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In der Ostwarte

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Targon dirigierte seine Leuchtkugel mit einem schnellen Wink noch höher hinauf und ließ sie mit einem grellen Wort aufleuchten. Woraufhin der Sprecher, welcher hoch oben auf einer Leiter stand, schnell die Hände vors Gesicht schlug. Doch der kurze Moment in welchem sein Gesicht zu erkennen war, hatte ausgereicht um sie alle in Kampfbereitschaft zu versetzen.

„Ein Ork!“ dachte Narael mit rasendem Herzen und einem Pfeil auf der Sehne ihres Bogens, bevor sie selbst es wusste. Sie war noch nie in ihrem Leben einem Ork begegnet, aber die Jahrtausende währende Feindschaft war ererbt und überliefert. In ihrem Geist flammte Wut auf. Wie viel Leid ihren Vorfahren von Kreaturen wie diesem da zugefügt wurde! Nur mühsam beherrschte sie den Impuls, diesen Ork dort oben auf der Stelle abzuschießen wie ein tollwütiges Tier.

„Ein Elb!“ dachte Gontar. „Sie wird mich erschießen!“ und fiel beinahe von der Leiter.

Auch ihn traf es wie ein Blitzschlag. Sein Herz raste und sein nächster Gedanke galt einer Waffe, obwohl er weder etwas vom Waffenhandwerk verstand, noch überhaupt eine Waffe besaß. Sein übernächster Gedanke galt der Flucht – doch wohin sollte er sich wenden, oben auf einer Leiter? Und am Fuße der Leiter eine Elbin mit flammenden Augen und wallendem Haar, welches beinahe schon ein Eigenleben führte!

Er kauerte sich zusammen und versuchte so viel wie möglich von sich selbst hinter der Säule zu verbergen, bevor er mit zaghafter Stimme rief: „Meister Farril? Helft mir, Meister Farril!“

Glücklicherweise war der Gerufene schon zur Stelle und trat soeben hinter einer anderen der mit Schriftzeichen bedeckten Säulen hervor:

„Friede, oh hohe Frau Elbin!“ sprach er und hob beide Hände in die Höhe. „Es wird nicht nötig sein den guten Gontar zu erschießen, auch wenn er ein Schüler ist, der all seine Lehrer Verzweifeln lässt!“

Ardun hätte am Liebsten laut losgelacht, wegen der verblüfften Gesichter seiner Freunde, aber zuerst musste er Narael beruhigen, denn sie hatte immer noch den Bogen im Anschlag und die Sehne bis hinters Ohr zurückgezogen.

„Stay thy hand, my Lady.“ bat er sie darum leise und beinahe zärtlich, doch Narael antwortete ihm ohne ihren Blick von dem Ork auf der Leiter zu nehmen:

„He is an Ork! I do not trust him and his kind!“

„Er ist kaum älter als Jengar, my Lady und der Mensch dort bürgt für ihn, so wie Kraan und ich zuvor für Bron gebürgt haben, weißt du noch?“ wenn es irgend möglich war, hatte er diesmal noch liebevoller zu ihr gesprochen, denn er wusste sehr wohl welche Gefühle nun in ihr tobten. Er konnte nur hoffen, dass die Erinnerungen an die Gepflogenheiten des grünen Hauses genügen würden um ihr heißes Herz zu kühlen.

Sekundenlang war alles still, nicht einmal ein Pferdeschweif bewegte sich.

Dann riss Narael den Bogen steil in die Höhe und mit einem Schrei schoss sie den Pfeil gegen die Hallendecke, wo er zersplitterte.

Während sie den Bogen wieder senkte, schaute sie mit strengem Gesicht zu dem Menschen herüber, der immer noch mit erhobenen Armen vor ihnen stand. „Sage mir, das - oder besser, sage mir warum, ich meinen Großmut nicht bereuen werde!“ forderte sie von ihm.

Bevor er antwortete verbeugte er sich mit immer noch erhobenen Händen so tief das er beinahe das Gleichgewicht verlor: „Im Namen des Königs heiße ich euch und eure Begleiter im Eidesland willkommen, hohe Frau aus dem Volke der Elben!“

Während Farril so sprach, murmelte Targon plötzlich: „König? - Aber das würde ja heißen . . .“

Doch bevor er aussprechen konnte was das wohl heißen würde erklärte Farril: „Wisset, das alle im Tal, ob Mensch oder Ork, den Frieden wahren, denn so will es der Eid. Aber für Gontar hier gilt dies noch mehr, denn als Klosterschüler der kleinen Mütter hat er gelobt, niemals Waffen zu tragen.“

Gontar schien verunsichert, beinahe so, als wäre Farrils Erklärung nicht ganz richtig. Darum fragte Narael: „Ist dem so? Du, ein Ork, dient den kleinen Müttern?“

„Nicht allen kleinen Müttern, hohe Frau!“ antwortete Gontar mit einem entschuldigenden Blick in Richtung Farril. “Ich diene Ranna!“

„Ranna! Natürlich dienst Du Ranna!“ antwortete Farril wie einer der sich gerade noch rechtzeitig erinnerte.

„Ranna!?“entfuhr es Birka, „Das ist ja unglaublich, wo wir doch . . .“

Narael unterbrach sie schnell, denn noch wollte sie den Grund ihrer Reise nicht offenbaren: „Auch wir kennen Ranna und nehmen es als gutes Zeichen ihren Namen hier zu hören!“

„Mehr noch – wir sind im Nordreich!“ jubelte Targon.

„Wo sind wir?“ fragte Kraan skeptisch.

„Das hier muss jener legendäre und geheimnisumwitterte Rückzugsort des Nordreichs sein, da bin ich mir sicher. Alles deutet daraufhin: Stanwark-Treppen, Stanwark-Säulen, Nordreich-Runen – und hießest du uns nicht im Namen des Königs willkommen?“ wandte er sich plötzlich an Farril.

Der so Angesprochene nickte nur. Targon fand, dass er nicht mehr nur überrascht, sondern beinahe schon erschreckt aussah.

Darum fragte er: „Meister Farril geht es euch gut? Ich hoffe Narael hat euch nicht allzu sehr erschreckt, mit ihrem Bogen!“

„Einfach nur Farril!“ korrigierte er. „Nur Schüler wie Gontar nennen mich Meister!“ erklärte er, ohne auf Targons Frage einzugehen.

Doch Farrils Gesichtsausdruck hatte nichts mit einer verspäteten Schreckreaktion zu tun. Vielmehr war ihm eine Erinnerung aus seiner eigenen Schülerzeit eingefallen, in welcher von Ranna und einer alten Prophezeiung die Rede war. Leider gelang es ihm nicht sich die Einzelheiten ins Gedächtnis zu rufen; er wusste nur, das eine Elbin in Rannas Geschichte eine Rolle spielte und das nicht wenige Orks zu Rannas Verehrern gehörten.

Ihm wurde bewusst, das sein Gegenüber nun schon eine Weile lang auf eine Antwort wartete und ihn immer besorgter musterte.

„Nein, nein, es geht mir gut!“ beruhigte er ihn darum. „Ich denke wir haben uns einiges zu erzählen und zwar mehr als man im Stehen erledigen will. Darum kommt mit uns, zuerst zur Ostwarte und dann zu Elis Haus, wenn ihr denn unsere Gäste sein wollt. Ein wärmendes Feuer, Speis und Trank und ein Lager für die Nacht wird sich dort auch finden lassen!“

„Dagegen ist nichts einzuwenden!“ antwortete Ardun und schwang sich wieder auf sein Pferd.

„Wenn es uns nur nicht noch weiter von unserem Weg abbringt!“ murmelte Kraan.

Als Targon ihn fragend ansah, winkte er nur ab und gab dem Zauberer ein Zeichen, das er voraus reiten möge. Bron hatte sein Pferd ebenfalls zurück gehalten und so bildeten sie gemeinsam die Nachhut. Schweigend ritten sie nebeneinander her, jeder in seinen eigenen Gedanken.

Bron war erstaunt, dass Gontar nicht auf dieselbe Art und Weise reagiert hatte, wie er sie von Orks gewohnt war, während Kraans Misstrauen geweckt war, weil ihm das Ganze viel zu einfach erschien. Selbst wenn er davon ausging, das sie nur durch das Erscheinen der Malm auf diesen Weg geraten waren, so fand er es dennoch unglaublich, das das geheime Tal des Nordreiches all die Jahre und Jahrhunderte unentdeckt geblieben sein sollte. Noch dazu mit offener Hintertür!

Doch dieser nachlässige Eindruck täuschte, wie er bald darauf herausfand. Die Säulenhalle endete an einem Tunnel, welcher zum Reiten zu niedrig war und nur noch Platz für zwei Pferde nebeneinander bot. Nachdem sie abgestiegen waren und die Pferde an den Zügeln führten, dauerte es noch einmal eine halbe Stunde bis der Tunnel vor einer schweren Tür endete.

„Nun verlassen wir die Vorhallen.“ erklärte Farril während er die Tür mit einem großen Schlüssel aus schwarzem Eisen aufschloss.

„Seid vorsichtig, wenn ihr hinaus geht und achtet auf eure Pferde, denn der Sims ist nicht sehr breit und die Schlucht dahinter sehr tief!“

Seine Warnung kam keinen Moment zu früh, denn kaum war die Tür auch nur einen kleinen Spalt breit geöffnet, da stöhnte und wimmerte ein kalter Wind herein. Er wirbelte in den Mähnen und Schweifen der Pferde, welche sofort mit den Augen rollten und am Liebsten auf der Stelle kehrt gemacht hätten. Selbst Narael brauchte diesmal ein wenig mehr Zeit bevor die Pferde sich beruhigten.

Farril hatte nicht übertrieben: der Sims war gerade breit genug für ein Pferd und zwischen dem Weg und dem Abgrund war nichts, nicht einmal ein weißer Randstein.

„Wir haben Glück!“ rief Farril und reichte Gontar den Schlüssel. Er hatte Mühe den Wind zu übertönen: „Um diese Zeit bläst es von unten herauf. Wenn der Wind von den Schneefeldern herabfällt, wagt kein Pferd diesen Weg!“

„Wohin?“ brüllte Targon, denn er hatte bemerkt das sich der Sims sowohl nach links als auch nach rechts an der Steilwand entlang zog.

Statt noch einmal gegen den Wind anzubrüllen deutete Farril nach rechts und ging voraus.

Targon folgte ihm als erster , danach kamen Birka, Ardun, Narael, Bron und Kraan. Gontar wartete bis alle an ihm vorbei waren und verschloss dann hinter ihnen die Tür. Die Pferde waren ängstlich und gingen nur langsam, ganz dicht an der Wand zu ihrer Rechten.

Weit über ihnen war ein heller Streifen Himmel zu sehen, doch Targon vermochte nicht zu sagen wie alt der Tag schon geworden war. Die Schlucht verlief nicht gradlinig , sondern kurvte leicht nach rechts und nach einer Weile konnten sie die Tür durch die sie gekommen waren nicht mehr sehen. Dafür tauchten vor ihnen die Überreste einer Brücke auf, die sich vor Jahrhunderten in einem kühnen Bogen über die Schlucht gewölbt haben mochte.

Jetzt ragte nur noch ein wenig Vertrauen erweckender Rest ins Leere, doch Farril rief: „Dort hinüber und wir haben es geschafft!“

Dann steckte er zwei Finger in den Mund und pfiff eine kleine, schrille Melodie.

***

Die Freunde schauten einander an und alle fragten sie sich, ob sie vielleicht einem verrückten Einsiedler mit einem ebenso verrückten Orknovizen aufgesessen waren, als sich auf der anderen Seite der Schlucht ein langer, schmaler Teil der Felswand mit einem knirschenden Geräusch von der Wand löste und herabsenkte, bis er auf ihrer Seite der Schlucht auflag. Auf der anderen Seite der Schlucht erwartete sie ein hoher, schmaler Torbogen, welcher in einen unbeleuchteten Gang führte. Die Brücke war nicht sonderlich breit und ohne Geländer. Entsprechende Mühe hatte darum Narael mit den Pferden bevor sie bereit waren diese zu betreten.

Kaum waren sie alle in dem Gang als hinter ihnen die Brücke wieder empor stieg, ohne das erkennbar war, auf welche Weise dies geschah.

Kurz danach wurde es vor und über ihnen hell und sie sahen, das sie zwischen zwei Wänden wie in einem Graben gingen. Über ihnen standen auf jeder Seite je ein Dutzend Menschen und Orks, welche große Bögen in den Händen hielten.

„Diese dort oben sind die Torwächter.“ erklärte Farril. „Mir wird jedes Mal ganz mulmig, wenn ich unter ihnen her gehe!“

„Das glaube ich gern!“ murmelte Kraan. „Dieser Eingang ins Eidesland ist doch besser gesichert als es zuerst den Anschein hatte!“ dachte er anerkennend. „Hier kann mit wenigen Männern eine Armee aufgerieben werden.“

Vor ihnen wurde der Graben breiter und ein halbes Dutzend Stufen führte hinab zu einem halbrunden Platz vor einer hohen Stirnwand. Ein eisernes Gitter mit einer Tür, die gerade hoch genug für ein reiterloses Pferd war, trennte den Platz von einem vielleicht 50 Fuss langen Säulengang. Vor dieser Tür erwarteten sie zwei Wächter in voller Rüstung und mit geschlossenem Visier. Ihre stahlbewehrten Hände ruhten auf den Knäufen großer Schwerter, welche vor ihnen standen.

„Oh . . . ach ja . . .jetzt wird es ernst!“ stammelte Farril. Für einen kurzen Moment sah er aus als ob ihm tatsächlich mulmig wäre.

„Aber Ihr braucht euch keine Sorgen machen!“ flüsterte er. „Ihr werdet schon sehen!“

Er schnaufte einmal, gab ihnen ein Zeichen stehen zu bleiben und trat selbst zwei Schritte vor:

„Seid gegrüßt ihr Herren der Ostwarte!“ begann er und deutete eine Verbeugung an.

Da sprach der Wächter zur Linken: „Bevor ich euren Gruß erwidern kann, muss ich wissen was euch den Eid vergessen lässt, Herr Farril!“

Es war diese Strenge, aber mehr noch die Tatsache, das es sich eindeutig um eine orkische Stimme handelte, die Naraels Zorn wieder aufflammen ließ. Plötzlich stand sie neben Farril, warf die Kapuze zurück und fragte ebenso streng:

„Wer will das wissen? Zeige dein Gesicht, Ork!“

Mit einem erschreckten Aufschrei wich der so Angesprochene einen Schritt zurück und sein Schwert fiel klirrend zu Boden.

Der Mensch neben ihm zuckte auch zurück, doch dann hielt er für ein paar bange Schläge seines Herzens inne.

Plötzlich straffte er sich, schüttelte ruckartig die Handschuhe ab, um mit fliegenden Fingern die Schnallen seines Helms zu lösen und ihn herunter zu reißen. Er beugte sich vor, mit zusammengekniffenen Augen, als habe er Mühe zu erkennen was vor ihm war.

Im nächsten Moment sackte er auf die Knie, verneigte sich bis beinahe auf den Boden und sagte: „High One, forgive our ignorance, we did not know you for what you are!“

Darauf schwiegen alle und mancher vor Verblüffung, denn bisher kannten sie nur zwei, die in dieser Sprache mit einander sprachen: Narael und Ardun.

Narael hatte ihre Muttersprache sofort erkannt – es mochte ein etwas anderer Dialekt sein und mit ungeübter Zunge gesprochen, aber eindeutig elbisch. Und der Wächter sagte noch mehr:

„Please honor our home with your presence.“

Schräg hinter Narael entfloh Farril ein aufgeregtes: „Ja! Ich habs euch gesagt!“

Aber Narael achtete nicht weiter auf ihn. Stattdessen antwortete sie dem Wächter: „Raise and stand, human knight! And well met Elven friend! For that is what I take you for. We gladly accept your hospitality and know ourselves safe under your roof.“

Der Orkwächter hatte mittlerweile seinen Helm abgenommen und hatte sich ebenfalls nieder gekniet. Nun stand er etwas zögerlich auf und hielt sich halb hinter dem anderen Wächter.

Narael bemerkte dies und sagte darum: „Fürchtet euch nicht Herr Ork, ich werde den Frieden wahren. Haltet mir zugute, das heute der erste Tag in meinem Leben ist, an dem ich Orks wie euch begegne!“

Natürlich hatte auch Sie das spärliche Material über das schon lange vergangene Nordreich gelesen und wusste daher von dem Pakt zwischen Menschen und Orks, mit welchem dieses Reich begründet wurde. Aber das war Buchwissen, vage und nicht immer zuverlässig. Tatsächlich einem Ork gegenüber zu stehen und nicht auf der Stelle anzugreifen, kostete sie mehr Mühe als sie sich anmerken ließ.

„Auch für uns ist der Anblick eines Elben eine Prüfung, hohe Frau!“ antwortete der Ork mit einer tiefen Verbeugung. „Allein das Licht in euren Augen wird viele von uns vor Angst erstarren lassen!“

„Ach was, redet nicht so!“ fuhr Farril dazwischen. „Seht euch nur Gontar an – natürlich hat er sich am Anfang auch ordentlich erschreckt, aber nun geht es ihm wieder gut! Oder, Gontar?“

Bevor Gontar antworten konnte, sprach der menschliche Wächter: „Sicherlich habt ihr Recht, Herr Farril, lasst uns aber weder unsere Manieren, noch unsere Gastgeberpflichten vergessen!“

„Oh! - Ja! - Natürlich!“ stimmte dieser zu und da er die Namen aller Anwesenden Personen kannte, übernahm er die Vorstellung.

So erfuhren die Freunde das der Name des Menschen Halmir und der Name des Orks Rotgar war.

Bevor Farril aber die Begleiter Naraels vorstellen konnte, unterbrach ihn Halmir: „Verzeiht mir, hohe Frau, aber mein Amt als Meister der Ostwarte verlangt es von mir: Ich muss euch fragen woher ihr kommt und wohin ihr wollt und wie ihr den Weg ins Eidestal gefunden habt. Denn leider ist wahr, das nur unruhige Zeiten die Menschen in den Landen draußen weit genug von ihren Wegen abbringen, so das sie die unsrigen entdecken!“

„Vielleicht könnte ich an dieser Stelle behilflich sein. . .“ bot Targon sich an, aber erst als Narael zustimmend nickte, lösten Halmir und Rotgar den Blick von ihr.

Targon bemerkte dies sehr wohl und machte sich seinen Reim darauf, wusste aber in seinem Herzen, das sie hier in der Ostwarte kein Geheimnis um sich machen mussten. Darum sprach er:

„Von Darrelbrück am Fluss Darrel kommen wir. Das ist südlich des Waymeet, die Treppen hinunter, bis zu einem großen Fluss der von Osten nach Westen fließt. Wir waren auf dem Weg zu den Steppen als uns eine ungewöhnlich große Malm den Weg verlegte, bis nur noch die Straße blieb, welche zu eurer Tür führte. Wir waren unterwegs zur Stadt der Serekan, denn die Serekan kamen in unsere Stadt und stahlen das goldene Herz aus Rannas Schrein.“

Unsere Hoffnung war es, den Dieben den Weg abzuschneiden, bevor sie ihre Stadt erreichen.“ wollte er noch sagen, doch kaum waren die Worte „stahlen das goldene Herz aus Rannas Schrein“ aus seinem Munde, gab es ein regelrechtes Wehklagen um ihn herum. Nicht nur Halmir und Rotgar entfuhr ein entsetztes Nein, sondern auch einige Bogenschützen oben auf den Grabenmauern konnten nicht an sich halten.

Halmir hatte sichtlich Mühe die Tränen zurück zu halten, gab sich aber einen Ruck und sagte mühsam beherrscht: „Es ist also wahr, hohe Frau! Ihr bringt traurige Kunde ins Eidestal!“

„Ja! Und eine große Herausforderung für unsere Art!“ fügte Rotgar hinzu. Mehr noch als Halmir schien er mit seiner Beherrschung Mühe zu haben. Steif und starr stand er neben Halmir und plötzlich war er wieder auf einem Knie und quetschte mit gesenktem Kopf hervor: „Aber wir werden den Eid nicht brechen! Sagt mir vielmehr hohe Frau: Wie kann ich euch helfen den Dieb zu fangen?“

„Wächter!“ schnaubte Farril und es klang fast wie ein Befehl. „Ein wenig mehr Beherrschung, wenn ich bitten darf! Seht ihr denn nicht, das ihr unsere Gäste überrumpelt? Auch wenn der Besuch einer Elbin ein ganz unerhörtes Ereignis ist, so sollten wir nicht unsere Manieren vergessen! Oder wollt ihr den Begleitern einer hohen Frau nicht die Ehre erweisen?“

„Vergebt uns, hohe Frau!“ klang es zweistimmig.

Rotgar stand wieder auf und nach einem kurzen Augenkontakt mit Halmir sprach er weiter: „Hohe Herrin von den Sternen, willst du uns die Namen deiner Begleiter nennen?“

Farril schnaufte noch einmal und sie alle wussten, das er die Vergabe von Beinamen missbilligte. Nachdem alle Namen genannt waren, sagte er dann auch: „Ihr Wächter wisst selbst: dieser Beiname rührt an Dinge die nicht hier, zwischen Tür und Angel, besprochen werden sollten. Ein angemessener Ort wäre der hohe Saal in Elis Heim und eine angemessene Zeit wäre nach dem Abendmahl!“

„Aye!“ sagten nach einem Moment mehrere Stimmen zugleich.

„Und die angemessenen Gesprächspartner wären die Ältesten und der Rat der Weisen!“ fuhr Farril fort.

Hatte er vor der Begegnung mit der Wache nur eine verschwommene Vorstellung davon gehabt, was es denn gleich nochmal mit der Elbin und der Prophezeiung auf sich hatte, war es ihm mittlerweile nur zu klar geworden: Es ging um die Lehren des südlichen Wächters, im besonderen Jene, welche die Orks mit Ranna in Zusammenhang brachten. Dies gehörte zu einer orkschen Variante der Ranna-Verehrung, in welcher ihre eigene mythologische Gründerfigur zu Rannas Prophet wird. Offenbar hatte diese Variante mehr Anhänger als er bisher glaubte . . .

Was die Reisenden nicht ahnen konnten, war das hohe Ansehen und die glühende Verehrung die Ranna bei den Orks genoss. Zugleich wussten die Orks sich in der Schuld – ihre Vorfahren waren als Plünderer in die Reiche der kleinen Mütter gekommen. Doch hier im Eidesland wachten sie über die Häuser der Göttin und warteten auf den Tag, da sie ihre Schuld begleichen könnten. Und dieser Tag würde kommen, so war es prophezeit.

Von einer Elbin, die Kunde von Rannas Not brachte, war die Rede, wenn er sich richtig erinnerte. Darum hatte Rotgar auch von einer Herausforderung gesprochen.

Farril selbst war nicht sonderlich gläubig und war ein Gelehrter durch und durch. Mythen, Prophezeiungen und mündlicher Überlieferung fehlte es in seinen Augen an Seriosität.

„Was hat es auf sich mit diesem Beinamen, Farril?“ fragte ihn in diesem Moment die hohe Frau Narael persönlich.

„Das musste wohl so kommen!“ dachte er bei sich und sackte ein wenig zusammen: „Rotgar, sage die Worte der Prophezeiung, du weißt sie sicher auswendig“.

„Starfarers daughter at the Eastward appears when Rannas darkest hour nears.“ antwortete Rotgar und fügte noch die Übersetzung hinzu:

„Sternfahrers Tochter in der Ostwarte erscheint wenn Rannas größte Not nicht weit.“

„Das ist wirklich überraschend!“ platzte Ardun heraus.

„Dann versteht Ihr sicherlich warum ich euch ohne sonderliches Aufsehen an einen ruhigeren, entspannteren Ort bringen möchte.“ übernahm Farril wieder das Wort. Er breitete die Arme aus und schüttelte den Kopf: „Diese Gemäuer dienen Wächtern und Kriegern und verfügen über keine angemessenen Gemächer für eine hohe Frau! Vermutlich gibt die Küche an diesem kargen Ort nicht einmal genug für einen kleinen Imbiss her, bevor wir die Reise zu einem angemessenerem Ort beginnen.“

„Ihr unterschätzt uns, Herr Farril!“ entgegnete Halmir. Nach einer Verbeugung vor Narael drehte er sich um und öffnete die Tür: „Wenn Ihr mir folgen würdet?“ sagte er und ging voraus.

Im Säulengang kamen auf sein Zeichen einige Männer, die sich der Pferde annahmen, dann ging es zu einer Tür hinter welcher eine breite Treppe ein halbes Dutzend Stockwerke weit in die Tiefe führte. Auf jedem Absatz führten Türen in alle Himmelsrichtungen und vor jeder stand ein Wächter.

„Das wurde aber auch Zeit!“ brummte Farril mit einem Zwinkern, als er sich neben Kraan einreihte. „Eure letzte Mahlzeit ist doch sicherlich auch schon eine Weile her, oder?“

Als Kraan nur mit einem Nicken antwortete fuhr er fort: „Ach ja, ein wenig mehr gutes Essen würde den Wächtern mit all ihrer Disziplin und Pflichterfüllung und ihrem Hang zur Theatralik gut tun. – So ein gut gefüllter Magen gibt einem Gelassenheit und damit denkt es sich doch besser als mit einem überhitzten Kopf, oder?“

Farril gab sich wie ein einfacher, unbekümmerter Mensch mit einer Vorliebe für gutes Essen, doch Kraan konnte ihm diese Rolle nicht mehr glauben. Zwar nannten die Meister der Ostwarte ihn einfach nur Herr Farril und nicht etwa Meister, Abt, oder Patriarch, aber offenbar hatte sein Wort einiges Gewicht.

Ein wenig steif antwortet er: „Nun, Pflichterfüllung und Disziplin stehen einem jeden Wächter gut zu Gesicht!“

Farril winkte ab: „Möglicherweise müsst ihr in euren Landen da draußen mehr Zeit und Mühen aufwenden um solche Ideen in junge Köpfe zu bekommen, aber bei uns ist das anders. Vor Allem die Orks können nicht genug davon bekommen! Ihr Enthusiasmus ist manchmal soo ermüdend!“

Für einen kurzen Moment ließ er sein Gesicht hängen, ganz so als wäre er tatsächlich erschöpft. Dann aber grinste er schelmisch und fügte hinzu: „Und das macht mich soo hungrig!“

Gleich darauf verließen sie das Treppenhaus und betraten einen Gang mit Türen auf beiden Seiten.

„Geradeaus geht es zum Speisesaal.“ erklärte Halmir. „Aber ich bin mir sicher Ihr wollt erst noch hier entlang!“ mit diesen Worten öffnete er eine Tür zur Linken, hinter welcher sich ein großzügiger Waschraum befand.

***

„Oh ja!“ sagten Birka und Narael wie aus einem Mund und drängten an den Männern vorbei.

„Heißes Wasser findet Ihr in den Krügen auf dem Tisch.“ rief Halmir den Frauen hinterher. „Also in einer halben Stunde, den Gang hinunter zum Speisesaal!“

Für eine Weile war nur das Plätschern von Wasser zu hören.

„Was haltet ihr davon?“ fragt Kraan.

„Schwer zu sagen – aber was genau meinst du?“ wollte Targon wissen. „Die Tatsache das es hier recht hell ist, obwohl ich weder Fenster, noch Lampen, noch Fackeln sehe oder die „friedlichen“ Orks?“

„Magische Beleuchtung.“ meinte Kraan mit einem Achselzucken. „Einer der Gründe warum einige unserer modernen Gelehrten das Nordreich für ein Märchen halten!“

“Diese Orks fürchten mich nicht.“ stellte Bron fest.

„Es sind Orks, egal was sonst mit ihnen los ist!“ Narael sprach ungewöhnlich heftig. „Sie mögen ja all die Jahrhunderte schon friedlich sein, aber es sind immer noch Orks und es kostet mich einige Mühe, den Frieden zu wahren.“

Birka, die noch keinerlei Erfahrung mit Orks gemacht hatte, nickte zu Naraels Worten und sagte: „Ja, sie sind mir unheimlich!“

„Aber ich werde den Frieden wahren!“ fuhr Narael fort, „Und mein all zu heißes Elbenherz mit Galens Weisheit kühlen!“

„Und den heißen Kopf mit kühlem Gebirgswasser!“ lachte Ardun und tauchte seinen Kopf in eine große Schüssel. „Mir wäre auch ganz heiß, wenn ich in einer orkischen Prophezeiung vorkommen würde!“

„Ja, was haltet ihr davon?“ Nahm Targon den Faden auf, ohne allerdings auf Arduns Tonfall einzugehen.

„Fast zu schön um wahr zu sein.“ unkte Kraan, „Unerwartet sind wir unter Freunden und wahrscheinlich werden wir Dinge erfahren, die uns noch nützlich sein können auf unserem Weg. - Aber sind wir auch noch auf unserem Weg?“

„Genau danach sollten wir unsere Gastgeber fragen!“ fand Targon, „Und zwar bevor wir uns tiefer ins Land einladen lassen!“ Schon jetzt plagte ihn eine unbändige Neugier; zwar war das Nordreich nie sein bevorzugtes Studienobjekt gewesen, aber eine verloren geglaubte Kultur, nicht nur wieder zu entdecken, sondern erleben zu können, war der Traum eines jeden Gelehrten.

„Wir werden also unseren Gastgebern gleich klar machen das wir in Eile sind und ihr Land sofort wieder verlassen werden, wenn es uns schneller zum Ziel führt.“ schloss Kraan.

„Das bringt es auf den Punkt.“ stimmte Targon zu

„Sie werden Fragen stellen.“ war sich Narael sicher.

„Die wir beantworten werden, auch wenn Herr Farril der Meinung ist, wir sollten später und woanders darüber reden!“antwortete Kraan, während er seinen Ranzen wieder zuschnürte.

Er schaute sich um und stellte fest, das sie alle fertig waren: „Nun gut, dann wollen wir sie nicht unnötig warten lassen.“

***

Farril hatte sich in der Zwischenzeit ganz seiner Rolle als Gastgeber hingegeben und während ihrer Abwesenheit einen kleinen Imbiss vorbereiten lassen. Nachdem er Rotgar und Halmir gebeten hatte, ebenfalls Platz zu nehmen und den Gästen Gesellschaft zu leisten, machte er sich mit den Worten „Was dauert da denn so lange?“ auf den Weg in die Küche.

Die beiden Meister der Ostwarte waren nicht nur stehen geblieben. Nein, sie standen stramm, wie Kraan wohl bemerkte. Ebenso bemerkte er hinter der militärischen Fassade ihre Verunsicherung und er fragte sich was Farril ihnen wohl noch erzählt hatte.

Erst nach Naraels nochmaliger Bitte nahmen die beiden Wächter ebenfalls Platz.

Offenbar kannte Farril sich in der Küche der Ostwarte gut aus, denn kaum saßen die Beiden, da kam er zurück, mit einem Gefolge von Küchenmädchen und -jungen.

„Rotgar, Halmir!“ rief er gutgelaunt, „Ich muss Abbitte tun, denn eure Küche kann sich durchaus sehen lassen! Seht selbst, werte Gäste: frisches Brot, gelbe Butter, Käse und Kresse und Obst, gelb und rot!“ Während er so sprach, half er die Schüsseln und Schalen auf dem Tisch zu verteilen und nutzte die Gelegenheit nach den Essgewohnheiten in den äußeren Landen zu fragen.

Auch während des Mahls lenkte er das Thema immer wieder aufs Essen; fragte nach Rezepten, Obst- und Gemüsesorten und dergleichen mehr. Auf diese Weise wollte er vermeiden, das die Prophezeiung wieder zur Sprache kam, war Kraan sich sicher.

Wie es schien hätte er sich nicht gar so viel Mühe geben müssen, denn Rotgar und Halmir machten keinerlei Anstalten, das Thema anzusprechen. Ja sogar Targon hielt seine sprichwörtliche Neugier im Zaum. Dafür sprach er, als alle gesättigt waren und Farril meinte, es wäre an der Zeit sich auf den Weg zu machen, recht direkt ihr Dilemma an:

„Auf die Gefahr hin unhöflich zu klingen: Wie weit ist es bis Elis Heim, denn bevor wir all zu tief in euer Land reisen, müssen wir wissen, ob es einen westlichen Ausgang gibt, denn nach Westen müssen wir.“

„Dem Herzen nach!“ Narael sprach dies leise, wie zu sich selbst, doch ein jeder im Raum hörte es, dicht bei seinem Ohr.

„Elis Heim ist nur wenige Stunden von hier.“erklärte Farril. „Und es gibt einen Weg wie ihr ihn braucht, doch es ist lange her das jemand ihn ging.“ er schaute die Reisenden der Reihe nach an. „Und vorher wird der Rat euch sehen und entscheiden, ob ihr das Eidesland bereisen dürft.“

Er lachte und meinte dann: „Eine reine Formsache in eurem Fall! Dennoch sollten wir uns bald auf den Weg machen, damit wir auch Zeit haben um Boten zu den Ältesten zu schicken.“

„Wenn Ihr es sagt. . . “ antwortete ihm Kraan. „Ich selbst weiß hier unten, ohne den Anblick des Himmels nicht zu sagen wie alt dieser Tag schon ist.“ er schaute in die Runde und fuhr dann fort: „Ich denke wir sind reisefertig und es kann losgehen.“

„Erlaubt mir euch zu begleiten, hohe Frau!“ bat Rotgar in diesem Moment und übersah es als Farril die Augen verdrehte.

„Warum liegt dir so daran?“ fragte ihn Narael.

„Elis Heim ist auch mein Zuhause und das Ihr es mit eurer Anwesenheit ehren wollt, erfüllt mein Herz mit Freude. Noch größer wäre meine Freude, wenn ich dabei sein dürfte, wenn ihr Elis Heim betretet – denn das wird ein hoher Tag“. . .

„Mein guter Rotgar“ unterbrach in Farril, „Nun werdet doch nicht gleich wieder so dramatisch! - Und überhaupt: sollte euer Platz nicht hier in der Ostwarte sein?“

„Seit Silaufgang heute morgen nicht mehr!“ meldete sich Halmir, “Da begann meine Wacht.“

„Wenn wir ohnehin denselben Weg haben und miteinander den Frieden wahren können, so lasst uns zusammen reisen.“ sagte Narael und beendete damit dieses Gespräch.

Nach einem Moment der Stille verabschiedeten sich die Reisegefährten von Halmir und Farril plauderte sie durch lange Gänge und Treppen hinunter, bis sie in eine hohe Halle traten deren westliche Wand fehlte. Stattdessen war dort eine Reihe Säulen und dahinter ein grasbewachsenes Plateau, sicher groß genug um ganz Darrelbrück ausreichend Platz zu bieten. Dort standen in einer langen Reihe Menschen und Orks buntgemischt und alle waren den Säulen zugewandt.

Sicher jeder der nicht im Dienst ist!“ dachte Ardun.

In der linken Wand, schon ganz nah bei den Säulen, war ein großes Tor, durch welches nun ihre Pferde herbei geführt wurden. Schon von weitem bemerkte Narael, dass ihre Pferde regelrecht herausgeputzt waren. Nicht nur abgerieben und gefüttert, sondern gestriegelt bis das Fell glänzte. Dazu war das Zaumzeug mit allerlei Blattwerk umwunden und selbst die Hufe schienen poliert.

Bis auf ihr eigenes Pferd – dort verschwand das Zaumzeug unter weißen Blüten dicht an dicht.

„Was geht hier vor?“ wollte Narael von Ardun wissen.

„Mich interessiert wo sie hier oben die Blumen herhaben!“ scherzte Ardun, wurde aber sofort wieder ernst. Ebenso wie Narael hatte er leise gesprochen, ohne die Lippen zu bewegen und ohne zu ihr herüber zu schauen. „Es erinnert mich ein wenig an Durn. Die Menschen dort hätten dir sicher auch gern dein Pferd geschmückt, wenn wir ihnen die Zeit dazu gelassen hätten, ehrwürdige Schwester.“

„Hier sind es Orks und sie kennen weder Galens Haus noch seine ehrwürdigen Schwestern!“

„Und wenn es auch merkwürdig klingen mag: Sie verehren Euch weil Ihr eine Elbin seid!“

„Ein Gedanke der mir Gänsehaut verursacht.“ flüsterte Narael, denn nun waren sie schon nah bei den Pferden und den Orks, welche bei den Säulen auf der Grenze von drinnen nach draußen stehen geblieben waren.

Farril gab Rotgar ein Zeichen, woraufhin dieser ein paar Schritte weit ins Freie ging, sich ihnen wieder zuwandte und sprach:

„Willkommen im Eidestal, ihr Reisenden aus fernen Landen, denn so ihr jetzt ins Licht hinaustretet, seid ihr wahrhaftig im Eidestal. Wahret den Frieden und unter jedem Dach wird man euch willkommen heißen und Schutz gewähren.!“

Zwar hatte er alle Reisenden willkommen geheißen, aber aller Augen, ob Ork, ob Mensch, ruhten erwartungsvoll auf Narael.

Einen Moment lang zögerte sie und fragte sich ob dies womöglich nur ein wirrer Traum sei. Doch nein – kein Elb würde sich so etwas träumen lassen!

Und überhaupt: Was sagte eine junge Elbin aus gutem Hause in so einer Situation?

Doch bevor die junge Elbin gänzlich verzweifelte, übernahm die Höflichkeit der ehrwürdigen Schwester des grünen Hauses und so rief sie: „Habt Dank für euer Willkommen und für eure Gastfreundschaft. Wir werden den Frieden wahren.“

Zur Antwort erklang ein fröhlicher Jubel. Tief Orkstimmen dröhnten Ja und Hurrah während die helleren Menschenstimmen Willkommen sangen.

Alle waren glücklich.

Doch Narael selbst fühlte sich gar nicht wohl in ihrer Haut. Zu gut klangen noch Rotgars Worte in ihr nach: „Starfarers daughter at the Eastward appears when Rannas darkest hour nears.“

Sie konnte sich nicht helfen – der Jubel, die weißen Blumen und die Freude schienen ihr nicht recht zu diesen Worten zu passen.

Farrils einladende Handbewegung hatte sie zwar gesehen, aber erst als Ardun neben ihr flüsterte: „Und los, ehrwürdige Schwester!“ erfasste sie die Bedeutung der Geste und setzte sich in Bewegung.

Gleichzeitig wurden ihre Pferde herbeigeführt und noch einige dazu.

Die Menge teilte sich und so wurde erkennbar, das in der Mitte der Säulenreihe eine Straße ihren Anfang nahm, welche auf das südwestliche Ende des Plateaus zielte.

Rotgar war Naraels Pferd entgegen gegangen und wartete dort auf sie um ihr in den Sattel zu helfen. Er übergab ihr feierlich die Zügel, sank nieder auf ein Knie und sprach: „Ich weiß Ihr bedürft meiner Hilfe nicht, hohe Frau, aber Bitte, erweist mir die Ehre!“ damit legte er seine Hände ineinander, als Steighilfe für ihren Fuß.

Naraels erster Impuls war, Rotgar zu ignorieren und mit einem Satz einfach in den Sattel zu springen, trotz all der Augen, welche auf sie gerichtet waren. Doch auch diesmal übernahm die ehrwürdige Schwester in ihr: „In der Tat bedarf ich der Hilfe nicht, dennoch will ich Euch diesen Dienst erlauben, solange Ihr keine Gewohnheit daraus macht!“

„Wie Ihr wünscht, Herrin!“ antwortete er, ungehört. Seine Worte gingen in dem erneut aufbrandenden Jubel unter.

Als er nach einer weiteren Verbeugung zu seinem Pferd gehen wollte, stand plötzlich Bron mit ihrer beider Pferde vor ihm:

„Du reitest mit mir, Waffenbruder.“

„Es ehrt mich wenn du mich so nennst, obwohl wir einander nicht kennen.“ erwiderte Rotgar.

„Du willst der Herrin dienen, eben so wie ich.“

„So ist es!“ antwortete Rotgar und nahm die Zügel seines Pferdes entgegen.

„Dann sind wir Waffenbrüder!“ stellte Bron fest und stieg auf sein Pferd.

Die Earanna Chroniken

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