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VORWORT

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Ein guter Trainer vergisst nie, dass er auch mal jung war und Mist gebaut hat. Als Greenhorn tritt man nicht nur einmal ins Fettnäpfchen und genau das habe ich als junges Talent bei Bayer Uerdingen auch getan. Glück für mich, dass ich mit dem leider schon verstorbenen Klaus Quinkert einen Trainer hatte, der mich für meine Fehler zwar bestrafte, mir aber jedes Mal die Chance gab, aus diesen Fehlern zu lernen und dadurch ein besserer Profi zu werden.

Viele Jahre später trainierte ich die Frankfurter Eintracht. Keine ganz leichte Aufgabe, weil der Klub gerade abgestiegen war und erst in allerletzter Sekunde die Lizenz für die Zweite Bundesliga bekommen hatte – sonst wäre dieser große Verein sogar in die Drittklassigkeit gerutscht. Gemeinsam mit Heribert Bruchhagen war es meine Aufgabe, die Eintracht wieder dahin zu führen, wo sie hingehörte: in die Erste Bundesliga. Allerdings standen uns dafür nur sehr bescheidene finanzielle Mittel zur Verfügung. Und wie das im Spitzenfußball nun mal so ist: Wenn kein Geld vorhanden ist, schlägt die Stunde der Eigengewächse. Für unsere Talente aus dem Nachwuchsbereich wie Patrick Ochs, Benni Köhler oder eben Marco Russ war die schwierige Situation der Eintracht das große Glück und eine Chance, sich zu beweisen. Marco war mir von Beginn an aufgefallen. Ein technisch versierter Verteidiger mit sehr gutem Stellungsspiel, der das Geschehen gut antizipieren konnte. Auch war er groß und kopfballstark, nur an seiner Robustheit musste er noch arbeiten, was bei einem so jungen Kerl ja ganz normal war. Gleichzeitig schätzte ich seine offene, kommunikative Art, die dazu beitrug, dass er sehr schnell von der Mannschaft und vom Trainerteam akzeptiert wurde. Vom ersten Tag an war mir klar, dass sein Weg in die Erste Liga führen würde.

Aber auch ins nächste Fettnäpfchen. Und das passierte, als er sich eines Tages mitten im Winter krank meldete und wir durch Zufall herausfanden, dass er stattdessen mit seiner Freundin shoppen gegangen war. Umgehend beorderte ich ihn zu mir, ließ mir die Situation erklären und als mir klar wurde, dass er einfach nur eine Dummheit begangen hatte, beließ ich es bei einer Ermahnung und schickte ihn für ein paar Monate zurück in die zweite Mannschaft. Ich würde wieder auf ihn zählen, wenn er mir dort beweisen könne, dass es ihm ernst mit der Eintracht sei. In den kommenden Wochen schaute ich regelmäßig bei der U23 vorbei und sah einen Marco Russ, der sich mit vollem Einsatz in die Zweikämpfe warf und sich auch sonst tadellos verhielt. Spätestens da war mir klar: aus dem Jungen wird mal ein richtig guter Bundesligaspieler.

Und genauso ist es gekommen. Nicht nur das: In Frankfurt ist Marco erst zu einem unverzichtbaren Stammspieler und später zu einer absoluten Führungskraft gereift, an dem sich die Kollegen orientieren konnten und mit dem sich die Fans – zurecht – identifizierten. Dass einer so lange ein und demselben Verein treu bleibt, ist in der heutigen Zeit natürlich nur noch sehr selten. Umso beeindruckender, dass Marco – mit Ausnahme der schwierigen Zeit in Wolfsburg – in all den Jahren nur für einen Klub gespielt hat und dort heute als Vereinslegende gefeiert wird.

Dass er auch außerhalb von Frankfurt großen Respekt unter Fans und Fußballern genießt, hat sicherlich auch damit zu tun, wie er mit dem großen Schicksalsschlag in seinem Leben umgegangen ist. Vielleicht ist das sein bester Zweikampf gewesen: die Art und Weise, wie er seine Krebsdiagnose angenommen und wie er die Krankheit schließlich erfolgreich bekämpft hat. Ich war tief betroffen, als ich von seiner Erkrankung hörte und konnte es nicht glauben, dass er seine Mannschaft noch am Tag der Diagnose in der Relegation aufs Feld führte. Ich habe ihm damals eine SMS geschickt und alles Gute gewünscht. Gottseidank ist das dann auch so gekommen. Ich finde es besonders beeindruckend, wie offen er mit seiner Krankheit umgegangen ist. Das passiert im Fußball viel zu selten. Und gerade deshalb ist Marco zu einem Vorbild geworden – nicht nur als Spieler auf dem Rasen, sondern als Mensch abseits des Rampenlichts.

Längst ist die Frankfurter Eintracht ohne Marco Russ nicht mehr vorstellbar. Die Verantwortlichen haben gut daran getan, ihn auch nach dem Karriereende in anderer Funktion weiter zu beschäftigen. Der Fußball und die Eintracht sind seine große Liebe und wenn einer Herzblut für den Verein vergießt, dann ist das ein Gewinn für alle Beteiligten.

Ich wünsche Marco für die Zukunft, dass er gesund bleibt und mit diesem Buch nicht nur aus dem Innenleben eines Fußballprofis berichtet, sondern den Menschen auch Mut macht, auf sich aufzupassen und sich von den Niederlagen des Lebens nicht umwerfen zu lassen. Das nächste Spiel ist bekanntlich immer das Wichtigste.

Friedhelm Funkel

Kämpfen. Siegen. Leben.

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