Читать книгу Das unterschätzte Tier - Teil 1 - ZEIT ONLINE - Страница 3
ОглавлениеPaaren heißt Trial and Error
Es ist ein Wunder, dass es Ameisenigel überhaupt noch gibt. Denn das Paarungsritual der eierlegenden Säuger ist ein zäher Kampf.
VON ALINA SCHADWINKEL
"Manche Australier braten ihn in seinem Felle, wie die Zigeuner unsern Igel, und essen ihn; aber auch die Europäer versichern, daß ein so zubereiteter Ameisenigel vortreffliche Speise gebe", schrieb einst der deutsche Zoologe Alfred Brehm. Seine Schlussfolgerung: "Hierin beruht der einzige Nutzen, welchen das Thier dem Menschen bringen kann."
Tatsächlich gilt das Fleisch der auf Neuguinea beheimateten Langschnabeligel noch heute als Delikatesse, dennoch muss hier dringlichst widersprochen werden: Der Ameisenigel (Tachyglossidae) mit seinem gedrungenen Körper und seiner Röhren-Schnauze ist ein biologisches Kuriosum, ein lebendes Relikt der Vergangenheit, wenn man so will.
Seine Geschlechtsorgane, Harnleiter und der Darm münden in einer einzigen Öffnung, der Kloake. Das macht den stacheligen Wüsten-, Wald- und Wiesenbewohner Australiens und Neuguineas wörtlich zum "Einlochtier" und ursprünglichen Säuger. Eine weitere Besonderheit: Er legt Eier. Gemein hat der Schnabeligel diese Talente nur mit seinem Namensvetter, dem Schnabeltier.
Einzigartig macht ihn sein Genital. Doch dazu gleich mehr. Vor dem Akt zelebriert das Kloakentier ein ausgeklügeltes und nicht minder interessantes Paarungsritual. Bis zu zehn Männchen folgen ihrer Angebeteten oft wochenlang in einer Kolonne Nase an Schwanz; bis zu einem Viertel des Körpergewichts büßen sie dabei ein. Auf dem Weg werden eine Menge Pheromone freigesetzt, es wird gestupst, geworben und zu guter Letzt, begrenzt durch einen frisch gebuddelten Graben, um das Weibchen gerauft.
Der Gewinner darf sich paaren – bis zu 180 Minuten lang und gleich zweifach. So hat der Penis der Ameisenigel zwar vier (!) Spitzen, der weibliche Genitaltrakt allerdings nur zwei Eingänge. Wie Forscher 2007 herausfanden, schwellen zu Beginn der Erektion alle vier Penis-Verzweigungen an, per Trial-and-Error-Verfahren wird dann getestet, welche Kombination passt.
Mag der Ameisen, Termiten und Würmer fressende, zahnlose Echidna mit der von stacheligen Warzen bedeckten Zunge für den Menschen also nicht unbedingt überlebensnotwendig sein, so versetzt er uns immerhin in Staunen. Nützlich ist der Ameisenigel somit allemal.