Читать книгу Fiona - Leben - Zsolt Majsai - Страница 8

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„Ich wurde hingerichtet.

Ich weiß, was Sie jetzt denken. Das ist bestimmt irgendwie metaphorisch gemeint. Hingerichtet, sonst wäre sie ja tot. Und dann könnte sie mir das jetzt nicht erzählen. Und an lebende Toten und so, da glaube ich nicht dran.

Aber so ist das nicht. Ich wurde hingerichtet. Zwei Schüsse von hinten in den Kopf.

Also, aufgeklärte, moderne Menschen glauben ja, das Gehirn ist der Sitz des Bewusstseins, und wenn das Gehirn zerstört wird, ist es vorbei. Dann gibt es dieses Bewusstsein einfach nicht mehr. Wenn wir als Embryo heranwachsen, wird es langsam hell, und wenn wir sterben, wird es wieder dunkel. Für immer. Manchmal geht es langsam, manchmal ganz schnell. Zum Beispiel wenn Ihnen von hinten zwei Kugeln in den Kopf geschossen werden.

Wenn Sie also zu den Menschen gehören, die rational, aufgeklärt und modern sind, werden Sie mir vermutlich nicht glauben. Ich erzähle es Ihnen trotzdem. Sie können hinterher ja entscheiden, wie Sie damit umgehen wollen.

Also, ich wurde hingerichtet. Es war wirklich eine Hinrichtung. Ich geriet in Gefangenschaft, wurde schuldig gesprochen, einer terroristischen Vereinigung anzugehören, Attentate geplant zu haben, und dann an Ort und Stelle mit zwei Kugeln hingerichtet. Das mit den Attentaten stimmte sogar. Aber die wussten nicht, was ich wirklich wollte und dass sie mir sogar dabei helfen, meine Pläne auszuführen. Wie hätten sie es auch wissen sollen? Sie waren zwar weder modern noch aufgeklärt, das sind diese Art von Diktaturen nie, aber sie konnten sich trotzdem nicht vorstellen, dass ich so eine Hinrichtung überleben würde. Sie glauben zwar an Himmel und Hölle und so, an eine dualistische Welt, aber die Realität übersteigt ihre Vorstellungskraft bei Weitem.

Doch zurück zu der Hinrichtung. Meine Hände waren am Rücken gefesselt, mit einem Seil oder so. Kann sein, dass es ein Abschleppseil war, ich weiß es nicht so ganz genau. Während der Verhandlung musste ich knien und die ganze Zeit zum Tribunal schauen. So nannten sie es jedenfalls. In Wirklichkeit war es Lynchjustiz, aber das ist egal. Es spielt keine Rolle, denn jedes Gericht in jedem Staat hält sich für legitimiert und ist es doch nicht. Ich bin legitimiert, denn ich wurde von Gott dazu berechtigt. Doch das ist eine andere Geschichte, und Sie denken jetzt sowieso, ich bin eine Irre, völlig durchgeknallt und größenwahnsinnig.

Tatsache ist allerdings, dass ich hier vor Ihnen sitze, obwohl ich hingerichtet wurde. Das sollte Ihnen möglicherweise zu denken geben.

Nun, ich kniete also da auf dem harten Boden, was nach einer Weile sogar schmerzhaft wurde, aber Schmerzen bin ich ja gewohnt. Es gehört zu meinem Job, dass es ab und zu schmerzhaft wird. Ziemlich schmerzhaft sogar, denn nicht immer geht es so schnell und einfach zu wie meine Hinrichtung in diesem Fall.

Ich beobachtete den Richter und die beiden Soldaten rechts und links von ihm. Rings um uns herum waren noch andere, Soldaten, oder besser gesagt, Rebellen, die sich für Soldaten hielten. Nicht einmal Uniformen hatten sie, viele trugen Sandalen. Nicht wirklich die geeignete Kleidung zum Kämpfen, aber es waren ja auch Amateure. Verblendete Idioten, um ganz genau zu sein. Sie spielen Krieg und irgendwann begannen sie, das Töten zu genießen. Zuzuschauen, wie bei den Kopfschüssen Augen, Nase und Gehirn der Hingerichteten durch die Gegend spritzen, das ist für sie schöner geworden als ihr Sperma zu verspritzen. Make war not love. Ganz schön pervers. Ich meine, ich töte auch. Es macht mir wenig aus, allerdings weiß ich, dass der Körper eines Menschen nicht den Menschen ausmacht, und ich weiß auch, dass das Töten nicht mehr ist als das Verschrotten eines Autos. Sonst wäre ich ja nicht hier, trotz meiner Hinrichtung.

Hinter mir gestikulierten aufgeregt einige Männer, vielleicht darüber, wer mich erschießen darf. Ich habe keine Ahnung. Ich weiß noch, dass ich mir die krumme Nase des Richters anschaute, als der erste Schuss fiel. Die Kugel drang von oben ein, hier hinten, können Sie bei sich spüren, oberhalb der Einbuchtung. Die Anatomen haben auch einen Namen dafür, fällt mir grad nicht ein. Egal. Etwas oberhalb der Augen also, und der Schütze konnte oder wollte nicht vernünftig zielen.

Es war ein ganz eigenartiges Gefühl. Erst einmal ein ziemlich heftiger Schlag, der meinen Oberkörper nach vorne riss. Ich fiel nicht ganz um, schon allein wegen meiner Körperlage. Mein Oberkörper federte gegen meine Oberschenkel. In meinem Kopf fühlte es sich an wie … Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll. Es tat nicht weh. Das Gehirn an sich fühlt ja keinen Schmerz. Es war mehr so eine Art Ziehen. Dauerte nicht lange, nicht einmal eine Sekunde, weil meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt wurde.

Wie gesagt, der Schütze hatte schief geschossen, warum auch immer. Die Kugel verließ meinen Kopf durch das linke Auge, mit dem ich natürlich nichts mehr sehen konnte. Obwohl, ist schon interessant. In so einem Moment hat man ja ein ganz anderes Zeitgefühl. Für die anderen sind es Sekundenbruchteile, aber ich konnte deutlich und wie in Zeitlupe spüren, dass die Kugel mein Auge von innen traf. Ganz kurz, wie ein Aufblitzen, konnte ich die Kugel sogar sehen. Irgendwie unheimlich, wenn ich mir das so überlege.

Ich hing da also auf meinen Oberschenkeln, starrte mit dem verbliebenen Auge auf den Boden und sah nebenbei die Reste meines anderen Auges zusammen mit Blut und einer hellen, rosafarbenen Flüssigkeit auf den Boden tropfen.

Dann wurde mir klar, die rosafarbene Flüssigkeit war ein Teil meines Gehirns. Ich hatte es ja schon gesehen, ich meine, außerhalb meines Kopfes. Neu war für mich das alles ja nicht.

Ich dachte noch, wie schön es ist, dass es dieses Mal so schnell geht. Ich meine, ich habe es mir selbst ausgesucht. Den Job so allgemein, und ich wusste vermutlich, dass es auch bedeutet, dass es physisch sehr anspruchsvoll wird. Deswegen regenerieren wir uns immer wieder. Aber das Sterben, das ist wie bei allen Menschen. Und manche Arten zu sterben sind … sehr unschön. Kopfschüsse sind im Vergleich richtig angenehm. Wohlgemerkt, im Vergleich und für Leute wie mich, die überhaupt die Möglichkeit haben, diesen Vergleich anzustellen. Sie beispielsweise werden diese Möglichkeit nicht haben, wenn Sie gleich sterben. Deswegen erzähle ich Ihnen das so genau, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt.

Die zweite Kugel kam seitlich. Wahrscheinlich habe ich meinen Kopf gedreht, darum. Jedenfalls spürte ich noch, wie sie irgendwo neben dem Ohr in meinen Kopf eindrang. Sie zerfetzte mein rechtes Auge, sodass ich jetzt blind war. Ich glaube, es ging auch ganz schnell. Ich spürte noch, wie noch mehr von meinem Gehirn auf den Boden floss, dann wurde es plötzlich dunkel. Vermutlich als die kritische Masse meines Gehirns zerstört war.

Mein Körper war damit deaktiviert. Vorübergehend. Ich habe mich dann notdürftig gesäubert, aber in meinen Haaren klebt noch Blut und Reste von dem, was es sonst noch so in meinem Kopf gibt. Sehen Sie?

Mein Ich war natürlich noch da. Ich habe mittlerweile sehr viel Übung darin, die Zeit zu überbrücken, bis mein Körper sich regeneriert hat. Sie haben ihn zu den anderen Leichen geschafft. Als ich zu mir kam, lag ich auf den Überresten eines etwa dreijährigen Mädchens und eines Mannes, der wahrscheinlich sein Vater gewesen ist. Hätte ich zu dem Zeitpunkt auch nur den geringsten Zweifel gehabt, ob ich meinen Plan noch ausführen wollte, wäre dieser Zweifel bei diesem Anblick sofort geflüchtet.

Allerdings hatte ich keinen Zweifel. Ist nicht meine Art. Wissen Sie, mein Motto ist auch, dass ich bereit sein muss, zu Ende zu bringen, was ich beginne. Wofür hätte ich sonst auch all das auf mich genommen? Als Leiche gelangte ich in Ihr Haus, und auch wenn das nur Plan B war, für den Fall, dass ich erwischt werde, hat er doch ganz gut funktioniert.

Und das bedeutet, dass jetzt Sie hingerichtet werden.“

Die Pupillen des Mannes auf der anderen Seite des Tisches weiten sich kaum merklich. Bevor er aufspringen kann, drücke ich ab und beobachte, wie die Kugel durch die Stirn in seinen Kopf eindringt.

„Michael?“ In der Stille reicht dieses Wort schon geflüstert, um einen Widerhall zu erzeugen. Untermalt vom Quietschen der Tür müsste es meine Ankunft unüberhörbar verkünden. Dennoch gibt es keine Reaktion.

Aber ich spüre, dass er da ist.

Ich durchquere den großen Raum, den man mit viel gutem Willen Wohnzimmer nennen könnte, und gehe zur Tür, die in den Nachbarraum führt. Darin befindet sich unter anderem das Bett.

Darauf Michael, zusammen mit einem Buch. Er sieht hoch und mustert mich schweigend.

„Hi“, sage ich leise.

„Hi.“ Er lässt seinen Blick über meinen Körper gleiten, dann wieder hoch zu meinen Augen. „Welch ein hoher Besuch! Was verschafft mir diese unerwartete Ehre?“

Das frage ich mich auch gerade. Was habe ich eigentlich erwartet? Noch ist es nicht zu spät, ich sollte mich einfach umdrehen und wieder gehen. Es wäre das Klügste.

Und damit ausgeschlossen.

„Ich komme gerade aus dem Irak.“

„Wie schön für dich. Hast du dort Urlaub gemacht? Als Frau? Mutig.“

„Idiot. Ich habe jemanden hingerichtet. Und ich weiß jetzt, wie sich Kopfschüsse anfühlen.“

Er zieht eine Augenbraue hoch. Die rechte. „Hast du jemanden hingerichtet oder wurdest du hingerichtet?“

„Beides.“

„Also Abenteuerurlaub.“

„Michael …“

„Ja? Ich bin hier.“ Er legt das Buch weg und setzt sich auf. „Was genau willst du von mir?“

Eigentlich weiß ich es immer noch nicht. Ich sollte nicht hier sein. Die Geschichte im Irak ist eine Sache, die meisten Menschen würden kein Verständnis dafür haben, doch das kann mir egal sein. Aber wieso bin ich hierhergekommen, statt nach Hause zu fahren?

„Hallo? Fiona?“

Ich zucke zusammen. „Ich … Tut mir leid. War in Gedanken. Um ehrlich zu sein, versuche ich herauszufinden, warum ich hier bin.“

„Wieso, bist du nicht selbst hergekommen?“

„Doch, schon. Aber ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht, wieso.“

„Wie geht das denn? Du musst doch irgendwann die Entscheidung getroffen haben, dieses Ziel als Koordinaten in dein internes Navi einzugeben.“

„Was?“

Er deutet auf seine Stirn. „Gehirn. Gedächtnis. Gefühle. Manchmal auch Gedanken.“

Ich muss lachen. „Du bist doof. Michael, erinnerst du dich, was ich dir gesagt habe, nachdem du mich geküsst hast?“

„Wie könnte ich das je vergessen?“, erwidert er. „Du bläst mir keinen, wir schlafen nicht miteinander und es wiederholt sich nicht.“

Ich senke den Blick. „Das … das war gelogen.“

„Was?“

„Ich meine, damals meinte ich das wirklich. Aber … ich meine, ich habe dir erlaubt, mich zu küssen. Das erlaube ich nicht jedem.“

„Ach?“

Langsam gehe ich näher. Er zieht die Knie an und legt die Unterarme um seine Beine, mit einer Hand das andere Handgelenk umfassend. Weder eine Einladung noch eine Zurückweisung. Ich bleibe unschlüssig stehen.

„Was genau möchtest du von mir?“

„Dich küssen. Dir einen blasen. Mit dir schlafen.“

„Warum so plötzlich? Ich habe nämlich keine Lust, einfach nur als Ventil zu dienen, weil du dich mies fühlst nach so einem Job.“

„Ich fühle mich nicht mies! Das Arschloch hat es verdient.“

„Ich denke, wir richten nicht?“

„Wir treffen Entscheidungen, und wenn wir der Meinung sind, jemand stört das Gleichgewicht, dann töten wir ihn. Das weißt du auch.“

„Ja, weiß ich“, nickt er. „Mir sind deine Kriterien nur nicht ganz klar.“

„Darüber wollte ich nicht mit dir reden. Jedenfalls hat es nichts damit zu tun, dass ich hier bin. Zumindest nicht direkt. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken auf dem Flug.“

„Zeit zum Nachdenken ist gut. Aber es fällt dir immer noch schwer, mir den Grund für deinen Sinneswandel mitzuteilen?“

Ich setze mich seufzend am Bettende auf den Rand. „Es ist … es ist kein Sinneswandel. Ich weiß, dass du in mich verliebt bist und …“

„Bin ich das?“

Ich sehe ihn direkt an. „Bist du. Willst du es leugnen?“

Er schüttelt den Kopf.

„Michael, ich weiß nicht, ob ich in dich verliebt bin. Aber ich begehre dich. Deswegen durftest du mich küssen. Etwas an dir bringt mich an den Rand des Wahnsinns. Ich habe mich dagegen gewehrt, doch jetzt will ich es nicht mehr.“

Michael starrt mich schweigend an. Sein Blick gleitet von meinen Augen nach unten, auf meine Brüste. Viel zu sehen gibt es von ihnen nicht, unter dem schwarzen Pullover trage ich einen Sport-BH. Ich fasse den Pullover am Kragen und ziehe ihn langsam aus. Dann den BH. Michael starrt immer noch auf meine Brüste. Er sieht mich nicht zum ersten Mal nackt, aber zum ersten Mal mit der Aussicht, mehr als den Anblick zu bekommen.

Mit den Füßen streife ich die Stiefel ab, knöpfe dann die Jeans auf und streife sie ebenfalls ab. Bis auf das hellblaue Höschen bin ich nackt. Nach einer kurzen Pause ziehe ich den Slip auch aus.

Als Michael sich immer noch nicht rührt, steige ich auf das Bett und stelle mich mit gespreizten Beinen so vor ihm hin, dass er meine Muschi vor den Augen hat. Er hebt langsam den Kopf und schaut zu mir hoch.

„Du meinst das ernst?“

Ich nicke, dann lege ich beide Hände auf seinen Kopf und drücke sein Gesicht zwischen meine Beine. Ich spüre, wie er den Mund öffnet und seine Zunge zwischen meine Lippen schiebt. Ich schließe die Augen.

Nach einiger Zeit, in der er mich genau erkundet hat, umfasst er mit den Händen meine Pobacken und zieht mich runter. Ich setze mich kniend auf meine Fersen und betrachte ihn. Er küsst mich, erst sanft, dann immer fordernder, packt dabei mit beiden Händen meine Brüste. Ich schließe wieder die Augen und ertaste die Knöpfe seines Hemdes, öffne sie und schiebe dann das Hemd nach hinten. Dazu muss er mich loslassen und als er die Hände wieder frei hat, legt er eine auf meinen Oberschenkel, die andere zwischen meine Beine. Ich stöhne auf.

Ich lasse meine Fingerspitzen wie Krallen über seine muskulöse Brust gleiten. Der Kuss soll bloß nie aufhören! Als dann seine Finger in mich eindringen, öffne ich seine Hose und greife hinein, bis ich sein hartes Glied umfassen und herausziehen kann. Nur ganz flüchtig schießt mir der Gedanke durch den Kopf, wieso ein Vampir einen Steifen haben kann.

Ich löse meinen Mund von seinen Lippen. „Fick. Mich.“

Er lehnt sich zurück, ich ziehe ihm Hose und Unterhose aus. Sein mächtiger Brustkorb wölbt sich unbewegt hervor. Ich rutsche auf den Knien nach vorne, bis ich mit dem Unterleib über seinem Glied bin und es in mich einführen kann. Es gleitet vollkommen mühelos in meine nasse Muschi. Ich beuge mich vor, um ihn weiter zu küssen. Seine Hände umklammern meinen Po.

Wir sind beide völlig überdreht und kommen schon nach kurzer Zeit. Ich presse meinen Unterleib gegen seinen und bewege ihn kreisend. Er zuckt wild, fast schmeißt er mich runter. Ich schlinge die Arme um seinen Hals und drücke schreiend das Gesicht gegen seine Schulter.

Viel später, ich weiß nicht einmal, ob Minuten oder Stunden vergangen sind, hebe ich den Kopf und sehe ihn an.

Er grinst. „Das war ja fast eine Vergewaltigung.“

„Deine Gegenwehr war kaum zu bemerken.“

„Es ging so schnell, ich hatte gar keine Gelegenheit dazu.“

Damit bringt er mich zum Lachen. „Idiot. Einen so harten Schwanz wie deinen habe ich schon lange nicht mehr erlebt.“

„Ja, und er scheint so bleiben zu wollen.“

Ich bewege meinen Unterleib kreisend. „Hat er etwa noch nicht genug?“

„Genug? Das war doch erst die Vorspeise!“

Er meint es ernst. Sehr ernst.

Michael reicht mir meine Zigaretten, dann geht er zum zugemüllten Schreibtisch und befördert nach einiger Suche zwei Gläser und eine halbvolle Whiskyflasche ans Kerzenlicht. Ich setze mich auf und inhaliere den Rauch tief ein, während er die Gläser ordentlich füllt. Darüber, ob diese Gläser jemals gespült worden sind, mache ich mir lieber keine Gedanken.

Ein Glas gibt er mir, das andere führt er sich an die Lippen und nimmt einen großen Schluck. Ich nippe vorsichtig an meinem Glas. Es schmeckt einigermaßen.

„Wie geht es Sandra?“, erkundigt er sich.

Dieses Arschloch! „Ganz gut. Seit wann interessierst du dich für meine Tochter?“

„Ich finde die Vorstellung süß, dass du eine Tochter hast.“

„Michael, du solltest aufhören, irgendetwas im Zusammenhang mit mir süß zu finden.“

„Ups. Empfindliche Stelle getroffen?“

„Ich? Getroffen? Eher andersherum.“ Ich zaubere das süßeste Lächeln auf mein Gesicht, dessen ich fähig bin. Michaels Miene verdüstert sich.

„Erinnere mich nicht daran“, knurrt er.

„Dann hör auf, von meiner Tochter und von süß zu labern, okay?“

„Wollte nur nett sein …“

„Wozu? Ich bin nicht hier, damit du nett bist. Nett ist langweilig. Ich hasse alles, was mit nett zu tun hat.“

„Stimmt, du bist eher ein Tier.“

„Das sagt der Richtige!“ Ich proste ihm zu und nehme diesmal auch einen großen Schluck.

Er setzt sich neben mich. Ich betrachte seine ausgestreckten Beine neben meinen ausgestreckten Beinen. Seine sind behaart und muskulös. Meine nur muskulös. Und deutlich dünner.

„Du hast schöne Beine“, bemerkt Michael grinsend.

„Danke. Du auch. Zumindest für einen Mann.“

„Das ist mal wieder typisch für dich. Immer direkt eine Einschränkung.“

„Nicht immer!“, protestiere ich.

„Gut, du hast recht, nicht immer. Aber warum überhaupt?“

Ich zucke die Achseln. „Bin eben so. Gefällt es dir etwa nicht, wie ich bin?“

Er mustert mich von der Seite. „Was ist das denn für eine Frage? Willst du jetzt hören, dass du geil aussiehst? Oder geht es um deinen Intellekt?“

„Ach Michael.“ Ich seufze. „Ich weiß, wie ich aussehe und wie ich auf Männer wirke. Vor James habe ich die halbe Stadt gefickt, und auf der Schule gab es kaum einen, der nicht mit mir vögeln wollte.“

„Eingebildet bist du aber nicht, oder?“

„Weil ich mir dessen bewusst bin? Komm schon. Ich war nicht die Schulkönigin, habe mich nie, na ja, fast nie, zurechtgemacht. Und wahrscheinlich waren gerade deswegen alle scharf darauf, mit mir in die Kiste zu hüpfen.“

„Jetzt mal ernsthaft, ist das eine Theorie?“

Ich grinse. „Keine Theorie. Habe es mehrmals getestet.“

„In der Schule?“

„Da auch. Das Klo zu den Sportumkleiden war ein guter Ort. Und David, der mich entjungfert hat …“

„Auf dem Klo?“

„Nein! Hältst du mich für so unromantisch?“

„Also gut, wo hat er dich entjungfert?“

„In meinem Bett, im Haus meiner Eltern. Ich war 15. Ich rief ihn an und sagte ihm, dass ich Hilfe bräuchte, in Mathe. Das war ein sicherer Hinweis für ihn.“

„Wieso?“

„Wir waren die Klassenbesten in Mathe.“

„Oh. Und er kam?“

„Oh ja! Mehr als einmal.“

„Das meinte ich grad nicht …“

„Ist mir klar. Wir waren zwei Monate zusammen, bis er meinte, ein anderes Mädchen knutschen zu müssen, auf dem Schulhof, während die halbe Schule zuschaute, weil er Freistunde hatte, wir aber nicht. Es war echt lustig.“

„Klingt nach Drama.“

„Hey, er war meine erste Liebe! Selbst mein Vater mochte ihn.“

„Hast du ihn verprügelt?“

„Nein“, erwidere ich gepresst. „Aber ich habe ihn ignoriert danach. Na ja, und irgendwann begriff ich, was die Blicke der Jungs zu bedeuten haben. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir bis dahin darüber keine Gedanken gemacht. Es gab einige Mädchen in meinem Alter, die Schulköniginnen spielten und natürlich stets hofiert wurden. Ich konnte mit ihnen nichts anfangen und lief nicht aufgetakelt rum.“

„Also eine Außenseiterin?“

Ich schüttele den Kopf. „Seltsamerweise nicht. Ich war schon beliebt. Ich fürchte, die hielten mich alle für süß.“

„Süß?“

Ich nicke. „Ich habe nie was für Allüren übriggehabt, sagte aber, was ich dachte. Es war auch selbstverständlich für mich, dass ich anderen half, wenn es nötig war. Meine Noten waren zwar mittelmäßig, weil ich nie für Tests lernte, aber ich machte mündlich mit. Reden kann ich ja. Ich begriff die Sachen, ich wollte nur nichts auswendig lernen. Lernen fand ich doof. Aber ich konnte alles erklären.“

„Ich glaube, ich verstehe“, sagt Michael nachdenklich. „Du warst einerseits der Kumpeltyp, andererseits aber natürlich süß.“

Ich starre ihn von der Seite an. „Ja, vielleicht. – Warum erzähle ich dir das alles eigentlich?“

„Dir war wohl danach.“

„Ja, irgendwie schon. Vielleicht ist es mir wichtig, dass du mich verstehst. Ich möchte nicht, dass du mich für durchgeknallt hältst.“

„Du bist durchgeknallt, da kannst du mir erzählen, was du willst. Die Menschen können froh sein, dass du auf der richtigen Seite stehst. Du hast vor nichts Angst und wenn du dir etwas in den Kopf setzt, dann tust du es einfach. Als Kriminelle wärst du richtig gefährlich.“

„Ich bin gefährlich.“

„Ja, für meine Unschuld“, knurrt er.

Ich mustere seine schwindende Unschuld. „In der Tat. Es ist schon erstaunlich, dass du als Vampir überhaupt einen Steifen kriegst, aber auch noch einen so harten?“

„Du wirst lachen, wenn ich Hunger habe, kriege ich ihn nicht hoch. Vampire sind sehr abhängig von ihrem Futter, was den Blutdruck angeht.“

Ich kriege einen Lachkrampf und habe Mühe, mich zu beruhigen. Er wartet geduldig, bis ich wieder ansprechbar bin. Dann zieht er mich auf seinen Schoß, dabei dringt er wie von selbst in mich ein. Seine kalten Augen mustern mich.

„Danach musst du gehen.“

„Ich weiß.“

„Gut.“

Später, als ich wieder meinen Verstand eingesammelt habe, frage ich ihn, wo die Toilette sei.

„Toilette?“

„Äh … ja?“

„Hier gibt es keine.“

„Wie meinst du das? Wie kann es hier keine Toilette geben?!“

„Ich brauche keine. Was musst du denn?“

„Pissen, und zwar tierisch!“

„Dann geh doch nach draußen und piss gegen die Wand. Interessiert doch niemanden. Kommt auch niemand vorbei.“

„Hm.“ Aber es hilft nichts. Ich strecke erst den Kopf in den Gang raus und schaue mich um, bevor ich nackt ein paar Schritte weg gehe und mich neben der Wand hinhocke. Es riecht streng, kein Wunder, die Blase ist voll wie sonst was.

Erleichtert gehe ich wieder rein und ziehe mich an.

„Hat dich jemand gesehen?“, erkundigt sich Michael, blöde grinsend.

„Ich habe Eintrittsgeld kassiert.“

„Cool. Aber die Hälfte gehört mir.“

„Du kannst mich mal.“

„Schon wieder?“

Ich zeige ihm, wie schön meine Mittelfinger sind. Doch statt auf diese, starrt er auf meine noch nackten Brüste. Grinsend ziehe ich den BH und den Pullover an.

„Schon wieder?“, frage ich ihn lächelnd.

„Du bist ganz schön rachsüchtig.“

„So bin ich eben.“ Ich gehe um das Bett herum und bleibe neben ihm stehen. Er sitzt nackt am Kopfende und mustert mich fragend. Sein Blick ist eindeutig. Nach kurzem Zögern winke ich ab und gehe. Ich blicke nicht zurück und er sagt nichts.

Ich nehme den Weg, den ich auch gekommen bin, nämlich durch die Disco. Das bedeutet zwar Kletterpartie, aber mein Auto steht eh auf dem Parkplatz. Die Geheimtür, die nur Eingeweihte kennen, befindet sich in einem kleinen Raum, der alibimäßig als Abstellkammer dient. Bevor ich die Tür öffne, lausche ich kurz. Bis auf die dumpf dröhnende Musik ist nichts zu hören. Ich eile an den Toiletten vorbei. Die Musik wird lauter, schließlich befinde ich mich mittendrin.

Die unterirdische Disco kokettiert mit ihren Grotten und Felswänden, die andererseits für eine miserable Akustik sorgen. Bei der Lautstärke spielt das allerdings für die zugedröhnten Gäste keine Rolle. Ich überlege kurz, eine zu rauchen und etwas zu trinken, entscheide mich aber schließlich dagegen.

Dass es ein Fehler war, überhaupt darüber nachzudenken und dadurch länger als unbedingt nötig in der Disco zu bleiben, wird mir klar, als ich Punky mit zwei anderen Vampiren entdecke. Sie schneiden mir den Weg zum einzigen Ausgang nach oben ab. Die beiden entschlossen dreinschauenden Vampirsöldner bleiben in einiger Entfernung stehen, während Punky grinsend auf mich zukommt.

„Hallo Fiona, das ist aber eine Überraschung, dich hier zu sehen. Hast du etwa Sehnsucht nach dem Herrn?“

Ich mustere ihn kurz, dann will ich an ihm vorbei. Er macht einen Schritt zur Seite, sodass er mir erneut den Weg versperrt. Und als er den Mund öffnet, vermutlich um weiter zu quasseln, trete ich blitzschnell und mit aller Kraft gegen seinen Brustkorb. Er hebt regelrecht ab und fliegt davon – wohin, darauf achte ich nicht mehr, denn seine beiden Begleiter erfordern meine ganze Aufmerksamkeit.

Den, der näher steht, erwische ich mit zwei Halbkreistritten, die ihn aus meinem Blickfeld befördern. Schnell wende ich mich dem Dritten zu, allerdings nicht schnell genug. Seine Faust explodiert mitten in meinem Gesicht. Ich spüre, dass ich durch die Gegend fliege, Menschen zur Seite stoße und dann sehr unsanft auf dem harten Boden lande.

Nach einigen Sekunden der Benommenheit drücke ich mich mit einer Hand hoch, mit der anderen Hand berühre ich meine Lippen. Blut. Doch bevor ich wütend aufspringen kann, werde ich an den Haaren gepackt, hochgerissen und mein rechter Arm wird auf den Rücken gedreht. Zum Protestieren habe ich keine Zeit, denn Punky kommt von vorne auf mich zugeschossen. Ich empfange ihn mit einem Tritt zwischen die Beine und lasse einen zweiten in sein Gesicht folgen, als er sich nach vorne krümmt. Einigermaßen zeitgleich hole ich mit der freien Hand aus und schlage sie an meinem Kopf vorbei in das Gesicht des Vampirs, der mich von hinten festhält. Er taumelt, lässt aber meinen verdrehten Arm nicht los. Ich drehe mich jetzt schwungvoll nach rechts, packe dabei mit der rechten Hand seinen rechten Arm. Das zwingt ihn in eine gebückte Haltung, so kann ich mit dem Ellbogen des freien Arms gegen sein Genick schlagen. Endlich lässt er los und geht in die Knie.

Dafür habe ich den dritten Vampir wieder am Hals. Sein Gesicht ist blutverschmiert, ansonsten sieht er aber ziemlich fit aus. Nicht fit genug für mich. Ich brauche nur ein paar Sekunden, um seine Deckung zu zertrümmern und ihm die Nase. Dann erwische ich einen seiner Arme und breche ihn am Ellbogen. Sein Geheul geht im Aufschrei der Menge unter.

Diesmal vertrödel ich nicht unnötig Zeit. Niemand hält mich auf, als ich auf den Ausgang zulaufe. Mein Auto steht noch da, wo ich es abgestellt hatte, was keineswegs selbstverständlich ist.

Ich betrachte mein Gesicht im Rückspiegel. Das Blut aus meiner Nase hat sich um den Mund herum verteilt, ich sehe aus, als hätte ich einen Menschen leergetrunken. Für solche Fälle habe ich zum Glück immer Reinigungstücher dabei.

Ich fahre nach Hause.

Zu Hause ist niemand, also laufe ich hinüber ins Nachbarhaus. Nicholas öffnet und begrüßt mich erfreut. Ich umarme ihn, dann gehe ich in den Salon, dort finde ich meine Eltern mit Sandra auf dem Schoß meiner Mutter. Die Augen der Kleinen leuchten auf, als sie mich erblicken. Lachend nehme ich sie an mich und begrüße sie innig, bevor auch meine Eltern was von mir abbekommen.

„Danny?“

„Den hat James mitgenommen“, antwortet mein Vater. „Möchtest du was trinken? Oder essen?“

„Einen Kaffee könnte ich vertragen. Aber erst nach der Fütterung des Raubtiers.“ Ich setze mich neben meiner Mutter auf die Couch, schiebe Pullover und BH hoch und betrachte lächelnd meine Tochter beim Trinken.

„Sie ist so süß“, sagt meine Mutter und sieht Sandra verliebt an.

„Meins!“

„Schon gut, schon gut. Ich bin glücklich, wenn ich mich ab und zu um sie kümmern darf.“

„Mal sehen, ob du das in 15 Jahren immer noch so denkst“, erwidere ich.

„Ganz sicher.“

„Und wenn sie wird wie ich?“

„Dann erst recht.“

Zack. Sowohl meine Frage als auch die Antwort darauf treffen mich unvorbereitet. Sandra starrt mich erschrocken an, ich habe Mühe, sie zu beruhigen und zu animieren weiterzutrinken. Wenigstens kann ich dabei auch selbst die Beherrschung wiedererlangen.

Natürlich ist es meiner Mutter nicht entgangen, was sie ausgelöst hat. Sie ist aber feinfühlig genug, nicht weiter darauf einzugehen.

Wir schweigen, bis mein Vater mit dem Kaffee kommt. Und danach schweigen wir auch, ich mit Tochter auf der Couch und umrahmt von meinen Eltern. Ein ganz, ganz seltsames Gefühl.

Erst als Sandra fertig ist und ich meine Kleidung wieder gerichtet habe, reicht mir mein Vater den Kaffee, den ich gierig trinke. Mir fällt plötzlich der Whisky ein, aber nun ist es zu spät.

„War deine Reise erfolgreich?“, erkundigt sich mein Vater.

„Oh ja, das war sie.“

„Du warst aber nicht auf Geschäftsreise.“ Keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Wie man es nimmt.“ Meine Tochter steht auf meinen Beinen und lacht mich an. Ich bin erst einmal damit beschäftigt, in einen Lachwettstreit mit ihr zu treten. Danach fahre ich fort. „Ich war im Irak.“

„Im Irak?“, wiederholt meine Mutter. „Was hast du denn da gemacht?“

„Eine Störung des Gleichgewichts beseitigt.“

Mein Vater versteht schneller, aber dann gefriert auch der Gesichtsausdruck meiner Mutter. „Aber … ist das nicht gefährlich?“

„Ich wurde hingerichtet mit zwei Kopfschüssen“, erwidere ich in einer Tonlage, als würde ich über Kuchenessen sprechen, denn Sandra untersucht gerade meine Stirn und den Haaransatz. Letzteres ist etwas schmerzhaft. „Junge Dame! Das sind meine Haare! – Dadurch kam ich an … mein Zielobjekt dran. Er wird sich von den Kopfschüssen nicht erholen.“

„Du hast … du hast …“

„Barbara!“, unterbricht sie mein Vater freundlich, aber nachdrücklich.

„Schon gut. Ich war nur … bin … etwas geschockt.“

„Man muss sich erst daran gewöhnen, dass unsere Tochter als Racheengel unterwegs ist und Menschen im Auftrag Gottes tötet“, bemerkt mein Vater.

„Mit Rache hat das nichts zu tun“, entgegne ich, Sandra sanft davon überzeugend, dass es wirklich, wirklich meine Haare sind. „Und auch nicht im Auftrag Gottes. Gott ist es scheißegal, was wir hier so treiben.“

„Red doch nicht so über Gott“, sagt meine Mutter entsetzt.

„Warum denn nicht? Es ist die Wahrheit. Gott hat seine Hausmeistergilde, die sind für Ordnung zuständig. Und der hiesige Hausmeister hat unter anderem mich auserkoren.“

„Wenn das die Menschen erfahren würden, dann brächen sofort alle Religionen zusammen und Frieden kehrte ein.“

Ich starre meinen Vater entgeistert an. „Wieso sollten sie das glauben? Sie glauben ja nicht einmal viel leichter zu verdauende Sachen, zum Beispiel die einfache Tatsache, dass jeder Mensch selbst denken darf.“

„Das ist zynisch“, stellt meine Mutter fest.

„Ach was. Ich und zynisch?“ Ich setze Sandra auf meinen Schoß, so kommt sie nicht an meine Haare dran. Komisch, wie weh das tun kann, wenn so ein Kind an den Haaren zerrt. Einer Fortsetzung der lästigen Diskussion entgehe ich zum Glück, Danny und, mit etwas Verspätung, James stürmen das Wohnzimmer. Ich bringe Sandra vor Danny in Sicherheit und kriege dafür die Zungenküsse ab. Zum Ausgleich auch den Kuss von James. Einen Kuss. Einen zweiten bekommt Sandra.

„Bleibt ihr zum Abendessen?“, erkundigt sich mein Vater.

„Nein, heute nicht. Vielleicht morgen?“, schlage ich vor, bevor mein geliebter Ehemann reagieren kann.

„In Ordnung, morgen bei uns. Gegen acht?“

Wir einigen uns auf acht Uhr, dann gehen wir rüber in unser Heim. Während James ein kleines Abendessen zubereitet, bade ich Sandra und bringe sie danach ins Bett.

Ich ziehe mich aus, stopfe alles in die Schmutzwäsche und streife ein T-Shirt über. James zieht kurz eine Augenbraue hoch, als er das sieht, enthält sich aber eines Kommentars.

Beim Abendessen schweigen wir uns an. Ab und zu mustert James mich und sieht fast so aus, als wollte er was sagen. Aber nur fast. Ich setze mich danach auf die Couch und mache den Fernseher an. James kommt einige Minuten später mit einer Flasche Wein nach, öffnet sie routiniert, schenkt in zwei Gläser ein und reicht mir eins, während er sich neben mich setzt.

„Wie war dein Auftrag?“

„Es war kein Auftrag. Ich habe selbst entschieden, den Kerl zu töten.“

„Dann: Wie war deine Entscheidung?“

Ich betrachte ihn nachdenklich. Da sitze ich im kurzen T-Shirt, die nackten Beine angewinkelt hochgezogen, und der Kerl sitzt völlig ungerührt neben mir.

„Blutig“, erwidere ich knapp.

„Also wie üblich.“

„Jaaames …“

„Auf jeden Fall.“ Damit bringt er mich zum Lachen, und das weiß er auch genau. Ich proste ihm zu und trinke mein Glas leer. „Das ist Rotwein aus Frankreich!“, ruft er entgeistert.

„Jetzt nicht mehr. Jetzt ist er Rotwein auf dem Weg in meinen Bauch. Hier, schau.“ Ich ziehe mein T-Shirt bis zum Kinn hoch und zeige mit dem Finger, wo der Wein hinunterläuft. Seine Reaktion würde jeder Steinstatue Ehre machen.

„James, was ist los?“

„Im Moment nichts.“

„Ja, das sehe ich auch. Aber was ist der Grund?“

„Lass uns fernsehen.“

„James!“ Ich springe wütend auf und stelle mich zwischen ihn und den Fernseher. „Das ist nicht dein Ernst? Kannst du dich überhaupt noch daran erinnern, wann wir das letzte Mal miteinander geschlafen haben?“

„Ist eine Weile her. Schatz, meinst du, ich kriege einen hoch, wenn du mich so anschnauzt?“

„Dann sag mir wenigstens, warum du keinen hochkriegst!“

„Ich weiß es nicht. Postnatale Depression.“

„Was? Das kriegen die Frauen!“

„Ich habe es für dich übernommen.“

„Okay, du bist also nicht gewillt, dich ernsthaft darüber zu unterhalten?“

„Nicht weniger als du.“

„Wie? Was?“

„Du findest, das, was du tust, kann man als ernsthafte Absicht bezeichnen?“

„Das ist ja wohl die Höhe! Ich habe dich ganz normal gefragt, was los ist! Erst als du daraufhin fernsehen wolltest, wurde ich laut!“

„Warum eigentlich?“

Ich bekomme Schnappatmung und habe Schwierigkeiten, überhaupt die passenden Worte zu finden. „Das fragst du noch? Verdammt nochmal, Sandra ist 8 Monate alt, und seit 8 Monaten hatten wir keinen Sex mehr!“

„Du warst ja auch entweder mit ihr beschäftigt oder in göttlicher Mission unterwegs.“

Ich starre ihn völlig entgeistert an. „Was?“

„Schatz, diese Diskussion ist müßig.“

„Was? Äh … Bin ich im falschen Film, oder was? Du hast mir nicht grad ernsthaft vorgeworfen, dass ich mich um unsere Tochter kümmere?“

„Das war kein Vorwurf, lediglich eine Feststellung. Und außerdem solltest du vielleicht …“

„Sag mal, spinnst du jetzt völlig?!“, brülle ich los.

„… nicht so rumschreien, du weckst das Kind.“ Womit er recht hat.

Ich atme ein paarmal tief durch, dann gehe ich nach oben und nehme Sandra auf den Arm. Sie weint ziemlich heftig und ich brauche lange, um sie wieder zu beruhigen.

Nachdem ich Sandra abgelegt und zugedeckt habe, gehe ich langsam zur Treppe. Göttliche Mission? Was fällt dem Kerl eigentlich ein?

Der Kerl steht an der Bar und trinkt etwas, vermutlich Whisky. Er sieht mich nachdenklich an, als ich ins Wohnzimmer komme.

„Sie schläft.“

James nickt.

Ich gehe zu ihm. „Hör zu, es tut mir leid, dass ich grad so ausgeflippt bin.“

Erneutes Nicken. „Ich war wohl nicht sehr … kooperativ.“

„Ach was. Du wolltest halt fernsehen.“

Ein Grinsen. Tatsächlich! Ein. Grinsen!

Ich lege die Hände auf seine breite Brust. „James, ich liebe dich. Ich … Verdammt, in göttlicher Mission?“

Grinsen wird breiter. Unglaublich.

„Tut mir leid, ich wollte dich damit nicht verletzen.“

„Es geht um das Gleichgewicht.“

„Ja, ich weiß. Ich hoffe, ich störe dein Gleichgewicht nicht, sonst wird mein Leben doch recht kurz.“

„James? Wenn du glaubst, …“

„Das war ein Scherz.“

Ich atme tief durch. „Kannst du die bitte ankündigen, deine Scherze? Du bringst nämlich mein psychisches Gleichgewicht durcheinander. Dafür gibt es nicht den Tod, aber … Und außerdem, wenn schon Mission, dann Fiona Mission.“

„Oje.“

„Ich hör schon auf damit. Gehen wir ins Bett?“

Das dritte Nicken. Unfassbar.

Während James das Badezimmer oben nimmt, gehe ich in das untere. Beim Zähneputzen mustere ich mein Gesicht. Es ist immer noch das Gesicht einer 27jährigen Mutter, trotzdem hat sich etwas verändert. Die Augen. Es ist eine alte Frau, die mich aus diesen Augen anstarrt.

An diesem Abend schlafen James und ich das erste Mal nach acht Monaten wieder miteinander.

Pünktlich wie die Geldeintreiber stehen wir bei meinen Eltern auf der Matte. Die ganze Meute. Und nachdem die Tür aufgegangen ist, schießt Danny an Nicholas vorbei. Wir finden ihn vor meiner Mutter sitzend wieder, genüsslich die Reste der Reste kauend.

„Ich verstehe echt nicht, wieso er noch nicht rollen kann“, bemerke ich grinsend.

„Danny arbeitet hart, da kann nichts ansetzen“, erklärt meine Mutter. „Gib mir mal das Kind.“

„Hier. Aber gib ihm keinen Kaffee.“ Ich gehe an die Hausbar und schenke James und mir Whisky ein.

„Wieso darf sie heute keinen Kaffee haben?“, erkundigt sich meine Mutter.

„Wie, was?“

„Dass ich das mal erlebe, ich habe es geschafft, dich reinzulegen!“

„Gar nicht wahr“, murmele ich. „Ich wollte dir nur eine Freude machen …“

Klugerweise geht meine Mutter darauf nicht weiter ein, sondern bittet uns zu Tisch. Sandra behält sie, was dem Töchterchen offensichtlich gefällt. Schon erstaunlich, wie genau sie schon mit ihren acht Monaten erkennt, wo es die größten Kuchenstücke gibt. Und Pommes.

Nach dem Essen gehe ich nach draußen, um zu rauchen. Während meine Mutter sich um Sandra kümmert, unterhalten sich die Männer über Politik. Ich muss innerlich schmunzeln, wie wenig das Bild der Realität entspricht. Durch meine Arbeit als CEO und als Kriegerin ist es nicht unwahrscheinlich, dass ich mehr darüber weiß, was in dieser Stadt passiert, als die beiden. Aber sie sind halt alte Männer und brauchen das.

Ich werde allerdings hellhörig, als ich einen mir unbekannten Namen höre. Mein Vater erzählt von einem Präsidentschaftskandidaten, der wie aus dem Nichts aufgetaucht sei. Wieso weiß ich nichts davon? Wie kann jemand für das Amt des Präsidenten kandidieren und ich kenne nicht einmal seinen Namen?

Ich drücke die Zigarette aus und gehe rein.

„Ich habe James gerade von Frost erzählt“, sagt mein Vater.

„Ich habe es gehört. Und wieso weiß ich nichts über den?“

„Vielleicht will er nicht als Ungleichgewicht gelten“, sagt James grinsend.

„Blödmann. Wann hast du das erste Mal von dem gehört, Papa?“

„Das ist gar nicht so lange her. Beim Tennis erzählte mir ein befreundeter Journalist von ihm, da war es ziemlich neu.“

„Hm. Da bin ich ein paar Tage im Irak und schon haben wir einen neuen Kandidaten? Findet ihr das normal?“

„Es ist durchaus seltsam“, gibt James zu. „Was weiß man denn über ihn?“

„Er heißt Deal B. Frost“, antwortet mein Vater.

„Das ist alles?“

„Im Wesentlichen. Morgen soll es eine große Pressekonferenz geben, dann will er sich vorstellen.“

„Hm. Sehr ungewöhnlich.“

„Da gebe ich dir recht“, sagt mein Vater. „Aber es könnte sich auch einfach nur um sehr gutes Marketing handeln.“

„Die Aufmerksamkeit dürfte er sich gesichert haben, ja.“

Ich mache eine Notiz in meinem Handy, dass ich mir diesen Frost mal anschaue. Ich kann es förmlich riechen, da stimmt etwas nicht. Ob es eine Sache für Krieger ist, das muss sich allerdings erst noch zeigen.

Ich friere.

Ich frage mich zum tausendsten Mal, warum ich das alles eigentlich tue, während ich von meinem Sitzplatz auf dem Gehweg neben dem kleinen Café in Downhill den Logan-Tower betrachte. Es ist Spätnachmittag. Feierabend. Die Leute aus dem Tower gehen alle nach Hause oder ins Fitness-Center oder ins Kino, vielleicht auch erst shoppen, oder zum Chinesen essen … Und ich sitze hier und starre das Gebäude an.

Ich führe langsam die Tasse mit dem Cappuccino an den Mund und nippe am Schaum. Mit der Zunge wische ich ihn dann von meiner Oberlippe.

Der Tower wird bewacht. Mich interessiert in erster Linie das zweistöckige Penthouse ganz oben, das von Frost bewohnt wird. Unauffällig komme ich durch das Gebäude da nicht rein, so viel habe ich schon herausgefunden. Selbst von hier unten ist zu erkennen, dass das Penthouse nach innen versetzt gebaut wurde, und das Geländer, das um das Dach herum verläuft, lässt vermuten, dass da eine Terrasse ist.

Vernünftig wäre es, einfach nach einem Termin bei Frost zu fragen.

Aber erstens hasse ich vernünftige Lösungen, und zweitens sagt mir mein Gefühl, dass ich Frost keine Gelegenheit geben sollte, sich auf meinen Besuch vorzubereiten.

Ich zünde mir eine Zigarette an. Es ist frühlingshaft kühl, vor allem hier in der Straßenschlucht. Aber drinnen herrscht Rauchverbot, ganz abgesehen von der fehlenden Aussicht. Und da ich hier draußen eh auch von den Autoabgasen vergiftet werde, stört sich niemand daran, dass ich rauche.

Alle Gebäude um den Tower herum sind niedriger. Aber eins davon hört nur zwei Etagen unterhalb der Terrasse des Penthouses auf. Für mich kein Problem. Allerdings sollte ich warten, bis es dunkel geworden ist. Frost ist noch bis Mitternacht auf der Pressekonferenz. Was nicht heißt, dass sein Penthouse unbewacht ist.

Ich fahre nach Hause und mache Abendessen. Danach hole ich Sandra und Danny ab und komme gleichzeitig mit James an der Haustür an. Fast dunkel. Beim Abendessen erzähle ich James, was ich vorhabe.

Er mustert mich nachdenklich.

„Was denn?“

„Nichts. Eigentlich nichts. Ich hatte die Frage auf der Zunge, warum du das machst, aber mir fiel dann ein, dass deine Intuition immer recht behält. Also sag ich lieber nichts.“

„Ich wüsste eh keine gute Antwort. Ich weiß nur, dass ich ein beschissenes Gefühl habe, wenn ich an diesen Kerl denke. Alles an dem ist seltsam, und ich verstehe nicht, wieso das niemand merkt.“

„Was sollte denn wer tun? Ich meine, du tust doch was. Und vielleicht sind auch andere aktiv, werden das aber wohl kaum öffentlich tun.“

„Deine ehemaligen Kollegen? Ja, gut möglich.“ Ich betrachte lächelnd Sandra, die das Essen von ihrem Teller entfernt hat. Überallhin. Außer in ihren Mund. Eigentlich bin ich doof, ihr überhaupt etwas zu geben, nachdem sie den ganzen Tag bei meinen Eltern verbracht hat. Sie kann einfach keinen Hunger haben, mindestens bis morgen Abend.

„Du siehst müde aus“, stellt James fest.

„Ich bin auch müde. Was gar nicht sein dürfte.“

„Die Müdigkeit hat nichts mit deinem Körper zu tun.“ Der oberschlaue James. Ich schenke auch ihm ein Lächeln.

„Ist mir auch klar, mein Lieber. Vielleicht passiert das irgendwann, wenn man ständig tötet.“

„Oh. Hast du so viel getötet?“

„Zu viel. Zumindest habe ich manchmal das Gefühl. Dabei sind es keine, die es nicht herausgefordert hätten. Na ja, Jammern auf hohem Niveau.“

„Willst du kein Engel mehr sein?“ James grinst.

„Ich? Engel?“ Ich zeige ihm, wie ich ein Engel sein will. Allerdings erst, nachdem wir Sandra gebadet und ins Bett gebracht haben.

Danach geht James an seinen Computer, ich arbeiten. Passend angezogen fahre ich wieder nach Downhill und parke den Wagen in einer dunklen Seitenstraße. In dem Haus neben dem Tower befinden sich Luxusappartements. Ich drücke wahllos mehrere Klingeln und habe Glück, denn der Summer ertönt. Nach kurzem Überlegen nehme ich die Treppe statt des Aufzugs. Keuchend komme ich oben an. 30 Stockwerke merke selbst ich mit meiner Kondition.

Vom Dach aus erkunde ich die Umgebung und die Möglichkeiten, auf die Terrasse des Penthouses zu gelangen. Springen ist eine echte Alternative. Es sind etwa zehn Höhenmeter, für mich kein Problem, für normale Menschen ohne Hilfsmittel unüberwindbar.

Ich ziehe Handschuhe an, denn es ist nicht nötig, dass Ben mich wegen Einbruchs verhaften muss. Kurz denke ich darüber nach, wie wahrscheinlich eine Kameraüberwachung der Terrasse sein dürfte. Sehr wahrscheinlich. Also streife ich die Kapuze über und ziehe sie tief ins Gesicht.

Die Terrasse ist mit glatten Fliesen ausgelegt, das Penthouse völlig dunkel. Niemand da. Oder gut getarnt. Ich gehe einmal ganz herum, finde die hochwertigen Terrassenmöbel aus Teakholz, aber keine Möglichkeit, ohne Gewaltanwendung nach drinnen zu gelangen.

Ich denke nach. Genaugenommen gibt es keinen rationalen Grund für das, was ich hier tue. Ich sollte einfach wieder nach Hause fahren. Politik zu machen ist weder verboten noch strafbar, leider. Jedenfalls aus der Perspektive des Gleichgewichts habe ich keine Veranlassung, mich mit Frost zu befassen. Dennoch, da ist dieses bohrende Gefühl irgendwo tief im Bauch, tief in den Eingeweiden, das mir keine Ruhe lässt.

Etwas stimmt nicht.

Es ist nicht so offensichtlich wie katzenjagende Mäuse, aber ich spüre es trotzdem deutlich. Ich beschließe, meine recht rudimentären magischen Fähigkeiten einzusetzen, um die Tür zerstörungsfrei zu öffnen. Zumindest will ich es versuchen. Wenn es nicht klappt, wäre dies halt das Zeichen dafür, dass ich wieder nach Hause fahren kann.

Dann wird mir klar, wieso es keine Überwachungskameras gibt, wieso kein Alarm losging – und wieso mein Bauch sich so eindrücklich gemeldet hat.

Das Wesen ist plötzlich da. Das ist erschreckend, denn selbst wenn ich beschäftigt und abgelenkt bin, so bekomme ich dennoch mittlerweile ziemlich gut mit, was um mich herum geschieht. Doch dieses in einen dunklen Umhang gehüllte Wesen schafft es, mich zu überraschen. Genau wie der Dämon damals vor Nasnats Haus.

Als das Wesen sich nähert, erkenne ich, dass es nicht derselbe Dämon ist. Er ist kleiner und wirkt dennoch bedrohlicher. Eine beängstigend starke Aura umgibt ihn.

„Womit bezahlt Frost einen Dämon?“, erkundige ich mich, gleichzeitig meine Hände zu Fäusten spannend.

„Die falsche Frage“, erwidert er mit einer derart tiefen Stimme, dass ich Mühe habe, die einzelnen Wörter zu verstehen.

„Was ist denn die richtige?“

„Du darfst sie aus der Antwort erraten.“ Und die kommt sofort. Schraubstockartig schließen sich seine Finger, oder was auch immer er dahat, um meinen Hals und heben mich mühelos in die Höhe. Ich packe seinen Unterarm und stelle erschrocken fest, dass er sich wie aus Stahl anfühlt. Sein harter Griff lässt mein Genick knacken. Ich sollte ziemlich schnell etwas tun, was mich aus dieser äußerst misslichen Lage befreit.

Ich trete fest dorthin, wo Menschen und ähnliche Wesen empfindliche Stellen zu haben pflegen. Dieses hier zuckt sogar zusammen und drückt dann noch fester zu. Ich brauche ganz dringend eine sehr gute Lösung.

Ich ziehe beide Beine hoch und stemme sie gegen seinen Brustkorb. Nicht einmal ein Flusspferd könnte davon unbeeindruckt bleiben, ich bin schließlich eine Kriegerin. Tatsächlich schaffe ich es, seinen Arm länger werden zu lassen.

Doch die Freude währt nicht lange, denn plötzlich fährt er herum und schleudert mich gegen die gepanzerte Glaswand des Penthouses. Die Begegnung ist laut und ziemlich schmerzhaft. Wenn alle Knochen heil geblieben sind, dann habe ich riesiges Glück gehabt.

Der Dämon gönnt mir nicht einmal so viel Zeit, dass ich herausfinden kann, ob ich überhaupt noch lebe, und reißt mich wieder am Hals in die Höhe.

„Verabschiede dich“, sagt er.

„Fick dich!“, presse ich zwischen seinen Klauen hervor. „Ich bin eine Kriegerin, ich komme wieder!“

„Nicht, wenn ich dich endgültig töte“, erwidert das Ding und ich höre so was wie Belustigung aus dem tiefen Brummen heraus.

„Du hältst dich wohl für Gott …“

„Kleines Mädchen, wie ahnungslos du doch eigentlich bist.“

Ich mag keine Beleidigungen. Und als kleines Mädchen bezeichnet zu werden, ist so ziemlich die schlimmste Beleidigung, die man mir antun kann. Wutentbrannt beginne ich ihn zu schlagen und zu treten und zu kratzen, doch genauso könnte ich irgendeine Statue schlagen und treten und kratzen.

Bis ihn ein Tornado von der Seite einfach umweht. Und mich mit. Ich lande hart und schlage mit dem Kopf gegen die Fliesen, was ziemlich schmerzhaft ist. Ich schmecke Blut und finde, dass es einfach keinen Sinn hat.

Ich schließe die Augen.

Genieße die Stille, die nicht lange währt. Schritte nähern sich. Der Dämon kommt also, um sein Werk zu vollenden. Was ihn auch umgeweht haben mag, so mächtig, wie der Dämon ist, wird niemand, den ich kenne, mit ihm fertig.

„Fiona!“

Ich reiße die Augen auf und starre die Frau an, die sich über mich beugt.

„Katharina!“

Sie atmet laut aus und lässt sich neben mich sinken. „Jetzt bin ich ganz schön erleichtert.“

„Katharina?“

„Du hast ganz schön Glück gehabt, dass ich im richtigen Moment ankam.“

Ich sehe sie an. Sie ist es wirklich. Katharina. Die Frau, die ich mehr liebe als alles andere auf der Welt. Sie sitzt neben mir, ganz nah, und eigentlich doch unerreichbar weit weg.

„Wieso … wieso bist du überhaupt hier?“

„Und du?“

Eine gute Frage. Ich setze mich langsam auf, eine ziemlich schmerzhafte Angelegenheit. Vielleicht sind doch einige Knochen gebrochen. Ich habe immer noch den Geschmack von Salz und Eisen im Mund.

„Ich wollte mir Frost ansehen.“

Katharina nickt. „Ich auch.“

„Du auch? Warum?“

Sie schaut mich an, wie ich sonst jemanden anschaue, mit dem ich Mitleid habe aufgrund seiner eingeschränkten geistigen Fähigkeiten. „Weil ich ihn bewundere. Und ich glaube, du hast eine Gehirnerschütterung. Kann das sein?“

Ich betaste meinen malträtierten Kopf und stelle dabei fest, dass in meinem Gesicht jede Menge Blut verteilt ist. „Nein, glaube ich nicht. Es hat zwar ordentlich gekracht, aber ich kann noch geradeaus denken.“

„Geradeaus denken?“ Katharina lacht. „Du hast immer noch eine manchmal herrlich schräge Ausdrucksweise.“

„Die stirbt zuletzt. – Mal ehrlich, warum wolltest du dir Frost anschauen?“

„Ich will es immer noch, Schätzchen. Vermutlich aus demselben Grund wie du. Da taucht ein Präsidentschaftskandidat aus heiterem Himmel auf und tut so, als wäre das völlig normal. Soweit ich mitbekommen habe, stellt er das als Marketinggag dar.“

„Du warst auf der Pressekonferenz?“

„Die läuft noch. Ich habe meine Leute da, die mich informieren.“

„Ach ja, ich vergaß.“ Ich erhebe mich stöhnend.

„Wo willst du hin?“, erkundigt sich Katharina und steht ebenfalls auf.

„Keine Ahnung. Irgendwohin. Sag mal, kanntest du den Typen eigentlich?“

Ihr Gesichtsausdruck verdüstert sich. „Oh ja. Das war Sorned, ein Krumana-Dämon.“

„Was für ein Hasta Mañana?“

„Krumana. Weder Hasta Mañana noch Cro-Magnon, obwohl Letzteres eher passen würde. Krumana war ein mächtiger Zauberer, der vor ungefähr 12.000 Jahren gelebt und gewirkt hat. Er erschuf eine ganze Armee von sehr starken Kampfdämonen, die Krumana-Dämonen. Die meisten von ihnen existieren nicht mehr. Sorned ist einer von ihnen. Und er kann unangenehm werden.“

„Das hast du nett ausgedrückt. Meine Tritte haben ihn weniger beeindruckt als mich Mückenstiche!“

„Wie ich schon sagte, sehr starke Kampfdämonen.“

„Woher kennst du ihn überhaupt?“

Katharinas Mundwinkel zuckt. Ein verräterisches Zeichen.

„Ein Geheimnis?“

Sie winkt ab. „Wir hatten mal … eine Beziehung.“

„Was?“ Ich starre sie entgeistert an. „Du? Mit? Diesem? Ding?“

„Lange her“, sagt sie seufzend. „Außerdem kann er auch nett sein. Manchmal zumindest. Und auch nicht zu allen.“

„Wo ist er eigentlich?“

„Fort. Als er mich erkannt hat, ist er abgehauen. Zum Glück, denn ich weiß nicht, ob ich mit ihm fertiggeworden wäre.“

„Okay. Katharina, es hat sich eine Menge geändert. Ich weiß jetzt viel mehr, was es bedeutet, eine Kriegerin zu sein. Ich bin inzwischen oft gestorben und ich mache Dinge, die ich mir früher nicht einmal in meinen wildesten Träumen hätte vorstellen können. Dieser Dämon hat mich geschockt, denn er holte mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich habe ernsthaft geglaubt, dass ich mächtig genug bin, zumindest chancengleich mit anderen, magischen Wesen zu sein.“

„Bist du ja auch.“

„Klar. Ich habe das grad bloß geträumt.“

„Sorned ist absolut kein Maßstab. Er wurde geschaffen, um zu vernichten.“

„Und Krieger wurden geschaffen, um das Gleichgewicht zu bewahren. Bisschen schwierig, wenn die Waage so sehr in die andere Richtung kippt.“

„Oh Lady, so kenne ich dich ja gar nicht.“

„Wie schon gesagt, es hat sich eine Menge geändert. Mich interessiert jetzt vor allem, wie wir diesen Wahnsinnigen stoppen können.“

„Ich habe das ja auch schon einmal geschafft. Gut, ich hatte dabei Hilfe von einer Hexe. Aber ich habe es geschafft. Er ist also nicht unbesiegbar.“

„Was hast du mit ihm gemacht?“

„Wir haben ihn eingesperrt. Verbannt. In das Gefängnis des Vergessens.“

„Davon habe ich schon mal gehört“, bemerke ich. „Also schön. Du hast Sorned irgendwann mal sozusagen eingesperrt. Anscheinend hatte das Schloss dieses Gefängnisses aber ein Verfallsdatum.“

Ein angedeutetes Grinsen schleicht sich auf Katharinas Gesicht. „Deine Art, deinen Zynismus in die unmöglichsten Vergleiche zu packen, ist einfach herrlich. So wie es aussieht, hat ihn jemand befreit. Möglicherweise dient er diesem Jemand als Gegenleistung, was bedeutet, dieser Frost ist mehr als eigenartig.“

„Das ist er auf jeden Fall. Hast du eine Idee, wer es gewesen sein könnte?“

Sie schüttelt den Kopf. „Leider nein. Normalerweise würde ich jetzt Nasnat fragen, aber …“

„… aber den habe ich sozusagen aus der Stadt vertrieben“, ergänze ich verkniffen.

„So ungefähr.“

„Also, was jetzt?“

„Jetzt fragen wir halt jemand anderen.“

„Wen?“

„Das ist eine Überraschung. Fahren wir mit einem Auto oder mit beiden?“

„Mit beiden“, antworte ich nach kurzem Zögern. „Ich fahre dir hinterher.“

„In Ordnung. Wo stehst du?“

„Irgendwo da unten. Und du?“

„Ich auch“, erwidert sie mit einem leicht verkniffenen Lächeln. „Dann geh einfach vor, okay?“

Ich nicke. Es wird eh Zeit, hier zu verschwinden. Ich laufe los und springe mühelos nach unten, ohne mir etwas zu brechen. Flüchtig schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass es irgendwie schon auch Spaß macht, egal wie viel Scheiße dabei passiert.

Und ich bin mit Katharina zusammen.

Das Objekt meiner Begierde nutzt eine Parklücke, in die ihr Auto eigentlich gar nicht reinpassen dürfte. Aber Katharina schafft es wider die Natur, ihr Auto in diese Lücke zu manövrieren. Ich suche mir derweil grummelnd eine andere Parkgelegenheit und laufe die 50 Meter zurück zu ihr, nachdem ich im Auto halbwegs mein Gesicht wieder gesellschaftsfähig gemacht habe.

Sie wartet grinsend gegen ihren Ferrari gelehnt.

„Ein sehr unauffälliges Auto in dieser Gegend“, bemerke ich.

„Definitiv. Komm.“

„Wohin?“

Statt einer Antwort nimmt sie mich an der Hand, was meine Knie schlagartig weich werden lässt. Sehr weich. Ich erinnere mich daran, was diese Hand so alles mit mir anstellen kann. Verdammt, wieso bleibt sie dabei so unnahbar? Erinnert sie sich an gar nichts?

Zum Glück werde ich durch die Ereignisse abgelenkt. Katharina führt mich in eine Bar, über deren Eingangstür der Name “Cat´s Meow“ prangt. Entführt sie mich jetzt in eine Lesbenbar??

Meine Enttäuschung hält sich in Grenzen, nachdem mir klar wird, dass es ein ganz normaler Pub ist. Mehr oder weniger normal. Es muss schließlich einen Grund dafür geben, warum Katharina mich ausgerechnet hierher geführt hat. Und irgendwann werde ich ihn auch erfahren. Vielleicht.

Katharina steuert zielgerichtet auf die Theke zu und schwingt sich auf einen der wenigen Hocker. Ich auf einen direkt daneben.

Dann mustere ich die Leute. Rechts von uns zwei Männer, denen ich nicht im Dunkeln begegnen wollen würde, wäre ich eine ganz normale Mutter mit kleinem Kind. Und der Rest der Gäste wirkt auch nicht vertrauenserweckender.

Am normalsten scheint mir noch die Barfrau zu sein.

„Was wollt ihr trinken?“, erkundigt sie sich.

„Hi Elaine“, sagt Katharina grinsend. „Ich liebe dich auch, aber das weißt du ja.“

Hä? Ich mustere die Braunhaarige, die ihre Augen verdreht. Katharina scheint Geheimnisse zu haben, von denen ich nicht sicher weiß, ob ich sie kennen möchte.

„So ganz sicher war ich mir dessen nicht“, erwidert Elaine. Eigentlich ist sie ziemlich hübsch, stelle ich fest. „Tut wenigstens so, als wolltet ihr was trinken.“

„Klar. Ich nehme einen Scotch.“

„Martini. Pur.“ Ich schenke der jungen Frau ein Lächeln. Sie mustert mich kurz, dann geht sie.

Ich beuge mich rüber zu Katharina. „Was wollen wir hier?“

„Das ist meine Schwester“, erklärt Katharina. „Sie kann uns vielleicht helfen.“

Es dauert einen Moment, bis ich schalte. „Deine Schwester? Aber … ich meine …“

„Meine Halbschwester, um genau zu sein. Selber Vater, unterschiedliche Mütter.“

„Oh.“ Das muss ich erst einmal verdauen. „Du hast Geschwister?“

„Auf jeden Fall eine Schwester, ja. Mein Vater war vermutlich nicht sparsam mit seinem Samen.“

Ich suche mit dem Blick Elaine. Sie unterhält sich mit einem Gast, scheint aber etwas zu spüren und schaut in meine Richtung. Sie deutet ein Lächeln an. Mit Katharina hat sie überhaupt keine Ähnlichkeit, dennoch spüre ich dieselbe Macht in ihr.

Ich wende mich wieder ab.

„Und wieso kann sie uns vielleicht helfen?“, erkundige ich mich.

„Na ja, wer weiß immer alles, abgesehen vom Postboten?“

„Friseure.“

„Stimmt, die auch.“ Sie lacht. „Und wer noch?“

„Priester!“

„Gut, sehr gut. Du machst es also spannend, liebe Fiona.“ Musste sie das jetzt sagen? Liebe Fiona? Wie hört sich das denn an? So nennt vielleicht eine Lehrerin die etwas minderbemittelte Schülerin. Verdammt!

„Fiona?“

„Ich … nicht so wichtig. Also schön, eine Frau, die eine Bar führt, noch dazu eine Art Hexe, oder meinetwegen ein Dämon, weiß auch ziemlich viel. Vielleicht sogar alles.“

Katharina mustert mich nachdenklich. Dann erwidert sie: „Genau. Elaine weiß alles. Was sie nicht weiß, weiß niemand.“

„Klingt doch super. Als Kriegerin kann ich dann die Liquidation von Frost beschließen.“

„Du willst ihn liquidieren? Warum?“

„Wie, warum? Sein Penthouse wird von einem Dingsbumskampfdämon bewacht.“

„Krumana-Dämon. Diese Tatsache allein stellt ja wohl kaum eine Störung des Gleichgewichts dar.“

„Aber die Idee dahinter mit hoher Wahrscheinlichkeit.“

„Mehr als eine Vermutung ist das aber nicht. Reicht dir das wirklich für eine solche Entscheidung?“

„Ich weiß es nicht.“ Elaine bringt uns die Getränke. Ich nehme mein Glas und spiele damit herum. Sie bleibt bei uns stehen. „Ihr wollt zu mir?“

„Überrascht dich das?“, erkundigt sich Katharina.

Elaine zuckt die Achseln. „So oft schaust du hier ja nicht vorbei.“

„Alle 10 Jahre, das ist nicht selten!“

Jetzt lacht sie, die Schwester. „Also gut, kommt, setzen wir uns da rüber, da haben wir etwas mehr Ruhe.“

Ich nehme mein Glas und folge den Schwestern in eine halbwegs stille Ecke mit Eckbank. Katharina setzt sich genau in die Ecke und schaut mich provozierend an. Ich beschließe, dass sie sich noch an alles erinnert und setze mich neben sie.

Elaine mustert mich neugierig. „Was läuft da zwischen euch?“

„Nichts. Wir sind befreundet, jagen böse Vampire, Werwölfe und Außerirdische gemeinsam und jetzt einen Dingsbumsdämon.“

„Krumana-Dämon“, sagt Katharina hilfsbereit.

„Meinetwegen. Das ist alles. Oder, Katharina?“

Ich halte den Atem an. Es ist, als hätte plötzlich jemand die Zeit angehalten. Langsam wende ich den Kopf Katharina zu, die meinen Blick düster erwidert. Dann nickt sie langsam. „Ja, das ist alles.“

„Zumindest beim Lügen seid ihr ein Team“, stellt Elaine grinsend fest. „Cheers!“

Ich nippe an meinem Martini. Hoffentlich ist sie einfach nur als Katharinas Schwester so mit deren Mimik vertraut, dass sie die Lüge sofort durchschaut. Ich möchte nicht, dass alle uns das sofort ansehen.

„Du könntest jeden Lügen-Detektor ersetzen, nicht wahr?“, bemerkt Katharina lächelnd. „Doch wir sind wegen einer anderen Fähigkeit von dir hier.“

„Ich habe keine Fähigkeiten“, erwidert Elaine.

„Nicht? Schwesterherz, ich liebe dich auch.“

„Ach, ist das so?“ Elaine beugt sich vor. „Katharina, ich betreibe hier eine Bar, weil ich meine Ruhe haben will.“

„Ach, ist das so? Ich kann mich noch erinnern, was du getan hast, als du wirklich deine Ruhe haben wolltest.“

Elaine kaut auf ihrer Unterlippe herum. „Also schön, vielleicht erfahre ich Manches. Aber ich halte mich aus allem raus. Ich habe viel zu viele sterben sehen.“

„Das geht nicht nur dir so. Fiona ist eine Kriegerin.“

„Ja, das spüre ich.“

„Und sie ist die mächtigste Kriegerin, der ich je begegnet bin.“

Elaine mustert mich nachdenklich. „Ja, das kann sein.“

„Vielleicht werden wir ihre Fähigkeiten brauchen, damit wir nicht noch viel mehr Wesen sterben sehen als jemals zuvor.“

Elaine und ich starren sie an. „Gibt es etwas, was ich wissen sollte?“, erkundige ich mich.

„Nichts Konkretes. Nennt es Intuition. So vieles, was sich verändert hat. Der Krumana-Dämon ist nur eine Sache von vielen. Er dürfte nicht hier sein. Elaine, wenn du etwas weißt, solltest du es uns sagen.“

Elaine lehnt sich zurück. Ihre Hand spielt mit ihrem Glas. Dann schüttelt sie den Kopf. „Nein, mir ist nichts bekannt. Aber ich gebe dir recht, etwas liegt möglicherweise in der Luft. Und das Auftauchen eines Krumana-Dämons ist definitiv ein schlechtes Zeichen. Alles, was in letzter Zeit ungewöhnlich war, ist eine Werwolf-Gruppe, die immer stärker wird.“

„Werwolf-Gruppe?“, wiederhole ich.

Elaine lächelt. „Nazis.“

„Oh. Die sind fast so schlimm wie echte Werwölfe.“

„Schlimmer. Werwölfe handeln intuitiv, fast instinktiv. Nazis sind einfach nur böse.“

„Böse? Ein Dämon sagt, Nazis sind böse? Entschuldige, ich will nicht darauf anspielen, dass du ein Dämon bist, das weiß ich besser. Aber hast du nicht ganz andere Dinge gesehen als Nazis, die man böse nennen könnte? Falls es so was wie Gut und Böse gäbe?“

„Wenig von dem, was ich gesehen habe, kann es mit den Nazis aufnehmen“, erwidert Elaine. „Ich habe die gesamte Nazizeit erlebt, ich ging nach dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland, der Liebe wegen. Ich habe erlebt, wie eine Familie an dieser Last kaputtging. Und ich habe gesehen, wie Geschwister sich gegenseitig töteten, indem sie sich verrieten. Natürlich sind nicht die Nazis selbst böse, es sind Menschen wie wir alle. Ihre Gefühle werden dunkel und lassen sie Dinge machen, die böse sind. Sehr böse. Und ja, ich weiß, es gibt keinen Gott und der Teufel ist nur ein armer Irrer, der glaubt, den Statthalter ärgern zu müssen. Aber auch diese Scheißwelt, in der wir verkörperlicht leben, ist ein Teil der Welt, mit allem, was dazu gehört. Und glaub mir, Moral ist keine Erfindung der Gefrorenen Welt. Ganz im Gegenteil.“

„Wow“, sagt Katharina nur.

„Ich weiß von alldem noch nicht wirklich viel“, sage ich langsam. „Und Moral ist mir sogar sehr wichtig …“

„Wie wahr“, stellt Katharina fest.

„… aber glaubst du wirklich, die Nazis haben noch die Macht, die Welt erneut in Dunkelheit zu stürzen?“

„Oh ja“, erwidert Elaine düster. „Doch du hast wohl recht, das ist nichts, was eine Kriegerin richten muss.“

„Kommt darauf an.“ Ich lehne mich gegen die Wand hinter mir und trinke mein Glas leer. „Doch im Moment interessiert mich tatsächlich ein Dingsbumsdämon mehr. Ja, ich weiß, Krumana-Dämon.“

Katharina applaudiert.

„Das verstehe ich.“ Elaine nickt. „Aber da kann ich euch nicht helfen.“

„Schade. Sagst du uns Bescheid, wenn du was hörst?“

„Klar.“

„Gut. Ich könnte Ben wegen der Werwölfe ansprechen. Er ist Lieutenant bei der Polizei. Ich vertraue ihm.“

„Eine gute Idee. Wenn du willst, kannst du ihn zu mir schicken. Allein. Ich habe mich daran gewöhnt, nicht auf der Flucht zu sein.“

„Sicher. Er weiß übrigens, was ich bin. Wir … wir hatten einige gemeinsame Erlebnisse.“

„Ach?“ Katharina schaut mich fragend an.

„Erzähle ich dir bei Gelegenheit. Was schulde ich dir für die Drinks, Elaine?“

„Nichts. Geht aufs Haus.“

„Danke. Bleibst du noch, Katharina?“

Sie nickt. „Das heißt, nur wenn Elaine nicht zu beschäftigt ist. Willst du den Dämon suchen?“

„Ja, aber nicht heute. Oder meinst du, es ist so dringend?“

Katharina schüttelt den Kopf. „Heute würden wir ihn eh nicht mehr finden. Und du brauchst vermutlich etwas Pflege.“

„Vor allem seelische“, erwidere ich finster.

„Gut. Treffen wir uns morgen, um Mitternacht? Wir könnten ein paar Orte abklappern, wo sich ein Dämon aufhalten könnte.“

„Okay. Holst du mich ab?“

Sie lächelt ansatzweise. „Sicher. Bis morgen, Fiona.“

Ich winke ihnen zu. Im Auto verliere ich die Beherrschung und heule mich aus. Es kostet mich mehr als ein Papiertuch, bis ich wieder halbwegs wie ein Mensch aussehe.

Diese verfluchten Gefühle. Wie ich sie hasse!

James’ Augen sind offen. Ich schenke ihm ein Lächeln. Das Pochen in meiner Muschi lässt nach. Ich lasse mich auf seine Brust sinken und vergrabe das Gesicht in seiner Halsbeuge.

„Das macht doch sicher mehr Spaß, als nächtelang einen Dämon zu suchen“, bemerkt James träge.

„Du Idiot!“, erwidere ich lachend. „Natürlich macht es mehr Spaß! Und es gibt ein Erfolgserlebnis!“

Seine Hand fährt durch meine Haare. „Warum ist euch dieser Dämon so wichtig?“

„Schon allein die Tatsache, dass er in unserer Welt rumstreift, macht ihn verdächtig. Er wurde vor 10.000 Jahren von einem Zauberer erschaffen, um zu zerstören.“

„Und wenn ihr ihn findet? Er scheint ziemlich stark zu sein.“

„Katharina hat ihn schon einmal stillgelegt.“

„Stillgelegt.“ Ich höre James schmunzeln. „Hast du nicht erzählt, sie hatte Hilfe von einer Hexe?“

„Und was bin ich?“

„Ach so. Das wusste ich nicht. Erklärt aber so Manches.“

„Mein Lieber, herzlichen Glückwunsch. Du hast dich soeben von einem Idioten zu einem Arschloch befördert.“

„Wusstest du denn gar nicht, dass ich so karrieregeil bin?“

„Ich habe es befürchtet …“

Sein leises Lachen weht durch meine Haare. „Ich glaube, es ist mir fast lieber, wenn du im Irak religiöse Fanatiker killst.“

„Hast du auch dieses Gefühl, dass irgendwas passieren wird?“

James erstarrt. Nur kurz. Ich richte mich auf und sehe ihn fragend an.

„Du auch?“, erkundigt er sich.

Ich nicke. „Und nicht nur ich.“

In dieser Nacht schlafe ich unruhig, ohne mich an meine Träume zu erinnern. Am nächsten Morgen nimmt James Sandra mit, er hat nur zwei Besichtigungstermine. Nachdem sie aus dem Haus sind, ziehe ich mich an, bringe Danny zu meinen Eltern und fahre ins Büro.

Alle wirken nervös. Oder bin nur ich es und meine Wahrnehmung verzerrt? Ich weiß es nicht, aber ich spüre deutlich meine Unruhe und meine Schwierigkeit, mich zu konzentrieren. Als ich zwischendurch Kaffee hole, sagt Monica, wie furchtbar es sei.

„Was denn?“, erkundige ich mich.

„Das mit den beiden Polizisten. Sie wurden tot aufgefunden. Erschossen, im eigenen Wagen.“

„Oh, das wusste ich gar nicht. Haben sie die Täter schon?“

„Nein, und offiziell auch keine Spur. Wirst du nicht bei Ben nachfragen? Was ist das für eine Welt, in der schon Polizisten einfach abgeknallt werden?“

„Eine böse“, erwidere ich und gehe in mein Büro. Meine Unruhe hat neue Nahrung erhalten. Vor zwei Tagen hatte ich Ben von den Werwölfen erzählt und er versprach, dem nachzugehen. Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Nazigruppe und den toten Polizisten gibt.

Ich erschaudere unwillkürlich.

Ich lenke mich mit Arbeit ab. Zwischendurch schweifen meine Gedanken zu den letzten Nächten ab, in denen ich gemeinsam mit Katharina auf der Suche nach dem Krumana-Dämon durch die Stadt gestreift bin. Natürlich ohne Erfolg.

Außer, dass ich jedes Mal danach das Höschen wechseln musste.

Verdammte Scheiße.

Die Erinnerung an den Duft von Katharina wird wieder lebendig. Ihre Nähe machte mich beinahe wahnsinnig. Noch mehr als die Tatsache, dass sie mit keiner einzigen Silbe darüber sprach. Nicht der Hauch einer Andeutung. Sie kann es doch nicht vergessen haben!

Missmutig blicke ich auf den Monitor meines Laptops, als ein leiser Ton die Ankunft einer neuen Mail ankündigt.

Dann erstarre ich.

Lange dauert meine Erstarrung nicht. Hektisch hole ich mein Handy hervor und wähle die Nummer von James.

„Hi Schatz“, meldet er sich.

„Wo seid ihr? Ist Sandra bei dir?“

„Ja, ich habe sie auf dem Arm. Willst du sie sprechen?“

„Wo seid ihr?“

„Auf einer Besichtigung. Wieso?“

„Ich werde gleich Ben bitten, euch von der Polizei abholen und nach Hause fahren zu lassen. Dazu brauche ich die Adresse.“

Ich notiere mir Straße und Hausnummer. Eine halbe Stunde von zu Hause, bei normaler Fahrweise. Und ganz weit weg vom Büro. Ich kaue auf meiner Unterlippe herum.

„Fiona! Was ist los?“

Ich schrecke zusammen. „Sorry … Ich habe grad eine Mail bekommen. Der Tod der Polizisten sei erst der Anfang, und ich solle gut auf meine Tochter aufpassen.“

„Tod der Polizisten?“

„Vor ein paar Stunden wurden zwei Polizisten tot in ihrem Wagen gefunden, erschossen.“

„Und was hat das mit uns zu tun?“

„Ich habe keine Ahnung!“ Ich atme tief durch. „Erinnerst du dich, was für ein Scheißgefühl wir beide hatten?“

„Ja“, erwidert er. Und nach einer kurzen Pause: „Wir warten hier.“

„Okay. Bis gleich.“ Ich beende die Verbindung und wähle Ben.

„Hi Fiona“, meldet er sich.

„Schick bitte ein oder zwei Wagen in die Newsway 23, bitte. Dort warten Sandra und James. Lass sie nach Hause begleiten.“

Ben zögert nur kurz, dann höre ich ihn im Hintergrund Anweisungen geben. Das ist das Gute an der Zusammenarbeit mit ihm. Er versteht schnell und weiß genau, was Priorität hat.

„Und jetzt die Langversion“, sagt er.

Ich erzähle ihm von der Mail.

„Mist. Du hältst sie offenbar für echt.“

„Ja. Eine Intuition. Du weißt, was das heißt?“

„Oh ja“, erwidert er düster. „Blut. Schmerz. Tote. Verletzte.“

Ich lache kurz auf. „Ach, Ben, du bist so herrlich pragmatisch.“

„Ich bin Polizist.“

„Eben. Ach, egal.“

„Fiona, es ist schon lange her, dass ernsthaft was passiert ist. Wird ja mal wieder Zeit.“

„Eigentlich nicht. Aber es kommt was auf uns zu. Ich habe ein ganz mieses Gefühl. Und es hat irgendwie was mit diesem Frost zu tun.“

„Wie kommst du denn darauf?“

Ich schildere ihm meine Erlebnisse auf der Terrasse vom Penthouse. Als ich Katharinas Namen erwähne, hält er den Atem an. Im Gegensatz zu ihr erinnert er sich offensichtlich.

Noch mehr Scheiße.

„Was … was ist danach passiert?“, erkundigt er sich.

„Ich kenne jetzt Katharinas Schwester.“

„Schwester?“

„Selber Vater, andere Mutter.“

„Oh. Und sonst?“

„Nichts sonst. Wir haben den Dämon nicht gefunden.“

„Fiona, du kannst einen echt nerven. Was ist noch passiert? Du weißt genau, was ich meine!“

„Ja, weiß ich. Aber es war nichts. Katharina tut so, als wäre nichts passiert.“

„Und du hast es nicht angesprochen?“

„Nein!“ Ich atme tief durch. „Sorry, Ben. Meine Nerven sind grad nicht die besten.“

„Klar, verstehe ich. Hör zu, wenn da übernatürliche Wesen im Spiel sind, weiß ich nicht, wie gut wir Sandra und James beschützen können.“

„Ist mir klar. Ich werde gleich Katharina anrufen und mit ihr zusammen diese Werwölfe anschauen.“

„Hm.“

„Meinst du nicht? Ist zumindest verdächtig, oder? Erst gebe ich dir den Tipp, dann werden zwei deiner Leute getötet und ich bekomme so eine Mail. Glaubst du an Zufälle?“

„Nein, das klingt nicht wie Zufall. Gut, sagst du Bescheid, wenn ihr was rausfindet?“

„Auf jeden Fall. Bis später, Ben.“

„Bis später.“

Ich denke kurz nach, dann schnappe ich mir Handy und Jacke und gehe aus dem Büro. Monica schaut mich fragend an.

„Ich muss weg.“

„Und die Termine?“

„Absagen. Am besten alle diese Woche.“

Sie zieht ihre rechte Augenbraue hoch. „Soll ich das Notfallteam aktivieren?“

Ich zögere, aber schließlich nicke ich. „Ja, besser ist es. Über Handy bin ich erreichbar. Aber eigentlich sollte das Team in der Lage sein, eigene Entscheidungen zu treffen.“

„Es gibt Dinge, die nur du entscheiden kannst.“

„Ja, ich weiß, deswegen bin ich erreichbar.“

„Fiona, ich hoffe, deiner Tochter passiert nichts.“

„Das hoffe ich auch.“ Ich umarme sie kurz, dann gehe ich in die Tiefgarage. Aufzug würde zu lange dauern, außerdem brauche ich Bewegung. Ich springe von Treppenabsatz zu Treppenabsatz, außer, als mir in der Mitte zwei Mädels aus der Buchhaltung entgegenkommen. Sie würden sich vermutlich sehr über meine sportlichen Fähigkeiten wundern. Ich lächele sie an, und kaum haben sie das Treppenhaus verlassen, gebe ich wieder Gas.

Im Auto wähle ich die Nummer von Katharina, während ich auf die Straße fahre und dabei für Beinahherzinfarkte sorge.

„Hi Fiona“, meldet sie sich.

„Wir haben jemanden verärgert.“

„Hä?“

Ich gebe ihr ein paar Stichworte. Sie hört schweigend zu. Als ich fertig bin, atmet sie hörbar durch.

„Wir sollten uns diese Werwolfgruppe doch mal ansehen“, sagt sie schließlich.

„Yap! Ich bin schon unterwegs. Wo soll ich dich abholen?“

„Im Büro. Weißt du, wo?“

Was für eine Frage. Natürlich weiß ich es. Stand schließlich oft genug vor dem Wolkenkratzer, in dem auch ihre Konzernverwaltung untergebracht ist.

„Central Place 3?“

„Genau. Ich warte unten.“

„Weißt du eigentlich, wo wir hinmüssen?“

„Ich frage Elaine.“

„Bis gleich.“

Ich brauche keine 10 Minuten bis zum Central Place, dennoch steht Katharina schon unten. Sie ist genauso wenig passend angezogen wie ich, aber meine Ungeduld verbietet es, dass wir uns umziehen. Zumindest tragen wir beide keine High Heels. Obwohl, hohe Absätze könnten gut als Waffen benutzt werden. Hat Katharina schließlich schon mal vorgeführt.

Sie lächelt mich an. „Wald.“

Ich mache vermutlich kein besonders intelligentes Gesicht, denn sie lacht kurz auf. „Die Werwölfe sind im Wald.“

„Ja, klar. Geht es etwas genauer?“

„Irgendwo in Small Hills. Elaine hat mir den Weg beschrieben. Sie haben logischerweise keine offizielle Adresse.“

„Logischerweise.“ Wie witzig. Ich fahre also erst einmal nach Osten. Eine halbe Stunde später verlassen wir New Village und kurven eine enge Serpentinenstrecke hinauf. Als eine Gabelung kommt, fahren wir rechts, was dem Fahrwerk nicht so guttut. Und unseren Hintern auch nicht. Katharina verzieht das Gesicht. „Du solltest dir einen Geländewagen anschaffen“, stellt sie fest.

„Hey, ich habe noch nie einen gebraucht bisher. Ich heiße nicht Katharina, um zu jeder Gelegenheit den passenden Wagen in der Garage zu haben.“

Sie grinst mich an. „Kann es sein, dass du sauer bist?“

„Ich? Nö.“

Für einen kurzen Moment habe ich Hoffnung, doch dann ist auch dieser Moment einfach vorbei. Vielleicht ist das auch ganz gut so, denn der enge Waldweg, auf dem wir uns mittlerweile befinden, erfordert meine ganze Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt deshalb, weil wir uns wohl dem Lager der Werwölfe nähern und uns nicht zu früh bemerkbar machen sollten.

Zu früh?

Katharina kann Gedanken lesen. „Wir sollten zu Fuß weitergehen.“

Ich nicke und fahre den Wagen in die Büsche. Katharina trägt ein schwarzes Hosenkostüm und Stiefel, ich Jeans, Stiefeletten und ein Hemd, lässig über die Hose fallend. Nur bedingt die richtige Kleidung für eine Wanderung.

„Woher weiß eigentlich Elaine so genau, wo dieses Lager ist?“, erkundige ich mich, während wir durch das Wechselspiel zwischen Schatten und Sonnenlicht, das zwischen den Baumkronen auf den moosbedeckten Waldboden fällt, eilen.

Katharina zuckt die Achseln. „Keine Ahnung. Vielleicht hat sie mal mit einem der Typen gevögelt.“ Und auf meinen erstaunten Blick hin fügt sie hinzu: „Sie ist keine Asketin.“

„Und warum sollte sie mit einem der Typen vögeln?“

„Weil er vielleicht in die Bar gekommen ist, ein paar Bier getrunken und sie angebaggert hat, ohne dass sie wusste, wer er ist?“

Ja, das könnte so gewesen sein. Ich spare mir eine Antwort.

Zumal wir das Lager erreichen. Was man so Lager nennt. Auf einer Lichtung parken zwei Geländewagen, unter den Bäumen stehen Zelte in Tarnfarben. Zwischen ihnen brennt ein Lagerfeuer, darüber hängt ein Kessel. Mich würde es nicht einmal wundern, wenn darin ein Mensch kochen würde – oder zumindest Teile von ihm.

Fiona?

Wir robben im Schutz des Gestrüpps heran. Das war’s für unsere Geschäftskleidung. In einem der Zelte ist Bewegung zu erahnen. Viel scheint nicht los zu sein. Vielleicht Mittagspause?

„Hast du dich eigentlich mal gefragt, wieso du in der Firma angemailt wurdest?“, erkundigt sich Katharina.

„Klar. Was glaubst du, warum ich so hektisch reagiert habe? Wer auch immer dahinter steckt, weiß eine Menge.“

„Allerdings. Ben vertraust du?“

„Ja!“ Ich starre sie empört an. Sie grinst. „Schon gut, ich wollte ihm nicht nahetreten. Aber jemand muss gute Kontakte zur Polizei haben.“

„Frost.“

„Kann sein. Mich interessiert eher, wer hinter Frost steckt.“

„Lass es uns herausfinden!“ Ich springe auf und marschiere auf das Lager zu.

„Fiona!“, ruft Katharina unterdrückt. Da ich nicht reagiere, rennt sie hinter mir her. Sie sieht wütend aus. „Bist du durchgeknallt?“

„Immer.“

Die Wut macht auf ihrem Gesicht einem Grinsen Platz. „Echt, du bist völlig bescheuert.“

„Gibs zu, das liebst du an mir.“

„Das stimmt.“

Wir erreichen das Lagerfeuer und bleiben stehen. Aus einem der Zelte treten zwei junge Männer und mustern uns neugierig.

„Hi“, sage ich fröhlich. „Seid ihr Pfadfinder?“

Das bringt sie zum Lachen. Kann ich gut, Leute zum Lachen bringen. Zumindest für kurze Zeit. Meistens weinen sie am Ende.

„Okay, war nur ein Scherz. Frost schickt uns.“

Schlagartig werden sie ernst. „Wer?“

„Frost. Wisst ihr doch.“

„Schon mal was von subtilen Fragen gehört?“ Katharina beugt sich zu mir herüber und flüstert es in mein Ohr.

„Keine Ahnung, wer das ist“, sagt einer der jungen Männer. Er trägt einen tarnfarbenen Kampfanzug. „Was genau wollt ihr überhaupt?“

„Kannst du dir das nicht denken?“, erwidere ich keck und gehe forsch auf ihn zu. Er zieht plötzlich eine Pistole und richtet sie auf mich. Sein Kumpel macht dasselbe mit Katharina. Dabei rufen sie nach den anderen. Wir stehen auf einmal sechs jungen Männern gegenüber, die alle einen tarnfarbenen Kampfanzug tragen. Sie sind uniformiert.

„Ich liebe deine subtile Art“, bemerkt Katharina.

„Meine was?“ Und an den ersten jungen Mann gewandt: „Ist das alles? Nur sechs Leute? Da fühle ich mich direkt unterfordert!“

Er grinst. „Wir sind nur die Wache. Also, wer seid ihr und was genau wollt ihr?“

„Mein Name ist Fiona Flame.“ Ich registriere, wie sie sich plötzlich alle anspannen. „Wir wollten mit eurem Chef sprechen.“

„Der ist nicht da“, erwidert mein Gesprächspartner, sichtlich nervös. „Und er wird nicht mit euch sprechen wollen. Ihr solltet jetzt besser gehen.“

„Warum denn? Ich bin schrecklich neugierig. Was treibt ihr hier eigentlich so?“

Er hebt die Pistole höher, bis die Mündung auf meinen Kopf zeigt. „Ich weiß, wer und was du bist. Wenn ich dir das Gehirn wegpuste, bist du zumindest lange genug außer Gefecht gesetzt, dass wir dich unschädlich machen können.“

„Ihr könnt mich nicht unschädlich machen.“

„Oh doch.“ Er zieht einen Dolch. „Damit können wir dich ein für alle Mal aus diesem Universum entfernen.“

„Visz“, sagt Katharina. „Wie kommt ihr denn daran?“

„Das wüsstest du wohl gerne. Du siehst nervös aus. Wie heißt du eigentlich, Blondie?“

Katharinas Gesichtsausdruck verändert sich nicht. Jedenfalls kaum. Wahrscheinlich merkt es niemand außer mir. „Nomén.“

Spannend, dass sie diesen Namen nutzt. Doch die Reaktion der sechs Männer beweist, dass sie damit richtigliegt. Ich erkenne die Bewegung des Zeigefingers am Abzug der Pistole, die auf meinen Kopf gerichtet ist und werfe mich zur Seite. Die Kugel verfehlt mich, genau wie die nachfolgenden. Dann bin ich schon bei dem jungen Mann angekommen und trete ihm die Waffe aus der Hand. Die andere Hand mit dem Dolch stößt in meine Richtung. Ich wehre sie mit dem Unterarm ab, gleichzeitig eine Halbdrehung vollführend. Mein Ellbogen trifft auf die Nase und zertrümmert sie.

Ich verschaffe mir hastig einen Überblick. Katharina ist auch nicht untätig geblieben und bricht gerade einen Arm. Die vier anderen Männer teilen sich auf. Einer von ihnen ist mir schon ganz nahe. Viel zu nahe.

Ich schaffe es nicht ganz, seinem Schlag auszuweichen und verliere den Halt. Zum Glück setzt mich der Schlag, dessen Wucht mich überrascht, nicht außer Gefecht, und ich rolle mich auf dem moosbedeckten Boden ab. Dadurch entgehe ich seinen Fußtritten und kann schließlich meinen eigenen Fuß zwischen seinen Beinen platzieren. Das lässt ihn zusammenknicken.

Bleibt noch der dritte Kerl. Dieser scheint zu der Einsicht gelangt zu sein, dass sie uns unterschätzt haben und wählt die Flucht. Als ich aufspringe, dreht er sich um und feuert in meine Richtung. Ob er eine eigene Waffe hat oder die von dem ersten Kerl aufgesammelt hat, weiß ich nicht und ist mir auch egal, während ich der Kugel aus dem Weg hechte. Im Flug sehe ich, dass Katharina weniger Glück hat und getroffen zusammenbricht. Ich rolle mich ab und nutze den Schwung, wieder auf die Füße zu kommen, und laufe auf den Schützen zu, der Katharina getroffen hat. Er sieht mich kommen, dreht sich um und folgt seinem fliehenden Kumpel in den Wald hinein.

Ich überlege nicht lange und renne zu Katharina, die stöhnend auf dem Boden liegt. Die Kugel hat sie in der Leiste getroffen. Sie wird sich bald erholt haben, aber es dürfte höllisch wehtun.

„Hat dir niemand gesagt, dass man Kugeln ausweichen kann?“, erkundige ich mich. Dann reiße ich ihre Bluse auf. Beim Anblick ihres nackten Bauchs muss ich schlucken, denn ich sehe plötzlich ihren ganzen Körper nackt vor mir. Was noch schlimmer ist, ich spüre ihn auch. Ihre Antwort holt mich ins Jetzt zurück.

„Du bist ein dämliches Arschloch.“

„Da hast du recht“, erwidere ich. „Ich sollte die Kugel rausholen.“

„Tue das!“

Ich sehe sie an. Es muss wirklich wehtun, ihr Gesicht ist tränenüberströmt. Ich werfe einen Blick auf die anderen Möchtegernnazis, aber die sind vorläufig inaktiv. Lange werden sie nicht in diesem Zustand bleiben, ich sollte mich daher beeilen. Und eins steht fest: Diese Kerle sind genauso wenig gewöhnliche Menschen wie wir.

„Tut mir leid“, murmele ich, bevor ich mit den Zeigefingern die Wunde aufspreize. Katharina stöhnt auf. „Mach weiter!“, befiehlt sie, als ich zögere. Ich nicke und schiebe einen Zeigefinger in das Loch. Dank meines Engelsjobs bin ich nicht besonders empfindlich, aber dennoch würde ich meinen Finger viel lieber an einer ganz anderen Stelle bei Katharina reinschieben. Ich atme tief durch.

Endlich finde ich die Scheißkugel. Vorsichtig ziehe ich sie mit einem Finger nach oben. Dass dies die Schmerzen nicht lindert, höre ich deutlich. Ich spare mir eine weitere Entschuldigung, stattdessen beeile ich mich lieber. Schließlich kann ich die Kugel mit Daumen und Zeigefinger rausholen und halte sie hoch.

„Schön“, sagt Katharina gepresst. „Dann können wir ja jetzt weitermachen!“

Ich nicke und helfe ihr, sich aufzusetzen. Unsere Gesichter berühren sich dabei. Verflucht. Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich nass zwischen den Beinen, während ich mich mitten in einer Kampfhandlung befinde. Das kann so nicht weitergehen.

„Wir müssen herausfinden, was die in Wirklichkeit sind“, sagt Katharina. „Jedenfalls keine Menschen, zumindest keine gewöhnlichen.“

„Das ist wohl wahr.“

Als ich aufstehe, um einen der vorhin noch inaktiven Kerle zu fragen, stelle ich fest, dass sie verschwunden sind. Die Geländewagen stehen noch da, nur unsere Freunde sind weg. Wir waren so vertieft in die Operation, dass sie sich unbemerkt davonstehlen konnten. So wie es aussieht, in den Wald.

„Ups“, sage ich.

„Na dann. Weit können sie ja nicht sein.“

„Ich glaube eher, die wollen mit uns spielen.“

„Das glaube ich auch. Spielen wir mit?“

Ich betrachte sie fragend. „Was macht die Wunde?“

„So gut wie verheilt. Du hast Talent als Ärztin.“

„Die armen Patienten! Also gut, teilen wir uns eben auf.“

Ich halte mich links. Mindestens zwei von denen haben eine Schusswaffe, wahrscheinlich aber alle. Außerdem haben sie übermenschliche Kräfte. Alleine hätten sie weder gegen Katharina noch gegen mich eine Chance, aber gemeinsam sind sie stark.

Ich konzentriere mich auf meine Sinne. Sehen, hören – und spüren. Meine Fähigkeit, die Grenzen der Gefrorenen Welt durchzudringen, kommt mir immer mehr zugute. Auch wenn es noch sehr rudimentär und weit von dem entfernt ist, was ein Zauberer kann, hilft es mir jetzt sehr. Ich erkenne Lebewesen in meiner Nähe an ihrem Energieflimmern. Wie bunte Wolken sehe ich sie, so ähnlich, wie durch Infrarotbrillen.

Sie haben sich verteilt und verharren hinter Bäumen. Hoffentlich verfügen sie nicht ebenfalls über erweiterte Wahrnehmung, denn sonst ist es nichts mit Überraschung. Aber ich glaube, nicht einmal Katharina kann Energiespuren so deutlich sehen wie ich.

Geduckt, immer in Deckung vom Gestrüpp, laufe ich in einem weiten Kreis um die uns auflauernden Jungs herum. Mit etwas Glück gelingt es mir, sie von hinten der Reihe nach unschädlich zu machen. Oder wenigstens einige.

Zumindest sieht es ganz danach aus, dass sie nichts von ihrem bevorstehenden Unheil ahnen und demnach ihre Fähigkeiten doch sehr eingeschränkt sind. Ich nehme mir denjenigen zuerst vor, der am weitesten außen lauert. Dabei kommt mir mein eigener Atem unglaublich laut vor. Aber anscheinend sind diese Werwölfchen auch noch schwerhörig. Ich kann den ersten schon mit bloßem Auge sehen, nur ein umgestürzter Baumstamm trennt mich von ihm. Er steht an einen Baum gepresst, in der rechten Hand eine Pistole haltend, mit der Mündung nach oben. Er starrt angespannt in die Richtung, in der er mich eher vermutet als hinter sich.

Wie in einem schlechten Film trete ich auf einen Zweig, der zwar nicht knackt, aber dennoch ein Geräusch macht. Ich verharre sofort regungslos. Leider ist meine Beute nicht schwerhörig genug. Dass in dem Moment, als er sich nach mir umdreht, irgendwo ein Schuss erklingt, rettet mich allerdings. Für einen Sekundenbruchteil oder so ist er abgelenkt, und das reicht mir auch schon. Ich bin bei ihm, bevor er seine Pistole auf mich richten könnte und danach kann er es nicht mehr. Ich werfe mich mit aller Kraft gegen ihn und erst der Baumstamm stoppt uns. Der Kerl stöhnt unterdrückt auf. Wahrscheinlich raubt ihm mein Ellbogen im Magen den Atem. Ich gehe kein Risiko ein, mit einem Schlag von unten gegen sein Kinn breche ich ihm das Genick.

Jetzt habe ich auch eine Pistole. Das ist doch schon mal was. Ich sehe mich nach den anderen um. Sie rennen wie aufgescheuchte Hühner durch den Wald. Geduckt, mit der Pistole im Anschlag, begebe ich mich in Deckung. Zwei von den verbleibenden fünf Jungs sind in der Nähe. Ich entscheide mich für den, den ich besser im Blickfeld habe, und lege auf ihn an. Der Schuss sitzt, was für die Pistole spricht.

Dann höre ich etwas von der Seite und fahre herum. Das rettet mich, aber dennoch werde ich getroffen. Wie ein Hammerschlag erwischt es mich an der rechten Schulter. Meine Waffe fliegt im hohen Bogen davon und ich lande auf dem Boden.

Das darf Katharina nicht erfahren. Es ist doch so einfach, einer Kugel auszuweichen.

Während aus der Entfernung Schmerzensschreie zu hören sind, die ich nicht Katharina zuordne, bleibt der Werwolf, der mich erwischt hat, neben mir stehen und richtet seine Pistole auf meinen Kopf.

Stöhnend richte ich mich auf einen Ellbogen gestützt auf.

„Keine Hektik“, sagt der Kerl grinsend. „Das ging ja ziemlich leicht. Vielleicht bist du doch nicht so gut, wie man sich erzählt.“

„Was erzählt man sich denn so?“, erkundige ich mich und zwinge mich, nicht in die Mündung zu starren.

„Dass du sehr, sehr gefährlich bist. Aber das sehe ich anders.“

„Ach ja?“ Ich schlage mit der linken Hand seine Pistolenhand weg und die Waffe fliegt davon. Durch den Schmerz bin ich zu langsam, der Kerl schafft es, hinter seiner Pistole herzuhechten. Immerhin gelingt es mir aber, mich auf ihn zu werfen, bevor er seine Waffe krallen kann. Ich packe sein Handgelenk mit der einen Hand, mit der anderen seinen Kopf. Er ist deutlich größer und muskulöser als ich, aber ich verfüge über Engelskräfte. Er ist dennoch fast so stark wie ich.

Der Geruch seines Blutes steigt in meine Nase. Er scheint nicht verletzt zu sein, dennoch kann ich sein Blut deutlich riechen. Dann wird mir klar, dass ich im Eifer des Gefechts mein Gesicht an seinen Hals gedrückt habe. Ich zögere nur kurz, dann schlage ich die Zähne in sein Fleisch, reiße die Schlagader auf und sauge gierig sein Blut. Obwohl ich genauso überrascht bin wie er, lasse ich trotz seiner heftigen Gegenwehr nicht locker.

Sein warmes Blut strömt in meinen Mund, ich habe Mühe, schnell genug zu schlucken. Bald lassen seine Bemühungen, mich loszuwerden, nach und sein Körper beginnt zu erschlaffen. Ich höre mit dem Trinken erst auf, als er sich gar nicht mehr bewegt.

Ich hebe keuchend den Kopf und sehe Katharina, die nicht weit entfernt steht und uns schweigend beobachtet.

„Bist du schon lange da?“, erkundige ich mich.

Sie schüttelt den Kopf. „Was ist passiert? Ich hatte bisher nicht das Gefühl, dass du dich in einen Vampir verwandelt hast.“

„War mir auch nicht bewusst“, erwidere ich. Das warme Blut ist auf meinem Gesicht verteilt und tropft auf den Kopf des toten Nazis hinunter. „Ich … Was ist mit den anderen?“

„So wie es aussieht, sind alle tot“, antwortet Katharina ungerührt.

Ich atme tief durch, dann setze ich mich auf. „Ich hatte plötzlich den Geruch seines Blutes in der Nase, da habe ich einfach zugebissen.“

„Ja, du hast eine gewisse Blutaffinität. Du hast damals auch mein Blut getrunken, erinnerst du dich?“ Und sie erinnert sich doch! Ich nicke und erwidere: „Aber nur ein paar Tropfen.“

Katharina lächelt. „Sonst hätte ich auch protestiert. Wie auch immer, wir wissen nicht mehr als vorher, und da sie tot sind, können wir sie ja auch schlecht fragen.“

„Apropos tot … was ist das für eine Geschichte mit dem Visz-Dolch?“ Ich erhebe mich langsam.

„Der Dolch … den sollten wir uns holen. Komm.“ Ich folge ihr, als sie losmarschiert. Dabei erzählt sie: „Normalerweise bedeutet der Tod die Vernichtung der materiellen Existenz und Freisetzung der Seele. Die Seele verbleibt im Universum, also in der Verborgenen Welt. Na ja, es gibt ja eigentlich keinen echten Unterschied zwischen der Verborgenen Welt und der Gefrorenen Welt, wie du inzwischen ja weißt. Normalerweise. Also, ich habe keine Ahnung, wo Visz eigentlich herkommt, aber man sagt, es sei göttlicher Stoff und nicht aus dem Universum. Frag mich nicht, was das bedeutet. Aber wenn man einen Visz-Dolch dreimal schnell hintereinander im Herzen eines Wesens – oder was dem Herzen entspricht – umdreht, dann wird die Seele dieses Wesens aus dem Universum unwiderruflich gelöscht.“

„Oh. Shutdown für immer? Böse.“

„Ja. Zum Glück ist es nicht ganz einfach, an einen Visz-Dolch ranzukommen. Und dreimal drehen in etwa einer Sekunde schafft auch nicht jeder.“

„Hm. War es das, was der Krumana-Dämon meinte?“

„Möglicherweise.“ Wir finden den Werwolf, der vorhin den Dolch bei sich hatte. Er hat ihn immer noch. Katharina betrachtet ihn nachdenklich. „Dieses Ding ist in der uns bekannten Welt unzerstörbar. Hier, nimm ihn.“

„Ich?“

„Ja. Ich habe zu Hause schon einen.“

Ich nehme den Dolch. Es ist ja nicht zum ersten Mal, dass ich einen in der Hand halte. Ich erinnere mich sogar noch an den Geschmack der Klinge. Ein komisches Gefühl, etwas zu berühren, was nicht aus dieser Welt stammt. Göttliches Material? Was zum Teufel ist damit gemeint?

Ich stecke den Dolch in den Hosenbund.

„Spieß dich nicht auf“, bemerkt Katharina grinsend.

„Nicht mit einem Dolch“, erwidere ich. „Komm, wir schauen uns mal um. Wir wissen immer noch nicht, wer die sind und was das mit der Mail zu tun hat.“

Katharina nickt. Wir durchsuchen die Zelte und die Autos, finden aber nichts, was uns irgendwie weiterbringen könnte. Da die Gefahr besteht, dass der Rest der Truppe wiederkommt, verlassen wir das Lager. Unbemerkt gelangen wir zum Auto und schließlich nach Skyline zurück. Von unterwegs ruft Katharina Elaine an, erzählt ihr in Stichworten, was geschehen ist und bittet sie, sich umzuhören, was das für eine Organisation ist.

„Sie ist unbegeistert“, sagt sie, nachdem sie aufgelegt hat.

„Ich auch. Das bedeutet nämlich, dass meine Familie in Gefahr ist. Und mir gefällt der Gedanke nicht, dass irgendwelche übermenschlichen Wesen hinter ihnen her sind.“

„Sie sollten sich verstecken.“

Sie hat recht. Ich wähle die Nummer von James.

„Hi Schatz“, meldet er sich.

„Hi. Katharina ist bei mir auf Lautsprecher. Wo seid ihr?“

„Zu Hause, bewacht von einer Armee.“

„Ich fürchte, diese Armee kann nichts gegen die Bedrohung ausrichten. Wir hatten gerade eine kleine Auseinandersetzung mit ein paar Kerlen, von denen wir nicht wissen, wer und was sie sind. Aber es war echte Arbeit, mit ihnen fertigzuwerden.“

James schweigt. Er weiß genau, was mein letzter Satz bedeutet.

„Schatz, ihr müsst euch verstecken.“

„Verstecken?“

Ich werfe einen gequälten Blick auf Katharina, die die Augen verdreht. „Ja. Du bist nicht unsterblich. Und Sandra auch nicht.“

„Bist du sicher? Aber egal, sie kann ja in ein Versteck gebracht werden. Ich bin es gewohnt, in gefährlichen Situationen handlungsfähig zu bleiben.“

„Du warst es gewohnt!“, erwidere ich scharf.

„Wie bitte?“

Das kann ja heiter werden. Katharina legt mir eine Hand auf den Arm. „Hi James, Katharina hier. Deine Holde wird mich wahrscheinlich gleich verprügeln, aber ich verstehe dich. Daher schlage ich vor, dass du und die Armee Sandra und deine Schwiegereltern zu mir fahrt. Mein Anwesen ist magisch geschützt, da sind sie sicher. Wir fahren jetzt auch dorthin und treffen uns dort. Dann überlegen wir gemeinsam, wie du dich beteiligen kannst. Möglicherweise sind deine alten Kontakte hilfreich. Einverstanden?“

„In Ordnung. Aber sag deinen magischen Kräften, dass sie nicht versuchen sollen, mich dort festzuhalten.“

„Keine Sorge, das ist nicht meine Art. Bis gleich.“

Ich starre Katharina an, bis sie ins Lenkrad greift und uns wieder auf Kurs bringt.

„Was war das denn?“

„Ich habe einen Ehekrach abgewendet. Gern geschehen.“

Ich starre wieder nach vorne und bemühe mich, nicht auszurasten.

„Fiona, was ist dein Problem? Wir haben grad mal keine Zeit für psychotische Anfälle.“

„Psychotische Anfälle?!“

„Yap! Also, sei so lieb, und fahr uns zu mir. Adresse kennst du ja. Hier läuft irgendeine Schweinerei, und zwar eine große, also lass uns jetzt bitte darauf konzentrieren.“

Sie hat leider recht. Wenn ich zusammenfasse, was wir haben, kommt wirklich was Großes dabei raus. Eine Werwolf-Gruppe, die keine ist, aber über mindestens einen Visz-Dolch verfügt … verfügte und außerdem übermenschliche Fähigkeiten besitzt. Die Größe der Gruppe kennen wir nicht. Sie wissen weiterhin, wer und was ich bin, wo ich arbeite und wohl auch, wo ich wohne. Und wir haben noch einen Krumana-Dämon, anscheinend eine wahrhaft höllische Vernichtungsmaschine, wie es sie seit 10.000 Jahren nicht mehr geben dürfte. Zu guter Letzt haben wir einen quasi vom Himmel gefallenen Politiker, der Präsident dieses Landes werden will. Mal eben so.

Doch, das könnte was Großes sein.

Mal eben so, ohne dass ich oder auch Katharina im Vorfeld was davon mitbekommen hätten. Und das macht mir echte Sorgen.

Fiona - Leben

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