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III

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So fand sie die Mutter, die allzeit geschäftige, in Sorgen ergrauende, die Mutter, die von der Tour kam, aus Purkersdorf mit der Westbahn.

Den Hut, den schiefen, auf der Fahrt beschädigten, zum Einkassieren unerläßlichen, warf sie auf das Sofa. Eier zerbrachen mit kläglichem Laut in der Tasche. Schön öffnete sie den zitternden Mund zum Fluch, ein häßliches Wort krümmte die Lippe, da erschrak sie, dachte an Selbstmord und grausigen Bericht in der Zeitung und beugte sich über Fini.

Das Mädchen erwachte und sah über sich das breite Gesicht der Mutter, sah in die schmerzlichen Augen und eine unbekannte Güte darin, einen Trost und ein fremdes Erschrecken. Rasch hob sie die Mutter auf starken Armen ins weiße, breite, weiche Bett, kalte Milch brachte sie und küsste Stirn, Mund und Augen wie lange nicht mehr. Vertraut war die Berührung der mütterlichen Lippen, lang entbehrt und wie eine Wiederkehr der halbvergessenen Kindheit. »Mein gutes Kind«, sagte die Mutter und wiederholte die Worte, und ihre Stimme war verwandelt, die Stimme einer alten, einer gewesenen, zurückgekehrten Mutter. »Jetzt bist du unwohl«, sagte die Mutter und: »Nun bist du eine Frau.« Und Fini verstand, was Tilly, die Erwachsene, immer gefragt hatte: ob sie auch schon unwohl sei. Eine stille Feier entzündete sich im Innern, ein heimliches Fest, als trüge man ein weißes Kleid und würde konfirmiert.

»Bleib morgen zu Hause, geh nicht ins Büro«, sagte die Mutter. Weich und warm wie ein kleiner, lieber Wind ging ihre Stimme über Finis Gesicht. So merkwürdig verwandelt war alles; der Bruder schwieg, der sonst immer tobte, die Mutter summte leise in der Küche, und der Nachtwind spielte mit einer zart klirrenden Fensterangel im Nebenzimmer. Ruhe, weiße, war im Bett und in der Welt, die behagliche Wärme eines neugefundenen Heims, Heimat ohne Ende, Güte ohne Grenze und mit der Mutter die Gemeinsamkeit des Erwachsenseins und des Frauseins. Nicht mehr strafende Mutter war sie, sondern schwesterliche Frau.

Spät am Abend klingelte die Nachbarin noch, auf einen Plausch kam sie; leise rasselte ihr Schlüsselbund, und man hörte sie reden. Fini lauschte; die Mutter sprach mit der Frau vom Krieg; sie lasen im Abendblatt den Sieg von Sadowa und sprachen von den Männern, die lange nichts mehr schrieben. Der Duft bratender Erdäpfel wandelte durch die Zimmer; die Frauen aßen und kicherten; jetzt erzählte die Mutter von Fini, und das Kichern der alten Frau wurde unangenehm, und ihr Flüstern kam wie ein Zischen unverständlich und beunruhigend aus der Küche.

Zu schön war die Behaglichkeit des weißen, heimatlichen Bettes und zu aufregend ein mißtrauisches Lauschen. Es war besser, man legte sich gerade hin und dachte an gar nichts mehr.

Aber plötzlich überfiel Fini der Gedanke an den schrecklichen verlorenen Brief, und sie rief die Mutter herbei und erzählte es ihr, die nicht erschrak und nicht fluchte, sondern gütiger wurde und weicher, Trost und Vermittlung versprach und mit beiden Händen die Decke glättete. So verwandelt hat sich die Welt, eine Dankbarkeit strömt sie aus tausend aufgebrochenen Quellen, und aus den Tiefen verschütteter Kindheit holen wir unsere alten, kleinen, frommen Gebete hervor und weinen ein bißchen zu dem auferstandenen Gott und schlafen ein.

Nacht und Hoffnungslichter

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