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Kapitel 3

Das Gespräch zwischen Alessandra und di Grassi war abrupt unterbrochen worden, als die Meldung über einen tödlichen Flugzeugabsturz eingegangen war. Da es sich um einen erfahrenen Piloten gehandelt hatte, sei ein Mord nicht auszuschließen, hatte es geheißen, und so befand sich Alessandra kaum zwanzig Minuten nach ihrem offiziellen Dienstbeginn auf dem Weg zu ihrem ersten Mordfall – neben Commissario Montebello sitzend, der seine feuerrote Alfa Giulietta mit Vollgas in Richtung Tatort steuerte.

Montebellos Laune war allerdings nicht die beste an diesem Vormittag. Er war es gewohnt, alleine zu arbeiten, und das Einarbeiten neuer KollegInnen gehörte nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen – nicht zuletzt deswegen, weil ihn dies jedes Mal an einen früheren Fall erinnerte, in dem sich ein neuer Mitarbeiter als Triebtäter herausgestellt hatte. Montebello dachte nicht gern an diese Episode zurück, die er gern als »Verrat in Venedig« bezeichnete.

Dennoch versuchte er, ein erstes Kennenlerngespräch mit seiner neuen Kollegin zu führen. Immerhin würde sie ihn die nächsten drei Monate begleiten, und sie wirkte interessant und außergewöhnlich genug, um ihn neugierig zu machen.

»Sie heißen Alessandra, richtig?«, begann er.

»Das ist korrekt, Commissario. Alessandra Zarro.«

»Ihre Akte liest sich beeindruckend. Ich konnte gestern einen Blick darauf werfen. Sie haben die letzten zehn Jahre für die Sitte gearbeitet, verfügen über eine Nahkampfausbildung und haben sogar Martial-Arts-Kämpfe bestritten. Das allein klingt schon äußerst spannend. Was ich aber am Interessantesten fand, war die Bemerkung Ihres früheren Vorgesetzten, dass Sie eine begabte Profilerin sein sollen. Dies ist der Punkt, der mir besonders gut gefällt, denn eine solche Begabung findet man nicht oft. Woher rührt diese Fähigkeit? Sie scheinen eine Art Superwoman zu sein, wenn man den Vorschusslorbeeren ihrer früheren Bosse Glauben schenken kann.«

Alessandra grinste. So viel Humor hatte sie Montebello nicht zugetraut. Nicht, nachdem er sie während der ersten fünf Minuten seit Fahrtbeginn nur stoisch angeschwiegen hatte. Offenbar hatte er ein paar Minuten gebraucht, um richtig wach zu werden.

»Nein, Superwoman bin ich sicherlich nicht«, antwortete sie, »ich denke, dass es an meiner harten Jugend liegt. Ich wuchs in einem Vorort von Rom auf, verbrachte viel Zeit in Gangs, trieb mich in einschlägigen Vierteln herum – das hat mich geprägt. Deshalb kann ich mich wohl gut in die Denkweise von Kriminellen hineinversetzen.«

»Hm, klingt logisch. Aber sagen Sie, wie kamen Sie aus diesem Milieu denn wieder heraus? Das gelingt nicht vielen.«

»Zufall! Meine Eltern mussten umziehen, weil mein Dad einen neuen Job in Norditalien bekam, und so kam ich schlagartig in ein völlig neues Umfeld – und damit in wesentlich ruhigeres Fahrwasser. Und mit siebzehn Jahren hatte sich alles um einhundertachtzig Grad gedreht. Plötzlich fasste ich sogar den Entschluss, Polizistin werden zu wollen. Nicht zuletzt, um meine Vergangenheit endgültig hinter mir zu lassen – respektive, sie sinnvoll zu nutzen. Meine Mutter freute sich damals unendlich darüber, denn eine Zeit lang hatte es in Rom wirklich danach ausgesehen, als würde ich den Absprung nicht mehr schaffen.«

»Hatten Sie denn auch mit Drogen zu tun, wenn Sie mir diese indiskrete Frage erlauben?«

»Nun, ich will ehrlich sein, Commissario. Haschisch habe ich mal ausprobiert, ließ aber sofort wieder die Finger davon. Das war nichts für mich. Ich verlor die Kontrolle, das gefiel mir nicht. Ich habe gern die Kontrolle über mich und meine Umwelt.«

Montebello nickte anerkennend.

»Es freut mich, dass Sie die Kurve gekriegt haben.«

Er legte seine anfängliche Zurückhaltung Alessandra gegenüber zunehmend ab. Sie schien in Ordnung zu sein. Sie hatte nicht vergessen, woher sie kam, verfügte über ein hohes Maß an Selbstdisziplin und wirkte ehrlich. Alles in allem ein positiver erster Eindruck, fand Montebello.

»Ab heute sind Sie in der Königsdisziplin, Alessandra. Beim Morddezernat. Hier werden neue Herausforderungen auf Sie warten.«

Montebello bog mit quietschenden Reifen nach rechts ab.

»Ich weiß, Commissario. Umso mehr freut es mich, von einem Profi wie Ihnen eingearbeitet zu werden. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«

Montebello gab sich bescheiden.

»Ach, ich kenne einige der Geschichten, die über mich erzählt werden. Die Leute übertreiben gern. Geben Sie nicht allzu viel darauf. Folgen Sie lieber Ihren eigenen Instinkten. Diese sind elementar in unserem Beruf. Versuchen Sie immer, frei und unvoreingenommen zu urteilen, damit werden Sie die größten Erfolge erzielen. Auf diese Weise kann Ihnen kein Zeuge oder Verdächtiger so leicht etwas vormachen.«

»Ist das schon meine erste Lektion, Boss?«, antwortete Alessandra lächelnd.

»Wenn Sie so wollen, ja. Übrigens: Sie müssen mich nicht Boss nennen. Ich bin Mauro. Und Sie können mich gern duzen.«

»Oh, das freut mich. Ich bin Alessandra.«

Alessandra strahlte. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten hatte sich ihr Kennenlerngespräch doch positiv entwickelt, und sie reichte Montebello zufrieden die Hand.

»Es freut mich wirklich sehr.«

»Mich ebenfalls, Alessandra.«

Als die beiden knapp zehn Kilometer vom Flughafen entfernt waren, konnten sie eine senkrecht aufsteigende, pechschwarze Rauchsäule am Himmel erkennen, die so starr und regungslos wirkte, als wäre sie von einem Maler in den Himmel gezeichnet worden. Der Einschlag der Maschine musste fürchterlich gewesen sein.

»Du meine Güte!« Alessandra konnte kaum glauben, was sie sah. »Um was für ein Flugzeugmodell handelte es sich bitte? Um einen Jumbo-Jet?«

»Ich weiß es nicht, Alessandra. Allerdings kenne ich den Umberto Nobile Flughafen aus früheren Tagen. Es ist ein Privatflughafen. Hier landen normalerweise kleine bis mittelgroße Maschinen. Für große Jets ist die Landebahn zu kurz. Sie ist nur für Propellerflugzeuge gedacht.«

»Oh, Sie kennen sich mit Flugzeugen aus?«

»Du!«, korrigierte Mauro.

»Sorry. DU kennst dich mit Flugzeugen aus?«

»Ja, ein wenig«, erklärte Mauro, »doch das Einzige, das ich selbst fliegen kann, ist ein Flugdrachen. Dies kam mir bei einem Fall in der Vergangenheit übrigens mal zugute. Es ging um einen Mord am Gardasee.«

»Wirklich? Das klingt spannend. Das musst Du mir unbedingt einmal erzählen. An den Legenden über dich scheint also doch etwas dran zu sein?«

»Nun ja, den einen oder anderen Fall hab ich schon gelöst, das will ich ja gar nicht bestreiten. Manchmal auch mit unorthodoxen Mitteln, wenn man so will. Ich werde dir die Geschichte vom Gardasee erzählen, sobald wir Zeit dafür finden. Ich konnte den Täter damals aus der Luft überwältigen.«

»Wow! Klingt nach James Bond!«

»Na ja, letztlich habe ich meinen Job gemacht. Du musst mir im Gegenzug erzählen, was es mit deinen Martial-Arts-Fähigkeiten auf sich hat. Angesichts des Milieus, in dem du ermittelt hast, kamen diese beizeiten sicher zum Einsatz?«

Alessandra drehte ihren Kopf zum Seitenfenster.

»Hin und wieder«, murmelte sie.

»Bescheidenheit ist eine lobenswerte Tugend«, sagte Montebello und lächelte anerkennend.

Er bog auf eine lange, zwei Kilometer lange Gerade ab, die direkt zum Flughafen führte. Die Straße war ausschließlich für den Flughafen gebaut worden und wirkte wie ein verlassener Highway in den endlosen Weiten Nordamerikas. Auf halber Strecke kamen die beiden Ermittler an einer großen, bronzefarbenen Erdkugel vorbei, die fünf Meter im Durchmesser maß und auf einem quadratischen Betonsockel ruhte. Ein wahrlich gigantisches Symbol. Der Globus war umringt von einem roten Banner, auf dem in goldener Schrift »Welcome to Umberto Nobile Airfield« geschrieben stand.

»Recht beeindruckend«, fand Alessandra. »Da scheint jemand mächtig stolz auf seinen Flughafen zu sein.«

Mauro nickte.

»Ja, definitiv.«

Der Flughafen konnte von jeder Person frei befahren werden. Es gab kein Tor und auch keine Schranke. Montebello erklärte Alessandra, was es damit auf sich hatte.

»Hier werden nicht nur Charter- und Transportflüge angeboten, sondern auch Rundflüge für Privatpersonen. Darüber hinaus gibt es eine kleine Flughafenkantine, die von den Leuten besucht wird, die sich Starts und Landungen ansehen wollen oder sich nach ihren Rundflügen eine Tasse Kaffee gönnen möchten. Ich war selbst ein paar Mal mit meiner Familie dort.«

»Du hast eine Familie? Wie schön.«

Alessandras grüne Augen begannen zu leuchten.

»Ja, meine Frau Micaela und einen gemeinsamen Sohn, Jarno. Er ist neun Jahre alt, feiert aber morgen seinen zehnten Geburtstag.«

»Wie schön! Familie ist etwas Wunderbares. Ich hoffe, dass du morgen etwas Zeit für ihn an seinem Ehrentag finden wirst.«

»Das hoffe ich auch.«

Die junge Ermittlerin war für einen Moment ins Schwärmen geraten, wurde aber schnell wieder ernst: »Ich selber habe es bis heute nicht einmal geschafft, eine halbwegs stabile Beziehung aufzubauen – geschweige denn, an Nachwuchs zu denken. Tja, das liegt wohl am Beruf. Umso erstaunlicher, dass es bei dir klappt. Wie hast du das hinbekommen? Was ist der Trick?«

»Ich hatte Glück, würde ich sagen. Das große Glück, in Micaela jemanden gefunden zu haben, der seelisch stark genug war, dem Stress zu trotzen und genug Vertrauen in mich zu setzen, dass ich Tag für Tag heil zurückkehren würde. Anders wäre es nicht gegangen. Allerdings darf ich dir sagen, dass in mir mittlerweile der Gedanke reift, in den Innendienst zu wechseln, seitdem unser Sohn auf der Welt ist. Unser Boss, di Grassi, würde mich dort übrigens gern sehen. Er möchte längst in Rente gehen und sucht verzweifelt nach einem würdigen Nachfolger.«

»Di Grassi will in Rente gehen? Oh, das wäre schade. Er ist so ein sympathischer Mann. Und irgendwie lustig. Allerdings würde ich dir den Job natürlich auch gönnen. Aber erst, nachdem du mich eingearbeitet hast, abgemacht?«

Montebello lachte.

»Abgemacht!«

Die beiden erreichten den Flughafen und die Rauchsäule wirkte aus der Nähe noch deutlich bedrohlicher. Montebello parkte seinen Wagen direkt am Tower.

Ein gut gekleideter Mann in einem dunkelgrauen Maßanzug mit modischem weißem Schal und blondem Haar, das er zu einem Zopf zusammengebunden hatte, erwartete sie dort.

»Ich bin Aristo Venti«, stellte er sich vor, »der Inhaber dieses Flughafens.«

Montebello und Alessandra stellten sich ebenfalls vor und zeigten ihre Dienstausweise.

»Was ist passiert?«, fragte Montebello.

»Ich saß oben im Tower, wo ich die meiste Zeit verbringe. Von dort aus konnte ich den Absturz live mitverfolgen.«

Er deutete auf den etwa dreißig Meter hohen Tower.

»Was konnten Sie genau beobachten?«, fragte Montebello.

»Nun, es ging alles sehr schnell. Ich hatte dem Piloten die Starterlaubnis gegeben, dann flog er eine kurze Platzrunde und nahm anschließend Kurs auf Montenegro.«

»Auf Montenegro?«

»Ja, er sollte einen Überführungsflug dorthin durchführen.«

»Und dann?«, fragte Alessandra.

»Nun, ich sah ihm nach, so, wie ich es immer tue, wenn Piloten den Flughafen verlassen. Etwa eine Minute lang. Er befand sich in einem Steigflug und entfernte sich mit hoher Geschwindigkeit. Dann aber änderte er plötzlich den Kurs und flog schnurstracks zurück. Gleichzeitig neigte sich die Maschine jetzt steil nach unten. Ich dachte zunächst, Enzo würde das mit Absicht machen. Er flog immerhin eine legendäre Messerschmitt 109. Ich dachte, dass er vielleicht ihre Grenzen austesten wollte, um zu sehen, was die Maschine zu leisten imstande wäre, verstehen Sie?«

»Eine 109er?«, unterbrach Montebello. »Er flog eine Messerschmitt 109

»Ja, Commissario. Sie kennen die Maschine?«

»Natürlich. Das Flugzeug ist eine Legende – wenn man ihre dunkle Kriegsvergangenheit im Zweiten Weltkrieg mal außen vorlässt. Aber sagen Sie mir, wie kommt man denn an ein solches Flugzeug?«

Aristo Venti fühlte sich geschmeichelt.

»Nostalgische Flugzeuge sind mein Hobby, und sie sind gleichzeitig zu einem lukrativen Geschäftsmodell für mich geworden, Commissario. Ich kaufe sie, restauriere sie und verkaufe sie wieder. Im Fall der 109er hatte ich besonders viel Glück. Ich konnte sie von einem Landwirt erwerben, in dessen Scheune sie aus unerklärlichen Gründen siebzig Jahre überdauert hatte. So viel Glück hat man nur einmal im Leben, schätze ich.« Er hielt kurz inne. »Leider liegt sie nun am Boden. Zerborsten in tausend Einzelteile und für immer verloren.«

»Das tut mir wirklich leid für Sie, Signore Venti«, fuhr Montebello fort. »Aber Sie sagten, der Pilot wollte möglicherweise ihre Grenzen austesten? Die Maschine ist bestimmt nicht leicht zu fliegen.«

»Nein, ist sie nicht. Aber für Enzo war das eigentlich kein Problem. Er war mein bester Flieger. Selbst wenn eine Maschine zweitausend PS hat, so kann ein guter Pilot mit ihr doch fast alles tun, was er will. Sie ist außerdem extrem manövrierfähig und verwindungssteif. Genau dafür wurde sie ja gebaut. Es war wohl zu verlockend für ihn, sie an ihre Grenzen zu bringen.«

»Zweitausend PS, sagten Sie?«

Signore Venti nickte.

»Ja.«

»Und Sie denken, dass dies der Grund für den Absturz sein könnte?«

»Ich weiß es nicht, Commissario. Es liegt zumindest nahe. Ich habe keine andere Erklärung. Allerdings hatte ich ihm ausdrücklich verboten, sie derartig zu belasten. Sie war ja bereits verkauft. Enzo sollte sie lediglich heil nach Montenegro bringen.«

Venti rieb sich sein rechtes Auge, das leicht zuckte.

»Irgendetwas muss schiefgegangen sein«, fuhr er fort. »Ein Defekt wäre ebenfalls möglich. Enzo zog die Maschine einfach nicht mehr nach oben. Ich schrie verzweifelt ins Funkgerät. Aber es kam keine Antwort.«

»Keine Antwort? Warum nicht?«, schaltete sich Alessandra ein.

»Keine Ahnung. Es könnte eine Frequenzstörung gewesen sein. Heute Vormittag blies ein starker Wind. Dieser könnte den Funkverkehr beeinträchtigt haben.«

»Könnte der starke Wind auch den Flug beeinträchtigt haben?«

»Möglich wäre auch das, ja. Es fällt mir im Moment schwer, klare Gedanken zu fassen. Ich habe immerhin meinen besten Mann verloren.«

»Natürlich«, meinte Montebello, »aber sagen Sie uns doch bitte noch eines: Gibt es Aufzeichnungen des Funkverkehrs, der zwischen dem Tower und den Flugzeugen stattfindet?«

»Ja, gibt es. Sie werden jeweils wöchentlich aufgezeichnet, bevor sie dann wieder überschrieben werden.«

»Gut, dann möchte sich Sie bitten, uns den entsprechenden Datenträger mitzugeben.«

»In Ordnung. Ich werde ihn gleich holen.«

»Sagen Sie, befanden sich weitere Personen auf dem Flughafen, als es passierte?«

»Ja. Nora, die die Frau des Verunglückten ist, dann unser Mechaniker im Hangar, namens Augusto, und Odetta, eine junge Dame, die unsere Rundflüge organisiert und sich um die Flughafenkantine kümmert.«

»Sind das alle Mitarbeiter, die Sie beschäftigen?«

»Nein, es gibt noch zwei weitere Piloten. Doch diese waren heute nicht im Dienst. Samstags fliegen wir nämlich keine Transporte, wissen Sie. Das ist am Wochenende verboten, wegen des Fluglärms.«

»Also fliegen Sie an Samstagen und Sonntagen lediglich Rundflüge für Privatpersonen?«, fragte Alessandra.

»Genau. Die fliegen wir mit unserer kleinen de Havilland. Die Samstagsflüge übernimmt meist Odetta. In Ausnahmefällen auch mal ich.«

»Und der Überführungsflug? War der denn erlaubt an einem Samstag? Die Messerschmitt war doch bestimmt sehr laut«, fragte Montebello.

»Ja, ich hatte den Flug nach Montenegro extra bei der Luftfahrtbehörde genehmigen lassen.«

»Gut. Und um welche Uhrzeit ereignete sich der Absturz genau?«

»Fünf nach zehn, vormittags, würde ich sagen. Time of Departure – also Abflugzeit – war um zehn. Dann flog Enzo die erwähnte Platzrunde. Danach sah ich ihm etwa eine Minute lang nach, bis er fast außer Sichtweite war. Es folgte die unerklärliche Kehrtwende und der Sturzflug, der etwa fünfzehn bis fünfundzwanzig Sekunden gedauert haben dürfte. Er stürzte aus großer Höhe mit mindestens 500 km/h zu Boden. Der Absturz dürfte demnach gegen fünf nach zehn gewesen sein. Vielleicht auch um vier nach zehn. Ich war leider zu schockiert, um auf die Uhr zu sehen. Ich rief dann sofort den Notruf.«

»Gut, das genügt uns fürs Erste. Wo finden wir die drei anderen Zeugen? Wir benötigen auch deren erste Aussagen. Und anschließend würden wir gern zur Absturzstelle gelangen.«

»Hier können Sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, Commissario. Alle drei Zeugen befinden sich direkt an der Absturzstelle. Sie sind mit dem Flughafenjeep dorthin gefahren. Ich selbst war vorhin auch schon kurz dort, konnte es aber nicht ertragen.«

»Wie gelangt man dorthin?«

»Querfeldein. Sehen Sie die Rauchfahne?«

»Sie ist nicht zu übersehen.«

»Schön, wenn Sie direkt durch die Wiese fahren, sind es knapp tausend Meter bis zum Unfallort. Ich kann Sie in meinem privaten SUV dort hinfahren, wenn Sie möchten. Mit Ihrer Alfa würden Sie nicht weit kommen. Das Gras ist weich und morastig. Sie würden sofort steckenbleiben.«

»Danke, das ist nett von Ihnen.«

»Aber wenn Sie uns bitte vorher noch den Datenträger mit dem Funkverkehr holen würden.«

»Natürlich, Commissario.«

Auf dem Weg zur Absturzstelle überflog ein tieffliegender Rettungshubschrauber die Dreiergruppe.

»Der wird leider nichts mehr ausrichten können«, seufzte Aristo Venti, »der arme Enzo.«

»Wie hieß er denn mit vollem Namen?«, fragte Montebello und hielt sich mit beiden Händen fest, da der Jeep von Aristo Venti stark im Gelände schaukelte.

»Burdi. Enzo Burdi hieß er. Er war einunddreißig Jahre alt und ein hervorragender Pilot, wie schon erwähnt. Er hatte zudem viel Kunstflugerfahrung. Der Absturz ist und bleibt mir ein Rätsel. Ich hoffe, Sie beide können etwas Licht in die Sache bringen.«

»Wir werden unser Bestes geben«, meinte Alessandra. »Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Enzo Burdi?«

Signore Ventis rechtes Auge zuckte erneut, bevor er auf die Frage antwortete. »Mein Verhältnis zu Enzo?«

»Ja.«

»Nun, es war hervorragend. Wir respektierten uns. Er war immerhin mein bester Pilot.«

»Sie wirken trotzdem recht gefasst, Signore Venti, wenn ich das sagen darf«, meinte Alessandra und wieder zuckte das rechte Auge des Flughafenbosses. Auch Montebello bemerkte es dieses Mal und warf Alessandra einen kurzen Blick zu.

»In meinem Beruf muss man psychisch sehr stark sein«, rechtfertigte sich Venti, »sonst bringt man es nicht weit. Aber natürlich macht mich Enzo’s Schicksal betroffen, das dürfen Sie mir schon glauben. Vielleicht befinde ich mich im Moment in einer Art Schockstarre. Wer weiß? Ich habe dergleichen noch nicht erlebt.«

Mord im Cockpit

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