Читать книгу Sieben Tage - Andreas Marti - Страница 8

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Sonntag

...in diesem Fall an einem Sonntagabend.

Er saß in seiner mit einer Galerie ausgestatteten Designer Wohnung, auf seinem ledernen Designer Sofa. Wofür er einen weiteren Teil seines beachtlichen Vermögens sinnlos verprasst hatte. Jetzt stand er da, dieser pechschwarze Klotz von Sofa. Dabei ahnte er noch nicht einmal, dass er bald froh sein würde, wenn er sich in Zukunft das Heineken, das er sich gerade in großen Schlücken einflößte, leisten konnte. Der Fernseher der das ansonsten in Dunkelheit gehüllte Wohnzimmer mit seinem Flimmern versuchte zu erhellen, spuckte nur Schrott aus. Das Flimmern wirkte hypnotisch auf ihn. Seine Augen wurden langsam Müde. Seine aufkommende Abwesenheit nutze er um spontan die letzten Jahre seines Lebens Revue passieren zu lassen. Eigentlich konnte er sich nicht beklagen. Er hatte einen gut bezahlten Büro Job in einer renommierten, international agierenden Firma. Renommierte, international agierende Firma… In seiner Jugend hätte er Kopfschmerzen gekriegt, wenn ihm jemand mit vor Stolz aufgeblasener Brust erzählt hätte, dass er in einer renommierten, international agierenden Firma tätig sei. Jetzt war er Sechsunddreißig Jahre alt…

»Doch eigentlich kann ich nicht klagen«, ermunterte er sich selbst. Er hatte eine moderne, große Wohnung. Mit Galerie… Er hatte eine hübsche Frau die alles für ihn tun würde. Sie hatten sich auf einer Schickimicki Party, die sein Boss zum 25 Jährigen Jubiläum der Firma veranstaltet hatte, kennen gelernt. Sie war damals kurz davor gewesen Abteilungsleiterin der Abteilung für Arbeits- und Unfallversicherung zu werden. Er dagegen war einer der Typen, die zu den Klienten reisten und alles versuchten um einen möglichen Versicherungsbetrug aufzudecken. Heute ist er der Leiter dieser Abteilung.

Eine menge Leute in seinem näheren Umfeld glaubten ihm fehle noch eine süße Tochter oder einen immer strahlenden Jungen. Doch er war auch ohne Kinder glücklich. Glücklicher… …als mit Kindern. Mit seinem Job hätte er gar keine Zeit für so ein Balg.

»Zu was bin ich mutiert?« fragte er sich selbst.

Um Punkt 23:00 Uhr riss ihn der aggressive Klang der Titelmelodie der Elf Uhr Nachrichten aus seinen Gedanken. Gelähmt versuchte er die bunten Bilder von sinnlosem Krieg, Verderben, dem dummen, lauen Gesäusel von gewissen Staatsoberhäuptern und den neusten Skandalen über irgendwelche Schöne und Reiche in sich aufzusaugen.

Er ließ seinen Blick zu dem Designer Couchtischchen wandern. Schließlich ließ er seinen Blick auf einem in Folie eingeschweißten Kärtchen ruhen. Er griff nach seinem Führerausweis und betrachtete ihn. Auf der Karte war sein Foto, direkt daneben sein Name: Frank Marshall.

Frank… Was zum Teufel hat meine Mutter geritten, mir den Namen Frank zu geben. Frank Marshall… Wenn ich den erwische, der sie auf diese bekloppte Idee gebracht hat…

Darunter stand seine Adresse, die verriet dass Frank in Los Angeles, CA wohnhaft war.

Er seufzte schwer. Die Müdigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Frank durfte gestern erst seinen Führerschein wieder abholen. Vor drei Monaten wurde ihm der Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer entzogen. Gleich nach einer weiteren Büroparty. Diese verdammten Büropartys…

Ein Gefühl, ein scheinbar unkontrollierbares Gefühl stieg in ihm empor. Es war warm und tat gut. Es ist das Gefühl, das man in Aussicht auf etwas wirklich Gutes empfindet. Eine Art Vorfreude. Er begann es zu fassen. Dieses Gefühl, das sich auf diesen einen Gedanken beschränkte, der sich mehr und mehr in einen regelrechten Drang entwickelte. Er musste in den Wagen steigen. Er musste fahren, gleiten… Durch die Straßen von L.A. geistern…

Das automatische Garagentor öffnete sich gemächlich. Zu gemächlich...

Der Motor seines 250 PS Saab Kabriolett lief bereits. WRROMM ließ der Motor kraftvoll verlauten. WROMM. Frank spielte mit dem Gaspedal. Endlich glaubte er dass das Tor weit genug offen stünde und gab Gas. Mit quietschenden Reifen raste er aus der Tiefgarage und entfloh in die schwüle Nachtluft.

Was tue ich hier? Ich fahre mit hundert Sachen durch L.A…Was sonst…

Er bog, nein, er schleuderte seinen Wagen um die Ecke. Wohltuendes Adrenalin strömte durch seinen Körper. Er versuchte es bis in die hintersten Ecken seines Körpers zu verteilen. Der Wind zerzauste seine 180 Dollar Frisur. Als er jung war, wäre es ihm egal gewesen. Deshalb war es ihm jetzt auch egal. Er überquerte eine Brücke und bog danach nach rechts in die Hauptstraße ein. Die Häuser zogen so schnell an ihm vorbei, das in dem Moment wo sie auftauchten, sie bereits wieder einer unwirklichen, entfernten Vergangenheit angehörten.

»Verdammt«, fluchte Frank als er die Anzeige von seinem Tank sah. Wie lange lief er bereits auf Reserve…? Er wollte nichts riskieren und hielt Ausschau nach der nächsten Tankstelle. Ich will nichts riskieren? Und das sagt ein Mensch der mit hundert Sachen durch L.A. rast?

Nach etwa fünf Minuten Fahrt… er beschränkte sich jetzt auf Tempo fünfzig …fand Frank schließlich eine dieser 24-Stunden Tankstellen. Er fuhr auf das Gelände und parkte seinen Saab neben einer Zapfsäule. Ein Mitarbeiter der Tankstelle kam auf ihn zugeeilt. Er trug eine hellblaue Arbeitskleidung mit Orangen Streifen auf den Schultern und braune, schmutzige Hosen. Seine zerzausten Haare bescherten dem etwa zwanzig Jährigen ein etwas heruntergekommenes und überarbeitetes Erscheinungsbild. Auf seinem blauen Hemd war ein ovaler, weißer Sticker mit roter Umrahmung angebracht. Darauf war der Name Habib gestickt. Frank war sich sicher dass das nicht der Name des ansonsten recht amerikanisch wirkenden jungen Mannes war. Wahrscheinlich hatte er das Hemd eines ehemaligen Mitarbeiters übernommen.

Frank stieg aus seinem Wagen und wunderte sich, dass um diese Zeit noch eine Bedienung anwesend war. Habib stellte ihm eine Frage. Woraufhin Frank so etwas wie Volltanken murmelte. Scheisse. Diese Beleuchtung muss heller sein als sonst. Franks Augen hatten Mühe sich an das grelle Licht der Tankstellenbeleuchtung zu gewöhnen. Er ging Richtung Tankstellenshop.

»Sesam öffne dich«, befahl Frank und die Glastüren glitten kaum hörbar beiseite. Er konnte sich ein selbstbewunderndes Lächeln nicht verkneifen.

Das gesamte Tankstellengelände machte auf ihn einen sehr sterilen Eindruck. Das einzige Unsterile war Habib. Frank kaufte sich eines dieser mit Konservierungsmittel vollgestopften Tankstellen Sandwichs und eine Schachtel Zigaretten. Der Verkäufer hinter der Theke, laut Namensschild Paul, sah aus als hätte der Verwesungsprozess bei ihm bereits eingesetzt. Paul versuchte durch seine Brille mit den fünf Zentimeter dicken Gläsern seinen neuesten Kunden zu erkennen. Er musterte Frank mit offenem Mund. Schließlich gab Paul die Höhe des Wuchers bekannt, der sich auch auf dem Kundendisplay der hochmodernen Kasse präsentierte. Frank bezahlte wortlos und verließ den Shop.

Ahhrg............

Frank brach völlig unerwartet vor dem Shop zusammen. Er verlor für kurze Zeit sein Bewusstsein. Als er zu sich kam drehte sich die ganze Welt um ihn herum. Sein Schädel dröhnte. Frank wusste nicht, dass das Dröhnen während der nächsten Tage nicht mehr aufhören würde. Frank hat nicht gewusst dass das der Beginn des fast endgültigen, unumgänglichen Endes war…

Sieben Tage

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