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Was ist eine Nahtoderfahrung?

Das physische Leben endet mit dem Tod. Doch es gibt Menschen, die für eine begrenzte Zeit tot waren und wieder ins Leben zurückkehrten. Aus ihren Berichten, die fast so alt wie die Kulturgeschichte der Menschen sind, gewinnen wir ein überraschendes Bild davon, was während des Sterbens geschieht.

Nahtoderfahrung (NTE) beschreibt die Erlebnisse der Menschen, die beispielsweise nach einem Unfall, im Koma oder bei einer Operation bewusst Bilder, Gedanken und in manchen Fällen auch die Menschen um sie herum wahrnehmen, obwohl sie klinisch tot oder bewusstlos sind. Viele der Nahtoderfahrenen sagen, dass das Erlebnis unbeschreiblich war und man es mit Worten nicht ausreichend schildern kann.

Ich gehe in diesem Buch auf die Phänomene ein, die sich bei der Mehrzahl der Nahtoderfahrungen zeigen, welche Wirkung ein solches Erlebnis auf die Menschen haben kann und ich zeige auch wissenschaftliche Erklärungsversuche auf.

Überall auf der Welt

Die Berichte über das Erleben während des Todes ähneln sich auf verblüffende Weise, unabhängig von Religion, Land, Kulturkreis und Zeitalter. In einem der ältesten literarischen Werke der Menschheit, dem etwa 4.000 Jahre alten Gilgamesch-Epos, wird ein Zustand beschrieben, den man als Nahtoderlebnis einordnen kann.

Der griechische Philosoph Platon (427 - 348 v. Christus) schrieb: „In der unstofflichen Welt gibt es keine Zeit. [...] Die Seele, unabhängig vom Körper, tritt in Verbindung zu Verstorbenen. Ihr stehen beim Übergang Schutzgeister zur Seite.“ In einer alten Überlieferung der jüdischen Kabbala finden sich Schilderungen, die denen von heute erstaunlich gleichen: „Da sah ich ein Wesen aus Licht und ich ging in eine Welt der Wahrhaftigkeit ein.“2

Nahtoderfahrungen sind seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Zunehmend gibt es Studien, in denen Nahtoderfahrungen systematisch gesammelt und ausgewertet werden. Zwei Organisationen aus den USA sind besonders hervorzuheben: Die NDERF (Near Death Experience Research Foundation) eine Forschungsstiftung, die in zwei Studien hunderte Berichte von Nahtoderfahrungen erfasst hat. Die Website www.nderf.org verfügt über die weltweit größte Sammlung von Nahtoderfahrungen, in Englisch und anderen Sprachen. Die Webseite ist auch in Deutsch verfügbar und Betroffene können mittels eines Fragebogens ihre eigenen Nahtoderlebnisse schildern. Die zweite Institution ist die IANDS (International Association of Near Death Studies), die in Deutschland durch einen Verein vertreten ist, das Netzwerk Nahtoderfahrungen e.V.3

Bemerkenswert ist die hohe Übereinstimmung der Erfahrungen, die die Betroffenen schildern, obwohl sie ganz unterschiedlichen Kulturen und Religionen angehören. Ob Hindu, Buddhist, Christ oder Nichtgläubiger, die Erfahrungen ähneln sich auffallend. Nun könnte man ins Feld führen, dass diese Schilderungen durch Medienberichte und dergleichen gefärbt sind. Mehr dazu findest du im letzten Abschnitt dieses Buches.

Häufiger als gedacht

Es gibt keine verlässliche Statistik darüber, wie viele Menschen eine Nahtoderfahrung haben. Untersuchungen in den USA zeigen, dass zwischen 10 und 20 Prozent derjenigen, die einen Herzstillstand erlitten haben, über ein entsprechendes Erlebnis berichten. Ein Herzstillstand, das heißt das Herz hat aufgehört, selbständig zu schlagen und Blut von und zu den Organen zu transportieren, ist keine Voraussetzung für eine Nahtoderfahrung, die Mehrzahl der Nahtoderfahrungen wird aber bei einem Herzstillstand erlebt.

In Deutschland erleiden laut Statistischem Bundesamt 50.000 Menschen pro Jahr einen Herzstillstand und müssen reanimiert werden. Nur 10 Prozent von ihnen überleben, so dass man rechnerisch davon ausgehen kann, dass jährlich bis zu 1.000 Menschen in Deutschland ein Nahtoderlebnis nach einem Herzstillstand haben und davon berichten könnten. In einer Umfrage aus dem Jahr 2001 ergab sich, dass etwa 3 Millionen Deutsche ein entsprechendes Erlebnis hatten. Viele der Betroffenen sprechen nicht oder nur in sehr engem Kreis über ihre Erfahrung. Ein Grund dafür sind wahrscheinlich Ängste, als verrückt erklärt zu werden, denn viele Ärzte tun Berichte von Patienten als Hirngespinste ab.

Eine Webseite wie nderf.org oder vergleichbare Seiten in verschiedenen Ländern erlauben es den Betroffenen, ihre Erfahrungen fast anonym mitzuteilen und sich nicht kritischen Kommentaren oder sogar verurteilenden Worten auszusetzen. So konnte die NDERF in mittlerweile 20 Jahren nahezu 5.000 Berichte sammeln, die auf der Homepage einsehbar sind und hilft so Barrieren für Betroffene abzubauen.

Nahtoderfahrung unter Narkose

Eine Vollnarkose im Rahmen einer Operation versetzt den Patienten in absolute Schmerzfreiheit, völlige Bewusstlosigkeit, verhindert die Erinnerung an die Operation und verlangsamt die Vitalzeichen wie Atmung, Blutdruck und Herzschlag. Eine Nahtoderfahrung unter Narkose mit einem geschärften Bewusstsein und einer Erinnerung an das Erlebte scheint nur dann zu geschehen, wenn während der Narkose ein Herzstillstand oder der klinische Tod eintritt. Zwar gibt es auch Menschen, die trotz Narkose ein Wachbewusstsein haben, deren Schilderungen weichen jedoch stark von den Berichten ab, die eine Nahtoderfahrung beschreiben. Wenn die Patienten unter der Narkose erwachen, hören sie meistens die Stimmen im Operationssaal, statt wie bei einer Nahtoderfahrung vorrangig visuelle Eindrücke zu haben. Sie erleben unzusammenhängende Ereignisse und empfinden im Gegensatz zu Nahtoten das Erlebnis häufiger als erschreckend.

Nahtoderfahrungen & Medialität

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