Читать книгу Die letzte Rechnung zahlt der Mörder… Berlin 1968 Kriminalroman Band 39 - A. F. Morland - Страница 9

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Die Bedienung in dem kleinen Lokal gegenüber war lausig. Der Kellner konnte seine Füße nicht heben, schlurfte von Tisch zu Tisch und vergaß zumeist die Hälfte, obwohl er sich jede Bestellung aufschrieb.

Bernd Schuster hätte das Lokal schon längst wieder verlassen, wenn er hier nicht eine Verabredung gehabt hätte.

Jetzt schleppte sich der Kellner mit gelangweilter Miene und nach vorn hängenden Schultern auf ihn zu und fragte gedehnt: „Bitte?“

„Ich habe schon bestellt“, sagte Bernd.

„Tatsächlich?“, meinte der Kellner verwundert. „Wann?“

„Vor zehn Minuten.“

„Und ich habe Sie noch nicht bedient?“

Bernd wies auf den leeren Tisch.

„Sehen Sie hier irgendetwas?“

„Nein, ... Äh, was war's denn? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir helfen würden.“

„Kaffee - ohne Milch und Zucker.“

„Den habe ich serviert.“

„Aber nicht mir.“

„Ach deshalb sah mich die Dame von Tisch vierzehn so verwirrt an.“

„Vielleicht könnten Sie sich dazu überwinden, sich bei ihr zu entschuldigen.“

„Das würde ich furchtbar gern tun, aber sie ist nicht mehr hier, und den schwarzen Kaffee hat sie nicht angerührt.“

„Ich hoffe, Sie bringen mir nicht den.“

„Wofür halten Sie mich, Herr?“, fragte der Kellner beleidigt und schlurfte davon.

Mit dem Kaffee kam auch der Mann, der Bernd Schuster angerufen und hierher bestellt hatte. Er brauchte kein Wort zu sagen. Bernd erkannte auch so, dass Ludwig Körner in großen Schwierigkeiten steckte. Graue Schatten lagen unter Körners Augen, und tiefe Kummerfalten furchten seine Stirn.

„Ah, da sind Sie ja, Herr Körner“, sagte Bernd und lächelte freundlich.

Sobald der Mann sich gesetzt hatte, fragte ihn der Kellner, was es sein dürfe.

„Einen Asbach“, sagte Ludwig Körner gedankenverloren.

Der Kellner notierte es.

„Aber heute noch“, sagte Bernd Schuster. „Und stellen Sie’s nicht wieder auf Tisch vierzehn ab!“

„Ich werde mir Mühe geben“, antwortete der Kellner und war schon wieder beleidigt.

Bernd musterte sein Gegenüber. Er kannte Ludwig Körner von früher. Der Mann hatte ihn vor einigen Jahren mal engagiert, es ging damals um Werkspionage. Da Bernd Schuster den Fall fast im Handumdrehen löste, bezahlte ihm Körner ein fünfstelliges Erfolgshonorar. An solche Leute erinnert man sich gern. Auch wenn die Honorare nur nach außen dazu dienten, seine Erbschaft zu verschleiern. Vor allem Franziska Jahn sollte nicht wissen, dass Bernd finanziell vollkommen unabhängig war.

„Wie geht es Ihnen, Herr Körner?“, erkundigte sich Bernd.

„Oh, nicht sehr gut.“

„Leiten Sie immer noch diese Spezialwaagenfirma?“

„Die gibt es schon lange nicht mehr.“ Körner sprach über die wichtigsten Stationen zwischen damals und heute.

Der Kellner brachte keinen Weinbrand, sondern einen Scotch, aber Körner sagte, er brauche ihn nicht umzutauschen, sondern könne ihn dalassen.

„Ein dornenreicher Weg, den Sie hinter sich haben“, sagte Bernd Schuster und warf dem Kellner einen vorwurfsvollen Blick nach.

„Tja, und er ist noch nicht zu Ende, deshalb rief ich Sie an.“

„Warum sind Sie nicht zu mir ins Büro gekommen?“

Körner nahm einen Schluck vom Scotch.

„Ich habe Angst, Herr Schuster, und ich brauche Ihre Hilfe.“

„Die bekommen Sie, das ist klar.“

„Sie sollten keine so voreilige Zusage machen, die Sache hat nämlich gleich mehrere Haken.“

Bernd lächelte.

„Das macht nichts, ich bin Kummer gewöhnt.“

„Das Schlimmste für mich ist, dass ich Sie nicht bezahlen kann.“

„Darüber machen Sie sich mal keine Sorgen. Freunden helfe ich auch schon mal ohne Bezahlung aus der Patsche.“

„Ich werde Ihnen Ihr Honorar zu einem späteren Zeitpunkt überweisen.“

„Ach, kommen Sie, reden wir jetzt nicht über Geld.“

„Strenge Rechnung, gute Freunde - so habe ich es immer gehalten.“

„Okay, wenn es Ihr Gewissen beruhigt. Ich kriege mein Geld, sobald Sie wieder flüssig sind.“

„Das war der eine Haken.“

„Sind die anderen auch so harmlos?“, fragte Bernd Schuster und holte seine Roth Händle aus der Tasche. Er bot sie Körner an, nahm sich ebenfalls eine der filterlosen Zigaretten und ließ sich von seinem alten und neuen Klienten Feuer geben.

„Leider nein“, sagte Körner und blies den Rauch an Bernd Schuster vorbei.

„Was immer Sie auf dem Herzen haben, Sie können es mir anvertrauen“, sagte Bernd. „und ich werde mich bemühen, Ihr Problem nach bestem Wissen und Gewissen für Sie zu lösen.“

„Sie sind ein großartiger Mensch, Herr Schuster. Ich wusste, dass Sie mich nicht enttäuschen würden, aber ich möchte Sie fairerweise warnen: Es geht nicht wieder um Werkspionage.“

Körner sprach über sein familiäres Tief, das mit der Scheidung von Karoline endete. Er erzählte dann von Katjas Krankheit, deren Behandlung ihn ein kleines Vermögen kostete.

„Geld, das ich nicht hatte“, sagte Ludwig Körner. „Und weit und breit war niemand, der mir auch nur eine lausige Mark leihen wollte. Die Banken und Kreditinstitute hatten mich abgeschrieben, ich kann es ihnen nicht einmal verdenken. Ich glaubte ja selbst nicht mehr daran, dass ich mich an meinen eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen konnte, in den ich geraten war. Aber ich musste das Geld auftreiben, egal wie. Es ging um Katja, verstehen Sie?“

Bernd nickte und zog an der Roth Händle.

„Sie fanden eine Geldquelle.“

„Ja.“

„Einen Kredithai?“

„Schlimmer, aber es war mir gleichgültig. Ich nahm die wahnsinnigen Bedingungen an, obwohl mir klar war, dass mich die Wucherzinsen umbringen würden. Ich konnte Katja retten, und nur das war mir wichtig. Was später mit mir geschehen würde, war mir einerlei.“

„Ich hätte an Ihrer Stelle genauso gehandelt“, sagte Bernd Schuster. „Ich habe auch eine Tochter, müssen Sie wissen.“

Einen Moment schwiegen beide, dann sprach Körner weiter.

„Eine Zeitlang war ich in der Lage, wenigstens das Geld für die hohen Zinsen aufzubringen. An den Abbau der Kreditsumme war jedoch nicht zu denken. Und dann konnte ich die Zinsen nicht mehr voll bezahlen ... Mir Stand das Wasser bis zum Hals. Ich appellierte an das Mitgefühl des Mannes, bei dem ich Schulden hatte, doch er zog die Daumenschrauben nur noch mehr an und setzte mir das Messer an die Kehle.“

„Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten Sie zu mir kommen müssen“, sagte Bernd. „Ich weiß, wie man mit solchen Kerlen redet. Ich hätte erreicht, dass der Bursche Sie nicht mehr behelligt.“

„Ich dachte, ich könnte es mit eigener Kraft schaffen. Mir fehlte ja das Geld, Sie zu bezahlen. Sie müssen schließlich auch leben. Ich sagte mir, wenn ein paar von meiner Sorte zu Ihnen kämen, könnten Sie auch Ihre Detektei schließen. Ich möchte nicht wissen, was Sie allein an Miete aufbringen müssen.“

Bernd lächelte. „Sie denken zu viel. Herr Körner.“

„Ist das ein Fehler?“

„Manchmal schon.“

Ludwig Körner erzählte von seinem neuen Job, den er in vier Wochen antreten würde.

„Gratuliere“, sagte Bernd. „Das ist sehr erfreulich für Sie.“

„Ja, in einem Monat geht es vielleicht wieder aufwärts.“

„Vielleicht? Sicher sogar.“

„Sie kennen noch nicht alle meine Schwierigkeiten, Herr Schuster“, sagte Körner mit kummervoller Miene. „Der Name des Mannes, von dem ich mir Geld lieh, ist Moritz Müller.“ Er machte eine kleine Pause und musterte Bernd Schuster, doch in Bernds Gesicht tat sich nichts. Er hörte diesen Namen zum ersten Mal. Das wunderte Körner, wo doch Bernd Schuster ständig mit Ganoven zu tun hatte. „Der Name Müller wird in der Unterwelt als große Nummer gehandelt“, sagte Ludwig Körner. „Man sah Müller als eine Art Kronprinz an, er wäre der kommende Mann gewesen, die Wachablöse, die neue Generation, verstehen Sie?“ Bernd stippte die Asche von der Roth Händle und nickte.

„Von diesem Mann habe ich Geld genommen“, sagte Ludwig Körner. „Heute weiß ich, dass es weniger gefährlich gewesen wäre, wenn ich dem Teufel meine Seele verkauft hätte. Müller rief mich an und setzte mich unter Druck, aber ich konnte keine Wunder erwirken, das sagte ich ihm auch. Daraufhin ...“

Körner unterbrach sich, griff nach dem Glas und leerte es rasch.

„Daraufhin?“, fragte Bernd.

„Er lauerte mir in der Tiefgarage jenes Bürohauses auf, in dem sich meine neue Firma befindet, hatte zwei Komplizen bei sich und erklärte mir, dass seine Geduld ein Ende habe ...“

Bernd erfuhr die Einzelheiten des Gesprächs, und voller Bitterkeit berichtete Ludwig Körner, was danach passierte.

„Ich ... ich hatte den Tod vor Augen“, keuchte Körner mit grauen Flecken an den Wangen. „Dieser Kerl Stand vor mir und zielte mit seinem Revolver auf meinen Kopf. Ich glaubte nicht, dass ich es schaffen würde, aber ich wollte es wenigstens versuchen. Da waren ja auch noch die beiden anderen Verbrecher ...“

„Die sich noch ruhig verhielten“, sagte Bernd.

„Ja, aber sie konnten sich jeden Augenblick für Müller einsetzen. Als Moritz Müller abdrückte, warf ich mich zur Seite, die Kugel verfehlte mich, dafür aber erwischte ich den Verbrecher voll mit dem Wagen.“ Stockend berichtete Körner, welches Ende der Gangster genommen hatte. „Die beiden anderen feuerten keinen einzigen Schuss auf mich ab“, sagte er verständnislos.

„Der Schock lähmte sie. Das rettete Ihnen das Leben“, meinte Bernd Schuster.

„Das nehme ich auch an ... Nun ist Müller tot.“

„Sind Sie sicher, dass er nicht mehr lebt?“

„Sie hätten sehen sollen, mit welcher Wucht ich ihn erwischte, Herr Schuster. Wie eine Rakete stieg er hoch, und knallte hinter dem Wagen auf den Beton. Das überlebt keiner. Können Sie sich vorstellen, was das heißt? Ich habe einen Mann umgebracht, auf den die Unterwelt große Stücke setzte. Das tut man nicht mit einem Schulterzucken ab und sagt: ,Der arme Teufel hatte eben Pech.‘ Diese Leute haben mich mit Sicherheit schon auf die schwarze Liste gesetzt.“

„Wer sind sie?“, wollte Bernd wissen.

„Ich habe keine Ahnung. Ich kenne ja nicht einmal die beiden Typen, die Müller bei sich hatte.“

„Beschreiben Sie die Männer!“, verlangte Bernd Schuster, und Körner kam seiner Aufforderung sogleich nach. Bernd kramte in seinem Gedächtnis herum, kam aber zu dem Schluss, dass ihm diese Burschen nicht bekannt waren.

Es gab leider mehr Verbrecher in Berlin, als er kannte. Er merkte sich die Beschreibung. Sollten ihm die Ganoven über den Weg laufen, würde er sie erkennen, vor allem den mit dem gelben Pferdegebiss.

„Wenn Müller nicht mehr lebt, müssen Sie sich der Polizei stellen“, sagte Bernd Schuster.

Körner schüttelte erschrocken den Kopf.

„Das wage ich nicht, Herr Schuster. Jedenfalls jetzt noch nicht!“

„Sie haben den Tod eines Menschen verschuldet.“

„Ich habe den Mann nicht absichtlich umgebracht, das wissen Sie jetzt. Er wollte mich töten, man könnte es als Notwehr ansehen.“

„Man wird Sie bestimmt nicht bestrafen, aber Sie müssen sich melden und den Sachverhalt klären. Man wird Ihre Aussage prüfen und Ihnen keine weiteren Schwierigkeiten machen. Wenn Sie aber nicht zur Polizei gehen, wird man denken, Sie hätten ein schlechtes Gewissen.“

„Das habe ich nicht, brauche ich nicht zu haben“, verteidigte sich Körner leidenschaftlich. „Ich habe nur eines: Angst! Ich schäme mich nicht, Ihnen das zu gestehen.“

„Das ist keine Schande“, sagte Bernd. „Es ist kein Vergnügen, auf der Abschussliste eiskalter Gangster zu stehen.“

„Der Schatten des Todes würde selbst im Dienstgebäude der Polizei auf mich fallen, Herr Schuster. Diese Leute würden einen Dreh finden, an mich heranzukommen und Moritz Müllers Tod zu rächen.“

Ganz unberechtigt war die Befürchtung des Mannes nicht. Hundertprozentig sicher war Körner bei der Polizei nicht.

‚Wenn ich darauf bestehe, dass er sich stellt, und es stößt ihm etwas zu, trifft mich die Schuld‘, dachte Bernd Schuster. ‚Wenn ich ihn decke, besteht die Gefahr, dass ich in große Schwierigkeiten gerate. Es ist manchmal verdammt schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen‘.

„Wann verlor Moritz Müller sein Leben?“, erkundigte sich Bernd.

„Gestern.“

„Sie müssen untertauchen.“

„Ich bin bereits untergetaucht, fuhr gar nicht mehr nach Hause.“

„Welche Sicherheitsvorkehrungen haben Sie getroffen?“, wollte Bernd wissen.

Körner hob die Schultern.

„Zunächst fuhr ich zu meiner Frau und erklärte ihr, in was für einer fatalen Lage ich mich befinde. Sie sagte sofort, wenn ich dächte, bei ihr unterkriechen zu können, hätte ich mich geschnitten, aber diese Absicht hatte ich nicht. Mir ging es vor allem um Katjas Sicherheit. Die Gangster wissen, wie sehr ich meine Tochter liebe. Ich könnte mich noch so gut verstecken, wenn sie sich meine kleine Katja schnappen, können sie von mir alles verlangen. Sogar, dass ich mich von der nächsten Autobahnbrücke in die Tiefe stürze. Ich riet Karoline, mit Katja sofort die Stadt zu verlassen. Meine geschiedene Frau bekam einen hysterischen Anfall. Wieso hätte sie denn immer noch keine Ruhe von mir?, schrie sie. Und: ,Wie kommst du dazu, mich in solche Schwierigkeiten zu bringen?‘ Schließlich sagte sie, es gebe einen Mann, zu dem sie ziehen könne, aber Katja könne sie nicht mitbringen. Da schnappte ich das Kind kurzerhand und brachte es zu Verwandten. Gestern schien mir das noch eine gute Lösung zu sein, aber heute kommen mir erste Zweifel. Ich frage mich, ob ich ein Recht habe, auch noch meine Verwandten in diese Sache mit hineinzuziehen.“

„Wo haben Sie die Nacht verbracht, Herr Körner?“, fragte Bernd und drückte die Zigarette in den Aschenbecher.

„In einer kleinen Pension.”

„Unter Ihrem richtigen Namen?“

„Wo denken Sie hin? Nein, ich dachte mir einen Namen aus.“

„Sie sollten in diese Pension nicht zurückkehren.“

„Hätten Sie einen besseren Unterschlupf für mich?“, fragte Körner hoffend.

„Ich glaube schon“, sagte Bernd. „Kommen Sie!“ Er erhob sich, legte Geld auf den Tisch und verließ mit Körner das Lokal. Wenn er nicht bezahlt hätte, wäre es dem schlappen Kellner auch nicht aufgefallen.

Die letzte Rechnung zahlt der Mörder… Berlin 1968 Kriminalroman Band 39

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