald Corello gegebenenfalls beraten können.«
Gucky hopste auf den Tisch und lief auf den Platz zu, an dem der Arkonide Atlan saß.
»Und was ist mit unserem alten Kampfgefährten?«, piepste er entrüstet. »Darf er nicht mitmachen, weil er Plattfüße hat? Wer sagt denn, dass Wesen mit Plattfüßen im Schwarm besonders auffallen?«
Rhodan starrte den unverschämten Ilt an.
»Du störst jetzt, Kleiner!«
»Lass ihn nur!«, meinte Atlan. »Ich werde ihm jetzt mit einem meiner Plattfüße gegen sein Hinterteil treten, dass er sich sechs Wochen nicht mehr setzen kann.«
Gucky ließ sich unter die Decke schweben und kicherte höhnisch.
»Kein plattfüßiger Arkonide kann mich fangen!«
»Genug jetzt!«, rief Rhodan. »Wir wollen wieder zur Sache kommen. Corello wird selbstverständlich wieder mit seinem Roboter zusammen sein, damit er größtmögliche Bewegungsfreiheit besitzt. An Bord der GEVARI gibt es zwei Transmitter: Einen transportablen, der aufgebaut werden muss, und einen fest installierten. Vielleicht können wir über den Transmitter weitere Personen in den Schwarm schicken, obwohl ich das bei der Eigenart des Schwarmes bezweifeln möchte.«
Er schob seine Unterlagen von sich.
»Ich stelle alle Ausführungen zur Diskussion und bitte um Wortmeldungen. Ja, Ribald! Es wäre mir recht, wenn Sie beginnen würden.«
*
Zwei Stunden später lag Alaska Saedelaere auf dem schmalen Bett in seiner Kabine und versuchte einzuschlafen. Er wusste, wie wichtig es für ihn war, dass er sich jetzt entspannte. Der Einsatz im Schwarm würde seine volle Konzentration erfordern.
Er hatte die Tür zu seiner Kabine von innen abgeschlossen und die Plastikmaske abgenommen. Das Cappinfragment leuchtete schwach. Ab und zu glaubte Saedelaere, unter dieser Maske ersticken zu müssen. Eine biologische Maske wäre in jedem Fall sicherer und bequemer gewesen, doch sie wurde von dem Cappinfragment abgestoßen.
Saedelaere hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und dachte nach.
Er ahnte, dass er keinen Schlaf finden würde. Die Probleme, mit denen die Menschheit und alle anderen Intelligenzen dieser Galaxis sich auseinanderzusetzen hatten, beschäftigten ihn zu sehr.
Manchmal erschienen ihm die Ereignisse unwirklich, wie Bruchstücke eines Traumes, aus dem er nicht aufwachen konnte. Doch dieses Gefühl war ihm bereits vertraut. Es beherrschte ihn seit jenem Unfall, als er innerhalb eines Transmitters sein Cappinfragment erhalten hatte.
Jemand klopfte an die Tür.
Der Transmittergeschädigte zuckte zusammen.
»Augenblick!«, rief er.
Er schwang die Beine aus dem Bett und griff nach seiner Maske. Hastig befestigte er sie über dem Gesicht, dann überzeugte er sich im Spiegel davon, dass sie richtig saß. Ein Blick auf das Cappinfragment hatte bisher fast immer damit geendet, dass die Beobachter wahnsinnig geworden oder gestorben waren.
Saedelaere öffnete.
»Mr. Blazon!«, rief er überrascht.
»Blazon Alpha!«, sagte der große Mann, der im Korridor stand. »Mein Bruder hält sich zusammen mit Corello in der GEVARI auf. Sie nehmen sechshundert Gramm Sextagonium aus dem Behälter, um es transportbereit zu machen.«
»Und Sie? Warum sind Sie nicht dabei?«
»Hm!« Blazon rieb sich das Kinn. »Wir kennen uns doch kaum. Da wir längere Zeit auf engstem Raum zusammenleben müssen, dachte ich, dass es nichts schaden könnte, wenn wir uns ein bisschen beschnuppern würden.«
»Nur zu!« Saedelaere trat zur Seite und machte eine einladende Handbewegung. »Kommen Sie herein und schnuppern Sie!«
Blazon blickte sich innerhalb des kleinen Raumes um.
»Wo lernt man sich besser kennen als während eines Spielchens?«
Saedelaere sah den Besucher erstaunt an.
»Wie?«
»Ja«, Blazon nickte. »Machen wir ein Spielchen.«
Er warf Karten, Rombies und Würfel auf den Tisch.
»Sie haben die Wahl!«
Saedelaere musste lachen. Blazons Methode war ziemlich ungewöhnlich. Der Transmittergeschädigte hatte davon gehört, dass sein Besucher ein leidenschaftlicher Spieler war, aber er hatte niemals geglaubt, dass diese Leidenschaft so ausgeprägt sein könnte.
Alpha zog einen Stuhl zu sich heran.
»Ich habe darüber nachgedacht, mit wem ich während des Fluges spielen könnte«, erläuterte er. »Die Mutanten kommen nicht in Betracht, sie können zu leicht betrügen. Kosum wird mit den Kontrollen beschäftigt sein, und mein Bruder mag nicht mit mir spielen. Also bin ich auf Sie gekommen. Spielen Sie gern?«
»Sie verwirren mich«, gestand Saedelaere. »Aber warum sollten wir nicht ein Spielchen machen?«
Blazon drohte ihm mit einem Finger.
»Ich warne Sie, Alaska. Ich bin ein guter Spieler. Ich gewinne fast immer.«
Saedelaere lehnte sich zurück und blickte den anderen abwartend an.
»Ich werde ein guter Verlierer sein.«
*
Der Roboter hatte den Behälter mit einer Greifhand hochgehoben und hielt ihn vor Corellos Gesicht. Die Händchen des Mutanten bewegten sich vorsichtig.
Blazon Beta sah bewundernd zu, mit welcher Geschicklichkeit Corello arbeitete.
»Sie müssen dieses Material behandeln, als wäre es etwas Lebendiges«, sagte der Mutant leise. »Denn im gewissen Sinn ist es das auch.«
Blazon Beta sah ihn skeptisch an.
»Sie halten meine Äußerung für übertrieben?«, fragte Corello. »Die Energie dieses Sextagoniums kann von uns zwar bis zu einem gewissen Grade manipuliert werden, aber kontrollieren können wir sie nicht. Diese Energie ist genauso geheimnisvoll wie die Energie des Lebens.«
»Das ist mir zu mystisch«, erklärte Blazon Beta.
Corello unterbrach seine Arbeit und blickte sich um.
»Ich vermisse Ihren Bruder«, erklärte er. »Warum ist er nicht hier, um uns zu helfen?«
»Er und Saedelaere machen ein Spiel.« Blazon Beta lächelte entschuldigend. »Wenn wir ihn wirklich brauchen sollten, wird er sofort hier sein.«
»Und woher will er wissen, wann wir ihn brauchen?«
»Er wird es fühlen«, sagte der kleine Plophoser.
»Fühlen?«
»Wir fühlen beide, wenn einer den anderen braucht«, erklärte der Sextadim-Physiker. »Das hat nichts mit parapsychischen Kräften zu tun. Es muss mit irgendeinem anderen Phänomen zusammenhängen.«
Der Roboter gab Corello den zweiten Behälter.
»Wir werden jetzt sechshundert Gramm abfüllen«, sagte der Mutant. »Zusammen mit dem Gewicht des Behälters wird unsere kleine Bombe siebenhundertfünfzig Gramm wiegen. Mehr kann ich nicht bewältigen.«
Er schob beide Behälter in den strahlensicheren Arbeitstank und verschloss die Tür.
»Jetzt sind Sie an der Reihe, Blazon Beta.«
Der Wissenschaftler nickte. Er ergriff das Steuergerät. Der kleine Roboter im Arbeitstank begann sich zu bewegen. Durch die Panzerplastscheibe konnten die beiden Männer genau beobachten, was innerhalb des Tanks geschah. Der Roboter, der wie eine große Heuschrecke aussah, öffnete beide Behälter. Er füllte die vorgeschriebene Menge um. Das Sextagonium sah wie zäher Schleim aus. Die sechshundert Gramm, die abgefüllt wurden, bildeten sofort einen Klumpen, der ebenfalls zu pulsieren begann.
»Sehen Sie!«, forderte Corello den anderen auf. »Es ist völlig gleichgültig, welche Menge man abspaltet. Jedes Teilchen Sextagonium besitzt ein Eigenleben.«
Sie sahen zu, wie der Roboter die Behälter wieder schloss. Corello überprüfte ihre Strahlensicherheit.
»Wie alle Energie ist Sextagonium für gute und böse Zwecke zu verwenden«, sagte er. »Es kann nutzbringend und zerstörerisch angewandt werden.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Auf die Polarisation aller Dinge«, antwortete Corello. Er gab keine weitere Erklärung ab, sondern öffnete den Arbeitstank und nahm den kleineren Behälter heraus.
»Ich habe mir diese Arbeit schwieriger vorgestellt«, gab Blazon Beta zu. »Auf Last Hope ergriffen wir zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen, bevor wir Sextagonium teilten.«
»Es kommt auf die Verhältnisse an«, gab Corello zurück. »Auf das Verständnis zwischen Ihnen und dieser Energie.«
»Das halte ich für übertrieben«, sagte Blazon Beta offen.
Das Gesicht des Supermutanten verzog sich. Blazon Beta begriff, dass Corello lächelte.
»Alles, was existiert, entstand aus einem Uratom«, sagte Corello. »Sie und ich ebenso wie dieses Sextagonium. Wenn es uns auch noch so fremdartig vorkommt, ist es doch ein Teil von uns. Wir sind gemeinsamen Ursprungs.«
Der Sextadim-Physiker antwortete nicht. Corello schien von seinen Theorien überzeugt zu sein. Blazon Beta wusste, dass der Mutant sehr sensibel war. Doch der Sextadim-Physiker hielt nichts von der Mystifizierung physikalischer Ereignisse. Alles konnte mit Formeln erklärt werden. Dinge, die noch nicht bekannt waren, würden sich später mit Formeln erklären lassen.
Das gesamte Universum war eine mathematische Gleichung. Alles passte zusammen.
»Sie sagen, dass es zwischen Ihnen und Ihrem Bruder eine geheimnisvolle Verbindung gibt«, fuhr Corello fort. »Warum glauben Sie mir nicht, dass ich fühlen kann, was mit diesem Sextagonium los ist. Ich würde sofort merken, wenn es in eine kritische Phase träte.«
»Sie sind paraphysisch begabt.«
»Ich glaube, dass jeder Mensch latente Psi-Kräfte besitzt«, meinte Corello. »Sie werden nur bei wenigen vollkommen frei.«
Sein Tragroboter hakte den kleinen Behälter an seinem Körper fest.
»Das wäre alles«, sagte Corello. »Wir können uns jetzt um die anderen Vorbereitungen kümmern.«
*
Blazon Alpha legte den letzten Soli auf den Tisch. Auf der anderen Seite, vor Saedelaeres Platz, lag ein ansehnliches Geldhäufchen.
»Sind Sie mit dem Teufel im Bunde?«, erkundigte sich Blazon Alpha. »Sie haben mir in einer halben Stunde achtzehn Solar abgenommen.«
Saedelaere ergriff seine Karten.
»Ich beginne zu verstehen«, fuhr Blazon Alpha fort. »Ich muss das Gesicht des Menschen sehen, mit dem ich spiele. Ich bin darauf trainiert, kleinste Reaktionen zu erkennen: Das Zucken eines Muskels, das sanfte Beben der Lippen, die Veränderung der Pupillengröße.«
»Soll ich meine Maske abnehmen?«, fragte Alaska.
Blazon Alpha schüttelte den Kopf und warf die Karten auf den Tisch.
»Ich gebe mich geschlagen.«
Der Transmittergeschädigte zog den letzten Soli seines Gegenspielers zu sich heran und stapelte die Geldstücke aufeinander.
»Ich frage mich nur, gegen wen an Bord der GEVARI ich überhaupt eine Chance haben werde«, überlegte Blazon Alpha.
»Was halten Sie davon, nicht zu spielen?«
»Nicht spielen?« Blazon Alpha schüttelte den Kopf. »Spielen gehört zu meinem Leben. Ich kann ohne Spiel nicht auskommen.«
»Dann«, empfahl ihm Saedelaere, »nehmen Sie viel Geld mit auf die Reise. Aber Sie haben einen Trost: Vielleicht werden wir keine Zeit zum Spielen haben.«