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4.2. Die beiden fundamentalen Dreischritte oder Auers Methodologie

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Die philosophische Anthropologie hat nach Alfons Auer „die spezifische Aufgabe, über den Sinn menschlicher Existenz und über den in der menschlichen Personalität zentrierten Sinn der Welt überhaupt zu reflektieren“ (S. 44). Die entsprechenden Ausführungen Alfons Auers haben eine gewichtige Tragekraft für die Hauptthese über die „Autonome Moral“ zu entfalten (vgl. S. 28–54). Die Zurücknahme einer spezifisch theologischen Anthropologie hinter eine philosophische Anthropologie als zureichende normengebende Instanz, als integrierender Hintergrund der ethischen Normierung, macht ja einen der wesentlichen Punkte der „autonomen Moral“ im Sinne Auers aus. Der Auersche Dreischritt lautet: Humanwissenschaftliche Grundlegung – anthropologische Integrierung – ethische Normierung.22 In diesem Dreischritt ist die theologische Reflexion explizit als solche noch nicht enthalten. Diesen im Buch „Autonome Moral und christlicher Glaube“ grundgelegten Dreischritt vollzieht Auer in seiner „Umweltethik“23, ohne dass ihn zunächst eine theologische Aussage begleitet. Die Theologie wird damit nicht funktionslos, sondern die Funktionen der Theologie müssen gegenüber diesem Dreischritt eigens und jeweils auf die konkrete ethische Fragestellung bezogen ausgewiesen werden. Der zweite Auersche Dreischritt, die kritisierenden, integrierenden und stimulierenden Funktionen der Theologie, wird von ihm auch auf die Kompetenz der kirchlichen Rede und ihrer Autorität bezogen. Diese Aufgaben der Theologie werden in der „Autonomen Moral“ im Einzelnen beschrieben (vgl. S. 185–197). Sie sind dann in der „Umweltethik“, die man als Paradigma für Auers Darstellung einer „speziellen Moral“ betrachten kann, einem zweiten Teil vorbehalten. Die theologische Schöpfungslehre wird in ihrer Relevanz für die sittliche Verbindlichkeit in der Ökologie entfaltet, nachdem die Fragen ethischer Normierung bereits mit philosophischen, d.h. hier: „allgemein kommunikablen“ Beweisgründen behandelt worden sind.

Von manchen Rezipienten wurde die Darlegung der theologischen „Beweggründe“ (Auer: „Sinnhorizont und Motivation“) in der Schöpfungslehre nicht mehr gelesen, weil die ethische Normierung ja schon vorher klar zu sein schien. Die kritisierende, integrierende und stimulierende Funktion der theologischen Aussage in der Auerschen Konzeption muss daher aus ihrem Missverständnis als „Anhängsel“ befreit werden, das glaubensethische Kritiker der autonomen Moral gern als Gegenargument benutzten.24 Durch die vordergründige Diskussion über die „Autonomie“ im Sinne eines selbstbestimmten Gewissens war Auers „Theologie der Ethik“ in den Hintergrund gedrängt worden. Man diskutierte mehr über die Selbstbestimmung des Menschen im Bereich des Sittlichen, über die Eigenständigkeit des Ethischen gegenüber der Glaubensauslegung und Glaubensverkündigung, weniger darüber, was es bedeutet, wenn die anthropologische Integrierung und die ethische Normierung in einer theologischen Perspektive noch einmal durchdacht werden.

Auer selbst war davon ausgegangen, dass auch eine philosophische Begründung der Moral nicht ohne Vorverständnis auskomme. Sein „Vorverständnis des Sittlichen“ entfaltet er zwar in allgemein kommunikabler Sprache, aber nicht ohne den Sinnhorizont, für dessen Erschließung er den christlichen Glauben einsetzt, in die Theologie hinein zu erweitern. Ethik als „Sinnwissenschaft“ ist daher für ihn ein Konzept der theologischen Ethik.25 Zudem ist es eine zentrale theologische These Auers, dass man einen „Christomonismus“, der die heilsgeschichtlichen Differenzen einebnet, ebenso zu vermeiden habe wie einen glaubensethischen Monismus, der die ethischen Grundaussagen autoritativ – bibelpositivistisch oder lehramtspositivistisch – deduziert. Seine Differenzthese (Autonomie-Glaube) stellt eine Variation des katholischen „et“ als Unterscheidung ohne Trennung dar, das Josef Ratzinger so präzise in einem Tübinger Vortrag aus der gemeinsamen Zeit charakterisiert hat.26

Auers vorrangige Absicht ist dabei nicht die Begründung vorhandener sittlicher Urteile, die u.U. miteinander konkurrieren, vielmehr geht es um die Beantwortung neuer Herausforderungen in Fragen der sittlichen Urteilsfindung. Auers Betonung der „Geschichtlichkeit“ und damit auch der Wandlungsfähigkeit moralischer Positionen ist sicherlich durch den Reformbedarf der katholischen Kirche pointiert und sollte nicht relativistisch missverstanden werden, aber seine Bevorzugung einer Sprache des „Findens“ bzw. des umsichtigen Suchens gegenüber einer Sprache des „Begründens“, wie sie etwa parallel sein Münsteraner Kollege Bruno Schüller einsetzte, stammt einerseits aus seiner Vorstellung von einer zusammenführenden, integrierenden, deshalb auch notwendig interdisziplinären Wissenschaft, andererseits aber auch aus seiner „Erfahrung der Geschichtlichkeit“27.

Autonome Moral und christlicher Glaube

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