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Der Nussknacker

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Wie jedes Jahr, wenn es draußen bitterkalt und im Hause wohlig warm wurde, kramte die Familie in sorgfältig verschlossenen und verknebelten Kisten und hielt ihn schließlich in den Händen, den Nussknacker!

Eine aus Holz geschnitzte und lustig angemalte Figur.

Nach vielen Monaten der Dunkelheit, eingepackt in einer finsteren, muffigen Kiste, neben alten halb abgebrannten Kerzen, silbernen Kerzenhaltern, bunten Christbaumkugeln und leuchtend gelben Weihnachtssternen, stand er plötzlich wieder im hellen Rampenlicht. Mit einem alten Staubtuch wischte die Hausfrau sein im Laufe der Zeit leicht verschmutztes Äußeres blank und stellte ihn mitten auf den weihnachtlich geschmückten Esstisch.

Wie lange hatte er auf diesen Tag warten müssen! Endlich nun war er wieder Mittelpunkt, strichen ihn kleine Kinder über seinen lustigen schwarzen Hut oder seinen weiten roten Mantel oder lachten ihn frech in seine strahlend hellen Augen!

Weihnachtszeit!

Elf Monate hatte er diesem Tag, in der Regel dem 1. Advent entgegen gefiebert! Warum konnte es nicht das ganze Jahr Weihnachtszeit sein? Dann stände er immer im warmen, Licht überfluteten Zimmer und müsste nicht in diese furchtbare alte dunkle Kiste verschwinden!

Dem war aber nicht so und er musste sich mit den Gegebenheiten anfreunden, ob er nun wollte oder nicht!

So genoss er wie jedes Jahr seine Wiedergeburt und harrte der Dinge, die da kamen.

Mit Grausen dachte er dabei an das letzte Jahr, wo man furchtbar harte Nüsse in seinen Rücken schob und mit aller Gewalt öffnen wollte! Dabei nahm man keine Rücksicht auf seinen zarten Holzbau und um ein Haar wäre er mitten im Rückgrat abgebrochen, wenn der Hausherr nicht in letzter Minute den hoffnungslosen Versuch, diese Nuss zu knacken, aufgegeben hätte!

Wie er noch so an das vergangene Jahr dachte, spürte er, wie man ihn über den Tisch zog, eine Nuss in die dafür vorgesehene Öffnung steckte, und den Hebel herunterdrückte! Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten, denn dieses Knirschen und Knacken ging durch Mark und Bein und ließ ihn jedes Mal zusammenzucken, aber leider hatte sein Erfinder dafür keine Einrichtung vorgesehen!

Aber es ging alles gut!

Die Familie verspeiste fröhlich das Innere der Nuß und schob die nächste raue Schale in ihn hinein!

Knack, knirsch, knack!

So ging es einige Minuten ununterbrochen.

Der arme Nussknacker bekam kaum Zeit zum Atmen und mit jeder neuen Nuß schmerzte sein Rücken mehr! Leider hatte sein Schöpfer auch vergessen ihm das Sprechen beizubringen und so musste er Nuss auf Nuss in sich aufnehmen, obwohl er sich kaum noch bewegen, geschweige denn, um Beendigung der Nussknackerei bitten konnte.

Durch das Klingeln an der Hautür wurde sein Leiden zumindest vorübergehend unterbrochen.

Eine ältere Dame erschien im Raum und stieß einen spitzen, entzückten Schrei aus, als sie den Nussknacker auf dem Esstisch entdeckte:

„Ist der hübsch! So etwas suche ich schon lange!“

Sie nahm ihn in ihre Hände und streichelte ihn wie ein Kind. Dem Nussknacker gefiel diese Behandlung natürlich und wenn es ihm möglich gewesen wäre, er hätte der alten Dame einen Kuss verabreicht.

„Du kannst ihn mitnehmen“, sprach der Herr des Hauses, „er verkraftet ohnehin nur kleine Nüsse!“

Die ältere Dame strahlte, wickelte ihn in ein Stück Seidenpapier und steckte ihn in ihre Handtasche! Nun machte sich wieder diese unheimliche Dunkelheit breit, aber er spürte, diesmal würde es nicht so lange dauern!

Recht hatte er!

Nach etwa zwei Stunden erhob sich die Dame, ergriff ihre Tasche und verabschiedete sich.

Nun wurde es noch etwas dunkler und kälter!

Der Nussknacker bibberte in seinem dünnen Seidenpapier und hoffte auf bessere Zeiten. Der Wind schien durch die Tasche hindurch zu blasen und ihm wurde immer kälter.

So plötzlich wie es begonnen hatte, endete es auch wieder. Er spürte mit einem mal durch das Papier hindurch die warmen Hände der älteren Dame. Sie befreite ihn von der dünnen Verpackung, streichelte ihn erneut liebevoll, drückte ihn an ihre Brust und lief im herrlich erwärmten Raum auf und ab, bis sie unvermittelt vor einem großen, breiten, dunklen Schrank stehen blieb!

„Nein, nicht schon wieder in eine dunkle Kiste einpacken und hinter einer Schranktür verschwinden lassen“, dachte er.

Seine Sorge war unbegründet, denn die Dame ergriff ein kleines weißes Spitzendeckchen, legte es in ein Schrankregal und stellte den noch immer frierenden Nussknacker darauf! Dann trat sie zwei Schritte zurück, betrachtete ihr Werk, korrigierte noch einmal leicht die Stellung und nickte schließlich zufrieden lächelnd:

„Nun brauchst du keine dicken Nüsse mehr zu knacken! Ich erfreue mich an deiner Schönheit!“

Der Nussknacker konnte sein neues Leben fast nicht begreifen, aber war natürlich auf Grund dieser überraschenden Entwicklung überglücklich.

Tag für Tag, ob Weihnachten oder Ostern, ob Sommer oder Winter, er stand in einem wunderschönen Wohnzimmerschrank, und musste nie wieder in eine alte modrig, stinkende Kiste!

Und wenn die ältere Dame nicht gestorben ist, dann steht er auch heute noch auf seinem neuen Standort und erfreut sich seines neuen aufregenden Daseins!

Gute Nacht Geschichten Teil 2

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