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DIE FIKTIVE REKONSTRUKTION
ОглавлениеEine kleine Farm in Yorkshire
Es windet stark ... und die Tür des Schuppens springt nun auf und wird vom Wind hin und her geschlagen.
Im Schuppen
Das Pferd wird unruhig.
Farm aussen
Ein Mann (William Gray) kommt aus dem Haus ... und eilt hinüber zum Schuppen. Seine Frau (Dorothy Gray) kommt nun ebenfalls aus dem Haus. Sie hat einen Korb am Arm und rennt zum Schuppen hinüber.
Im Schuppen
William versucht, das Pferd zu beruhigen, als Dorothy die Schuppentür öffnet und hereinkommt. William sieht seine Frau an, während er noch das Pferd hält. Dorothy kommt langsam zu William.
Im Haus
Lucy, die ca. 6-jährige Tochter, sitzt im großen Wohnraum am Tisch und zeichnet. Dann schaut sie von ihrem Platz aus kurz in Richtung Korridor, zeichnet dann wieder weiter und beginnt nun leise eine Melodie zu summen. Und dann beginnt es draußen zu regnen, und zwar innerhalb kürzester Zeit wie aus Eimern. Der Regen prasselt auf das Strohdach. Lucy springt vom Stuhl auf und rennt zum Fenster.
Haus außen
Hinter der Fensterscheibe sehen wir Lucys Gesicht. Staunend beobachtet sie, wie die Tropfen an der Fensterscheibe hinunter rollen.
Die Farm ist im dichten Regen in der Landschaft kaum zu erkennen.
Lucy schaut noch immer in den Regen ... geht dann aber vom Fenster weg.
Haus innen
Lucy geht durch den dunklen Korridor zur Haustür ... öffnet diese einen Spalt weit ... und schaut hinüber zum Schuppen. Dann schließt sie die Tür wieder und geht zurück in den Wohnraum ... und setzt sich wieder an den Tisch.
Auf dem Hof
William und Dorothy kommen aus dem Schuppen und rennen über den Hof ins Haus. Sie lachen.
Haus innen
Allein von diesem kurzen Stück Weg kommen beide tropfnass herein. Sie lachen noch immer. Sie gehen durch den Korridor in den Wohnraum. Lucy sitzt noch immer am Tisch und schaut die beiden jetzt an.
Lucy (zur Mutter)
Hast du keine Eier mitgebracht?
Dorothy sieht zunächst ihren Mann an ... und dann Lucy ...
Dorothy
Die hab ich vergessen ... dann muss ich wohl oder übel nochmal raus.
William (zu Dorothy)
Lass nur ... ich hole sie.
Farm aussen
William rennt wieder zum Schuppen hinüber ...
Thirsk
Auch in der Stadt regnet es noch immer in Strömen ... und wir erkennen ganz undeutlich eine Straße und die Häuser.
Ein Mann verlässt ein Haus und läuft schnell die Straße hinunter, die vom Regen total überflutet wird.
Er geht nun um eine Hausecke ... und biegt in eine andere Straße ein. Er versucht, sich so gut wie möglich mit seinem Mantel vor dem Unwetter zu schützen ... und an seiner Körperhaltung können wir erkennen, dass er unter dem Mantel etwas mit sich trägt ...
Er geht dann in ein Haus.
Haus innen
Unser Mann, er muss ein Bote sein, geht durch einen düsteren Korridor ... und muss dann eine Treppe hinab, die nur schwach von Kerzen beleuchtet wird ... und kommt dann in einen Raum, in dessen Mitte ein einfacher Holztisch steht, an dem im Schein einer beinahe heruntergebrannten Kerze ein etwa 40-jähriger Mann (es ist der Gefängniswärter) mit strähnigem Haar hockt und eine Suppe schlürft.
Gefängniswärter
Verdammt nochmal! ... kann man nicht einmal in Ruhe essen?! Hat hier einfach jedermann das Recht, mich zu stören, wann es ihm passt?!
Bote
Tom, entschuldige, aber ich bringe dir die Liste. Der Transport findet bereits morgen früh statt. Um 6 Uhr.
Gefängniswärter
Zeige mal.
Er liest die Namen auf der Liste.
Gefängniswärter
Endlich, endlich werde ich dieses Gesindel los, alle zusammen. Es ist schrecklich, denn der eine jammert, der andere weint, der Dritte kotzt andauernd und beim Vierten weiß man nie, ob er noch lebt – ein Denker und natürlich auch Dichter, sieht aber aus wie ein Reverend. Dabei behaupte ich, dass der Mann höchst gefährlich ist, denn mann weiß nie, was er denkt ... ich glaube, der Kerl ist im Grunde zu allem fähig. – Komm mit, du darfst dabei sein, wenn ich nun die frohe Botschaft verkünde.
Er lässt seine Suppe stehen und nimmt den Boten am Arm ... und geht mit ihm durch einen weiteren Korridor, der in den Zellentrakt führt. Hier sehen wir zehn Türen, fünf an jeder Seite.
Gefängniswärter
Könnt ihr mich alle hören?! –
Keine Antwort ... eine beängstigende Stille herrscht.
Gefängniswärter
Wenn ich eine Frage stelle, dann erwarte ich eine Antwort!
Aus drei Zellen tönt es:
Ja. – Ja. – Ja.
Dann geht der Gefängniswärter an das kleine vergitterte Fenster einer Tür auf der rechten Seite ... und schaut hinein.
Gefängniswärter
Habe ich mich getäuscht oder habe ich eure Stimme etwa nicht gehört?!
Ein ausgemergelter etwa 50 Jahre alter Mann mit Brille hockt in einer Ecke.
Gefängniswärter
Mr Colley, darf ich euch bitten, mir mitzuteilen, ob ihr meine vorherige Frage gehört habt?
Mr Colley
Ja, – hab ich, – Sir.
Gefängniswärter
Warum braucht Ihr bloß andauernd eine Sondereinladung? Aber Ihr seid es ja anscheinend gewohnt, dass man Euch die Hände unter die Füße legen muss. Als Mann, der mit Feder und Papier umzugehen weiß, seid Ihr sicher in vornehmen Häusern ein- und ausgegangen, mit schriftlichen Einladungen natürlich. – Leider muss ich Euch nun eine Einladung mündlich überbringen (dies hatte er leise gesagt ... und nun an die anderen laut) und auch an die anderen Herrschaften in diesem ehrenwerten, stinkenden Klub. Ihr, Mr Colley (zuerst leise ... und dann wieder laut) und alle anderen, werden eine muntere Reise zuerst nach York unternehmen, wo sich noch andere Herren anschließen werden, um dann gemeinsam nach Portsmouth zu fahren!
Ein junger Mann im Kerker
Ihr kriegt mich nicht dorthin, ich will auf euren verdammten Schiffen nicht krepieren!
Ältere Stimme im Kerker
Sei still!
Gefängniswärter
Die Herren scheinen ja schon zu wissen, wohin die Reise geht. New South Wales ist ein viel zu mildes Urteil für euch, ich hätte euch am liebsten alle an den Galgen gebracht!
Eine dritte Stimme
New South Wales?! – Ich will nicht dorthin, ich will England nicht verlassen!
Ältere Stimme
Sei still!
Gefängniswärter
Um sechs Uhr morgen früh geht es los. In der Zwischenzeit wünsche ich noch eine angenehme Nachtruhe, und gute Träume! Übrigens, es soll dort Kannibalen geben.
Der Gefängniswärter und der Bote verlassen den Raum. Aus einer Zelle hören wir nun ein Weinen und Wimmern.
Ältere Stimme
Sei still!
Dritte Stimme
Mich kriegen die nie dorthin!
Mr Colley sitz ruhig in seiner Ecke und putzt die Brillengläser.
Ältere Stimme
Mr Colley! ... von Ihnen wissen wir eigentlich noch gar nichts! Warum wurden sie verurteilt?!
Mr Colley hält mit dem Brille putzen inne.
Mr Colley (leise)
Ich habe ein Buch gestohlen.
Ältere Stimme
Was sagen Sie?! Wir verstehen nicht!
Mr Colley
Ich habe ein Buch gestohlen!
Ältere Stimme
Was?! – Ein Buch?! – Sie riskieren Ihr Leben für ein Buch?!
Mr Colley
Ja!
Ältere Stimme
Und wie viel haben Sie dafür bekommen?!
Mr Colley
Sieben Jahre Deportation!
Ältere Stimme
(Feststellend) Sieben Jahre, wie wir. (Und zu Mr Colley) War der Inhalt wenigsten gut?! Hat es sich gelohnt?
Mr Colley
Ich weiß es nicht, ich habe keine Zeit mehr gehabt, es zu lesen.
Alle lachen in ihren Zellen ... und Mr Colley setzt die geputzte Brille wieder auf die Nase.
Thirsk Straße
Morgengrauen. Die ersten Sonnenstrahlen fluten durch die Straßen. Vor dem Gefängnis steht der bereits mit Pferden bespannte Gefängniswagen ... und die Gefangenen verlassen soeben unter Aufsicht der beiden Kutscher und des Gefängniswärters, sowie unter Beisein des Beamten das Haus und steigen der Reihe nach in den Wagen. Es sind die vier Männer von gestern und außer Mr Colley sehen wir die anderen drei nun zum ersten Mal. Der Jüngste weint wieder ... und der Älteste, ca. 60 Jahre alt, sagt wieder in energischem Ton:
Sei still!
Während die Männer einsteigen, hält der Beamte eine kleine Rede:
Wenn ihr euch dort gut führt, könnt ihr reiche und angesehene Männer werden. Nach sieben Jahren werdet ihr euer eigenes Land bekommen und seid frei. Denkt immer an meine Worte. Ihr habt wirklich die Gelegenheit, aus eurem Leben noch etwas zu machen.
Die Tür des Wagens wird nun geschlossen ... und die beiden Kutscher steigen auf ... und die Fahrt geht los. Der Gefängnisaufseher schaut dem Gespann griesgrämig nach.
Gefängniswärter
Zum Glück bin ich die los.
Farm der Familie Gray. aussen
Wir hören zunächst Williams erregte Stimme im Haus:
Niemals werde ich unser Haus aufgeben!
... und dann Dorothys Stimme:
Dann lass mich noch woanders arbeiten! ... Wie willst du denn sonst unsere Schulden bezahlen?!
Haus innen
William Gray
Er wird bestimmt warten, ich werde mit ihm reden!
Dorothy Gray
Und Robert?! – Er erwartet doch, dass du gleich bezahlst! Er braucht das Geld genauso dringend wie wir!
William Gray
Ich werde mit beiden reden! –
William Gray verlässt nun das Haus ... und geht in den Stall ...
Stall innen
Er geht zum Pferd ... und beginnt, dieses aus dem Stall zu führen.
Landschaft
Der Gefängniswagen fährt durch einen Wald.
Wagen innen
Der 60-jährige Gefangene und der zweitälteste singen ein Lied ... während der jüngste noch immer mit weinerlichem Gesicht da hockt ... und Mr Colley nachdenklich vor sich hin starrt ...
Wagen aussen
Der 2. Kutscher singt nun mit den Gefangenen mit. Der älteste Gefangene unterbricht dann aber nach einer Weile abrupt sein Lied und ruft zu den Kutschern:
Hey! – Wann kriegen wir etwas zu saufen?!
2. Kutscher
In Helmsley!
Ältester Gefangener
In Helmsley?! – Warum fahren wir nach Helmsley?!
2. Kutscher
Ihr bekommt noch nette Gesellschaft! – Eine D a m e !
Beide Kutscher lachen.
Ältester Gefangener
Was? – Eine Dame?!
2. Kutscher
Ihr habt schon richtig gehört! Aber passt dann bloß auf, dass sie euch nicht die Kehle durchschneidet!
Und beide Kutscher lachen schon wieder.
Wagen innen
Die Gefangenen sind verstummt und hocken nun alle nachdenklich da.
Ein Ale House innen
William Gray kommt herein ... und holt sich an der Theke ein Bier ... und setzt sich dann an einen Tisch bei der Wand.
An der gegenüberliegenden Wand sitzt John, sein bester Freund, und entdeckt William.
William starrt gedankenverloren in sein Glas.
John geht zu William ... und setzt sich zu ihm ...
John
Tag, William.
William
Tag, John. Warst du schon da? ... Ich hab dich nicht gesehen.
John
Dort in der Ecke. – Du siehst bedrückt aus. Hast du Sorgen?
William runzelt die Stirn.
William
Immer das Gleiche.
John
Streit mit Dorothy?
William
Ja, dabei müsste ich ihr eigentlich Recht geben. Sie möchte noch eine Arbeit annehmen ... Aber, ich bin dagegen ...
John
Und warum?
William
Weil ich möchte, dass uns unsere Farm ernährt. Verstehst du? Ich meine, wenn wir nicht mehr vom Land, das wir bearbeiten, leben können, dann stimmt doch etwas nicht.
John
Da wärst du aber nicht der Erste, der das nicht mehr schafft.
William
Ich weiß ... es fällt mir aber schwer, es muss doch Wege geben.
John
Entschuldige. – Entschuldige bitte. Ich weiß, du vermisst Brian sicher sehr.
William
Ja ... er war der beste Nachbar, den man sich wünschen konnte ... aber niemals würde ich aufgeben. – Ich müsste etwas mehr Land haben. – Da bist du besser dran, John, deine Werkstatt scheint dich gut zu ernähren.
John
Wir müssen auch sehr einteilen, das Geschäft läuft manchmal nicht sehr gut. Es kommt mir manchmal vor, als ob die Leute ein ganzes Leben lang dieselben Schuhe an den Füßen hätten, die zu allem Elend auch nie repariert werden müssen. Es sind immer die gleichen Leute, die ihre Schuhe reparieren lassen oder neue kaufen ... und der Rest? Mir ist es jedenfalls ein großes Rätsel, denn zu Lee gehen sie auch nicht, sagt er jedenfalls.
William
Vielleicht stellst du zu gute Ware her.
John
Da hast du recht. Wahrscheinlich liegt genau darin das Übel.
William
Dein Geschäft geht aber trotzdem noch so gut, dass du eine Hilfskraft gebrauchen und bezahlen kannst. Ich bräuchte gerade jetzt auch wieder eine zusätzliche Hilfe, aber ich kann diesen Mann nicht bezahlen.
John
Lass Dorothy eine Stellung annehmen, sie möchte euch helfen und Geld verdienen.
William
Sie hat doch bereits ihre Heimarbeit.
John
Du bist nur dagegen, weil sie außer Haus arbeiten will ...
William
Ja, genau. Und dazu noch bei einem dieser reichen Herren, die ihr Geld nur damit verdienen, indem sie ihre Arbeiter schlecht bezahlen. Ich gehöre auf meine Felder, John. Niemals werde ich in einer dieser Fabriken arbeiten gehen.
John
Ich befürchte aber, dass diese Fabriken die Zukunft sind, William. – Dorothy will doch helfen, und diese Herren haben das Geld, das euch fehlt.
William
Soll sie auch dort noch die Böden schrubben? – Aber sie würde es ja als Ehre empfinden, wenn sie nur schon durch die Seitentür in einem solchen Haus ein- und ausgehen könnte. – Ich glaube, sie ist nicht glücklich mit mir, das Landleben ist ihr vielleicht doch etwas zu fremd, vielleicht hätte sie an der Küste bleiben und einen Fischer heiraten sollen ... ich glaube, ihr fehlt das Meer.
John
Wenn du einverstanden bist, dann komme i c h dir helfen, und du musst mir auch nichts bezahlen.
William
Schon wieder, John? Ich stehe immer wie tiefer in deiner Schuld.
Vor dem Ale House hält soeben der Gefängniswagen, der alle Gespräche verstummen lässt und die volle Aufmerksamkeit auf sich lenkt.
Ale House aussen
Die Kutscher steigen ab. Kutscher 1 bleibt bei den Pferden ... und Kutscher 2 geht zur Tür des Wagens und wendet sich an die Gefangenen:
Ich nehme an, die Herren möchten ein Ale.
Ältester Gefangener
Nein, wir bitten um vier Ales, für jeden eines.
Allgemeines Gelächter ...
Mr Colley
Für mich bitte nur Wasser.
Ältester Gefangener
Der Herr Dichter möchte wahrscheinlich einen klaren Kopf bewahren. Ich bin überzeugt, dass er das größte Werk aller Zeiten schreiben wird, nämlich über unseren Neubeginn in New South Wales.
Wieder Gelächter ...
2. Kutscher
Also drei Ales und einmal Wasser.
Mr Colley
Ja, bitte.
Der Kutscher geht in das Ale House ... und an die Theke ...
Ale House innen
Alle Anwesenden beobachten gespannt den Kutscher ...
Er bestellt 5 Ales und einen Becher Wasser. Das erste Bier trinkt er gleich aus, während er darauf wartet, bis der Wirt die anderen ausgeschenkt hat.
Ein Betrunkener steht nun von seinem Platz auf und torkelt an die Theke.
Betrunkener
Sagt bloß, diese Kreaturen da draußen bekommen bestes Ale zu saufen?!
2. Kutscher
Ja, so wie alle hier ...
Betrunkener
Das sind doch Verbrecher, oder etwa nicht?
2. Kutscher
Richtig.
Betrunkener
Man muss also Verbrecher werden, um kostenlos saufen zu können?!
2. Kutscher
Bis diese Männer in York sind, Sir, werde ich dafür sorgen, dass sie noch mehrmals allerbestes Ale bekommen, denn bereits in York wird ein anderer Wind wehen und in Portsmouth ein noch viel schärferer. Diese Kerle werden dann für mehr als zwei Monate mit dem Schiff unterwegs sein ... und sieben Jahre im Dienste König Georges harte Arbeit leisten, ehe sie wieder freie Männer werden. Für eine lange Zeit werden diese Verbrecher also nicht mehr wissen, wie gutes Ale schmeckt.
Betrunkener
Und wer bezahlt bis York? Wahrscheinlich doch wohl die hier Anwesenden und jeder im Land!
2. Kutscher
Da irrt Ihr, Sir, i c h bezahle!
Der Kutscher nimmt zwei Becher und geht damit hinaus ... und der Betrunkene wendet sich beschämt ab ... und torkelt wieder an seinen Tisch. – Dann kommt der Kutscher zurück ... und holt die anderen Becher. Bevor er aber den Raum wieder verlassen kann, ruft ein anderer Gast:
Entschuldigt! –
2. Kutscher
Ja, bitte?! –
Mann
Eine Frage, die bestimmt alle hier interessieren wird. Stimmt es, dass jeder Auswanderer in New South Wales das Land gratis bekommt?!
2. Kutscher
Ja, das stimmt!
Mann
Und stimmt es ebenfalls, dass Gefangene nach verbüßter Strafe ebenso gratis Land erhalten?!
2. Kutscher
Ja, das stimmt ebenfalls!
Mann
Ich habe gehört, das sollen pro Mann 30 acres sein und noch zusätzliche acres, wenn er eine Frau und Kinder hat. –
2. Kutscher
Wie viele acres es genau sind, weiß ich nicht, aber in New South Wales bekommt jeder eine Chance, wenn er diese zu nutzen weiß.
Mann
Dann ist also doch was Wahres dran, dass man als Verbrecher weit besser gestellt ist, denn als rechtschaffener Mensch, der ein anständiges Leben zu führen versucht und seine Überfahrt noch selber bezahlen muss. Ich muss also nur eine Kleinigkeit stehlen und kann ein besseres Leben beginnen.
2. Kutscher
Sie sehen das ganz falsch, Sie müssen nicht erst Verbrecher werden, Sie haben ja die Möglichkeit auch als freier Mensch nach New South Wales zu gehen oder gar nach Amerika – aber Sie müssten sich eben aus freiem Willen entscheiden, was manchmal ja nicht so einfach sein soll. Diese Herren da draußen, und auch die Dame, die dann noch dazukommen wird, haben nicht selber entschieden und würden vielleicht lieber in England bleiben. Diese sind Ihnen gegenüber also im Nachteil. Zudem werden sich diese Herrschaften im neuen Land auch zuerst bewähren müssen, und vielleicht auch gegen gar manche schlechte Charaktereigenschaft einen harten Kampf führen. Und wer weiß, ob sie dann in Zukunft als freie Menschen wirklich werden bestehen können. Ich nehme an, dass Sie sich selber nichts vorzuwerfen haben, Sir, Sie sind also noch immer im Vorteil. Aber, wie ich gehört habe, würde Sie die Überfahrt auch als freier Mann nichts kosten ... England braucht dort neue Siedler.
Der 2. Kutscher nimmt die restlichen drei Becher und geht hinaus ...
Allgemeines Gemurmel entsteht im Raum ... man hört Sätze wie:
Recht hat er ...
... und:
... zum Teufel mit diesem Gesindel ...
Alle im Raum reden über das Auswandern ... an jedem Tisch verstehen wir einige Gesprächsfetzen ... einer steht dann von seinem Tisch auf und ruft in den Raum:
Das lass ich mir nicht entgehen! ... 100 acres werde ich bekommen ... und bis wir in New South Wales sind vielleicht noch mehr!
Er verlässt den Raum ... und alle reden weiter. An einem Tisch sagt einer:
Seine Frau soll schon wieder ein Kind erwarten ...
Und sein Tischnachbar fragt:
Wenn ein Kind stirbt, muss ich dann einige acres zurückgeben? –
Für einen Moment schauen sich die beiden Männer fragend an ...
Wir sind nun bei William und John ...
William
Kann Auswandern die Lösung sein?
John
Wenn du hier nichts hast, bestimmt.
William
Manchmal frage ich mich, was uns die Zukunft noch alles bringen wird ... allein schon die Dampfmaschinen scheinen viel zu verändern. Einige Fabriken kommen bereits mit weniger Arbeitern aus. Wer weiß, vielleicht wird bald ein dampfbetriebener Pflug meine Äcker pflügen.
William und John lachen.
John
Übrigens, bei Mr Patrick ist eine Stelle frei ... vielleicht was für Dorothy ...
William
Bei Patrick? ... diesem Menschenschinder? –
John
Ist er wirklich so schlimm wie man behauptet?
William
Er soll seinen Arbeitern kaum Pausen gönnen, und wer es nicht schafft, wird entlassen. – Und du glaubst, eine Beschäftigung bei diesem Menschen könnte was für Dorothy sein?
John
Als Dienstmädchen ... nur für besondere Anlässe ... – Es heißt, sein persönliches Personal würde er gut bezahlen ... – Es ist übrigens Elisabeth Bunn, die sie nachher abholen werden.
William
Elisabeth Bunn? – Aber warum? Sie ist erst 25 Jahre alt ...
John
... und eine Diebin.
William
Aber sie war doch immer ein rechtschaffenes Mädchen, hat auch bei uns schon gearbeitet ...
John
Sie hat bei Mr Patrick Käse gestohlen, auch einen silbernen Löffel und noch anderes.
William
Und wie lange muss sie dafür büßen?
John
Sieben Jahre, erzählt man.
William
Hat sie je eine Chance wieder nach England zurückkehren zu können?
John
Wenn sie nach sieben Jahren das Geld für die Überfahrt zusammenkriegt ...
William
Elisabeth Bunn ... eine Diebin. Dorothy wird es nicht glauben.
John
Wie steht es nun mit meinem Angebot? Ich hätte morgen Zeit.
William
Ja, ich wär schon froh ...
Der Kutscher bringt die leeren Becher zurück und bedankt sich ... und geht dann wieder. Wiederum sind für einen kurzen Moment alle im Raum verstummt.
Ale House aussen
Beide Kutscher steigen auf ... und fahren mit dem Gefangenenwagen davon ...
Wagen innen
Wir können nicht sehen, wohin die Fahrt geht, denn das kleine Fenster an der Tür wird vom Kopf des jüngsten Verbrechers verdeckt.
Der Wagen hält etwas später an ... und der junge Mann versucht krampfhaft, durch das kleine Fenster das Geschehen verfolgen zu können.
Wagen aussen
Beamter
Ihr kommt Elisabeth Bunn holen?
2. Kutscher
Ja.
Beamter
Kann sie bei euch oben mitfahren?
2. Kutscher
Sie würde es hinten weitaus bequemer haben, vor allem wäre sie vor dem Regen geschützt, ich glaube, wir werden in ein schlimmes Unwetter kommen.
Beamter
Sie fürchtet sich etwas vor der Gesellschaft im Wagen, und wir möchten nicht als Unmenschen in die Geschichte eingehen.
2. Kutscher
Die Herren sind vollkommen harmlos, alles ehrenwerte Herrschaften, aber wir werden Sonderwünsche natürlich berücksichtigen. Die Dame wird bei uns einen Logenplatz bekommen.
Wagen innen
Ältester Gefangener
Kannst du sie sehen? –
Jüngster Gefangener
Nein, – ich kann auch nicht gut verstehen, was sie sagen. Aber ich glaube, sie wird nicht hier hinten bei uns mitfahren.
Ältester Gefangener
Was? – Dann werden wir die Dame womöglich nie zu Gesicht bekommen.
Jüngster Gefangener
Ich glaube, sie kommt.
Der Älteste drängt nun den Jüngsten vom Fenster weg ... und versucht mit verdrehten Augen, die ihm beinahe aus dem Kopf fallen, etwas sehen zu können ...
Ältester Gefangener
Ich kann sie sehen ... ich kann sie sehen ...
Dritter Gefangener
Ist sie hübsch? ... sag schon ...
Ältester Gefangener
Ja sehr ... und sehr jung ...
Wagen aussen
Der 1. Kutscher sitzt oben auf dem Kutschbock und hält die Zügel ... und der 2. Kutscher hilft Elisabeth Bunn hinaufzuklettern. Der Gefängnisbeamte hält das kleine Bündel mit den Habseligkeiten der Gefangenen. Der 2. Kutscher nimmt dann das Bündel ... und verstaut es in dem kleinen Laderaum unterhalb des Wagens. Der älteste Gefangene ruft währenddem leise aus dem Fenster:
Hey ... Hey ...
... der 2. Kutscher geht dann zu ihm hin.
2. Kutscher
Was gibt es denn?
Ältester Gefangener
Sagt mal, warum fährt die Lady nicht hier hinten mit? Sind wir etwa Unmenschen? Keiner von uns hat einen Mord auf dem Gewissen, und die Dame wahrscheinlich auch nicht, sonst hätte man sie doch wohl eher gehängt.
2. Kutscher
Richtig, sie hat etwa gleich viel auf dem Kerbholz wie ihr, aber ihr seid ungewaschene und stinkende Bastarde. Keinem Menschen kann man zumuten, die Gesellschaft mit euch verbringen zu müssen.
Ältester Gefangener
Ungewaschen und stinkend? – Wie hätten wir uns waschen sollen, wenn man uns seit drei Wochen nicht einmal genug zum Saufen gegeben hat? – Hat die Dame etwa Sonderrechte erhalten? ... und wie hat sie sich die verdient?
Der 2. Kutscher geht nun ganz nah ans Fenster und redet sehr leise aber bestimmt mit dem ältesten Gefangenen ...
2. Kutscher
Es gibt Leute, die verstehen bei solchen Bemerkungen keinen Spaß. Ich rate dir deshalb, sehr vorsichtig zu sein. Und denk daran, die besten Aussichten habt ihr alle, wenn ihr nicht auffallt ... und zwar in keiner Weise ... euch also klein macht, sehr klein.
Gefängnisbeamter
Habt Ihr Probleme mit den Leuten?! –
Der. 2. Kutscher horcht auf ...
2. Kutscher
Überhaupt nicht! ... aber dieses Pack braucht zwischendurch den Drohfinger!
... und er schlägt mit der Faust auf die Wagentür ... und wendet sich vom ältesten Gefangenen ab ...
Haus der Familie Gray innen
Im Haus wird eine Tür zugeknallt ... Wir hören dies während Lucy am Tisch sitzt und eine Tasse Milch umklammert ... und mit großen Augen das Geschehen beobachtet ...
Dorothy hat die Tür der Vorratskammer zugeschlagen und geht nun mit schnellem Schritt durch den Wohnraum ... William läuft ihr nach ... Dorothy ist sehr zornig.
William
Dorothy! – Warum wirst du immer gleich wütend?
Die beiden gehen durchs Haus ... und verlassen dieses dann ...
Haus aussen
Sie gehen in Richtung Schweinestall ... Dorothy hält in der einen Hand einen Eimer mit Küchenabfällen ...
William
Dorothy! ... Leute wie Mr O‘Neill und auch Mr Patrick bringen nur Elend ... sie versprechen Arbeit und dabei beuten sie die Menschen nur aus. Du wirst 15 Stunden arbeiten müssen und hast am Ende weniger wie jetzt ...
Dorothy
Ich werde wahrscheinlich als Kammerzofe beschäftigt ... und zudem bin ich nicht jeden Tag dort! – Abgesehen davon kann ich vielleicht auch etwas Neues lernen und werde endlich sehen, wie solche Leute leben!
Dorothy schüttet die Abfälle in den Fresstrog der Schweine ...
William
Du glaubst tatsächlich, dass sie es ehrlich meinen? ... und willst ihnen vertrauen?
Dorothy
Ja, das will ich, denn sie vertrauen ja auch mir!
William
Diese von dir so hoch verehrten feinen Herrschaften haben aber leider auch noch eine ganz andere Seite! ... Elisabeth Bunn wurde verurteilt, weil sie gestohlen haben soll ...
Dorothy
Elisabeth?!
William
Ja, Elisabeth! ... New South Wales für sieben Jahre, lautet das Urteil! Diese feinen Leute gehen mit Menschen um, als währen sie Vieh! Nein, noch schlimmer! Sie lassen einen Resten Käse auf dem Teller zurück ... und du nimmt ihn dann, weil du ja vielleicht schon lange keinen Käse mehr gegessen hast ... und schon bist du eine Diebin!
Dorothy
Elisabeth hat aber schon öfter darüber geredet, auswandern zu wollen ...
William
Sie wollte auswandern?
Dorothy
Sie wird absichtlich eine Kleinigkeit gestohlen haben, in der Hoffnung, dann auf diese Weise nach New South Wales zu kommen.
William
Du meinst wirklich, sie hat es aus diesem Grund getan?
Dorothy
Ja, das glaube ich ... weil sie dieses armselige Leben hier satt hatte.
Sie geht zum Schuppen ... und William hinterher ...
William
Gibt es tatsächlich Menschen, die auf diese Weise ihre Heimat verraten?
Dorothy
Das hat damit überhaupt nichts zu tun, aber Elisabeth hätte sonst keine Chance gehabt, ihr Leben ändern zu können.
William
Dorothy, ich möchte nicht, dass du bei einem dieser Herren arbeitest, vielleicht findest du etwas in der Nachbarschaft ...
Dorothy
... bei Leuten, die genauso wenig bezahlen können wie wir?! – John! Ich werde im Winter bei den O‘Neills arbeiten! Ich hab die Stellung.
William
Du hast dich beworben? Du hast dich tatsächlich schon bei ihnen beworben?!
Dorothy
Ja!
William
Ich will nicht, dass du dorthin gehst! Ich dulde das nicht! Ganz egal, wie schlimm unsere Lage ist, ich verbiete dir, dorthin zu gehen!
Dorothy
Wenn du nicht aufhörst, werde ich in die Stadt ziehen! ... und Lucy mitnehmen!
William
Du würdest mich hier tatsächlich alleine zurücklassen?
Dorothy
Ja, das würde ich ... wenn du nicht aufhörst.
Haus innen
Lucy sitzt noch immer am Tisch ... und schaut ängstlich zurück durch das Fenster hinter ihr ... und leise hört sie draußen noch immer William und Dorothy streiten ...
William
O’Neill ist auch bekannt als Frauenheld, bei allen Küchenmädchen hat er es schon versucht! Suchst du etwa das?!
Dorothy
Lass mich in Ruhe!
Lucy steht jetzt rasch vom Tisch auf ... und rennt aus dem Haus ... und über den Hof.
Landschaft
Dann rennt sie über das nahe angrenzende Feld ... klettert über die Steinmauer ... und rennt weiter in den Wald.
Sie rennt und weint dabei ... und kommt zur Ruine der Rievaulx-Abbey.
Rievaulx-Abbey
Lucy rennt in die verwinkelte Ruine ... und entzieht sich im nächsten Moment auch schon unserem Blickbereich.
Ein Donner eines nicht weit entfernten Gewitters zieht nun über die Ruine.
Blitze zucken am Himmel.
Im Schuppen beim Haus der Familie Gray
Dorothy steht unter der Tür und schaut an den Himmel ... und William sitzt in einer Ecke auf einer Kiste ...
Dorothy (schaut zu William)
Es fängt gleich an zu regnen ... kommst du ins Haus?
William reagiert nicht ... und Dorothy geht zu ihm hin ...
Dorothy
Es wird vieles leichter werden, wenn wir etwas mehr Geld haben. – Ich verspreche dir, ich werde nicht länger arbeiten gehen als unbedingt notwendig.
Sie umarmt ihn ... und küsst ihn auf die Haare ...
Wald
Der Gefangenenwagen fährt durch den Wald, während über diesem ein heftiges Gewitter tobt. Blitze zucken auf allen Seiten. Noch regnet es nicht. Elisabeth Bunn sitzt zwischen den Kutschern und schaut ängstlich an den Himmel. Der älteste Gefangene schreit dann zum
Fenster hinaus:
Hey! Lebt ihr da oben noch?!
2. Kutscher
Ja!
1. Kutscher (zum 2. Kutscher)
... aber wahrscheinlich nicht mehr lange. Die Pferde werden immer unruhiger. Ich werde sie mehr antreiben!
Der Wagen fährt nun in schnellem Tempo weiter ... und auf eine Waldlichtung zu ... und wie wir diese erreicht haben, schlägt in einen nahen Baum vor uns ein Blitz ein. Die Pferde bäumen sich auf ... preschen dann zur Seite ... stürzen ... und der Wagen überschlägt sich. Alles dreht sich und dann bleiben der Wagen und die Pferde im Unterholz liegen. Der Kopf eines Pferdes bäumt sich immer wieder auf ... und es schlägt auch mit den Hufen um sich ... letzte Regungen in einem Todeskampf.
Drei Pferde sind bereits tot ...
Die Wagentür ist offen ... und im Laub liegen die Kutscher und Elisabeth Bunn, deren Augen tot zum Himmel starren. In ihren Pupillen spiegelt sich ein weiterer Blitz und erste Regentropfen fallen dann auf ihr Gesicht.
Im Wagen hören wir nun ein Stöhnen ... Mr Colley klettert heraus und schleppt sich auf dem Boden kriechend zur Seite, um nicht von den Hufen des um sich schlagenden Pferdes getroffen zu werden.
Ein weiteres Stöhnen dringt aus dem Wagen. Mr Colley richtet sich langsam und mühsam auf ... kommt dann auf die Beine ... und geht zum Wagen ... und schaut hinein.
Im Wagen kauert der jüngste Verbrecher und wimmert und stöhnt.
Mr Colley
Komm raus! ... Komm! Gib mir die Hand, ich helfe dir!
Er klettert nun mit Mr Colleys Hilfe aus dem Wagen.
Mr Colley
Wir müssen sehen, ob die andern noch leben!
Mittlerweile regnet es in Strömen ... und der jüngste der Verbrecher legt sich unter Stöhnen langsam auf den Boden ... und betastet sorgenvoll seinen Körper ...
Mr Colley
Hast du Schmerzen?! –
Der Jüngste gibt keine Antwort ... er jammert nur ... und starrt mit großen Augen auf seinen Bauch, an dem wir jedoch keine äußere Verletzung erkennen können.
Mr Colley
Versuch aufzustehen ... und zu gehen, denn wir müssen hier weg! – Ich werde jetzt nach den andern sehen!
Mr Colley geht schwankend zu Elisabeth Bunn. Der Anblick ist noch immer der gleiche. Mit starren Augen liegt sie zwischen den Pferden und rührt sich nicht. Mr Colley fühlt ihren Puls, legt dann aber ihren Arm wieder auf den Boden ... und schließt ihr die Augen.
Er geht zum 2. Kutscher ... und auch dieser liegt mit offenen und starren Augen da. Auch ihm schließt er diese. Den 1. Kutscher muss Mr Colley zuerst suchen ... und er findet ihn schließlich einige Meter entfernt mit blutüberströmtem Schädel neben einem Stein liegen.
Mr Colley schwankt zum Wagen zurück. Der Jüngste sitzt noch immer weinend und wimmernd auf dem Boden.
Mr Colley
Alle tot! – Hast du nach den andern gesehen?
Doch der Jüngste gibt ihm keine Antwort. Mr Colley fragt ihn gar nicht erst nochmal, sondern hält sich am Wagen fest, nimmt dann alle seine Kraft zusammen, und klettert wieder hinein.
Er berührt zuerst den einen dann den andern Verbrecher am Hals. Er ist sich jedoch nicht sicher und berührt dann beide nochmals und schaut ihnen auch in die Augen. Dann klettert er wieder hinaus.
Sowie Mr Colley mit seinem Kopf wieder draußen ist, ruft er zum jüngsten Gefangenen:
Tot! Beide tot! Wir müssen zurück zur Stadt und alles melden! Vielleicht bekommen wir dann sogar Straferlass!
Der Jüngste schaut nun zu Mr Colley ... und seine Augen haben plötzlich etwas Starres an sich ... und dann rappelt er sich so gut es geht auf die Beine ... und macht sich auf und davon.
Er rennt so gut es geht, doch er scheint Schmerzen zu haben ... und während er sich durchs Unterholz schleppt, hält er seinen Bauch.
Mr Colley
Hey! – Verdammt nochmal! ... komm zurück! Die finden dich! Du hast keine Chance! Man wird dich hängen!
Mr Colley klettert nun ganz aus dem Wagen und rennt dem Jüngsten hinterher. Er holt ihn langsam ein ... und kann ihn an der Jacke fassen. Und im selben Augenblick dreht sich der junge Mann um ... und beginnt wild auf den alten Mann einzuschlagen ... solange, bis dieser regungslos am Boden liegen bleibt. Noch immer regnet es in Strömen ... und so heftig, dass Mr Colley mit seinem Kopf im Morast versinkt und erstickt.
Dann macht sich der Jüngste auf und davon.
Wald
William Gray geht zügig durch den peitschenden Regen und ruft währenddessen nach Lucy. William sucht aber nicht ziellos, sondern er geht geradewegs zur Ruine der Rievaulx-Abbey.
Rievaulx-Abbey
William kommt darauf zu, bleibt stehen, schaut sich kurz um, und geht dann unter den hohen Säulenbogen hindurch in eine noch vollständig erhaltene, und somit überdachte Ecke. Lucy sitzt dort ... und sie sieht nun ihren Vater ... und rennt zu ihm hin.
Lucy
Papa! –
William
Lucy, komm zurück in die Ecke ... wir warten, vielleicht lässt der Regen bald nach.
Sie setzen sich auf einen gut erhaltenen Sims ... und William hilft seiner Tochter in ihr Mäntelchen, das er mitgebracht hat.
William
Wir dachten, du wärst im Haus geblieben. Wann bist du denn fort gegangen?
Lucy
Als ihr euch gestritten habt. Mama hat dich angeschrien.
William
Hast du Angst gehabt?
Lucy
Ja.
William
Es tut mir leid, dass Mama und ich uns angeschrien haben. Wir sind uns aber jetzt nicht mehr böse. Wir haben einen Weg gefunden. Wir wollen uns Mühe geben, damit es nicht wieder vorkommt. – Bist du oft hier?
Lucy
Ja.
William
Dann gefällt es dir hier.
Lucy
Ja.
William
Weißt du, was das einmal war?
Lucy
Nein.
William
Was du hier siehst, war einmal eine große Kirche.
Lucy
Wie die in der Stadt?
William
Ähnlich, nur viel größer. Hier, wo du jetzt nur noch Säulen siehst, haben Menschen vor vielen hundert Jahren gebetet. Und dort drüben haben sie gewohnt. Ein jeder hatte ein Zimmer für sich.
Der Regen peitscht noch immer von allen Seiten zwischen den Säulen hindurch.
Und die Landschaft ist im Regenschauer nur schwach zu erkennen.
William
Wir warten noch, aber ich glaub nicht, dass der Regen bald nachlässt.
William und Lucy ahnen nicht, was sich nicht weit von ihnen abspielt:
Zwischen den Säulen schleicht sich der jüngste Verbrecher heran, und vom Regen nur schwach geschützt, bleibt er dann stehen. Vorsichtig schaut er nun zu William und Lucy..
William
Wollen wir gehen?
Lucy
Ja.
William
Dann los!
Die beiden rennen los ... und Lucy schreit vergnügt ...
Lucy
Ich bin schon ganz nass!
... und lacht ...
Landschaft
Der Verbrecher beobachtet die beiden ... und folgt ihnen dann vorsichtig und leicht gebückt und seinen schmerzenden Bauch haltend.
William und Lucy kommen nun zum Haus ... und gehen dann hinein ...
Der Verbrecher duckt sich hinter eine Steinmauer auf dem Feld ... und beobachtet das Haus ...
Haus innen
Lucy lacht ... und William hilft ihr aus dem Mäntelchen ... und auch er zieht dann seine nasse Jacke aus. Dorothy ist währenddem mit zwei Tüchern gekommen ... und beginnt nun ihre Tochter abzutrocknen. Auch William trocknet sein Gesicht und seine nassen Haare.
Dorothy (zu Lucy)
Warst du in der Ruine?
Lucy
Ja.
William
Die Mauern haben uns vorhin gut geschützt, trotzdem wäre ich froh Lucy, wenn du nicht mehr dort spielst. Es gibt immer wieder Teile, die zusammenstürzen, und das kann sehr gefährlich sein ...
Lucy
Es hat aber viele Tiere dort. Sie verstecken sich in den Steinen, aber ich sehe sie immer. Ich weiß genau, wo sie sind.
Dorothy
Das ist bestimmt sehr aufregend ...
Lucy
Ja
Dorothy
... trotzdem hat dein Vater recht. Auch ich wäre froh, wenn du nicht mehr dorthin gehst. Es ist kein sehr sicherer Ort.
Lucy verzieht ihr Gesicht ... unterdrückt aber das Weinen ... und Dorothy umarmt sie ...
Dorothy
Wir verstehen dich ja, Lucy. Aber du kannst doch hier spielen ... und auch auf den Feldern.
Haus aussen
Der Verbrecher schleicht sich über die Felder zur Farm ... und dann in den Schuppen ...
Haus innen
William schaut durch das Fenster in den Regen ...
William
Dieser ewige Regen wird uns noch ruinieren. Brian hat diese Sorgen nun nicht mehr.
Dorothy
Beneidest du ihn jetzt etwa?
William
... überhaupt nicht. Er hat zwar diese Sorgen nicht mehr, dafür kann er sich seine Arbeit nicht mehr selber einteilen.
William geht zur Feuerstelle ... und setzt sich in seinen Sessel. Dorothy hat schon die ganze Zeit über in ihrem gesessen und näht ... und Lucy spielt auf dem Boden. William nimmt dann eine Zeitung hervor.
Dorothy
Weißt du, wie viel er verdient?
William
Keine Ahnung, aber mehr wie vorher wird es jetzt schon sein.
William überfliegt die Zeitung ...
William
Hier schreiben sie etwas über New South Wales ... (er liest schnell für sich den Artikel) Hier steht, das Klima soll dort sehr angenehm sein ... und seit Captain Cooks Entdeckung gibt es immer mehr Farmen. Die Gefangenen verwandeln die Wildnis in bestes Ackerland ... – Dabei hab ich aber darüber schon ganz anderes gehört ... es soll kein sehr fruchtbarer Boden sein ... und die meisten Gefangenen hätten zudem keine Ahnung von Landwirtschaft und seien mit ihrer neuen Aufgabe vollkommen überfordert. – Wem soll man jetzt glauben?
Sie hören nun jemanden aufs Haus zureiten ...
Dorothy
Wer kann das sein?
William steht auf ... und geht zum Fenster ... und auch Dorothy steht vom Stuhl auf ...
Dorothy
Siehst du, wer es ist?
William
Nein, keine Ahnung.
Wir hören den Reiter vom Pferd steigen ... und die wenigen Schritte aufs Haus zukommen ...
William und Dorothy gehen durch den Korridor zur Haustür. Sie sind noch auf dem Weg, wie der Fremde auch schon klopft. William öffnet ... und ein bärtiger, etwa 45-jähriger Mann steht draußen.
Mann
Entschuldigen Sie bitte die Störung. Mein Name ist Mc Dowell. Darf ich reinkommen?
William
Ja, bitte ...
Der Fremde nimmt seinen Hut ab ... und kommt herein ... und William macht die Tür wieder zu. Der Mantel des Fremden ist klatschnass und tropft auf den Steinboden.
Mc Dowell
Etwas Schreckliches ist geschehen. Ich war auf dem Nachhauseweg, da finde ich im Wald einen umgestürzten Gefangenenwagen. Alle sind tot. Auch die Pferde. Ein schrecklicher Anblick ...
William
Alle sind tot? –
Mc Dowell
So, wie ich sehen konnte ... ja.
William
Ist auch eine Frau dabei?
Mc Dowell
Ja, eine junge Frau liegt auch dort.
William
Elisabeth!
William umklammert Dorothys Hände ...
William
Elisabeth ist auch tot ...
Dorothy ist nicht fähig, etwas zu sagen ...
Mc Dowell
Ich habe keine Ahnung, was da geschehen ist. Der Wagen muss sich mehrmals überschlagen haben ...
William
Kann man nicht erkennen, warum? ...
Mc Dowell
Nein ... aber, ich meine ... die ganze Sache sieht sehr merkwürdig aus ... ich bin mir nicht sicher, ob ein Blitzschlag die Ursache sein könnte. – Ich wollte Ihnen den Unfall melden, damit Sie Bescheid wissen, Sie wohnen am nächsten.
William
Warten Sie einen Moment, ich komme mit ... ich begleite Sie ...
Mc Dowell
Entschuldigen Sie, aber ich erwarte nicht, dass Sie Ihre Familie alleine lassen ... wir wissen ja nicht, wie viele wirklich im Wagen waren ... es könnte auch ein oder sogar zwei Verbrecher überlebt haben und sich jetzt hier irgendwo rumtreiben ...
William
Wie viele haben Sie gefunden?
Mc Dowell
Mit der Frau sind es sechs Tote ... ja, sechs sind es.
William
Ich glaube nicht, dass es mehr waren ... ich hab den Wagen noch vor zwei oder drei Stunden in Helmsley gesehen ... und zudem habe ich gehört, richtige Schwerverbrecher würden nicht nach New South Wales deportiert ... (und zu Dorothy) verriegle aber trotzdem die Tür ... und öffne niemandem ... ich werde helfen, die Toten zu bergen und dann sofort wieder zurückkommen ...
Dorothy (leise)
Ja ... ich verriegle die Tür ...
William nimmt seinen Hut und Mantel ...
Mc Dowell (zu Dorothy)
Dieses Wetter macht alles noch schwieriger ... wenn es wenigstens aufhören würde zu regnen ...
Dorothy
Wohnen Sie in Helmsley?
Mc Dowell
Ja, für einige Wochen ... ich bin Landvermesser ...
William
Ich heiße übrigens William Gray ... und das ist meine Frau Dorothy.
Mc Dowell
Freut mich sehr ...
William
So ... wir können gehen ...
William gibt Dorothy einen Kuss ...
Dorothy (leise)
Gib aber acht ...
William