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KIPPENPAUSE FANTALK

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Erwachsene Menschen dabei zu beobachten, wie sie sich auf etwas freuen, ist ein sehr angenehmer Zeitvertreib. Und so sitzt man im Foyer des Münchener Marriot Hotels, wartet auf Mario Basler und schaut sich dabei die Menschen an, die es kaum erwarten können, ihn zu sehen. In gut einer Stunde beginnt in der hoteleigenen „Champions Bar“ die Aufzeichnung des Sport1-Fantalks, einer Sendung, in der ehemalige Fußballer und Sportjournalisten dabei gefilmt werden, wie sie die Champions League gucken.

Neben Gastgeber Thomas Helmer und Peter Neururer ist Mario Basler an diesem Abend der bekannteste Teilnehmer der Runde und es ist nicht sehr unwahrscheinlich, dass sich die meisten Gäste vor allen auf ihn freuen und viele TV-Zuschauer auch deshalb reinschalten werden, weil er dabei ist. Auch weil er einer dieser Typen ist, über den sich sehr viele Menschen eine Meinung bilden. „50 Prozent der Deutschen lieben mich, 50 Prozent nicht“, hat es Basler selbst mal auf den Punkt gebracht.

Super-Mario hat immer schon polarisiert, weil er Dinge mit dem Ball konnte, die nur wenige andere konnten, es sich aber trotz dieses besonderen Talents und der damit verbundenen Prominenz nicht nehmen lassen wollte, sein Ding durchzuziehen. So zu sein, wie er gerade wollte. Gut gelaunt, schlecht gelaunt, freundlich, unfreundlich, sympathisch, unsympathisch, friedlich oder wütend. Basler rauchte, wenn er wollte, trank Wodka Lemon, wenn er wollte, ging feiern, wenn er wollte. Und weil er wie jeder andere auch mal keinen Bock hatte, zur Arbeit zu gehen, kam er zu spät oder blieb ganz zu Hause.

Die Vehemenz, mit der er gegen den Strom schwamm, in Kombination mit seinem sportlichen Talent und den regelmäßig produzierten Skandälchen, hat ihm im Laufe seiner Karriere ebenso viele Bewunderer eingebracht wie Kritiker, denen dieser Basler zu selbstgerecht, zu laut, vielleicht zu prollig war und ist. „Bis zum Hals Weltklasse, darüber Kreisklasse“, hat sein früherer Trainer Bernd Stange über ihn gesagt und vielleicht hat man diesen Satz auch immer falsch interpretiert. Denn tatsächlich ist es ja so, dass gerade in den Kreisklassen und Kreisligen des Landes die meisten Mario-Basler-Bewunderer zu finden sind. Weil er wie einer von ihnen wirkt. Aber halt Freistoßtore im San Siro und Camp Nou geschossen hat. Deshalb wird es zwischen Süderlügum und Immenstadt im Allgäu vermutlich keine Amateurmannschaft geben, die nicht mal gerne ein Bier mit Mario Basler trinken würde. Und deshalb ist es auch nicht vermessen, Mario Basler einen der letzten Volkshelden des deutschen Fußballs zu nennen.

Das, was die Leute mit ihm verbinden, erzeigt eine Erwartungshaltung. Auch heute, in der „Champions Bar“, wird man beobachten können, wie sich bei den Zuschauern eine diebische Vorfreude breitmacht, wann immer er an der Reihe ist. Haut er wieder einen raus? Früher musste Basler das Ventil nach oben drehen, damit die Leute den Atem anhielten, inzwischen hat er es sogar noch einfacher: Er muss einfach nur tief Luft holen und leicht spöttisch in die Kamera gucken.

Heute tut er das mal wieder beim Fantalk. Während strenge Fernsehmenschen die letzten Schönheitskorrekturen vornehmen (und im Zuge dessen auch den Autor dieser Zeilen aus der ersten in die vorletzte Reihe setzen), sitzt Basler rechtsaußen, dort, wo er früher immer seine Flanken geschlagen hat. Er wirkt sehr konzentriert, hält sich am Tisch fest und wartet auf den Anstoß. Angeführt von einem in den kommenden drei Stunden unermüdlich klatschenden Einpeitscher, begrüßen die Gäste in der „Champions Bar“ die Männer und Frauen im Scheinwerferlicht.

Das Spiel – Bayern gegen Liverpool – und der Fantalk verlaufen dann auf einem ähnlichen Niveau: nicht uninteressant, aber die ganz großen Höhepunkte fehlen. Auch Mario Basler hält sich dezent zurück, ein wenig zur Enttäuschung der erwartungsfrohen Weißbiertrinker. Wenn sich nicht mal der Basler über die Frisur von Sadio Mané lustig macht, wer soll es denn dann tun? Von einem Highlight-Produzenten wie Basler erwartet man manchmal auch mehr, als er liefern kann. Was der Zuneigung zum Volkshelden Basler keinen Abbruch tut, für manche Anwesende wird sich der Besuch im Fantalk schon deshalb gelohnt haben, weil sie einen Meter daneben standen, als Mario Basler lautstark ankündigte, die Werbeunterbrechung für eine Kippenpause zu nutzen.

Die Partie endet 0:0. Baslers Fantalk-Auftritt? Kicker-Note: 3. Noch eine Zigarette und dann: „Abfahrt in 20 Minuten.“ Basler wird jetzt gleich noch nach Hause fahren, seit ein paar Jahren wohnt er in Osnabrück. 650 Kilometer liegen zwischen seiner Bude und der „Champions Bar“. Freundlicherweise hat er seinem Biografen angeboten, ihn bis nach Kassel mitzunehmen, von wo der den ersten Zug nach Celle nehmen möchte. Die kommenden dreieinhalb Stunden werden wir also gemeinsam im Auto verbringen.

Kurz vor Ingolstadt, draußen fliegt die Nacht vorbei, fängt Mario an, von seinen Trainerstationen in Regensburg, Oberhausen und Burghausen zu erzählen. Beim Zuhörer schlackern die Ohren, weil es in vielen Geschichten um erstaunliche Dreistigkeiten und sogar kriminellen Handlungen einiger Protagonisten geht und man sich wieder einmal wundert, wie schmutzig dieser schöne Sport sein kann. Irgendwann sagt Mario: „Aber das bringen wir nicht im Buch.“ Schade eigentlich.

Pinkelpause an der Raststätte. Basler gibt einen Kaffee aus. Noch eine Zigarette unterm Sternenhimmel. Schwer zu sagen, wie dieser Basler wirklich ist, aber es ist ja auch das erste Mal, dass man mit ihm seit zwei Stunden im Auto gesessen hat. Vermutlich begeistert er viele auch deshalb, weil er nie jemand anderes ist als er selbst. Auf der Bühne, in der Talkshow, im Interview, bei der Pinkelpause. Ausgestattet mit diesem Selbstbewusstsein, das man einfach haben kann, wenn man eine Sache ganz besonders gut beherrscht. Und immer schon irgendwie zufrieden war mit dem Image, das man ihm verpasst hat: der rauchende Lebemann mit dem Kreisliga-Charme, der früher mal Bundesliga-Torschützenkönig war.

Kassel Hauptbahnhof, 3:45 Uhr. Mario fragt, ob er noch warten soll, bis der Zug kommt. Das muss er nicht, bis nach Osnabrück sind es ja noch 180 Kilometer. Ein letzter Gruß, dann verschwindet der Mercedes hinter der Kurve.

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