Читать книгу Ohne Fluchtpunkt 2 - Winfried Klose - Страница 8
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„Das Visier ohne Widerschein, im Helm fängt sich das leise Summen, die Tachonadel pendelt ruhig – selbst vor und nach Kurven, nicht ganz das Maximum für diese Strecke. Ich bleibe hinter Gerard – leicht versetzt, hätte an ihm in einigen Kurven leicht vorbeiziehen können. Auf die Schwingungen der Straße antwortet eine reflexartige Reaktion, sich zu verlagern und zu schalten, zu schalten und sich zu verlagern – immer im Fluss. Mein Blick kontrolliert die Straße, ich zähle die weißen Streifen in der Mitte, die ein elektronisch gesteuertes Fahrzeug in der Nacht auf die Fahrbahn aufgetragen hat. – Unwägbarkeiten auf der Fahrbahn – brüchiges Bankett zieht vorbei, Geröll deutet auf Steinschlag – können mein Zählen nicht unterbrechen, ich bin jetzt bei 517, das Zählen ist mein Herzschlag.
Nach einer Kurve gerät Gerard doch noch ins Schleudern, touchiert eine Felswand mit dem Vorderrad, tariert den Schlenker in einer Rinne aus, die Fahrt zu stabilisieren… Blinker, Gerard rollt langsam auf das mit braunen Nadeln beworfene Bankett, reißt sich den Helm vom Kopf. Wir staksen zur Kurve zurück – mit kalten Knien, es ist sehr heiß. Gerard kniet neben einem weißen Mittelstreifen, kann weder Öl noch eine Spur Sand aufnehmen. Ich starre – kann nicht zuschauen – auf die wimmelnde Fahrbahn. Ich würde nicht mehr mit Gerard unterwegs sein.
Solange ich auf der Maschine allein unterwegs bin, füllt mich die Perspektive als Biker aus, erweitert meine Sicht. Zu nichts habe ich dieses innige Verhältnis, die Maschine hebt mich über die Hügel, auf sie ist Verlass, einem dieser großen Vögel gleich durchschwebe ich die Landschaft. – Dann hatten sie begonnen, mich zu jagen. Verfolgt sehe ich mich von außen.“
Die Strecke zum Meer war früh vor fünf Uhr kaum befahren. Jean war allein unterwegs, sehr schnell: All die Abzweigungen, Erkundungswege entlegener, oft aufgegebener Pfade, Schneisen, trocken gefallener Bäche, Sumpfzonen, Furten… zogen vorbei. Jean kannte mittlerweile die gesamte Region um Collobrières besser als die Waldarbeiter. Die Flics waren nur auf den Straßen zuhause.
Das Massif de Maures, Teil der apulischen Platte, gilt als ein bizarr zerklüfteter Gebirgsstock, nur wenige Straßen verbinden Orte. Plattentektonik hat Granite und anderes Tiefengestein hochgestemmt, vielfach bewegt, zerbrochen und weiter aufgetürmt; die drei großen Rücken zum Meer hin sind mehrfach zerklüftet und schwer zugänglich; jähe Schluchten, Felstrichter, Abbrüche und tief eingeschnittene Bachläufe erschweren eine Durchquerung auch nur eines Teilgebietes. Allzu oft muss der Eindringling Umwege auf schmalen Graten suchen. – Große Temperaturunterschiede, Gewitter und Feuersbrünste verändern einzelne Bereiche bis zur Unkenntlichkeit, verheert ragen dann schwarze Klippen und Gestumpf in den Himmel. Gleich daneben überwuchert Macchia und Garriquesvegetation Pfade und Steige, verwehrt jedes Vordringen.
Später hatte Jean die Karte im Kopf, auf der unzählige Fluchtwege eingetragen waren; sie mussten ständig abgefahren werden; als sei er verfolgt, auf der Flucht, durchraste er Bachläufe, übersprang kleine Schluchten, kannte die präparierten Stellen für die Landung. Niemand konnte ihm folgen, auf der Ducati war er kein Biker, war er Gejagter, der alle hinter sich ließ, auf der Ducati gab es überall ein Durchkommen, durch Macchia, Schluchten, Felsspalten, Baumkronen, er hob ab, wie wenn die laute Musik immer wieder Tore vor ihm aufstieß, immer neue Tore, mit Fanfaren in das Azurblau, am Ende blieb der ganz große Sprung…
„In dieser Phase der Ausritte bleiben die Strecken begrenzt, werden durchflogen. Es ist schon Märzlicht, ich atme – an Halstuch und Haaren zerrt Wind – volle Luft, ein Auftanken für den Aufbruch. Ich registriere kein Gefühl, mag nicht die Arme ausbreiten, mich aufrichten, die Maschine aufbäumen. Die zweite Haut gibt mir Halt, hält zusammen, zügelt, etwas freizulassen. Finger, Arme, Schultern, Kopf… alles ist gerichtet, nur von der Maschine kommt etwas zurück, die bewältigt die Strecke, nicht nur auf Schenkeldruck, dazu gehört das Einschätzen der Steigung, des Gefälles, das ritualisierte Zucken des linken Fußes, Schalten wie im Traum – an der entscheidenden Stelle, und die abgerufene Kraft muss im gleichen Moment ziehen, wegziehen, genauso entscheidend das leichte Anbremsen und Loslassen – von 1000 Hufen, mit dem Hinterrad auf dem Asphalt zu haften… Bei der Geschwindigkeit jetzt ist die Ausrichtung jedes Körperteils unerlässlich, das Zusammenspiel der Teile überträgt sich auf die Maschine, die nun – in schwerem Gelände – tänzelt, in den Stoßfängern schwingt, sich verwindet, bockt… Querfeld ist die Lenkung Drehpunkt fürs Durchkommen, alles ist auf die Lenkung abgestimmt, und der Blick auf den Boden zoomt heran, sondiert, entscheidet über Sand, Geröll, lose Steine, Nässe, Untiefen… Zum Registrieren, Abrufen, Greifen, Zucken, Verlagern kommt das Spiel des Abschüttelns, Verhoffens, Hinter-sich-Lassens, In-die-Irre-Führens, des Mitnehmens – in den großen Sprung, in den einen die Euphorie hebt, ohne auf einen Gedanken, ein Hindernis zu treffen, alles gleich gültig, hier ist dann drüben – und drüben hier…“
Die Herrschaft über Maschine und Raum musste bestätigt werden, Jean musste gejagt werden, wusste Cécile. Bei den großen Jagden war Jean in dem Planquadrat Collobrières – zwischen Autobahn und Küstenstraße – geblieben, hatte sich nicht abdrängen lassen in unbekanntes Gelände. Einmal hatten sie ihn eingekreist, aber die Flics kannten nur die großen Straßen und Wege, er wusste, in der Macchia, in Bachläufen zu verschwinden. – In der Zwischenzeit waren die Zeitungen des Departments voll von Spekulationen, Hypothesen, Verdächtigungen. Dieser zu allem entschlossene, kaltblütige Raser war kein Wahnsinniger, war Kurier, da drehten in Marseille welche das ganz große Rad. Bis jetzt hatte es nur Unfälle bei Polizeiaktionen gegeben, die glimpflich ausgegangen waren. Zwei PKWs waren bei Ausweichmanövern von der Straße abgekommen, Personen wurden leicht verletzt.
Nach den Ausritten auf seiner Multistrada – den Reservetank fast leer gefahren – hockte Jean in Lederkluft noch vor einem dieser Gehöfte… In diesen heruntergewirtschafteten Immobilien waren kaum Vorräte, manchmal Wein; Cécile berichtete, dass er dann ein oder zwei Joints reinzog und – den Nacken über der Lehne eines Korbstuhls – über den Tag sinnierte, brisante Begegnungen in jeder Einzelheit durchspielte, sich irgendwo im Dach verkroch und oft noch stundenlang grübelte. In seine Welt ließ er niemanden ein: Je enger das Netz von Beobachtern, Kameras, Posten, elektronischen Fallen, Ortung von Details, Spuren der Maschine, Farbe der Helme, Ausscheidungen, Kippen… sich zuzog, desto weniger Fehler durfte er machen, desto vielfältiger seine Vorbereitungen, Verkleidungen, Übertretungen. Er ging alle Typen seiner Maschinen durch, die wechselnden Kennzeichen, er war oft ein anderer; fühlte sich als anderer genauso unfrei, wusste sich beobachtet, fuhr dennoch umsichtig, ging lässig, ruderte zu stark mit den Armen, nahm die Sonnenbrille häufig ab, saß – auf den ersten Blick ausgekühlt von durchrasten Strecken – vor Bistros, fror in der Sonne… Von einem Unterschlupf brach er früh auf, Häusern, die er vertrieb; er hatte Zugriff auf zwei geschlossene Kleintransporter, eine Pferdebox, kurvte auf der ewig gleichen Multistrada durch die großen Städte, die zugelassene Maschine stand in einer Stallung, in der Macchia eine Enduro für die Jagden. Je größer die Herausforderung, desto akribischer seine Planungen, desto tiefer versank er in Bereitstellungen, Vorkehrungen, desto grandioser die Auferstehung auf der Strecke; die ganze Region war hinter ihm her, er spürte die Faust im Nacken. In einer Mitteilung an Cécile war zu lesen: „ … alle Augen sind auf mich gerichtet. Die Strecke, die ich durchfliege, ist die Bühne – ich trete auf – gibt dem Ganzen einen Sinn, alles ist auf mich ausgerichtet. Fortan gibt es keinen Halt, ich reiße alles mit. Solange ich stillhalte, kriecht das Chaos hoch, ich muss sie herausfordern, immer wieder…“
Von einem Tag auf den anderen hielt Jean auf den Straßen nichts mehr auf, am Anfang hätten sie ihn noch stellen können. Jetzt kannte er weder Regeln noch Verbote. Vormals war er leicht zu erkennen, fuhr eine einzige Multistrada, ohne Helm… Jetzt überholte er, wo es ihm einfiel, bei versteckten Kontrollen kehrte er nicht mehr um, er bremste an zu beschleunigen, tauchte ab, täuschte Volten vor, durchraste Untiefen, schob bergauf, kam Verfolgern entgegen, holperte über erkundete Pfade, durchwatete Geröllfelder, hob ab über Schrunde, Abgründe…
„Es geht schon lange nicht mehr um das Beherrschen der Maschine, der Situation, es geht um Durchbruch, beim Schieben bergauf – mit heißem Atem, Fluchten durch Macchia, es geht um den Blutgeschmack am Gaumen, den Schmerz im Sprunggelenk wegzustecken; nichts darf hindern… Einmal an einer Leitplanke vorbei, setze ich auf Geröll auf, verziehe, Schulter und Motorblock schrammen Fels, und ich stürze bergab, da ist Karstgestein, das Vibrieren der Maschine, keine Stille… das Gesicht auf den Händen pulsiert der Herzschlag im Kopf, die Fahrt geht weiter, das Schweben hält an. Mit der Nachtkälte kommen erste Gedankenreihen, Wärmebildkameras könnten mich finden…“
Lenz à Aix – une premiere en France“ hatten Tübinger Studenten ihr Stück euphorisch plakatiert. Jean tritt auf als verlorener Sohn – in der Streichholzfabrik. Lenzens Hin und Her zwischen Welten scheint Jean auf den Leib geschrieben. Cécile ist gekommen, und Jean begrüßt die Mitspieler wie aus weiter Ferne. Der Auftritt – mit schweren Beinen schreitend – ist nicht abwegig; aber nicht nur Cécile weiß um Medikamente und Alkohol. Jean kann die Trennung der Welten, das Hin und Her – in fremder Sprache und wie mit schwerer Zunge vorgetragen – nicht halten, lässt Gefühlen hier wie dort freien Lauf, er blutet vor allen aus, hätte den Lenz nie spielen dürfen. Das stille Tableau am Schluss, Lenz hinein in die Eiswelten der Vogesen, reist nichts raus, hilft nicht über die verstörende Stille. Einige Zuschauer schon wie auf der Flucht, Cécile unter den ersten, mit jedem ihrer verstohlenen Schritte – noch im Dunklen – wächst unwiderruflich der Abstand. – Jean durchrast wenig später die erleuchteten Straßen, die Ducati ist mit gelähmten Beinen schwer zu schalten, dazu Regen, grell aufleuchtende Lichtpunkte auf dem Visier, draußen glänzt Asphalt, Rücklichter… Ampeln im Tunnelblick, innen die alten Bilder, Lenz aus der Perspektive von Jean läuft ab, Jean auf dem Prüfstand vor Hunderten von Augen, das wäre der Lenz.
Die nächste Ampel – Place de la Rótende – lässt ihn bremsen, und dann ist da schon die Schieflage von Anfang an und das endlose Schlittern, und Jean mit dem Schlittern einverstanden, lässt sich schlittern. Dann klemmt der rechte Fuß zwischen Mast und Maschine, kein Schmerz.
„Auf der Unfallstation werde ich den Schlusssatz der Diagnose nicht los: …on ne peut pas aller bien loin – pausenlos im Ohr. Gegen Morgen die bekannten Bilder, Helga baut um Knut ihren Wall; ich ein Hänschen klein, wer führt mich in die Welt hinein? Ich rücke nicht aus, zuhause ein Kommen und Gehen, ich dabei, alle spielen mit, alle spielen Theater, spielen Rollen, heute so, morgen so, alle sind freundlich, alles steht gleich wichtig nebeneinander, genauso gleich unwichtig: Lachen und Weinen, Wachsein und Träumen, Trennung und Treue, Nähe und Ferne…, mich umarmt das Einerlei, dann schon im Strom der Dinge: Figuren aus Plastilin, Bilderbücher, Marionetten… Knut spielt alleweil mit, bringt Requisiten vorbei: das blaue Clownskostüm, eine Plastikschlange, Masken, Beffchen, Turban, Teddy mit einem Glasauge, das Xylophon…, der Strom reißt nicht ab, ich sehe mich Auffälliges bestaunen, nichts auseinandernehmen, zusammensetzen, und doch wächst es hoch, mir über den Kopf, und ich bin schon am Versinken, die anderen weit weg, winken…, da bin ich schon unten, im Wabern der Dinge, unten in Schieflage, im Kies, Schlick…, da hat es den Fuß schon umfasst, und es nutzt nichts, den freien nach unten zu stoßen, bei jedem Auftritt in Schieflage, die Bühne, der Ort zu straucheln, Widersinn schon beim stillen Deklamieren, auf der einen Seite die Gabe, aus einem Text mühelos herauszulesen, was trägt, und andererseits die sich ausbreitende Verzagtheit zu entscheiden, worauf die leeren Sätze zielen. Dazwischen kann ich nichts ausspielen, jeder Satz ein Spagat. Unversehrt vermag ich niemandem entgegentreten, nicht einmal im Spiel, er würde mich klein machen, erkennen, dass ich auf der Flucht bin, nicht gegenhalten kann, er würde sich Teile von mir einverleiben, meine Aufzeichnungen ausspähen, ist im Netz weltweit längst hinter mir her, hat einzelne Gedanken abgeglichen, Ängste und Vorlieben gespeichert, meine Vorstellungen von Gut und Böse in Relation gesetzt, weiß, dass ich Teile von mir leicht über Bord werfe, ihnen entgegenschleudere. Um etwas tief im Inneren vor mir zu retten, eine letzte Bastion, etwas Verlässliches zu halten, setze ich mein gefrorenes Lächeln gegen verbrauchte Mimik, bizarre Körpersprache, mein Stolpern und Zucken, gegen bekannte Gesten, Sprachformeln gegen Pathos… – Knut dagegen schützt dieser abwesende Blick, nach innen gerichtet, seiner Innerlichkeit nach, entfalteten Lebensträumen, spontanen Entwürfen; Knut hat die Gabe sich anderen im Moment bis in letzte Winkel zuzuwenden, zu folgen, mit Empathie – genauso freilich seinem Lebenstraum nach, den großen Wunsch aus der Kindheit freizuschaufeln, sich treu zu bleiben, nie im Augenblick verloren, Anhäger von Kristeva – vergisst er die Suche nach Glück; ich lange Zeit hinter ihm her, an ihm vorbeizukommen, auf der Ducati vor ihm her, mich zu lösen, von ihm, der Biker nicht mag, übersieht, nicht kennt, wie meine Behausungen – immerhin provenzalische Steinhäuser – für ihn kein Ort zum Verweilen, Objekte, seit Monaten, Jahren verwaist, so wie die Eigentümer starben, wegzogen, verkauften…, dabei von mir hergerichtet, auf mich zugeschnitten, dort spiele ich mit meinen Verfolgern, den Flics, den Schnüfflern von Interpol, die mich aufsuchen. Schon vor dem Anwesen Zeichen meines Schaffens, Anpflanzungen, Schafe in den Höfen, Habseligkeiten auf der Terrasse, als sei einer anwesend und lasse es sich gut gehen, täusche ich Wohnlichkeit, Lebensart eines Provenzalen vor, Gartengerät, Familientisch, Korbsessel, Wolldecken, Espressomaschine… laden ein, niemals ist einer näher getreten; wer genau hinschaute, sähe, dass einer auf dem Sprung vorbeikommt; Getier hat sich allenthalben eingenistet und vieles steht verbraucht, ein ferngesteuertes Programm sorgt zeitweise für Beleuchtung und leise Musik. – Bin ich zwei oder drei Tage anwesend, fühle ich mich fast zuhause; solange ich die nächsten Ausritte vorbereite, hat alles einen Sinn, bin ich Mittelpunkt dieser Welt der Vorbereitung. In zwei Objekten habe ich eine Art Werkstätte eingerichtet, die Multistrada auf Brusthöhe aufzubocken bzw. anzuheben. Zu überprüfen sind nur wenige relevante Teile, Teilsysteme der Maschine sind mehr und mehr gekapselt oder lassen sich nur mit elektronischem Zugriff herrichten. Meine Vorbereitungen verfolgen mich bis in den Schlaf, so gleichen sich Wachsein und Traumphasen, gleichwohl beschließe ich – oft in der Nacht, wenn ich das Spiegelkabinett der Bilder bis in alle Einzelheiten durchgehe – einen weiteren Sektor aus meinem Leben herauszuschneiden: Biker dürfen mich nicht mehr interessieren, die sind hinter etwas her, ich lasse mich jagen; die Niederlagen meiner Theaterarbeit kommen kaum noch vor, auch Mutter, die Geschwister – tauchen kaum noch auf, von Cécile komme ich nicht so leicht los, auch sie hat mich – wie ich glaube – nicht so leicht abgeschrieben. Aus Berichten von Helga weiß Cécile von Knuts immer neuen Engagements und meinen Kinderjahren mehr als ich. Meine Begegnung mit zahllosen Figuren des Theaterlebens und unsere Stippvisiten in 100 Städten kenne ich aus Schilderungen von Cécile. Cécile nennt die Zeit – Jahre ohne Fluchtpunkt, ziemlich rasant und hauruck über die Bühne gezogen. –
Die Theaterarbeit in Aix ist weniger turbulent. Obgleich ich die Sprache beherrsche und keine traditionelle Schauspielausbildung durchlaufen habe, ist mir die Art, hier als Schauspieler aufzutreten, fremd. Mimik und gestische Darstellung der Mitspieler weichen in entscheidenden Nuancen von meinen Vorstellungen ab. Begleitende Darstellung neben der Sprache läuft kaum Gefühlen oder der Handlung parallel, eher entgegen. Ein Sensus für die Stellung einer Figur in Raum und Zeit, für Determination oder Herrschaft durch Sprache, spielt – in Stücken der offenen Form – eine große Rolle.
Aus dem Kreis der Theaterleute in Aix trat kein Freund hervor, in Frankreich lässt der intellektuelle Drang nach Erkenntnis den Eros der Darstellung hinter sich. Hinter die Figuren des absurden Theaters fällt so leicht kein großer Aktor zurück, das Subjekt ist für sie abgetreten, kaum einer versucht, eine schlüssige Handlung oder eine mit sich identische Person herauszuspielen. Sie haben gelernt, von Zeichen an den Zuschauer abzusehen, sie suchen vom Fragmentarischen aus, vom Paradoxen her zu agieren. Sie sind da nahe bei Knut, der sich nirgends festlegt, er stellt mir vieles frei, es allein zu finden, wie er als Regisseur den Spielern alle Freiheit lässt, das Begehren der zu verkörpernden Figur selber zu finden. Von Anfang an fand ich fast alle Rollen, die vor mir lagen, besetzt. So bleibt mir, mich auf freie Posten zurückzuziehen: die Ausritte, mein jeweiliger Unterschlupf, Cécile. – Cécile, die nach wie vor eine Immobilie an den Mann bringt, ist in jedem Ressort schnell zuhause. Ich könnte keinem Interessenten gegenübertreten, wüsste Boden und Bausubstanz nicht einzuschätzen, könnte keine Preisvereinbarung treffen, ihren Forderungen nicht standhalten; als Verwalter der Objekte halte ich sie gerademal recht und schlecht in Schuss. Eigentlich makelt Cécile nicht – oder nur so nebenbei, neben ihrer Theaterarbeit, aber gerade deshalb ist Cécile erfolgreich; so hat sie zu schließende oder geschlossene Vereinbarungen den Erwerb betreffend sehr vereinfacht. Sie verfügt über ein funktionierendes Netzwerk von Verbindungen und hat alles bis auf die Unterschrift vorbereiten lassen. Ihre Hinweise auf Mängel eines Objekts sind ohne Arg, jeder bemerkt freilich, dass diese Mängel leicht zu beheben sind. Cécile vergibt manches Objekt unter Wert. Sie hat nicht nur bei Anbietern einen guten Ruf.
Noch deckt Cécile meine Ausritte, von dem Leben, das ich führe, will sie gleichwohl nichts wissen, für sie habe ich längst abgehoben. Deshalb endet meine Suche nach ihrer Nähe, wenn ich sie dann doch wie ein Trabant von Ferne umkreise, wie die Begegnungen in Gedanken – nun ohne die obsessiven Schübe. Nach den großen Auseinandersetzungen gab es für sie nie den Bruch, sie hat sich langsam zurückgezogen, bis auf das Geschäftliche. Dabei ist Cécile – mit keinem allzu üppigen Vermögen im Hintergrund – äußerst großzügig. Geld, Überweisungen bedeuten aber für mich große Distanz.“
Nach dem Unfall in Aix hatten Cécile und Jean das Haus im Hinterland der Côtes d’Azur bezogen. Cécile arbeitete anfangs als Bühnenbildnerin in Toulon, hatte dann Erfolg in Stücken, in denen sie Figuren aus der zweiten Reihe spielte. Nicht dass sie durch ihr Spiel die Gewichtung der Figurenkonstellation verschob, in eher flauen Inszenierungen gelang ihr gleichwohl manches Kabinettstück. Dank häufiger Hervorhebungen ihrer gelungenen Auftritte und Fotos in Zeitungen war Cécile eine feste Größe am Theater und selbst in Collobrières ziemlich bekannt.
Damals baten Freunde Cécile, ihr aufwändiges Haus für sie zu verkaufen. Seit dieser Zeit saß Jean auf einigen repräsentativen Objekten, mit der Zeit auch auf Einödhöfen, Fabrikgebäuden, Dependancen von Weingütern, Kellerbehausungen… Nach dem Zerwürfnis mit Cécile kam er selten nach Collobrières, bewohnte reihum eine dieser Immobilien, die er zum Teil ausbauen ließ. Gäste, selbst Helga und Knut lud er in eine restaurierte Ölmühle.
Bei dem letzten Besuch – nach einer Pause von viereinhalb Jahren, betonte Helga – saß Knut oft allein im weitläufigen Garten oder war in den Bergen unterwegs, während Helga Jean ein Stück seiner Kindheit nachtrug. Für sie war Jan – in Frankreich Jean genannt – zu früh aus dem Haus gegangen. Jan hörte gern Einzelheiten von früher. Er war Nachzügler nach drei Mädchen. Schon nach der ersten Geburt hatte Helga eine Pause vom Theater genommen, aus der sie nie wieder heraustrat. Sie hatte die Schauspielerei nicht an den Nagel gehängt, war hinter Knut zurückgetreten, bei Inszenierungen weiterhin seine rechte Hand. Jean wusste, dass die Mutter glücklich war, wenn Knut Erfolg hatte, und Knuts Erfolge an großen Bühnen – nicht nur als Schauspieler – waren nicht zu übersehen. Jean äußerte sich damals mit keinem Wort zu Knut. Knut war für die Kinder immer da, auch jetzt jederzeit ansprechbar. Aber nicht nur Jean war längst bewusst, dass Knut meist irgendwo abwesend war, mit etwas Vordringlichem beschäftigt, wie wenn er auf der Suche sei. Dabei suchte Jean bei ihm Halt. Später hatte Knut ihm erklärt, dass ihn nicht die Texte, sein Auftritt oder die Inszenierung der Stücke umtrieben. Er suche bei jeder Figur, die er verkörpere, bei jedem Stück, dass er inszeniere, zu einer Erkenntnis zu gelangen, welches Bild vom Menschen – im Text verborgen – für ein Publikum heute zu entfalten sei. Große Dramen waren für Knut – gleichgültig ob offene oder geschlossene Stücke – immer autonome Gebilde, in denen es ein das Ganze durchdringendes, Knut sagte, zusammenschließendes Element gab: Eine Figur, die Art des Raumes, der Zeit, der Komposition, Sprache…, ein Problem hielt für Knut alles zusammen. Und er war andauernd damit beschäftigt das Ferment, das alles durchdrang und umschlagen ließ, zu finden. Er wollte einem Stück nie seine Kunst der Darstellung, seinen Stempel aufdrücken oder seine Auffassung herausspielen, er wollte das immanente Gesetz auffinden und für den Zuschauer hier und jetzt herauspräparieren.
Jean mochte ihm von Anfang an nacheifern und bewegte sich lange im Fahrwasser von Knut, aber Knut fand keine Gelegenheit, Jean den langwierigen Prozess darzulegen, eine im Stück angelegte Deutung für ein Publikum, das sich dem Zeitgeist widersetzte, aufzuspüren. Jean hätte das selber herausfinden müssen. Dazu fehlte ihm das Instrumentarium. Jean war zu jung, als sie ihn hatten ziehen lassen, er debütierte mit neunzehn in dem Stück eines regional bekannten Autors in Aix.
Helga vermied es bei Besuchen in Frankreich, mit einem Wort auf die Arbeit von Knut einzugehen. Knuts Schatten reichte dennoch bis nach Aix, und Jean mochte längst seine leise, unpathetische Art der Beschränkung nicht nachahmen, ihn trieb auch nicht der Wunsch, in einem Stück den dialektischen Dreh zu suchen; so kamen sich Knut und Jean – bei aller offenen Zuneigung und erhofften Innigkeit – kaum näher, aber Knut zeigte sich bei jeder Gelegenheit interessiert für Jeans Eigenheiten: Finessen an den Maschinen, die Hunde auf dem Grundstück, seine Vorlieben für Gestalten von Kleist, E.T.A. Hoffmann…, wie er halbwegs verschämt immer wieder andeutete, die Cécile seinen Wahn nannte. – Auf Céciles und Jeans Beziehung wollte Knut nicht eingehen, denn in dieser Beziehung spiegelten sich Knuts und Céciles Vorstellungen, Theater zu machen. Noch in Aix hatte Cécile in einem beachteten TV-Film einer Randfigur eine Präsenz und Bedeutung gegeben, die Saite eines Typs Frau – einer Streunerin – angeschlagen, wie er sich eben erst in der Gesellschaft zu zeigen begann. In ihrem vehement unberechenbaren Spiel, unverhohlen zu neuen Ufern aufzubrechen, hatte Jean eine Cécile gesehen, die er nicht gekannt hatte. Sie hatte einen Bann gebrochen, war plötzlich auch da umworben.
„Die großen Straßen und Boulevards durchschwinge ich, ich fahre sicher, mein Erscheinungsbild – bepackt und zielorientiert – ist bekannt, ich gelte nicht als Müßiggänger, mich verwechselt keiner, selbst Gangs, Motorradliebhaber, Kuriere, Azuro-Playboys, Geschäftsleute; in Bistros, die sie abklappern, bin ich eine unverfängliche Erscheinung. Dabei gehöre ich nicht dazu, niemand kann mich erreichen, schon lange nicht die Biker, mit ihren Auftritten in Kluft, Figuren, die mir schnell nahe treten: mit Dreitagebärten, Halstüchern, Ray-Ban-Brillen, behaarten Armen, unterdrückt hustenden Motoren; bei ihren Einfällen am Strand hocke ich ohne Helm, Halt und Schutz mittendrin, im Schwarm, stummer Zeuge der Inszenierung dröhnender Geselligkeit, dem Glimmer der Filmwelt nach, Trugbildern aus der virtuellen Welt, Kompensation für den Entzug einer Abweichung vom Wege, Ersatz durch hochkarätige Accessoires und Bikerticks: Designerklamotten, Bikerladies, dezente Plastikbrüste, Blicke aus Huskypupillen, Lederkluft als Glückshaut, Euphorie der Vibration, des Schwebens – noch im Stillstand, Pochen der Gonaden, Einverleiben durch Blicke, Ausweiden von ferne… Im Kokainflirren Bildern vom Durchschwingen steiler Traumkurven nach, getragen vom Grummeln der Motoren, Summen des Schwarms, Blinkern hinterher, Impulsen vom Bordcomputer…
Im Schub der Maschinen und dem Dahin auf Rädern bin ich mittendrin, in Wahrheit – eine Randfigur, von Anfang an mit halbem Herzen dabei, dann schon ausgebremst, ausgegrenzt – nicht wegen meines Fahrstils, meines Schweigens; die Unbotmäßigkeit erkennen sie im Blick, wittern sie im Aber, versteckt in Nichtigkeiten, die eben noch verbindlich waren… Ausgeschlossen erkenne ich die Rudelführer, ihre Gefolgschaft am Verschwinden von Ticks, letzten Eigenheiten: mit Kumpanen abschwenken, Extratouren reiten, Klamotten, die aus dem Bikerrahmen fallen, Frauen nicht als Bikerladies zu sehen… Die Ränder ihrer Welt blenden sie aus, alle hinter einem her, verschwinden sie im Rudel, am Ende schere ich aus, lasse sie hinter mir, im Grollen meiner „Monster“.
Einer der Biker nannte mich nach meiner Maschine, als Monster bin ich wer, ordnet sich meine Welt, ich rechne mit allen Eventualitäten, Finessen meiner Verfolger, überprüfe meine Koordinaten, verfeinere das Netz meiner Vorsichtsmaßnahmen, man könnte es total nennen, am Rande franst mein Kontroll system freilich aus, oft erkenne ich Anzeichen, dass sie mir bis nach Italien nachstellen, zu erfassen, wo ich tanke, zufällig vorbeikomme, an videoüberwachten Kaizonen, Bordellen, Supermärkten… Ich stecke meine Erkundungswege, wohin bisher keiner vordrang – als Geologe an Gestein hämmernd, genau ab. Ich beargwöhne selbst Cécile, mit ihnen zusammenzuarbeiten, zumindest durch nicht bedachte Äußerungen, eine Art Zuwendung oder Abweisung, wie ich sie nicht pflege, mich zu verraten. – Manche Immobilie, die ich zeitweise bewohne, erreiche ich nur auf Umwegen zu Fuß. Eine der Maschinen kann ich vakuumverschweißt verschwinden lassen. Um das Paket spurlos zu versenken, muss ich ständig ein Rinnsal Abwasser in die Güllegrube leiten, dass sich der Spiegel nicht absenkt. Spürhunde haben mehrmals Grundstück und Haus erschnüffelt, Gendarmen haben sich überzeugt, dass hier eine Maschine steht, sie wittern freilich weiter eine blinde Spur.“
Früher hatte sich Jean oftmals verletzt, schon so, dass sich einer um ihn kümmern musste, später waren es die Karambolagen mit der Maschine; dann hatte er, halbwegs die Übersicht zu halten, immer wieder Sektoren aus seinem Leben herausgeschnitten: Seine Gesundheit war ihm gleichgültig, nur frösteln mochte er nicht, war nie ohne die geliebte Kluft unterwegs. Jean hatte keine Freude, sich etwas zuzubereiten, er trank. Seine Leutseligkeit war ins Gegenteil umgeschlagen, sie galt am Schluss gerademal Außenseitern und Gendarmen, die ihn aufsuchten. Seit dem Unfall – Jean zog das Bein nach – war sein Traum passé, sich tänzerisch zu betätigen; die Beschäftigung mit Theoretikern und Kritikern der Theaterarbeit hatte ihm Knut verbaut. – An Frauen hatte Jean das Interesse verloren, Äußerlichkeiten waren ihm fremd, ihn konnte da nichts aufregen. Eine Frau musste angezählt sein, nur durfte das keiner merken. Sobald sie schnelle Antworten zu Fragen, die ihn antrieben, parat hatte, zog ihn nichts hin. Aber schon eine tiefe Stimme und eine unspektakuläre Art der Zuwendung deutete Jean als etwas, was ihn wohl an Helga erinnerte, an ihre Verlässlichkeit. Jean kannte fast nur Schauspielerinnen, er mochte Frauen, denen es nicht in den Sinn kam, sich darzustellen, eine wie Magdalena Vermehren, die immer „hinfiel“, aus dem Tonio Kröger, kam in seinen Aufzeichnungen immer wieder vor. Einzelheiten ihrer Psyche mochten eben nicht zu ihm passen, er äußerte da kaum Erwartungen, er glaubte aber wohl, von dieser Art Frauen nicht im Stich gelassen zu werden. – Auf der anderen Seite litt Jean unter Knuts Auftritten – wo auch immer er auftrat. In ihm stieg unbändiger Zorn hoch über Knuts umsichtige Motivation seiner Darsteller, hinter der seine riesige Erwartung stand, und sein müheloses Zuordnen psychischer Zusammenhänge, die in manchem Stück nicht einmal angelegt schienen. Vor allem störte ihn, mit welcher Besessenheit er Protagonisten aus bedeutenden Dramen durch seine zurückhaltende Darstellung – nah an der Alltagsvernunft, auf nichts Außergewöhnliches aus – um ihre Fallhöhe brachte und in vielen Stücken leere Individualitäten vorwegnahm. Bei manchen Figuren betonte er nicht deren Brüche und Abgründe, er verbarg sie eher. Im souveränen Daherschreiten sah er schon ein Einschreiten voraus. Stark entworfene Figuren blieben im gesellschaftlichen Hintergrund verhaftet, dessen Normen brüchig geworden waren – eine Welt aus den Fugen. – Auf dieses leise Herantreten und vorsichtige Tasten – letztlich dann doch nach einer Antwort oder einem Sinn – reagierte Jean wie manche Reptilien, die schon bei weit entfernten Erschütterungen beizeiten sicheres Terrain aufsuchen.
Helga ordnete Jeans Aufzeichnungen: Einige lange Briefe aus früheren Zeiten, Berichte per mail von Cécile, die viele Notate entschlüsseln konnte, kaum Vermutungen der Geschwister zu Jeans Schweigen, eher vorsichtige Anspielungen auf Knuts abwesendes Zuhören, seinen Blick durch die Oberfläche…, zwei Anfragen von Jugendfreunden, Anknüpfen an pubertäre Krassheiten, Ressentiments, Kamellen aus der Studentenzeit – von Jean wohl nie beantwortet…
Jean war Jahre vorher – schon gegen Mitte dreißig – abgetreten, am Schluss blieb eine Fassade stehen: der Abtritt von der Bühne, die Ausritte, Unterschlupf in Gehöften – eine einzige Flucht… Verfolgt – taten sich Gräben, Risse auf, Landschaften nahmen ihn auf, Städte verschluckten ihn; hatte er alles hinter sich gelassen, kehrte keine Ruhe ein, ihn verdross der ewig blaue Himmel der Provence, die Motorsägen und Rufe der Holzarbeiter im Revier, das Torkeln der Fledermäuse über den Nachthimmel…Letzte Kontakte schnitt Jean selbst weg, sicheres Terrain zu retten. Menschen ringsum sah er genauso unterwegs, Stück für Stück in die Enge getrieben, dazwischen Exzesse, sich noch einmal zu finden. Jean kapselte sich ab, bildete eine Überlebensspore. – In den Wintermonaten des letzten Jahres – Jean in den feuchtklammen Häusern in Lederhaut – muss er immer wieder einen Film von Tarkowski hervorgekramt haben. In der Hauptfigur, einem Russen im fremden, nasskalten Italien, erkannte sich Jean wieder. Cécile wusste, dass ihn die Figur des Russen arg mitgenommen haben musste, er habe am Telefon nur mehr mit Passagen dieser Figur geantwortet. Sie berichtete, dass die Durchquerung des leeren Beckens in Bagno Vignoni etwas mit Jeans letzten Ausritten gemeinsam hatte, es war der Ritt auf der Klinge.
Zum Schluss – wusste Cécile – muss er im Dunkeln der klammen Häuser – seinem Atem gelauscht haben; sein Atem – sein Gebet, und in der Lederhülle nicht einmal fröstelnd, fast schon euphorisch, ein vom Fieber Genesender – ehe er zur Maschine stolperte.
Der Unfallbericht zeichnet Spuren Jeans in dieser Nacht nach: Große Schwingungen auf durchweichtem Grund eines Feldweges, der in eine Platanenallee am östlichen Rand von Tholonet mündet. Die Maschine am dritten Baum linker Hand zerschellt. An der Einfahrt in die Allee hatte starker Regen den Weg überschwemmt – eine Art Furt.
Zwei Monate nach dem Tod Jeans – Jeans Identität war nach langwierigen Untersuchungen bestätigt, was zu einer eiligen Beisetzung geführt hatte – seien Helga und Knut angereist, durch die Allee geschritten – zu der Urnenwand im Cimetière Tholonet. – Drei Wohnorte von Jean konnten ermittelt werden, aufzufinden war dort weniges, was an ihn erinnerte: der Laptop mit den bekannten Aufzeichnungen, zwei Ducati, die Tarkowski-DVD und jede Menge Ledermonturen, die ihm Halt und Wärme versprachen.