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3.


Auf ihn werden die Völker ihre Hoffnung setzen. Matthäus 12,21

„Das kann ich nicht zulassen, gute Frau! Ist Euch nicht klar, was mit dem Junker Berchtold los ist? Warum ist er nicht der Ritter von Brachtal geworden, warum ist der Erbe des väterlichen Rittergutes der Zweitgeborene Meinhart?“

Der Geistliche schritt in dem Raum aufgeregt auf und ab, schüttelte immer wieder den Kopf und sah in das ernste, aber hübsche Gesicht der jungen Frau.

„Wir wollen für unsere Verbindung den Segen der Kirche, Herr Bischof. Ich habe nirgendwo in der Bibel gelesen, dass man nicht einem kranken Menschen die Hand zum Ehebund reichen darf.“

Der Bischof fuhr auf dem Absatz herum und funkelte die junge Frau wütend an.

„Aber Berchtold ist nicht einfach ein kranker Mann! Er tanzt mit den Dämonen, wenn Satan in seinen Körper fährt! Eine Ehe kann die Kirche in einem solchen Falle nicht dulden!“

„Dämonentanz? So nennt Ihr also die Krankheit, die man als Fallsucht kennt und gegen die es kein Mittel gibt? Und glaubt Ihr, dass ich davon auch betroffen werden könnte? Oder eines unserer Kinder?“, ereiferte sich Gudrun, und auch ihr Gesicht schien jetzt zu glühen.

„Nein, dass vielleicht nicht, aber auszuschließen ist das auch nicht.“

„Herr Bischof! Der Rat der Stadt Mainz hat einer Eheschließung bereits zugestimmt. Schon allein deshalb könnt Ihr Euch nicht verschließen, denn sonst würden wir ja eine für die Kirche nicht legale Ehe führen, und das wird wohl auch kaum in Eurem Sinn sein. Berchtold und ich sind seit ein paar Monaten Mitglieder der Schmiede- und Bronzegießerzunft, meine Ausbildung in Zürich lässt mich den Titel Meister führen. Und nach einer Prüfung vor der Gilde wird auch Berchtold in Kürze Meister sein. Der große Kaiser Karl empfahl in seinem „Capitulare Missorum“ die Eheschließung vor einem Priester, sie ist aber nicht verpflichtend. Wir aber sind gute Christen und wollen den kirchlichen Segen erhalten, so, wie wir uns auch verpflichten werden, unsere Kinder taufen zu lassen und zu guten Christen zu erziehen. Deshalb, ehrwürdiger Herr Bischof, erbitten wir von Euch den benedictio sacerdotalis, den Segen der Kirche. Und, Herr Bischof, wenn Ihr unsere Hände ineinanderlegt, dann soll es Euer Schaden nicht sein. Mein zukünftiger Gemahl bat mich ausdrücklich darum, Euch diesen Beutel auszuhändigen. Er soll Euch für alles Ungemach eine Entschädigung sein.“

Der Bischof vernahm wohl deutlich das Klimpern, als der Beutel auf den Tisch fiel, vor dem sie beide standen und blickte Gudrun ein wenig verwundert an. Er schien unsicher zu werden, aber Gudrun hatte noch mehr zu bieten. Als nächstes zog sie ein Stück Papier hervor, entfaltete es und hielt es dem Bischof hin.

„Nach unserer Eheschließung stiften wir diese Aquamanile für den Dom.“

Neugierig geworden, beugte sich der Bischof über die Skizze.

„Das wollt Ihr anfertigen? Es sieht gewaltig aus und scheint mir eine sehr aufwändige Arbeit zu sein!“

„Diese Aquamanile soll Erzbischof Willigis darstellen und künftig im Dom bei der Heiligen Messe für Euch zur Verfügung stehen!“, fügte Gudrun hinzu und deutete auf den bischöflichen Stab neben dem Kopf.

Jetzt war der Bischof schon weniger skeptisch und blickte von dem Beutel mit dem Silber wieder zur Zeichnung. Endlich nickte er.

„Gut, einverstanden. Allerdings stelle auch ich eine Bedingung. Wie ich bemerkt habe, kennt Ihr Euch ja in den Erlassen Karls des Großen aus und wisst, was es bei der Eheschließung bedeutet, wenn wir von nuptiae publicae sprechen. Eine Eheschließung muss öffentlich sein und erfolgt vor der Tür der Kirche. Meine Bedingung ist es, dass wir diese Zeremonie um Mitternacht vollziehen.“

„Um Mitternacht? Ist das Euer Ernst?“

„Mein voller Ernst und unumstößlich. Stimmt zu oder verzichtet auf eine kirchliche Verbindung!“, antwortete der Bischof und richtete sich auf.

Gudrun erwiderte seinen Blick fest, dann nickte sie.

„Einverstanden, Herr Bischof. Aber Ihr werdet uns vor dem Erhalt der Aquamanile ein Dokument ausfertigen, in dem Ihr bestätigt, uns zu Mann und Frau gegeben zu haben. In diese Urkunde setzt Ihr neben dem Datum unsere neuen Namen ein und beglaubigt das mit Eurem Siegel.“

„Neue Namen?“

„Allerdings. Man nennt Berchtold nur stets den Junker, weil ihm der Ritterstand verwehrt wurde. Ich trage schon seit Langem den Beinamen Meyster. Aber wenn mein Mann hierzulande nur als der Junker bekannt ist, dann werden wir künftig Berchtold und Gudrun Junker heißen.“

„Ein seltsames Ansinnen!“, antwortete der Bischof nachdenklich.

„Aber nichts Unrechtes!“, antwortete Gudrun und nahm den Beutel mit dem Silber wieder vom Tisch auf.

„Was tut Ihr da?“, rief der Bischof erschrocken aus.

„Ich verwahre das Silber für Euch bis zur Eheschließung. Nach Erhalt der Urkunde bekommt Ihr es, zusammen mit der Aquamanile, Herr Bischof.“

„So ... es ist gut!“, unterbrach der Bischof rasch seine Antwort, die er schon auf der Zunge trug, und Gudrun verließ ihn rasch, um zu Berchtold zurückzukehren, der in der Werkstatt auf sie wartete.

Der Bischof blieb zurück und dachte über diese Begegnung noch lange nach. Berchtold hatte sich bei seinem ersten Gespräch als nicht so hartnäckig erwiesen wie diese Frau. Seit wann ist es eigentlich üblich, dass Frauen Lesen und Schreiben können, die lateinische Sprache beherrschen und zudem noch ein Handwerk erlernt haben? Dann diese Sache mit dem zweiten Namen – wie sich das anhört! Gudrun und Berchtold Junker! Wir leben doch in seltsamen Zeiten! Damit schloss er seine Überlegungen ab, denn die Vorstellung, neben einer hübschen kleinen Privateinnahme auch noch über eine eigene Aquamanile bei der Heiligen Messe zu verfügen, versöhnte ihn mit allen Forderungen.

*


Auf dem Grundstück der Gießerei waren in der Zwischenzeit, ebenso wie am Wohnhaus, bedeutende Veränderungen vorgenommen worden. Zimmerleute und Maurer waren mit dem Haus so gut wie fertig, und in der Werkstatt waren die Arbeitstische mit ordentlich aufgereihtem Werkzeug ausgestattet, eine große Grube für Gießarbeiten angelegt, Kessel und Öfen wieder zur Verfügung.

„Er hat zugestimmt, Berchtold!“, jubelte Gudrun beim Betreten der Werkstatt und fiel ihrem Zukünftigen um den Hals, bedeckte sein Gesicht mit Küssen und lachte und weinte zugleich.

„Gott sei dafür gedankt! Und was hat er zu unserer Brautgabe gesagt?“

„Das Silber war schon eine Versuchung, bei der Aquamanile konnte er nicht mehr ablehnen. Allerdings stellte er die Bedingung, dass er unsere Hände ineinanderlegen würde zu einer Zeit, die er selbst bestimmt hat.“

„Und das wäre?“

„Um Mitternacht, Berchtold!“

„Na – dann also los, wir müssen noch einiges tun bis zu dem Tag. Schau mal, die Form ist bereit für den Guss!“

Gudrun legte ihren Arm auf seinen und betrachtete die fertige Gussform.

„Das wird unsere Gabe für den Dom zu Mogontiacum, und noch in vielen, vielen Jahren, wenn wir längst zu Staub geworden sind, wird man sich an die Gelbgießer Berchtold und Gudrun Junker erinnern, die diese Aquamanile einst fertigten!“

„Und dank deiner unermüdlichen Arbeit und deinem starken Willen, den Bischof für uns einzunehmen, wird dieser unselige Titel endlich zu einem ehrbaren Namen für mich!“

Berchtold zog seine Gudrun fest in seine Arme und küsste sie, bis sie plötzlich einen leisen Schrei ausstieß, sich aus seinen Armen befreite und auf einen der großen Öfen deutete.

„Es wird Zeit für den Guss, Berchtold! Wir müssen uns sputen, komm, fass mit an, damit wir den Behälter kippen können!“, erklärte sie rasch, und Berchtold, der sich längst mit der neu errichteten Gießerei vertraut gemacht hatte, zog die eigens für diese Arbeit aus dickem Leder gefertigten Handschuhe an. Er war seiner Gudrun dankbar für die aus Zürich mitgebrachten Neuerungen.

Danach hatten sie, gemeinsam mit einem Zimmermann und einem Schmied, verschiedene Vorrichtungen konstruiert, die den Kessel mit der erhitzten Mischung aus Kupfer und Zinn in eine direkt darunterliegende Gussform kippen ließ. Darüber hinaus verwendeten sie auch für größere Arbeiten die Grube, um überwiegend flache Gegenstände im Sandguss-Verfahren herzustellen.

Das eignete sich besonders für die Herstellung von Türen und Platten und wurde in einer einfachen Variante schon von Meister Berenger zur Herstellung der Domtüren verwendet.

In dem Augenblick, in dem Berchtold den mit Holz geschützten Hebel-Griff des Kessels umdrehte und die glühend-heiße Masse in die Form lief, passierte es.

Ein konvulsivisches Zittern überlief seinen Körper, er konnte nur einen seltsamen Laut ausstoßen und fiel zur Seite auf den Boden, wo ihn der Anfall heftig schüttelte und ihn zu einem hilflosen, zuckenden Bündel machte.

Gudrun hatte schon beim ersten Zeichen verstanden, was in diesem ungünstigen Augenblick geschah. Mit beiden Händen hielt sie den Hebel fest, schob zur gleichen Zeit ihr linkes Bein vor und erreichte damit, dass Berchtold nicht hart auf den Boden aufschlug, sondern an ihr herunterglitt.

Und sie rettete damit die Gießmasse, von der nur wenig neben die Form tropfte. Kaum war das beendet, als sie auch schon neben ihrem Berchtold auf den Knien lag und ihm einen Lederhandschuh zwischen die Zähne schob, damit er sich nicht auf die Zunge biss.

Der Anfall war schnell vorüber, das Zittern hörte auf, ein letzter Schauer lief durch den Körper, und Berchtold, der sein Bewusstsein kurze Zeit verloren hatte, sah Gudrun dankbar an. Sie strich ihm zärtlich das schweißnasse Haar aus der Stirn, beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Wangen und schließlich auf den Mund.

„Der Guss?“, hauchte Berchtold, und Gudrun lächelte.

„Werden wir gemeinsam sehen, wenn es dir besser geht. Ich habe gemerkt, dass es geschehen würde und mein Bein vorgestellt, wie wir es schon mehrfach geübt haben. Ich hoffe, du bist nicht mit dem Kopf aufgeschlagen?“

Berchtold tastete mit schwachen Bewegungen seinen Hinterkopf ab und bemühte sich um ein Lächeln.

„Es ist alles gut gegangen. Und ich habe die Hoffnung, dass nun kein weiterer Anfall bevorsteht, wenn wir vor dem Bischof stehen.“

Gudrun küsste ihn noch einmal und half ihm beim Aufstehen.

Wie immer nach einem solchen Moment fühlte sich Berchtold schwach und zittrig, lehnte sich gegen die Wand der Werkstatt und schaute zur Form hinüber. Dann stöhnte er leise und deutete mit leicht zitternder Hand auf die Form.

„Leider zerstört, Gudrun. Die Form ist geplatzt, ich habe sie nicht richtig aufgebaut! Die Arbeit war umsonst!“

Gudrun nahm einen Hammer und begann, die Gussform zu zerschlagen.

Leider stellte es sich heraus, dass Berchtold richtig vermutet hatte. Durch einen Fehler im Aufbau der Form hatte sie nicht gehalten, die Bronze war auch an einer weiteren Rissstelle herausgetreten, das Ergebnis war ein unförmiges Gebilde.

„Das tut mir so leid, Gudrun! Deine Mühe bei der Form ...“

„Scht!“, machte sie leise, trat zu ihm, legte ihm die Arme in den Nacken und zog ihn zu sich herunter. Als sie schließlich etwas atemlos den langen, leidenschaftlichen Kuss beendete, sagte sie: „Das passiert nun einmal, Liebster, und gehört zu unserem Handwerk. Bis wir unseren Mitternachtstermin beim Bischof haben, ist die Aquamanile fertig!“

Die Spuren des Bischofs: Tore aus Bronze 3

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