Читать книгу anno 4025 - Winfried Pursche - Страница 4

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Der Heli schwebte heran. An eine Libelle erinnerte er, elegant in der Luft stehend mit der Fähigkeit, auf der Stelle die Richtung, die Höhe zu ändern. Leise. Das Nerv tötende Knattern, winzige Überschallknalle an den Spitzen der Rotorblätter, war technisch längst besiegt. In Echtzeit erzeugte das Soundvanish-System exakt das Negativ des Lärmprofils der Luftmoleküle und strahlte es ab. Negativ und Positiv hoben sich gegenseitig nahezu auf. So wurde die Lärmschleppe des Rotors auf unter dreißig Dezibel aufgelöst. Fast unhörbar. Auch deshalb, weil nun schon seit Urzeiten keinerlei Verbrennungsmotoren lärmten und mit ihren Abgasen stanken. Wasserstoff stand längst im Überfluss zur Verfügung, Brennstoffzellen versorgten die Menschheit mit „ursprünglicher“ Energie. Dies hatte seinerzeit, bei krisenbedingter Umstellung auf die Wasserstoffwirtschaft vor etwa zweitausend Jahren, eine regelrechte Revolution menschlichen Lebens bewirkt. Mehr noch, es hatte weiteres Leben damals erst ermöglicht. Der Planet befand sich auf dem Wege in eine Katastrophe. Seine zweibeinigen Bewohner waren drauf und dran, sich selbst zu eliminieren. Nicht so sehr eine technische, als vielmehr soziale Revolution war daraus geworden.

Auf dem Landekreuz setzte das Lufttaxi präzise auf und heraus stieg eine kleine, heitere Gesellschaft, sechs Personen, drei Paare, alle hoch betagt aber putzmunter. Sie kannten ihren Weg, strebten in ein nahes, zweistöckiges Gebäude, dessen Fassade sich auffallend von der übrigen Bebauung abhob. Wer sich in Architektur auskannte, sah unschwer die stilistische Wiederholung des Dresdner Zwingers. Es war ein Treffpunkt sozialen und wissenschaftlichen Lebens.

Der Hubschrauber hob ab, andere schwebten heran. Der rege Zustrom in das Gebäude und die festliche Kleidung der Besucher ließen ein gesellschaftliches Ereignis erahnen.

In einem der zahlreichen Salons, in denen private Feste und berufliche Meetings gefeiert und abgehalten wurden, trafen die Ankömmlinge auf Bekannte, Gleichgesinnte, Freunde, mit denen sie den Tag begehen wollten. Zur Erinnerung an den 1. Juni 2025 versammelten sie sich, an das Datum, das nun schon seit Jahrhunderten als der Tag galt, an dem die „Welt gerettet“ wurde. Ein symbolisches Datum, die entscheidende Phase war damals über Wochen gegangen, aber das Wachhalten der dramatischen Ereignisse erschien allen Nachkömmlingen wichtig und dafür brauchte es den festgelegten Feiertag.

Heute war der 1. Juni 4025. „Es“, das schicksalhafte Ereignis, war zweitausend Jahre her. Ein rundes, besonderes Jubiläum, das herausgehoben und begangen zu werden verdiente.

Noch blieb etwas Zeit bis zum Beginn der Diskussion und Rückschau auf die Ereignisse und so bildeten sich kleine Grüppchen Anwesender, die einander besser kannten und sich über frühere Zeiten austauschten. Weitere Teilnehmer kamen hinzu, der Versammlungsleiter kontrollierte auf dem Monitor die Ankunftszeiten noch Fehlender; es würde keine Wartezeiten geben. Man konnte beginnen, sich zu platzieren.

Die Gesellschaft machte einen recht homogenen Eindruck. Alle hatten, obwohl man ihnen das nicht ansehen konnte, den einhundertsten Geburtstag hinter sich, ja, dies war ein Kriterium für die Aufnahme in diesen Kreis. Auf weitere drei Jahrzehnte durften sie ihrer Lebenserwartung noch vertrauen und so bildeten sich lang dauernde Freundschaften. Es gab auch „Küken“ in ihren Reihen, die jüngeren Lebenspartner beitrittsberechtigter Mitglieder. Die Jüngste, dreiundachtzig geworden, musste sich manchen Ulk anhören.

Man hatte Platz genommen, auf bequemen Kippsesseln, Getränke zur Hand, alkoholfrei natürlich, die hohen Fenster abgedunkelt. Hilfreiche Videoeinspielungen wirkten dadurch eindrucksvoller. Gespannt blickten alle zu Humphrey.

„Es hat mich umgetrieben, liebe Freunde, welches Motto ich dem heutigen Tag geben sollte, SH oder Obipo“? begann der Fixpunkt aller Augenpaare seine Ausführungen. Sie alle freuten sich darauf und hingen an seinen Lippen. Humphrey war einer der prominenten Historiker gewesen, die die noch immer nicht abgeschlossene Forschung über die Geschichte um das zwanzigste und einundzwanzigste Jahrhundert wesentlich vorangetrieben hatten, sehr populär und einer der Sprecher dieser Gesellschaft. „Ihr kennt beide Kürzel und eines wäre ohne das andere nicht zu seiner Bedeutung gekommen. Es ist wie bei der Frage nach dem Vorrang von Henne oder Ei. Man kann keine Wahl treffen oder Reihenfolge festlegen. SH und Obipo sind die Essentials unserer Existenz, das ist nicht zu hoch gegriffen. Machen wir doch einmal die Probe aufs Exempel: Wer stimmt für SH?“ Fast alle Arme hoben sich. „Und nun: Wer sieht Obipo als wichtiger an?“ Auch hier fast vollständige Zustimmung.

„Ich habe es mir gedacht, auch ich optiere für beides“.

Humphrey war so im Blickpunkt Aller platziert, dass er die hinter ihm liegende Längswand nicht verdeckte. Diese war, wie inzwischen Standard, mit einer Bild-Reproebene überzogen, auf der Videodarbietungen dreidimensional in voller Raumhöhe wiedergegeben werden konnten. Auch die aus unerschöpflichen Archiven aus grauer Vorzeit verfügbaren, zweidimensionalen Videos wurden von der Abspielautomatik auf die dritte Dimension umgerechnet und es brauchte keine Brillen oder Hilfsgeräte, um die Bildtiefe empfinden zu können. Die Tiefe der dritten Dimension war zwar begrenzt, man hatte also nicht den Eindruck einer weiten Prärie oder eines Meeres bis zum Horizont, aber wichtiger war die erzielte Perspektive besonders für Nahbereiche. Handelnde Personen, Diskussionen, Berichte von gesellschaftlichen Ereignissen ließen Betrachter dies wie mitten drin erleben. Es war nahezu die perfekte Illusion.

Auf dieser Projektionsfläche ließ Humphrey vorbereitete Videos und historische Dokumentationen ablaufen, während er kommentierte.

„Wir stimmen uns anfangs ein, liebe Freunde, mit dem meistgespielten Video aus einer noch etwas weiter zurück liegenden Zeit, als es unser Jubiläumsdatum ist. Es war nach Überzeugung unserer Geschichtsschreibung ein historisches Datum für die Menschheit, der 9. November 1989. An diesem Tage hat sich die Welt dramatisch verändert. Symbol ist der Fall der Berliner Mauer. Aber passiert ist viel, viel mehr. Die zwei sich in Schach haltenden Machtblöcke, die ideologischen Erzfeinde, kollabierten. Es entstand ein Vakuum.

In der Folge geschah viel Positives, aber am Ende beherrschten Bestrebungen die Entwicklung, die geradewegs zu dem Kollisionsszenario führten, das am bewussten 1. Juni 2025 nur durch Ziehen der Reißleine verhindert werden konnte. Die Menschheit schien von allen guten Geistern verlassen. Es kamen so viele Brandherde zusammen, dass weder ein soziales Zusammenleben, wie wir es verstehen, noch eine politische Befriedung möglich erschienen.

Der wesentliche Grund hierfür wird heute in der damals vertretenen Meinung gesehen, man könne eine Demokratie nur dadurch erreichen, dass jeder ohne Ansehen seiner Befähigung durch Wahlen, die „frei“ sein mussten, in jedes beliebige Staatsamt gewählt werden konnte. Dort hatte jeder im Rahmen seiner Kompetenzen freie Hand und richtete in der Regel großen Schaden an. Kein Mensch wäre damals auf die Idee gekommen, einen Direktor für ein Atomkraftwerk, deren Altlasten wir heute noch schmerzlich zu tragen haben, durch eine „demokratische Wahl“ bestellen zu lassen, aber ein Bundeskanzler, Premier oder Staatspräsident, ein Finanz- oder jeder Ressortminister konnten sehr viel eher die politischen Weichen falsch stellen, oft aus purer Naivität, und brauchten doch keine Fachkenntnisse zu haben. Persönlich haftende Verantwortung übernahmen sie nicht und je dramatischer Fehler waren, die vielleicht auch einmal zum Rücktritt führten, umso größer war die Abfindung. Es klingt wie ein Witz für uns. Wir sind gut gefahren, dass wir unsere Besten als Fachleute für Regierungsämter ausbilden und dass die Kontrolle dieser angestellten Regierung auf der politischen Schiene erfolgt. Es kann keiner in durch uns alle beschlossene Grundfragen eingreifen. Aber diese Zeit damals war eben so chaotisch und dadurch ist die prekäre Situation auch nur entstanden. Die Devise damals schien zu sein: Amateure an die Macht!“

Noch Stunden referierte Humphrey das Thema, auf die sich entwickelnde lebhafte Diskussion eingehend.

„All dies haben wir viele Male in unserem Leben erörtert. Dass unsere heutige Existenz an einem puren Zufall hing, als ein einfältiger Funktionär Regisseur des Treppenwitzes der Geschichte geworden war, dass er ein Mauerbollwerk zum Einsturz brachte, dieser Termin ist für uns Historiker wie ein Nullpunkt der Menschheit. Es gibt eine Zeit davor und eine danach, fast wie bei der noch gültigen Zeitrechnung mit dem Nullpunkt Jesu Geburt. In Wahrheit ist heute der Beginn des Jahres zweitausend. Jetzt lasst uns zunächst fröhlich feiern!“, endete nach Stunden der Vortragende.

Mit viel Applaus und Schulterklopfen wurde dem Freund Humphrey gedankt. Er hatte es wieder einmal verstanden, den teils sehr verworrenen Wissensstoff mit Humor unterlegt der Runde verständlich zu machen. So oder so ähnlich hatten sie es schon wiederholt erfahren, aber man konnte sich nicht satt sehen an der Dramatik damals und eine Gänsehaut bereitete der Gedanke, dass das heutige Wohl und Wehe von mehr oder weniger zufälligen Ereignissen damals abhing.

Im angrenzenden Salon war eine Lounge vorbereitet. Sessel und Fauteuils in kleineren und größeren Gruppen, niedere Rolltische wurden elektronisch beigeschoben, Kissen und hauchdünne Thermodecken lagen bereit. Den Service orderte man mit dem Komu, dem Komunikator, einer Zusammenfassung der Fernsteuerungen, des Videofones und Internetzuganges. Man trug ihn vorzugsweise „á la Casanova“, wie man dies nannte. In Größe einer antiken Taschenuhr hing er, oft aus edlem Material, mit Schmuck verziert, an einer dünnen, reißfesten Kette und steckte in extra dafür entworfenen kleinen Uhrentaschen an der Kleidung. Er war zum individuellen Schmuck geworden.

Es waren wieder die Sechs aus dem Hubschrauber, die Humphrey in ihre Mitte nahmen und zu einer genügend großen Sitzgruppe leiteten. Die Bestellungen wurden eingegeben und schon bald vom Serviceroboter beigestellt. Der Raum war gut besetzt, fast alle Mitglieder dieser Arge, wie sie sich nannten, nahmen teil. Etwa fünfundachtzig Personen mussten es demnach sein. Die Freude hielt an und so war auch der Geräuschpegel im Raum sehr hoch. Deshalb schaltete Helmar, einer der Ältesten und schon lange dabei, die Filterglocke ein. Es war dies eine elektronische unsichtbare, glockenförmig über der Sitzgruppe schwebende ionisierte Luftschicht, die die Eigenschaft hatte, an Geräuschen auszufiltern, was nur Nebengeräusch war. Es war eine alte Erfindung, man hatte sie seit etwa eineinhalbtausend Jahren in Verwendung. Entstanden war sie aus einer Idee unseres Jubiläumszeitalters, also dem zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert, als in den Kinderschuhen des IT-Zeitalters ein Verfahren entwickelt worden war, mit dem man alle störenden Frequenzen beispielsweise aus Musikaufzeichnungen eliminierte. Man nannte es mp3 und es war ein Meilenstein. Auf dieser Basis zog die Idee in den Alltag ein. Es gab einen akuten Bedarf. Die Verlängerung der Lebenserwartung hatte Probleme mit sich gebracht. Es war nicht gelungen, Altersschwerhörigkeit nennenswert zu verzögern. Ab dem neunzigsten Lebensjahr etwa bekamen die Menschen zunehmend Schwierigkeiten, Geräusche zu filtern. Unterhielten sich sechs oder mehr Personen gleichzeitig, akustisch übereinander und ineinander sprechend, so war das ältere Gehör nicht mehr fähig, einzelne Teile auszufiltern um am Gespräch teilzunehmen. Besonders galt dies, wie hier, wenn zwar separate Gruppen diskutierten, aber in unmittelbarer Nähe von einander. Die erforderliche Konzentration führte sehr schnell zu Ermüdung. Man sann auf Abhilfe und kam auf mp3. Eine ionisierte Luftglocke separierte wie ein Iglu die Gruppe und die Wirkung des Filters ließ sich einstellen und so konnte das Geräuschniveau in dieser geschützten Zone frei gewählt werden. In diesem Falle, alle Anwesenden im Raum gehörten ja zusammen, dämpfte Helmar nur das Grundrauschen. Man konnte ungestört diskutieren. Es war jeden technischen Aufwand wert. Im Alltag sagte man dann: Lass uns in den Iglu gehen.

Helmar war der Primus inter pares unserer sechs Freunde, die zusammen angekommen waren. Helmar begleitete Helia, seine Frau, und bei allen Freunden hießen sie wegen der gemeinsamen ersten Silbe ihrer Vornamen nur die Hels. Helia war noch immer stolz auf ihren Vornamen, war es doch ein Link zu ihrer persischen Herkunft. Helia, das bedeutete einst die „Strahlende“, und strahlend war sie eigentlich stets, Alle mochten sie. Das zweite Freundespaar waren Enzo und Brunhild. Ihre Eltern waren versessen auf die wieder viel gespielten Wagner-Opern gewesen. Wenigstens war dieser Name keine Dutzendware. Das dritte Paar, noch nicht so lange im Arge-Kreis, waren Wernher und Maria. Maria wohl immer noch der häufigste und populärste Vorname, Tradition war nicht zu toppen. Sie alle Sechs kamen aus der Ortenau, man nannte diese Gegend am badischen Rhein einst die Toskana Deutschlands. Unweit voneinander bewohnten sie Landhäuser, bewusst außerhalb der Zentren, bewusst eine gute Strecke von der Rheinebene entfernt, halb auf der Höhe des Westhanges des Höhenzuges, der einst den Schwarzwald trug. Schon lange hatte sich die Aktivität des Rheingrabens verstärkt. Die vor Jahrtausenden voraus-gesagte erhöhte Erdbebentätigkeit war eingetreten und das rührte vom ebenfalls erwarteten Aufreißen des Grabens. Der Rhein wurde inzwischen seit ein paar hundert Jahren Jahr für Jahr etwa drei bis fünf Zentimeter breiter und die Prognose war, dass in weiteren mehreren tausend Jahren die Landverbindung abreißen und sich dort ein tiefer Graben auffüllen wird. Dieser Riss, das Ergebnis des Auseinanderdriftens unterschiedlicher Erdplatten, wird bis zur Tiefebene, kurz vor Bonn, reichen und eines Tages vom Meerwasser erobert werden. So lange aber werden der Rhein und die Nebenflüsse ihr Wasser zuerst brauchen, um das sich stark vergrößernde Volumen aufzufüllen. Bonn, Köln werden auf dem Trockenen sitzen, soweit die fortschreitende Erhöhung des Meeresspiegels nicht für aufstauendes Wasser sorgt.

Die inzwischen erneuerten Gebäude waren samt und sonders erdbebensicher gebaut. Auch die historischen Gebäude, die Schlösser, in Rastatt, in Karlsruhe, waren gesichert worden. Man brauchte zum Glück nicht mit den ganz großen Beben zu rechnen, denn im Gegensatz zur St. Andreas-Spalte in Kalifornien bewegten sich hier die Erdplatten nicht in gegenläufiger Richtung, so ungeheure Spannungen aufbauend, wenn Verhakungen stattfanden, sondern hier drifteten die Platten auseinander. Es war eine Sollbruchstelle. Das Elsass würde nach Westen wandern, als Rand Westeuropas, und die Platte würde sich im Uhrzeigersinne drehen. Diese Ablösung war sehr viel harmloser, als andere Beben.

Jetzt aber waren die Freunde in der Gemarkung Langenargen am Bodensee. Hier, in dieser so vom klassischen Barock geprägten Landschaft, war der Nachbau des Dresdner Zwingers Mittelpunkt der wissenschaftlichen Seminareinrichtung. Das bauliche Kleinod passte wundervoll zur Nähe des Schlosses Montfort, wenn auch beider stilistischer Ursprung um mehr als ein Jahrhundert auseinander lag. Die Bodenseelandschaft hatte sich ebenso verändert, wie auch der Schwarzwald.

Vom Klimaschock nie erholt, der zu den Ereignissen von 2025 führte, war die Bewaldung vom Borkenkäfer dahingerafft worden. Die Hänge der Berglandschaft waren danach kahl. Der Schwarzwald, vorher eine gebirgige Waldlandschaft von nahezu sakraler Schönheit, war zur beliebigen Hügelkette mutiert. Man musste zusehen, dass die Mutterkrume nicht fortgeschwemmt würde und die Verkarstung wie einst in Italien einsetzen konnte. Die Aufforstung erfolgte mit anderen, klimaresistenten Baumarten, viel südlicheren. Dem Schwarzwald bekam das gut und so wuchsen nach dreißig, fünfzig Jahren dichte Wälder von Pinien und Zedern, von Akazien, Maulbeerbäumen und Eukalypten, letztere eigentlich die beherrschende Baumgattung der Bewaldung Australiens und Tasmaniens, die ihren Habitus zu einer dichteren Belaubung geändert hatten. Sie fühlten sich erkennbar wohl. Die dadurch dunkelblau wirkenden Hänge, die auch den Namen „Blaugummibaum“ einleuchten ließen, brachten den einstigen Eindruck des eher dunkel bedrohenden Waldes zurück. Dazu großflächige Inseln von Kamelien, ein Teestrauch, die Millionen Besucher im Januar und Februar zur Blüte ganzer Berghänge lockten.

Hier, am Bodensee, war eine andere Vegetation endemisch. Die Apfelplantagen, einst von Friedrichshafen bis nach Lindau unübersehbar, hatten keine Chance mehr. Die Umstellung erfolgte nach und nach, von Fruchtart zu Fruchtart. Inzwischen hatten sich Makro- und Mikroklima stabilisiert und die Fruchtfolge war endlich bei Aprikose und Feigen gelandet. Daneben großflächige Pflanzungen von Zitronenhainen und Oliven. Ein in ganz Europa inzwischen hoch geschätztes Gemüse waren Tomaten aus Hydroanbau, die qualitativ von keiner anderen Region übertroffen wurden. Italien war in Deutschland angekommen.

Dramatischer schien, was mit dem Bodensee geschehen war. Das tiefe Becken im Obersee, bei Bregenz und Lindau, wurde Jahr für Jahr flacher. Der junge Rhein, etwa gegenüber von Langenargen mündend, transportierte unablässig Gestein und Geröll aus Graubünden zu Tal. Die Alpen zerbröselten. Die Zeiten der wasserreichen Schneeschmelze waren vorüber, es fiel kaum noch Schnee, aber die ganzjährig in der Alpenregion häufigen, nur wenige Stunden anhaltenden Niederschläge rauschten als Wolkenbrüche unbezähmbar hinunter und schoben das Delta immer weiter in den See. Dabei wurden mehr Sand und Kiesel mitgenommen, als alle Güterzüge hätten transportieren können. Der Bodensee füllte sich auf. Die Voraussage war einst, vor zweitausend Jahren, dass dies ein Prozess von zehntausend Jahren sei. Dass nun bereits so ein großer Teil des Sees fast verlandete, war nicht erwartet worden. Das hatten auch Tiere entdeckt und die Attraktion des Bodensees war inzwischen eine Kolonie von zehntausenden von Flamingos, die nur für drei Wochen im Winter in die Poebene zogen. Sie standen im gesamten Obersee im etwa zehn Zentimeter seichten Wasser auf einem Bein und wenn die Kolonie gemeinsam aufstieg und Kreise zog, war dies ein überwältigender Anblick.

Die gesamte Landschaft war voll üppigen Grüns. Man war Mai, Juni am Höhepunkt der Ernte und die Früchte an den Bäumen leuchteten weithin. Aprikosen von unvergleichlichem Geschmack, eine wie die andere makellos, kein bisschen teigig oder mehlig, saftig, dass es durch die Finger tropfte. Es war eine Favoritin der Menschen geworden.

In der Lounge gruppierte Helmar die Freunde um sich. Mehr als zwei Meter groß, noch immer drahtig trotz seines fortgeschrittenen Alters, mit langen Gliedmassen und einem genetisch verändertem großen Kopf, die Haare nur wenig ausgedünnt und noch in ihrer Jugendfarbe, entsprach er dem Durchschnittstypus. Die Videos aus der grauen Vorzeit erheiterten Alle, wenn sie die teils unförmigen, dickbäuchigen Vorfahren erlebten. Die Evolution war weitergegangen.

Helmar war lange Zeit in der Optimierungsarge des SH-Projektes gewesen, einer der Leiter. Als promovierter Chemiker war er Koordinator der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft, kurz Arge genannt. Enzo hatte als Informatiker dazugehört und Wernher als Anlagenbauer. Auch die Frauen hatten ihre Aufgabe, meist als Psychologinnen, als Mediatorinnen, Frauen waren halt die besseren Diplomaten geblieben. Die Sechs hatten sich kennengelernt, merkten schnell, dass sie auf gleicher Welle lagen und befreundeten sich. Das war schon siebzig Jahre her. Seither verband sie enge Freundschaft.

„Lasst uns Humphrey bitten, durch die Dokumentation zu gehen, die jetzt endlich wegen der Geschehnisse um 2025 vorliegt. Wir sind doch aus diesem Grunde hier.“

Humphrey ließ sich nicht zweimal bitten. Er zeigte nur wenig Interesse an Flamingos oder Aprikosen, er war mit seinen Gedanken stets in seinem Metier. Vor zweitausend Jahren, als dies alles begann, gab es auch bereits Historiker und die beschäftigten sich ebenfalls mit der Zeit vor damals zweitausend Jahren um Christi Geburt, aber sie stocherten doch weitgehend im Nebel. Er aber konnte in Bergen authentischer Dokumente stöbern, konnte über jedes Ereignis mehrere Videos zu Rate ziehen, hatte Zugriff auf sorgsam gehütetes Schriftgut. Er ging in seiner Faszination auf.

„Wenn wir dies systematisch durchgehen wollen, müssen wir uns zwei Wochen hier einquartieren. Das wollen wir wohl nicht und ich schlage vor, wesentliche Auslöser verstehen zu lernen. Es ist Stoff genug.

Zunächst muss uns Betrachtern das Szenario klar sein, das auf die entscheidende Phase 2025 zu trieb. Es war vielschichtig und es war eigentlich unauflösbar. Die Probleme waren durchaus ersichtlich, sie waren auch einsichtig und sie waren ineinander verwoben wie Pilzmyzel, faktisch unauflösbar. Alles blockierte sich gegenseitig, mit Vernunft war da nichts zu machen. Die Egoismen der gesellschaftlichen Lobbygruppen verhinderten alles, was auch nur den geringsten persönlichen Verzicht bedingt hätte, man kämpfte um jeden Zentimeter Boden, als ob es damit gelänge, das eigene Leben nicht nur zu verlängern, sondern auch ihm einen Sinn zu geben. Dies wurde keineswegs gerüffelt, unter dem Oberbegriff „Besitzstandswahrung“ war es akzeptiert und fast jeder verteidigte seinen irdischen Besitz und seinen Platz in der Hackordnung verbissen.

Wir kennen aus der Überlieferung, wie Alexander der Grosse, der Makedonier, zu seinem Ruhm kam. Es war im Jahre 333 vor Christi Geburt, als er, gerade dreiundzwanzig Jahre jung, mit einem Heer aufbrach, um Vorderasien zu erobern. König Gordios von Phrygien wollte dem jungen Mann seine Grenzen zeigen, ist die eine Version, oder Alexander wollte dem Orakel folgen, wonach nur derjenige Vorderasien besiegen konnte, der vorher eine Prüfung bestand. Gordios präsentierte ihm einen kunstvoll verflochtenen Knoten, den aufzulösen die Tochter als Braut versprach. Viele Anwärter waren bereits gescheitert. Alexander löste dies auf seine Weise, er schlug den Gordischen Knoten mit seinem scharfen Schwert glatt durch. Das hat ihn unsterblicher gemacht, als alle seine Schlachten. Sein Krieg wurde ein Triumphzug. So ähnlich stellte sich auch vor zweitausend Jahren die Situation der Menschheit dar. Nur mit einer ungewöhnlichen Idee konnte das Ziel erreicht, die hoffnungslose Lage entschärft werden.

Die verfahrene Situation hatte sich hochgeschaukelt. Speziell das neunzehnte und zwanzigste Jahrhundert hatten die Lage zugespitzt. Einige zivilisatorische Entwicklungen sorgten für ein sich verschärfendes Tempo, die Ursachen waren schon viel früher auszumachen.

Als dann aber im beginnenden neunzehnten Jahrhundert der Durchbruch in der Medizin gelang, als Seuchen bekämpft, als die Säuglingssterblichkeit auf ein Minimum gebracht werden konnten, als die Lebenserwartung sprunghaft stieg – da begann eine neue Problematik. Die Bevölkerung dieses Planeten explodierte förmlich. Eine Vergleichszahl: Um das Jahr 1930 lebten etwa 2,8 Milliarden Menschen, im Jahre 2010 waren es bereits fast sieben Milliarden. Wie viele sollten erlaubt sein? Wie viele konnte dieser Planet ertragen? Die der einzigen und nicht beliebig erweiterbaren Erde erträgliche Grenze war längst überschritten. Alles, was dann geschah, hing hiermit zusammen. Dennoch durfte über das Problem nicht einmal gesprochen werden. Man brandmarkte Geburtenregelung als Züchtung von Menschen und so wetterten Moralisten und Ethiker polemisch dagegen. Der Wahnsinn ging einfach weiter.“

„Willst Du damit sagen, dass jeder so viele Kinder in die Welt setzen durfte, wie er lustig war?“ warf Helia ein, sich ungläubig umsehend.

„Ja! Natürlich! Das wurde sogar staatlich gefördert. Der Staat zahlte über etwa zwanzig Jahre hinweg Kindergeld und erließ Steuern, mit wachsender Kinderzahl höhere Beträge. Nach Meinung der Sozialpolitiker hatte die Altersstruktur der Bevölkerung wie eine schlanke Pyramide auszusehen, daher auch der Name. Das war irgendwann im Mittelalter noch richtig gewesen, als die Mehrzahl der Geburten nicht das erste Lebensjahr erreichte. Stellt euch nur vor, dass zum Beispiel der wundervolle Franz Schubert, im Jahre 1797 geboren, dessen unvergängliche Musik wir heute noch so gern hören, das dreizehnte von 16 Geschwistern war und dass von denen nur fünf älter als ein Jahr wurden! Das war keine Ausnahme, das war in jener Zeit Normalität. Plötzlich sterben diese Säuglinge nicht mehr, weil man Bazillen und Viren entdeckte, weil man Behandlungsmethoden ersann, weil die Technisierung begann. Da wurden die Geburten zwar reduziert, aber in den dörflichen Familien, und damals lebten achtzig Prozent der Menschen auf dem Lande und waren in der Landwirtschaft tätig, waren zehn Köpfe am Tisch, Eltern und Kinderschar, die Regel. In den Städten dagegen die Ausnahme, da führten die Wohnprobleme, der karge Arbeitslohn und weil man sich mit Nahrungsmitteln anders als auf dem Lande nicht selbst helfen konnte, automatisch zur ersten Geburtenregelung.

Diese Mentalität, dass nur das Wachstum des Volkes zu einem nie ernstlich erreichten Wohlstand für die Massen führen könnte, hatte sich bis weit in die Krisenzeit hinein erhalten. Als eine zweite Weltwirtschaftskrise, die in Wirklichkeit eine Bankenkrise war, im Jahre 2007 ausbrach, glaubte man deren Folgen nur durch Wachstum der Volkswirtschaft ausgleichen zu können. Die deutsche Regierung jubelte, dass kurze Zeit später die Wirtschaftsleistung stark anstieg, dass viele Menschen wieder in Arbeit kamen, wenn auch meist in unsichere Arbeitsverhältnisse, und überbot sich in immer optimistischeren Schätzungen des herbei gebeteten Wachstums. Fällt euch etwas auf?“

„Ja, weshalb spielt Wachstum bei uns keine Rolle?“ fragte zaghaft und grüblerisch Brunhild.

„Weil wir diesen Irrglauben längst erkannt, korrigiert und überwunden haben. Unkontrolliertes, ständiges Wachstum hat einen Namen: Krebs. Krebs ist tödlich. So einfach ist das. Da braucht man keine Spezialausbildung, jeder kann das nachvollziehen. Wachstum hat Begrenzung als Voraussetzung. Die Natur weiß das und lässt deshalb die berühmten Bäume nicht endlos in den Himmel wachsen. Auch die DNA unseres Körpers und bei allen Lebewesen ist nicht auf immerwährendes Wachstum programmiert. Im Gegenteil. Der Körper, die Organe wissen, wann sie zu wachsen aufhören müssen. Nach dem Wachstum kommt die Mainte-nance, die Zustandsbewahrung. Ein gesunder Körper schaltet rechtzeitig um, regeneriert nur noch und bleibt so am Leben.

Dies gilt für alles und jedes. Besonders aber für die Erdbevölkerung. Wächst sie unbegrenzt, dass alle Reserven nicht mehr ausreichen, dann gibt es ein Unglück. Das gilt nicht nur für die Nahrungsmittel, für Rohstoffe, das gilt besonders für die empfindliche Gashülle, aus der wir alle mit den gleichen Nasen atmen.

Wachstum ist auch Raub. Denn wer „mehr“ haben will, muss es anderen wegnehmen. Es gibt keine wundersame Vermehrung auf diesem Planeten. Jeder Physiker weiß, dass dies ein endlicher Planet ist. Die Gier, die Wachstumsidiotie hat die Menschen damals beherrscht. Während der Kolonialzeit strömte Reichtum aus der Plünderung neuer Herrschaftsgebiete in die „zivilisierte Welt“ und man glaubte, dies könne endlos so weitergehen, dies sei Wachstum. Aber das stammte aus den Raubzügen in anderen Kulturen, aus den kolonialen Rüpeleien. Wir haben das längst verinnerlicht, deshalb fragst du, Brunhild, so ungläubig nach. Unsere Denke ist inzwischen eine andere.

Die seinerzeitige Wachstumshysterie, die Immer-mehr-haben-wollen Ellenbogenmentalität, hat fast alles zerstört. Unser heutiger Tag erinnert, dass in letzter Minute der Hebel umgelegt wurde.

Neben der Übervölkerung der Erde, dieses seismografisch empfindlichen Systems, gab es noch andere Brandherde, ich sagte es bereits. Da war die sich entwickelnde Industrie, die in den ersten zweihundert Jahren keinen Nerv für die Umwelt hatte, man sah Probleme bei Luft- und Wasserverunreinigung nicht. Es war die Fortschrittsgläubigkeit, mit der jede Neuerung als das Erreichen des Paradieses empfunden wurde, es war noch vieles Andere. Aber der Hauptgrund war etwas, was in der Natur aller Menschen liegt und von uns nur durch strenge Vorschriften ausgebremst worden ist: die Gier nach riesigen Vermögen. Die Menschheit entwickelte sich immer schroffer in zwei Lager: Die Mandarine und die Habenichtse. Das musste explodieren.

Wir werden später etwas ausführlicher über das Folgende sprechen, aber behaltet das in eurem Hinterkopf, dass die phrasenhafte Rezitation, man lebe in einem Rechtsstaat und die Anbetung des Geldwesens und der Zinswirtschaft ganz vorn bei den Ursachen für das Desaster stehen. Es wird noch interessant.

Das ist der Moment, um auf eine der Lösungsbeiträge einzugehen. Die Lösung des Bevölkerungsproblems. Wir haben sehr kluge Vorfahren gehabt, die mit Engelszungen gesprochen haben müssen, um die Zustimmung für den einzig hilfreichen, kaum als akzeptabel einzuschätzenden Vorschlag durchzusetzen. Wir kennen es als Obipo. Es brachte langfristig die Wende.

Der Vorschlag kam von einem charismatischen Politiker aus den USA. Er war vom Runden Tisch des Weltkrisenstabes zum Vorsitzenden, zum Mediator aber auch Zuchtmeister bestimmt worden und hatte dieses Instrument nach kurzer Einarbeitung fest im Griff. Seiner Entschlossenheit verdanken wir den heutigen Tag. Deshalb wird heute 12 Uhr mittags in Baltimore, wo er lebte, ein Denkmal enthüllt. Dann, bei uns ist es früher Abend, werden wir noch beisammen sein und wollen an der interaktiven Übertragung teilnehmen. Das Denkmal wird Henry-Helper-Memorial heißen. Familie Helper wanderte über Hamburg nach New York noch unter dem Namen Helfer 1912 aus und kam aus dem damaligen Preußen in der Nähe von Berlin. Wir können stolz auf sie sein.

Helper, ein Patenkind und intellektueller Ziehsohn des in den Krisenzeiten des Kalten Krieges die US-Regierung beratenden jüdischen Deutsch-Amerikaners Kissinger, traf tollkühn anmutende Entscheidungen, als es Spitz auf Knopf stand. Innerhalb weniger Tage krempelte er die Welt um. Noch im Nachhinein hält man die Luft an. Es gelang. Helper war zum modernen Alexander geworden. Er hatte den Knoten durchschlagen.

Dabei nutzte er kurzfristig, schnell wirkende Reparaturen und langfristige Projekte. Das bekannteste, unverzichtbarste, auf Jahrtausende die Zukunft sichernde, war unbestreitbar Obipo. Es ist uns in Fleisch und Blut übergegangen. Obipo als Abkürzung für das Motto „One billion people only“. Fast neun Milliarden Menschen bevölkerten damals die Erde. Die Resourcen gingen zu Ende, das Energieproblem wurde aus durchsichtigen Gründen wie ein Tabu behandelt. Die Städte wuchsen zu wahren Monstern. Zwischen Lagos und Accra, als Beispiel, einer Küste von etwa 400 km Länge durch die Staaten Westafrikas Ghana, Togo, Benin und Nigeria, war eine durchgehende Megastadt mit mehr als 400 Millionen Menschen gewachsen. Elend pur. Das konnte nicht so weitergehen.

Der Schlüssel war die Überpopulation. Helper erfand den Slogan und erklärte ihn auch. Neun Milliarden, in Amerika hieß das nine billion. Die Erde hatte über Jahrtausende zuverlässig eine halbe Milliarde Menschen, mal mehr, mal weniger nach Kriegen und Seuchen, ernährt. Neun Milliarden waren ihr Tod. So legte Helper eine Milliarde als oberes Limit fest und sah eine Verschlankungszeit von vierhundert Jahren vor. Diese Zeitspanne hat fast ausgereicht und seit etwa dem Jahre 2550 ist dies die erträgliche, stabile Weltbevölkerung.

Helper hat später seinen inneren Zwiespalt erklärt. Geprägt vom Genius des jüdischen Freigeistes hatte er, der gläubige Christ, es geschafft, sich über die Verdikte des Papstes hinweg zu setzen, der Verhütung, Begrenzung der Kinderzahl, gar den Eingriff in die Gebärfähigkeit als ein Werk des Teufels brandmarkte. Was halfen falsche Dogmen, wenn die Kirche mit nicht mehr als etwas Messwein und einer kargen Oblate zur Ernährung beitragen konnte?

Obipo verordnete Restrikton auf maximal zwei Kinder pro Frau. Durch einen kleinen Eingriff wurde nach der zweiten Geburt die Gebärfähigkeit unterbrochen. Das erschien zunächst als grausam, aber es war die berühmte Frage: Leben oder Tod? Das ist leicht erzählt, aber es war eine Sisyphos-Aufgabe, dies weltweit durchzusetzen. Zwei Kinder je Frau führen mathematisch zum Erhalt der Population, vorausgesetzt, es werden weiterhin gleich viele Mädchen wie Buben geboren. Helper kalkulierte anders. Er kam bei seinen Überlegungen auf maximal 1,85 Köpfe Lebendpopulation je Frau, wenn man Ausfalltatbestände einbezog und das würde jede Generation so mindern, dass über vierhundert Jahre hinweg, also über fünfzehn Generationen, das angepeilte Ziel zu erreichen wäre. Er hatte Recht, wissen wir heute – und es hat keinem weh getan.“

Humphrey brauchte eine Pause. Er schaute fragend in die Runde. Die Freunde erwachten aus langer Zeit gespannter Aufmerksamkeit. Ja, da gab es viele Fragen.

So unterhielten sie sich noch ein, zwei Stunden über das komplexe Genre in jener Zeit und die unterschiedlichsten Faktoren, die für die Fast-Katastrophe verantwortlich waren.

Die Begrenzung der Menschheit, dieses Gegenwirken gegen unsinniges, ja, tödliches Wachstum, war nur ein Faktor des Fast-GAU gewesen. Die Reihenfolge der Ursachen war eine andere: Zuerst blies jeder seinen Dreck einfach in die Luft und die Gefahr der Veränderung der Atmosphäre durch zu hohe CO2-Emissionen wurde verdrängt. Einsetzende und sich häufende Naturkatastrophen hingen damit zusammen, aber die Nutznießer verhinderten rechtzeitige Abhilfe. Sie hatten kein Gefühl für Verantwortung anderen gegenüber. Dann kam die erste Katastrophe unerwartet und sorgte für Ernüchterung. Das Verbrennen fossiler Brennstoffe war sofort zu stoppen, wollte man noch etwas retten. Das führte zu SH, dem Einstieg sowohl in die emissionsfreie Energieerzeugung als auch in die neue Sozialordnung und dabei erst ergab sich Obipo. Es lief damals wie am Schnürchen ab, die Menschheit erstarrte in Angst. Die auslösende Katastrophe kam zum Frühstück, gewissermaßen.

Einige Videos erläuterten manche Situation. Jetzt aber ergriff Humphrey wieder das Wort:

„Wir sind jetzt wie von selbst an die Schlüsselstelle gekommen. Die Katastrophe kam aus einer anderen Ecke als erwartet und befürchtet. Der Golfstrom versiegte. Europa erstarrte.

Die riesige Zentralheizung Europas, die mit gewaltigen Wassermassen hinauf und dann ganz hinunter im Atlantik zog, Oberflächenwasser in einer Richtung, Tiefenströmung zurück, wurde einfach abgestellt. Abgestellt von der Natur. In Grönland hatten sich Süßwasserseen wegen der von den Menschen verschuldeten Klimaänderung unter dem Eisschelf gebildet und diese Hunderte Millionen Kubikmeter Süßwasser brachen schließlich durch und senkten den Salzgehalt des Nordatlantiks dramatisch. Die Pumpe, die das abkühlende Wasser im Norden nach unten drückte, funktionierte nicht mehr. Das Süßwasser war spezifisch zu leicht, es schwamm auf dem Meerwasser. Es dauerte nicht lange, also nur wenige Jahre, bis die Temperaturzonen kippten. In der Sargossasee wurde es so heiß, dass Meerestiere verendeten. Dort hatte sich der Golfstrom mit der erforderlichen Energie aufgeheizt und nicht nur Europa erwärmt, sondern diese Hitzezone auch abgekühlt. Eine richtige Klimaanlage. Den Aallarven, zum Beispiel, die dort mit etwa 18 mm Größe ihren Weg in die Flüsse Europas antraten, ging der Sauerstoff aus. Der pH-Wert veränderte sich bedrohlich in den sauren Bereich. Es war eine Folge des Klimawandels. Zu viel Kohlendioxyd wurde in die Atmosphäre emittiert. Diese löste sich im Salzwasser zu Kohlensäure. Meerwasser hat in der Balance einen pH-Wert von etwa 8,0 auf der Skala von 1 bis 14, ist alkalisch. Das entspricht den Bedürfnissen von Korallen und Schalentieren für den Aufbau ihrer Kalkpanzer und Skelette. Sinkt dieser Wert unter den Neutralpunkt 7,0, so löst freie Kohlensäure die Kalkstrukturen auf. Deshalb entkalken wir unsere Wasserkocher ganz simpel mit Säure. Erhitzt man Wasser, fällt Kalk aus (weil die sogenannte freie Kohlensäure, die den Kalk gelöst hält, bei steigender Temperatur ausgetrieben wird). So einfach sind chemische Abläufe. Wie ihr wisst, verstehe ich zwar wenig von Chemie, habe aber meinen Helmar“, lächelte Humphrey.

„Der Salzgehalt der Weltmeere von im Mittel 3,5% stabilisiert den pH-Wert und wirkt als Puffer. Die immensen Süßwasserzuflüsse hatten diesen Puffer ausgehebelt.

Der Meeresspiegel war innerhalb eines Jahres, so lange brauchten die Seen, um sich zu entleeren, weltweit um einen halben Meter gestiegen. Das langte zum Beispiel, um Mesopotanien ganz real zu bedrohen. Baghdad würde bald nasse Füße haben. Die Malediven gar gingen unter, ebenso die deutschen Halligen. Anderswo setzte Hektik ein, um die Deiche zu erhöhen, aber die Angst baggerte mit, denn es war klar, dass ein völliges Abschmelzen des arktischen Eises den Meeresspiegel um mehr als sieben Meter steigen lassen würde. Das wäre der befürchtete GAU.

Endlich waren sich alle einig: Die CO2 Emissionen waren doch ursächlicher, als die Lobby der Rohöl- und Kohle-explorer bisher wahr haben wollte und vehement bestritt. Würde man diese Energieträger weiter verheizen, wäre es für die Menschheit tödlich. Man konnte nicht weiter machen wie bisher, einfach wegsehen. Deshalb wurden innerhalb kurzer Zeit Erdölförderung und Kohleabbau weltweit beendet. Ohne einige heftige Kriege ging das nicht, aber die Opfer hätte es als Folge von Erstickung und des Meeresanstiegs hundertfach gegeben. An die neun Milliarden Menschen saßen damals in der Falle. Es wurde eine dramatische Zeit des Umbruchs und der Rettung der Menschen. Etwa dreißig Jahre dauerte es, bis die gesamte Energieversorgung neu geordnet war und es brauchte eine der größten technischen Anstrengungen. Voraussetzung war die Befreiung von den Monopolen für das Gelingen. Eine kluge Führung der weltweit koordinierten Aktion setzte durch, dass ein neues Denken einzog und Einzelinteressen keine Rolle mehr spielen durften. Am Ende war dies der Startschuss für den Sieg der Vernunft und conditio sine qua non fürs Überleben.

Alle Kommentare und Analysen aus den Jahren nach dieser wirtschafts-revolutionären Zeit enden in dem ein-helligen Urteil: Der „Hieb des Alexander“, der Schwertstreich durch den Knoten, der den glücklichen Ausgang aller Notmassnahmen ermöglichte, konnte in dem wichtigsten Beschluss des Runden Tisches des weltweiten Krisenstabes, unter Helper, gesehen werden: Nein, nicht Obipo war es. Es war ein Geniestreich: Die Zinswirtschaft wurde verboten. Ab sofort war die Verzinsung von Kapital bei Strafe verboten. Die Usancen des Islam aus dem Koran waren Leitbild. Zuwiderhandelnde wurden sofort enteignet. Es war das Ende der Gier. Alle Börsen schlossen, Banken krachten und die Global Player der weltweiten Geldmärkte wurden entmachtet. Es entstand eine völlig neue Ökonomie. Als dann auch noch Obipo gestartet werden konnte und die Menschheit innerhalb von vierhundert Jahren gerecht und human auf eine Milliarde Menschen begrenzt wurde, waren kommende Generationen gesichert und Lebensraum für zehntausende Jahre arrangiert. Auch uns hätte es sonst nicht gegeben. Schöne, heile Welt.

Dies war der Geniestreich, es war die Verwirklichung der Verheißung einer sozialen Gemeinschaft aller Menschen. Verlierer gab es nicht, nur Gewinner. Denn auch die, denen der Reichtum begrenzt wurde, waren Gewinner: Sie gewannen die Zukunft, ein gesichertes Leben.

Es war in der Tat die Ausschaltung unsinnigen Wachstums, des Zinswachstums, Brunhild. Die upper class verlor nicht ihre Vermögen, aber diese wurden nicht mehr auf dem Buckel der Knechte vermehrt. Denn nichts ist falscher als der damalige burschikose Spruch: Geld muss arbeiten. Geld arbeitet nie. Es sind die krummen Rücken, die das Geld arbeiten lässt. Weil die meisten Vermögen nur durch menschenverachtendes Handeln, durch Machtausübung und Betrug entstanden waren, war es dringend geboten, dieses Vermögen sich nicht auch noch aus sich selbst wachsen zu lassen. Der soziale Friede war wichtig.“

Humphrey wirkte nun erschöpft. Er hatte sich mit allem Engagement konzentriert. Er überlegte, ob er es damit bewenden lassen sollte. Wäre weniger vielleicht mehr? Aber er raffte sich nochmals auf und fragte in die Runde, ob man denn die Auswirkungen dieses Klimaschocks auch noch wissen wollte. Das war keine Frage. Deshalb setzte er nochmals an, dies war ganz und gar sein Baby:

„Nach dem Versiegen des Golfstromes kühlte das nördliche Europa zunehmend ab. Über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt schob sich die Permafrostgrenze langsam gen Süden. Bis etwa zur Mitte Deutschlands veränderte sich die Vegetation dramatisch. Langsam glich sich der Habitus an die Verhältnisse in Sibirien, Kanada und Alaska an, das heißt, die Winter wurden sehr streng und das Frühjahr zog erst sehr spät ein, zu spät, um intensive Landwirtschaft zu betreiben. Wie jede Veränderung hatte auch diese eine gute Seite: Es war nun nicht mehr zu befürchten, dass das arktische Eis weiter abschmelzen würde. Diese Gefahr war zumindest gebannt und wenn es die Malediven auch nicht mehr gab, so atmeten die Millionen Menschen zum Beispiel in Bangladesh auf. Ihr Lebensraum hing am seidenen Faden.

Aber die Menschen waren erwacht und fegten in Revolten Regierungen, Wirtschaftsverbände und besonders die gierigen Monopolisten hinweg. Es gab unglaubliche Skandale bei Enthüllungen von Kartellen, die aus Profitsucht jeden Fortschritt auf dem Gebiet der grünen Energiegewinnung unterbunden hatten. Es kam heraus, dass längst schon die Menschheit mit ursprünglicher Energie versorgt werden konnte und dass dies erheblich billiger zu haben war. Es war die Phalanx der Monopolisten, der Kohle- und Erdölwirtschaft, der Konzerne und der Banken, die sich die Kohlekraftwerke als Melkkühe nicht nehmen lassen wollten, die weniger an Stromerzeugung, als vielmehr an der Monopolisierung des Marktes festhalten wollten. Mit dem zentralisierten Energieverteilsystem, dem „national grid“, hatte man alles fest unter Kontrolle und im Griff. Es war eine Lizenz zum Gelddrucken. Für Panik in dieser Mafia sorgte ein Plan, der aufgetaucht war, wie Solarenergie allein die gesamte bisherige Stromproduktion ersetzen und Probleme lösen konnte. CO2 wäre dabei kein Thema mehr gewesen.

Diese Zusammenhänge wurden jedem klar und man erkannte, dass eine Clique von Raffern bedenkenlos ihr Rad drehte, mit dieser Alleinstellung jedem wehrlos und beliebig in die Tasche griff und entgegen aller Vernunft die Gefahr für Atmosphäre und Natur, also auch für uns Menschen „billigend in Kauf“ genommen hatte. Der Volkszorn machte sich weltweit Luft. Das Fass lief über. Dieses Aha-Erlebnis veränderte die Welt zum Besseren.

Nach etwa achtzig Jahren beobachteten Wissenschaftler überrascht, dass Bewegung in das Packeis des Golfstroms kam. Das Süßwasser hatte sich weiträumig vermischt und der Transport der warmen Wassermassen stellte sich wieder ein. Zu diesem Zeitpunkt war auch bereits das Verbrennen von Öl und Kohle auf einen Bruchteil eingeschränkt und sowohl in der Atmosphäre als auch im Meerwasser wurden abnehmende Kohlendioxyd- und Kohlensäure-Konzentrationen gemessen. Etwa 2175 fand die Natur auf unserem Raumschiff Erde in die alte, labile Balance zurück. Man war aufgerüttelt und hatte es erkannt: Die Überschrift hatte „Letzte Warnung“ gelautet.

Zum Glück verfiel man nicht in den alten Trott. Die Aufklärung über die Katastrophe und deren Ursachen hatte sich verbreitet. Die Gier war durch die Angst gezähmt. Der Planet Erde ertrug uns wieder.“ Humphrey plumpste in seinen Sessel.

„Lieber Humphrey,“ fasste Helmar den Dank seiner Freunde zusammen, „das war ein Privatissimum, für das wir dir danken. Mir schwirrt der Kopf, aber ich habe alles verstanden. Dennoch bleiben viele Fragen offen und ich denke, wir sollten in dieser gemeinsamen Runde dies fortsetzen – wenn du Kraft und Lust dafür findest.“ Die Gruppe setzte sich in Bewegung und strebte nach draußen, in einen Tag des blauen Himmels, der jetzt, im Juni, mit mediterraner Wärme gut erträglich war. Es war ein Feiertag, aber die Erntearbeiten in den umgebenden Aprikosenplantagen ruhten nicht. Zu empfindlich waren diese Früchte und der Pflückzeitpunkt wurde von den Ernterobotern zuverlässig eingehalten. Ein Sensor ermittelte den Reifegrad und so war eine Frucht wie die andere. Automatisiert waren auch die sorgfältige Verpackung und der Versand. Nur wenige Menschen sah man, die Aufsicht führten und bei seltenen Störungen eingriffen.

Von all dem bemerkten die Festteilnehmer nur wenig, denn sie hatten sich in den Innenraum, in den im französischen Stil gestalteten Hof begeben. Hier plätscherten vier mittel hohe Fontänen in vier geometrisch angeordneten Wasserbecken, blühte es in allen Farben und vielfältige Sitzgruppen waren jetzt, vor der Mittagspause, recht gut besetzt. Es gab dem Ganzen ein höfisches Flair, dass, wer die Beine vertreten und nicht sitzen wollte, den Innenhof auf dem breiten Kiesweg in der abgeschlossenen Anlage im Uhrzeigersinn beschritt. Gemessen, meist im Gespräch – es fehlten wirklich nur die gepuderten Perücken, um in eine ferne, vergangene Zeit abzutauchen.

Einen besonderen Bezug zum heutigen Feiertag hatten alle, die hier teilnahmen. Alle hatten das fortgeführt, was vor den bewussten zweitausend Jahren die Basis für die Errettung der Menschheit gewesen war, so hochtrabend das auch klingen mag. Im kritischen Moment war alles auf den Punkt vorbereitet, um den Hebel umzulegen, die in die Irre laufende Entwicklung abzubrechen und die richtige Richtung zu wählen. Das war damals nicht unumstritten, denn die soziale Ordnung total umzukrempeln, war keine Selbstverständlichkeit. Wäre Helper nicht so autoritär, so zielgerichtet gewesen – es gäbe diese Zivilisation nicht mehr.

Das wäre übrigens, wie alle akzeptierten, durchaus kein Weltuntergang gewesen. Mutter Natur hätte das hingenommen und die Evolution ungerührt fortgesetzt – wahrscheinlich ohne hochentwickeltes Leben. Es wäre dies dann das Zeitalter der Insekten geworden. Vielleicht auch zurück zum Ausgangspunkt, zurück ins Meer.

Aber rechtzeitig, im Sinne dieses Wortes „zum richtigen Zeitpunkt“, war über einige Jahrzehnte hinweg Unbehagen über den Raubbau an den Ressourcen und die damit nicht einzuschätzende Folgewirkung auf das gesamte System des Planeten immer größer geworden und die Ersten stellten sich quer. Quer gegen die Nutzung der Atomkraft, deren Abfall man nicht neutralisieren konnte und der über zehntausende Jahre weiter strahlen würde, quer gegen die Belastung der Atmosphäre mit dem schädlichen Kohlendioxyd.

Eindringliche Warner aus der Wissenschaft erhoben ihre Stimme. Aber zu fest war das mafiöse Gefüge der Nutznießer verkettet, als dass dort, bei den angeblichen Versorgern mit den Grundbedürfnissen Energie, Wasser, Nahrung, eine Umkehr im Denken hätte eintreten können. Es ging um das Wichtigste auf jener Erde: Geld und Macht. Die Vernunft war nicht mehr an Bord. Das egoistische und der Selbsttäuschung dienende Leitmotto hieß: Uns wird es noch aushalten.

So wäre es endlos bis zum point of no return gegangen, wenn nicht der Paukenschlag der Natur erfolgt wäre. Das Problem wurde zum Weltproblem und verdrängte alle anderen Zwistigkeiten. Man einigte sich weltumspannend in unglaublich kurzer Zeit auf ein Prozedere, setzte den Krisenstab ein und die Dinge nahmen ihren Lauf. Der Grund für dieses reibungsarme Vorgehen war: Angst. Keiner konnte mehr entkommen, war deutlich geworden.

Lange schon war klar, dass die Energieversorgung ohne Belastung der Umwelt der Schlüssel für nachhaltige Besserung der Situation sei. Über zwei Jahrzehnte hinweg hatte eine immer stärker werdende Öko-Bewegung die Wege dahin aufgezeigt, allerdings sehr halbherzig und mit sich selbst nicht eins. Die sogenannte erneuerbare Energie wurde gefördert, aber auch da wieder bestanden so viele Zwänge auf Kompromisse, auf Rücksicht auf Interessengruppen, dass der Erfolg sehr mager ausfiel.

Einen nennenswerten Beitrag zur Stromerzeugung sollte beispielsweise die Windenergie liefern. Eine hübsche Idee. Aber leider unzuverlässig. Der Wind bläst meist nicht mit der erforderlichen Stärke, die Errichtung der Windkraftanlagen brauchte mehr Energie, als dann in naher Zukunft zu ernten war und die Folgen für Nachbarschaft, für Tierschutz und für nicht zuletzt die Ästhetik der Natur waren ein bitterer Beigeschmack. Ohne staatliche Zuschüsse, ohne Belastung der Stromabnehmer ging das nicht. Es war ein teures Vergnügen. Aber man hatte sein Aushängeschild und die wirtschaftlichen Interessen waren auch nicht ohne.

Eine zweite Fehlentwicklung war Gasgewinnung aus biologischer Abfallverwertung. Angeregt wurde man durch die kaum noch zu beherrschenden Abfälle in der Massentierhaltung. Die Idee, Mist und Jauche in kostbares Biogas umzuwandeln, hat etwas für sich. Leider war das Resultat ungenügend. Die Abfälle brachten nur geringe Erträge, man brauchte Biomasse, um groß und lohnend ins Geschäft zu kommen. Also bauten die Bauern landschaftfüllend schnellwüchsigen Mais an, aus dem konnte man problemlos die Biomasse gewinnen. Oder Getreide. Oder man holzte junge Wälder ab. Die Mexikaner lebten wesentlich von aus den USA importiertem Mais. Der war billig. Den brauchte man für die täglichen Tortillas. Plötzlich gab es diesen preiswerten Mais nicht mehr. Die Amerikaner machten lieber Biomasse zur Gaserzeugung daraus, was scherte die der Hunger der Nachbarn? Das war nur eine von vielen negativen Folgen. Die Tierwelt veränderte sich. In den riesigen Feldern vermehrten sich Wildschweine unkontrolliert und gruben den Herrschaften den Hausgarten um, wenn der Mais vom Feld war. Sie ist eben sehr kompliziert, diese Lebensgemeinschaft auf Erden.

Die Denker und Lenker kamen natürlich auch auf die nahe liegende Idee, die Energieeinstrahlung der Sonne direkt zu nutzen. Photovoltaik war damals das Zauberwort. Es war der erste Schritt auf dem rettenden Weg.

In der Gesellschaft war eine Verkrustung geschäftlicher Abhängigkeiten und amoralischer Sitten entstanden. Die zu überwinden, war so lange unmöglich, wie nur noch irgendein Mauseloch für den Rückzug mit dem ergaunerten Vermögen als Ausweg blieb. Diese persönlichen Rettungsringe gingen aber mit dem Einsetzen der Naturkatastrophe für alle den Bach hinunter. Jetzt waren wirklich wieder alle auf gemeinsamer Augenhöhe. Es ging um das nackte Leben.

Diese Verkrustung, diese Zwänge, die den unauflösbaren Knoten bildeten, hatten einen Namen: Rechtsstaat.

Humphrey drehte auf dem Kiesweg zusammen mit Helmar, Helia und Enzo seine Runden. Sie waren just bei diesem Sachverhalt angekommen, denn natürlich ging ihr Gespräch um nichts anderes. Er schlug vor, dass er diese Zusammenhänge nach der Pause als Thema aufnehmen sollte.

Als das aus Meissner Porzellan nachgebildete Glockenspiel wie schon vor zweitausend Jahren die Melodie „Üb’ immer Treu und Redlichkeit“ ertönen ließ, verließen alle Besucher im Zwinger und im Zwingerhof durch das Kronentor über den Zwingergraben das Gebäude und fanden sich ganz in der Nähe zu einem Festbarbecue ein. Für jeden Geschmack waren Fleisch, Fisch, Schalentiere und Gemüse gegrillt. Man langte gern zu, wenn es auch nur zwei, drei kleine Stücke waren, die man auswählte und damit den Hunger stillte. Die Nahrung wurde längst nicht mehr auf gehäuft aufgefüllten Tellern serviert. Ein kleines Glas Wein vom nahen Hohentwiel wurde gereicht, ein heller Tropfen, der der Zunge schmeichelte.

Ein halbes Stündchen im Schatten naher Olivenbäume auf der täglich vom Mähroboter gepflegten, frisch gemähten und duftenden Rasenfläche schloss sich an, dann ging man zurück in die Seminarräume und setzte das Gedenken an die Bedeutung dieses Tages fort.

Helmar ergriff als Erster das Wort.

„Humphrey hatte es erwähnt, dass wir Wochen brauchen, um alle Ereignisse erschöpfend behandeln zu können. Wir haben einen guten Überblick erreicht und wollen auf meinen Vorschlag hin uns in erster Linie mit SH beschäftigen, unserem Wirken und unserem Beitrag zur Fortführung dieser Stiftung. Vorher werden wir aber noch hören, was es mit der besonderen Rolle des Rechtsstaates auf sich hat. Das klingt in meinen Ohren merkwürdig, dass ein Konstrukt des Rechtsstaates zerschlagen werden musste, um das Ganze zu retten. Humphrey, hier hattest du vorhin aufgehört?“

Das war eine Aufforderung, das Wort zu nehmen.

„Nun, es war für uns Historiker ein Puzzle, dies herauszufinden. Wo immer wir auf den Rechtsstaat in Texten stießen, war dies angelegt, den Eindruck gleicher Chancen, gleicher sozialer Rechte herauszustellen. Bis wir herausfanden, dass dies ein Schutzschild der herrschenden Klasse war, Ansprüche abzuwimmeln. Ihr seht doch, sollte das heißen, dass wir genau das tun, was in unseren Gesetzen, in unseren Verordnungen und in der Verfassung steht. Der Rechtsstaat war nicht in erster Linie ein Gerechtigkeitsstaat, das wurde nur vorgetäuscht, es war der Verweis darauf, dass sich jeder, also auch der Staat, an diese Gesetze und Verordnungen zu halten hatte. Damit schien in der Tat Rechtsgleichheit hergestellt. Aber sobald man die Frage stellte, wer denn diese Gesetze, diese Rechtsordnung gemacht hatte, dann wurde schnell klar, dass dies ein Rechtssystem für die Herrschenden war. Seit Jahrtausenden waren diese Gesetze stets von denen erlassen worden, denen sie nützten. Es war eben doch keine Chancengleichheit, es war Willkür. Mit diesen Gesetzen, besonders mit dem BGB, dem Bürgerlichen Gesetzbuch, war minuziös alles um Besitz, Geld, Zinsen, Vermögen geregelt. Nur Empathie, soziale Gleichheit sucht man vergebens. Es war in der Tat so, dass sich jeder auf das Gesetz, auf den Rechtsstaat berufen konnte, wenn er nur findig genug war, die Lücken zu entdecken. Mit diesem Recht konnte bei etwas Geschick jede soziale Untat begründet und straffrei durchgesetzt werden. Der Rechtsstaat war ein faules Ei. Er war parteiisch.

Wie sehr dieses Recht auf die Besitzstandswahrung und auf die Anhäufung von Privatvermögen ausgerichtet war, erkennt man an einigen Kuriositäten. In diesem BGB ist ein Paragraf, der festlegt, wem wann wilde Tiere zustehen. Gleich darauf, in den §§ 961 bis 964 wird erläutert, wem ein Bienenvolk gehört, das „auszieht“ und von seiner Königin in eine neue „Bienenwohnung“ geführt wird und wie dies juristisch zu sehen ist, wenn darin, in dem Bienenstock, bereits ein Volk mit einer Königin sitzt und welche Rechte der Imker hat, beim Verfolg fremde Grundstücke zu queren und das Volk auch mit Sachbeschädigung aus der neuen Wohnung herauszubrechen. Waren diese Juristen normal? Stritt man um solche Lappalien? War diese Rechthaberei der Grund für den sozialen Unfrieden?

Aus diesem Besitzdenken, aus dieser Vormacht des Geldes, aus diesem Wust an Regeln und Rechten, wurde ein unlösbarer Filz. Jeder hatte seine Sonderrechte. Bei der Altersversorgung gab es Pensionen, die am letzten Gehalt festgezurrt waren, Renten, die trotz ständiger lebenslanger Arbeit nicht mehr zum Leben reichten, Altersbezüge für die Mandarine, Abgeordnete, Politiker, die ohne je den Nachweis eine Leistung erbracht zu haben, in Sänften geschaukelt wurden. Wer sein Geld mit Arbeit verdienen musste, kam nie auf einen grünen Zweig, wer aus dubiosem Vermögen, mehrheitlich an der Gesellschaft vorbei erschwindelt und unrechtmäßig erworben, lebte, der lebte von Zinsen, die andere mit krummen Rücken anschaffen mussten. Diese sogenannten Kapitalerträge wurden darüber hinaus viel niedriger besteuert als durch Schweiß erarbeitetes Geld. Wieso? Weil das Kapital generell bei den Herrschenden lag und man sich Vorteile zuschob. Aus unserer Sicht schamlose Privilegien. Ich könnte noch stundenlang diese Zweiteilung der Gesellschaft auflisten. Nein, dieser Rechtsstaat war eine Schimäre. Es wundert mich nur immer wieder, dass besonders die jungen Leute sich das haben gefallen lassen. Dass sie sich nicht empörten. Alles gründete nämlich auf einer Doktrin, wonach einmal erlangtes Vermögen für immer völlig unantastbares Privatvermögen sei. Für alle Zeit. Über viele Generationen hinweg. Wir stehen fassungslos davor und fragen: Ja, hatten die denn noch nie etwas vom Primat der Gesellschaft gehört, schützten die ihren christlichen Glauben nur vor? Es ist dies ein Rätsel, das ich für mich nicht lösen konnte.

Dieser Filz hatte dafür gesorgt, dass Sonderrechte für Konzerne galten, die als „Versorger“ am Markt waren. Das waren die Explorer für Öl und Kohle, die Erzeuger von Energie und Grundstoffen, die großen Konzerne, allen voran die Banken. Sie alle waren in offenen oder geheimen Kartellen verbunden. Der Verbraucher hatte buchstäblich keine Chance. Er musste bezahlen, was gefordert wurde. Dieser Sumpf war eng verschwägert mit der Politik. Nicht die politische Führung, nein, die Wirtschaft, besonders die Geldwirtschaft, mit ihren Gewinnmaximen gab die Richtung an. Nur so konnte die gefährliche Situation überhaupt eskalieren. Weil Gier blind macht, blind auch für drohenden Suizid. Hätte die Vernunft geherrscht, wäre es nie so weit gekommen. Man paralysierte sich gegenseitig. Deshalb sprach ich vom Geniestreich des Henry Helper. Er fackelte nicht lange, sondern kehrte zur Vernunft zurück. Er war der Held.“

„Wenn wir diese euphorischen Bilder vom Fall der Mauer in Berlin sehen“, begann Wernher auszusprechen, was ihn beschäftigte, „wenn man dann keine zwei Jahrzehnte später die geradezu ausweglose Situation in vielen Ländern und besonders in dem vermeintlichen Zugpferd, der EU, bedenkt, dann muss da doch irgendwo ein Knackpunkt sein. Ich kann diese Zwänge nicht erkennen, seht ihr das klarer?“

„Wir kommen immer wieder auf den Punkt zurück: es war der unauflösbare Knoten.“ Humphrey sagte das mit großen Augen. „Durch die unzähligen Konferenzen, fast Woche für Woche, weltweit, zwischen immer den gleichen Premiers und Fachministern, wurde auf allen Ebenen versucht, den Ball flach zu halten. Ich glaube nicht an das, was in den Protokollen steht, welche Ansichten da geäußert wurden. Diese Leute waren gut informiert, sie wussten, was auf dem Spiele steht. Dennoch hat es fast nirgends eine Lösung, eine Einigung gegeben. Nicht bei Umweltschutz, bei Währungen, bei Handelsvereinbarungen, bei Abrüstung. Es war ein ständiges Taktieren und ein Verschleiern der Situation der eigenen Bevölkerung gegenüber. Es konnte so nicht weitergehen, das wussten Alle. Aber sie machten doch so weiter. Blind, voller Misstrauen, wieder mit dem Leitsatz: Mich wird es noch aushalten. Dabei hätte es Alternativen gegeben, es war nicht alternativlos, wie posaunt wurde. Aber: jede vernünftige Strategie hätte Zugeständnisse erfordert. Dazu war keiner bereit – und die nächsten Wahlen standen vor der Tür. Lieber rannte man sich sehenden Auges die Köpfe ein. Die nationalen Egoismen verhinderten rechtzeitiges Umsteuern. Es waren auch die mit heißer Nadel entworfenen unreifen Entscheidungen über EU und Euro, die den Ausschlag gaben. Der Euro hatte keine Chance, er war eine Totgeburt.“

Humphrey war wieder richtig in Fahrt gekommen.

„Entmutigend – dieser Niedergang, diese Ausweglosigkeit. Es war die Umschlingung der Menschheit durch das Geflecht namens Rechtsstaat. Es war Paralyse. Es gab dafür ein Unwort: es war alternativlos.

Aber in allen Teilen der Welt formierte sich Bewusstsein dafür, dass man selbst verantwortlich sei für die Zerstörung der Umwelt und die Verformung der Gesellschaft. Idealisten wollten die Welt auf den Kopf stellen, wollten die Umwelt wieder in Ordnung bringen, wollten sich nicht von egoistischen politischen Ränkespielen um ihre Zukunft bringen lassen und sahen ein, dass der Fetisch Wachstum sie an den Abgrund führte.

Dabei spielte ein Modell zunächst fast keine, dann aber, als sich die Gefahr manifestierte, die Hauptrolle: Energie war ein Menschenrecht. Jeder hatte Recht auf ausreichenden, freien Zugang. Das klang abenteuerlich, war am Ende aber die letzte Rettung. Die Durchsetzung dieser Forderung war der Weg zum Aufbrechen der Verkrustungen. Mit Energie, Wasser, Atemluft durfte kein Profit mehr zu erzielen sein. Die Geldmafia musste mit den eigenen Waffen geschlagen werden.

Dabei erwies sich SH als der Schlüssel zum Ziel. Weil SH aber aus naheliegenden Gründen heute, am helperday, wie es in Amerika heißt, für uns Anwesende zur Hauptsache ihres Lebens wurde, möchte ich jetzt all diese interessanten jedoch nebensächlichen Entwicklungsstufen verlassen und über den Siegeszug von SH einen Abriss geben um danach in der Diskussion einzelne Aspekte zu klären. Kurze Pause jetzt also um dann den Endspurt anzugehen.“

Viele Teilnehmer standen auf, gingen auf die Terrasse, vertraten sich die Beine. Ein Getränk, ein Stück Gebäck. Es war alles bereit. Man musste sich innerlich sammeln.

Helmar und Enzo standen zusammen. Sie hatten sich oft intensiv mit der Historie beschäftigt und sich manches Mal die Köpfe heiß geredet. Was jetzt folgen sollte, kannten sie recht gut. Wie gering war in ihren Augen damals die Chance gewesen, die Idee zu verwirklichen, wie unerschütterlich muss der Glaube der mutigen Vorfahren an das Gelingen gewesen sein?

Wie eine konspirative Seilschaft hatten Gleichgesinnte die Idee, die längst in der Welt war, perfektioniert und es erreicht, nach und nach einen Sog zu entwickeln, dem am Ende kein Volk sich entziehen konnte. Es war die soziale Revolution durch die Hintertür.

Maria kam hinzu. Sie war Jahrzehnte als Journalistin in der Presseabteilung von SH tätig gewesen. Viel Zeit hatten sie und ihre Mitarbeiter in den Archiven mit dem Zusammentragen der Geschichte ihrer Stiftung verbracht. Alle hörten ihr gern zu, wenn sie davon erzählte.

„Nun bin ich neugierig“, sprach sie die beiden lachend an, „wo Humphrey damit beginnen will. Wenn er nicht aufpasst, müssen wir uns doch noch hier einquartieren“.

„Ich denke, er hat sich schon sehr verausgabt und wird sich kurz fassen. Diesen Teil können wir in einem Frage- und Antwortspiel etwas auflockern“, erwiderte Enzo. „Dabei bewegen wir uns doch auf vertrautem Terrain“.

„Ist dir denn klar, dass der Beginn so chaotisch zustande kam, wie die ganze Zeit war?“ fragte Maria.

„Ja, geplant war wohl etwas ganz Anderes und heraus gekommen ist ein Geniestreich, zufällig“, sinnierte Helmar.

Nein, es konnte so auch niemand von Anfang an planen. Es ergab sich Schritt für Schritt. Es war ein Ausweichen vor unüberwindlichen Widerständen und bei jedem Schritt zurück hatte man einen weiteren kleinen Schritt zu einer genialen Lösung geschafft. Das konnte so niemand planen.

Die immer dringender werdende Entscheidung, wie die Zukunft der CO2-freien Energieerzeugung aussehen sollte, lief am Ende mit dem Schwergewicht auf Nutzung der Solarenergie hinaus. Photovoltaik war der Favorit. Techniker und Tüftler besonders in Deutschland hatten große Fortschritte gemacht. Die Grünen sorgten für das Hinterfüttern der zunächst noch sehr hohen Anfangsinvestitionen. Bald gab es in Deutschland allerorts erste Solardächer, einige putzige Anwendungen und schließlich gar ein großes Sonnenkraftwerk bei Leipzig. Die Erfolgsmeldungen überschlugen sich, die Grünen bejubelten damals, so etwa im ersten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends, ihren „Sieg“. Aber es wurde bald ruhiger. Der große Wurf war das nicht. Es war ein Pyrrhussieg.

Man erkannte: Der Wirkungsgrad der Ausbeute an eingestrahlter Energie hing davon ab, dass die Einstrahlung möglichst senkrecht erfolgte, dass also die anzuzapfende Sonne möglichst hoch am Himmel stehen sollte. Jeder Winkelgrad weniger als 90° verlängerte den Weg der Strahlung durch die Atmosphäre und zehrte an der Kraft. Außerdem war Rentabilität nur zu erzielen, wenn jahreszeitliche Schwankungen in engen Grenzen blieben. Zählte man dabei eins und eins zusammen, lag Deutschland als Standort auf den hinteren Plätzen. Man musste, um dies zu optimieren, notgedrungen die heimische Scholle verlassen um anderswo Photovoltaikplatten aufzustellen. Das war der Ausgangspunkt. Dass am Ende eine viel perfektere Lösung daraus wurde, hatte mit dem Kampf gegen die Monopole zu tun. Denn diese mussten überwunden, nein, überlistet werden. Auch wenn zuerst niemand wusste, wie man das schaffen könnte.

Es waren die hellsten und längsten Tage des Jahres. Die Stunden waren fortgeschritten, aber die Sonne ließ das vergessen. Ein wenig hatte die drückende Wärme abgenommen. Die Stille des heißen Tages wich der Betriebsamkeit des nahen Abends. Von der Terrasse hatte man einen Panoramablick über die Wasserfläche. Gegenüber, im Dunst der Ferne, die zum Säntis aufsteigende Landschaft. St. Gallen, zur bezaubernden Kleinstadt geschrumpft, war zu erahnen. Es war schön hier und die vielen Bänke waren von angestrengten Seminarteilnehmern besetzt. Blickfang war die alle Augen anziehende unübersehbar große Kolonie dicht an dicht stehender Flamingos und die ständige Bewegung ihrer langen, wie Schläuche beweglichen Hälse zwischen den langen staksigen Beinen, wenn sie das seichte Wasser nach den Kleinkrebsen durchseihten, die sich in dem Biotop entwickelt und damit diesen Nahrungsspezialisten erst eine Lebensgrundlage gegeben hatten. Man hatte den Eindruck einer flachen, über dem Wasser schwebenden rosa Wolke.

Ein paar Mal noch strecken und sich recken, dann ging es wieder hinein. Türen und Fenster wurden geschlossen, um die Klimaanlage wirksam werden zu lassen. Ein paar Raschler noch, etwas fiel zu Boden, ein Komu piepte in einer Tasche – dann wurde es erwartungsvoll still.

anno 4025

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