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Alienalphabet

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Dunkelheit umgab ihn, außer ein paar Rohrleitungen an den Wänden konnte er nichts ausmachen. Es war nicht sonderlich heimelig hier, aber das Innere von Schiffen sah für gewöhnlich nicht reizvoll aus, außer in der ersten Klasse. In diesem Moment erklang das mechanische Geräusch erneut und die Luke schloss sich.

Scheiße. Scheiße!! Wieso lief er auch einfach so in ein Raumschiff? Das war doch scheiße, oder?! Sven drückte gegen die Tür. Sie saß fest und war an ihrer Verankerung offensichtlich gut verschweißt. Okay, auf diesem Weg würde er das Raumschiff nicht wieder verlassen können, aber es war ein großes Schiff, sicher gab es einen Hinterausgang – für das Dienstpersonal oder so.

»Sven«, hörte er nun eine Stimme. »Sven.«

Sie kam ihm bekannt vor. Diese Stimme hatte er schon einmal gehört … Gerade vorhin erst in seinem Traum! Was zum Teufel war hier los?!

»Svehehen.«

»Ja doch«, rutschte es Sven heraus. Die Stimme schien von rechts zu kommen, also machte er sich auf den Weg dorthin.

Der Gang war schmal für ein Raumschiff. So einen engen Korridor sollte es hier nicht geben. In Scifi-Filmen gab es nie schmale Gänge, da waren Wege in Sternenkreuzern immer breit wie eine einspurige Straße. Dabei sollte man meinen, dass Platz in einem Raumschiff Luxus war, der nicht unnötig verschwendet werden konnte. Wie auf einem Schiff. Schließlich musste das Gefährt aus der Schwerkraft eines Planeten hinausbefördert werden und dabei zählte jedes überflüssige Kilo. Außerdem war ein kompaktes Raumschiff stabiler. Er vertrieb sich die Zeit mit derartigen Überlegungen, um seine Anspannung im Zaum zu halten.

Es waren keine offensichtlichen Türen in dem Gang auszumachen, aber er wusste nichts über die Beschaffenheit der Materie in diesem Schiff und vielleicht konnte man hier an bestimmten Stellen ja einfach durch die Wand gehen, weil die Struktur es zuließ.

Er kam an eine Abzweigung. Für die Richtungsweisung gab es eine optische Hilfestellung: Unter einem Pfeil in den entsprechenden Gang war ein Bildschirm angebracht. Auf jenem für die Richtungswahl »links« war eine Katze abgebildet, zusammen mit dem Begriff »Cat-walk«. Der rechte Flur wurde mit dem Begriff »Wolf-gang« ausgewiesen und war mit einem entsprechenden Symbol gekennzeichnet. »Ungewöhnlich profan für eine höher entwickelte Spezies«, dachte sich Sven. Andererseits hatte er sich schon oft gewünscht, dass Parkplätze von Einkaufszentren derartige Markierungen trugen, das hätte ihm so manche Viertelstunde für die Fahrzeugsuche erspart. Wie auch immer, am Ende des Wolfgangs drang ein Lichtschimmer durch die Wand, wenn das, was er sah, überhaupt eine Wand war. Er drehte sich nochmal um, als wäre es eine Option, einfach kehrtzumachen, dann schritt er auf die geheimnisvolle Lichtquelle zu.

Das diffuse Licht machte ihn konfus, doch schließlich erreichte er das Ende des Gangs und stand vor der ominösen Wand. Ein blauer Lichtschimmer war nun deutlich auszumachen, der durch die ansonsten solide und in seinen Augen seriös wirkende Mauer strahlte. Sven streckte seine Hand aus und näherte sich vorsichtig der vermeintlichen Begrenzung, welche zumindest eine Lichtquelle vor ihm zu verbergen schien. Als er in Kontakt kam, glitt seine Hand einfach durch das Gemäuer. Er fühlte Bewegung um sich, so, als würde er in herabfallendes, warmes Wasser greifen. Konnte diese Wand aus beweglichen Teilen bestehen, die durch irgendeine Kraft, die er nicht verstand, in ihrer Position gehalten wurden? Unvermittelt durchfuhr ihn markerschütternder Schrecken, als jemand oder etwas, das er nicht sehen konnte, seine Hand ergriff und ihn durch die Mauer zog. Zuerst bestieg er ungefragt ein Raumschiff und dann begrapschte er auch noch eine Wand, von der er nicht wusste, ob sie am Leben war. Er hatte schon bessere Freitage erlebt. Das war das Letzte, was er dachte, bevor er vor einigen Geschöpfen stand, die der Bezeichnung Mensch nicht gerecht wurden. Sven erschrak fürchterlich. Er hatte erwartet, dass dieses Spiel mit flackernden Lichtern und diffusen Schatten noch eine Weile weitergehen würde, aber das war kein Film und jetzt standen da fünf Aliens und Sven wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.

»Wir sind keine Aliens«, erklärte einer der Aliens. »Wir sind Außerirdische.«

Die Geschöpfe hatten hellblaumetallic schimmernde Haut und zwei Fühler auf dem Kopf, die Pupillen ihrer esslöffelgroßen Augen waren dreieckig und gezwinkert wurde mit einer Art Scheibenwischer, der sich im 360-Grad-Winkel permanent um seine eigene Achse drehte.

Bevor Sven vollends die Fassung verlor, stellte er eine Frage. Das war die Kunst, dem Wahnsinn zu entgehen: so zu tun, als wäre alles normal. »Was wollt ihr?«, erkundigte er sich bei den fünf interstellaren Besuchern.

»Wir haben einen Auftrag für dich.«

Sven war dazu geneigt, die fremden Geschöpfe aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, denn er sah keine Bewegung des Mundes. Eine Eigenheit, die sich auch dadurch nicht verdauen ließ, dass sie offensichtlich gar keinen besaßen, was ihn wieder in Panik versetzte. Nichts war erschreckender für einen Menschen, als ein Geschöpf, das ihn an einen Menschen erinnerte, aber keiner war. Die Antworten schien er jedenfalls nicht durch seine Ohren, sondern direkt in seinem Kopf zu erhalten.

»Wir haben eine wichtige Mission für dich, Sven«, und da das Geschöpf, das ihm am nächsten stand, den Kopf so bewegte, als würde es sprechen, ging Sven davon aus, dass die Nachricht von ihm kam.

»Aha. Gibt’s auch eine Bezahlung? Wie lange wird es dauern? Und nebenbei: Was ist das für ein Auftrag?« Sven hatte das Gefühl, die Lage mitsamt seiner Gefühle im Griff zu haben, wenn er etwas Zynismus ins Spiel brachte.

»Deine Bezahlung ist das Leben«, bekam er zur Antwort.

»Aber ich will nicht mit dem Leben bezahlen«, empörte sich Sven.

»Du darfst es ja behalten. Das ist dein Geschenk.«

»Das ist keine Bezahlung, das ist Erpressung.«

»Du verstehst nicht, Erdling. Wir werden dir nicht das Leben nehmen, wenn du unseren Auftrag nicht annimmst, du wirst sterben, so wie der Rest der Welt.«

»Wi … Wieso?«

»Weil du an Gott glaubst.«

Sven runzelte die Stirn. »Ich dachte, das würde sich irgendwann auszahlen.«

»Du glaubst doch nicht an Gott, weil du meinst, es würde sich irgendwann auszahlen. Das wäre keine aufrichtige Loyalität, sondern nur eine Entscheidung für die bessere Seite.«

»Wie auch immer. So wie’s aussieht, habe ich keine Wahl. Was ist das für ein Auftrag?«

»Du musst den Schlüssel von Dimenzion holen.«

»Von wo?«

»Von Dimenzion.«

»Nein, ich meine: Von wo muss ich ihn holen?«

Eine neue Stimme erklang in seinem Kopf und ein anderer Alienkopf wackelte. Offensichtlich hatte sich ein weiterer Außerirdischer in das Gespräch eingeschaltet.

»Besser wäre es, wenn Ihr sagtet: ›Wo ist er?‹«

»Saxisonorus hat sich etwas zu viel mit weltlicher Grammatik beschäftigt. Der Schlüssel befindet sich in Dimenzion, deshalb heißt er Schlüssel von Dimenzion.«

»Demenzion?«, hakte Sven nach.

»Nein, Dimenzion – hartes m, weiches e«, verbesserte Saxisonorus.

»Es gibt kein hartes m, weil es kein weiches m gibt«, verbesserte Sven.

»Ach deshalb?«, interessierte sich Saxisonorus.

»Ja, es gäbe auch kein B ohne A, aber egal. Wo ist Dimenzion?«, lenkte Sven das Gespräch wieder in

richtige Bahnen.

»Im heutigen Europa.«

»Geht es nicht etwas präziser?«

»Der Ort, den du suchen musst, befindet sich in Österreich. In Wien. Tschüss.«

»Moment! Das kann es doch nicht gewesen sein, ich brauche genauere Informationen und Instruktionen … außerdem muss ich am Montag wieder zur Arbeit.«

»Du musst überhaupt nicht mehr zur Arbeit. Dein Freund Konstantin, ein Außerirdischer unseres Wohlgefallens, gibt dir alle Informationen, die du brauchst … Nun geh dahin.«

Die Außerirdischen wiesen ihn zur Wand. Sven stolperte zurück, er hatte das Gefühl, noch tausend Fragen stellen zu müssen, aber das Gespräch war offensichtlich beendet.

Er begab sich zu der Luke, durch die er hereingekommen war. Vermutlich würde er dort auch wieder hinausgelangen. Offensichtlich galt bei diesen Gefährten immer solange das Nächstliegende, bis jemand etwas anderes behauptete. Nun stand er dort, wo er den Ausgang wähnte. Einen Moment später erklang das mechanische Geräusch erneut und die Tür öffnete sich.

Tosender Applaus war zu vernehmen, noch bevor Sven erkennen konnte, von wem er verursacht wurde. Als sich seine Augen nach der dunklen Umgebung an das Licht gewöhnt hatten, sah er die riesige Menschenmenge, die Hermanns Wiese plattstand, jemand ließ zwei Tauben aufsteigen und ein Sportflugzeug mit dem Banner »Aliens und Menschen Hand in Hand im wunderschönen Bayernland«, zog

über den Himmel.

Fernsehkameras zeichneten das Spektakel auf, außerdem standen bis an die Zähne bewaffnete Militärangehörige da, die nervös mit den Beinen wippten und Maschinengewehre in ihren Händen balancierten.

Sven hörte die Stimme eines Moderators: » … und nun haben wir zum ersten Mal Sichtkontakt mit einem Außerirdischen. Dieser Moment wird Geschichte schreiben.«

* * *

»Ach du Scheiße!«, murmelte Sven und hatte Angst, etwas zu tun, das die bewaffnete Garde als feindselige Geste auffassen konnte. Er wusste nicht genau, wie er sich verhalten sollte, aber die Menge wartete darauf, dass er eine Reaktion zeigte – oder gar eine Aktion. So hob Sven unbeholfen die Hand und winkte kurz, woraufhin die Soldaten nervös ihre Gewehre anhoben und die Menge in tosendem Applaus ausbrach.

Sven lief behutsam die Rampe nach unten und widerstand dem Impuls, seine Hände in die Taschen zu stecken, wie er es sonst tat, um nicht den Gedanken zu provozieren, er würde eine Waffe mit sich führen. Schon kam ihm ein Mann entgegengeeilt, der nicht gerade vertrauenswürdig aussah. Schwarze Sonnenbrille, schwarzer Anzug, Ohrhörer – offenbar, um mit den Kollegen oder Untergebenen in Funkkontakt zu bleiben. »Sir, wenn Sie bitte mit uns kommen würden«, sagte er, und es klang nicht wie eine Bitte.

Er hatte wohl keine Wahl, der Mann wurde von zwei maschinenbewehrten Männern begleitet.

Sie gingen in einen Wohnwagen am Rande der Ansammlung.

»Setzen Sie sich doch.« Der Mann deutete auf einen Stuhl, und seine Geste machte deutlich, dass auch dies keine Option war. Sven setzte sich. Der Mann positionierte sich ihm gegenüber an der anderen Seite des Tisches und stützte sich mit seinen Händen auf der Tischplatte ab. »Also, Herr Alien … wir möchten nur wissen, was Sie hier wollen.«

»Ich bin hier zuhause«, erklärte Sven unbedarft.

»Offensichtlich sind sie bereits unter uns«, murmelten sich zwei Soldaten im Hintergrund zu.

»Wir vom FBI«, fuhr der Erste fort, »sind daran interessiert, die Menschheit zu schützen.«

»Schön«, antwortete Sven, woraufhin der Sonnenbebrillte offenbar böse wurde. »Also, ich frage Sie nochmal: Was wollen Sie hier?«

»Und ich sag Ihnen nochmal, dass ich hier zuhause bin«, ließ sich Sven nicht beeindrucken.

»Was soll das heißen: Sie sind hier zuhause?«

»Ich bin aus dem Ort hierhergelaufen, weil dort das Raumschiff stand. Dann öffnete sich eine Luke und ich bin rein.«

»Einfach so.«

»Ich war neugierig.«

»Und was haben Sie im Inneren des Raumschiffs gesehen?«

»Nichts. Nur ein paar Kunststoffröhren aus Metall.«

»… Kunststoffröhren aus Metall …«

»Na ja, kunststoffummantelte Röhren aus Metall.«

»Woher wissen Sie denn, dass sie aus Metall waren, wenn sie doch mit Kunststoff ummantelt waren?«

»Das ist doch immer so, oder?«

Der Mann schlug mit den Händen auf den Tisch. »Ich hab genug von Ihren Spielchen.« Er atmete einmal durch. »Ich sehe mich gezwungen, Sie an Doktor Frightful zu übergeben. Der wird es schon aus Ihnen herauskitzeln.«

Der Agent schnippte mit den Fingern, woraufhin einer der Soldaten nach draußen ging und jemanden hereinholte.

Der Mann, der nun eintrat, trug eine Brille und einen Koffer. Er wuchtete ihn auf den Tisch – das sah nicht gut aus. Wahrheitsserum, Daumenschrauben, Schlitzmesser – der Koffer bot viel Platz für allerlei Folterwerkzeug und die schlimmsten Befürchtungen.

Der Doktor löste die Schnallen und öffnete sein Gepäck. Oje oje oje … Doch Svens Angst wich der Verblüffung, als er den Inhalt des Koffers sah. In der Aussparung im schwarzen Kunststoff war gerade genug Platz für ein Pendel. Es war golden und hing an einer filigranen Kette. Der Doktor hob es behutsam heraus und ging um den Tisch herum.

Er positionierte sich hinter Sven und ließ das Pendel im Uhrzeigersinn um seinen Kopf kreisen. Vor seinen Augen und hinter seinem Hinterkopf vorbei.

Bei Sven kam der Schweißer durch: »Das ist saubere Arbeit. Gefräst und anschließend im Kupferbad versiegelt?«

»Genau, danach noch eine Legierung …«, ließ sich der Doktor mitreißen.

»Machen Sie Ihre Arbeit!«, brüllte der Mann in Schwarz.

»Schluss damit!«, hörte er eine Frauenstimme vom Eingang des Wohnwagens schallen.

»Wer sind Sie?«, empörte sich der Agent, mit hörbarem Erstaunen in der Stimme.

»Christina Wagner, Bundesnachrichtendienst. Sie und Ihre Leute verschwinden hier.«

»Wissen Sie, mit wem Sie reden? Ich bin vom FBI.«

»FBI bedeutet in Deutschland nur Stoff für gute Fernsehserien. Sie befinden sich auf deutschem Hoheitsgebiet. Heidi, Susi – begleitet die Herren zum Flughafen.« Zwei Schäferhunde zogen zwei Beamte an Hundeleinen in den Raum, und die FBI-Leute zogen unter sichtlichem Unbehagen vor den Hunden Leine.

* * *

»Also, Herr Sven Steffens.«

»Sie kennen meinen Namen?«

»Ich hab mich bereits über Sie informiert. Wie sind Sie dareingekommen?«

»Na ja … ich war neugierig und kam hierher. Dann öffnete sich eine Luke und ich ging rein. Drinnen sah ich nur kahle Gänge und kunststoffummantelte … na ja Rohre eben. Ich lief ein bisschen durch die Gänge und dann kam ich wieder an der Eingangsluke vorbei, die sich prompt in diesem Moment öffnete.«

»Und Sie haben nichts gesehen, außer Röhren?«

»Ja, und diffuses Licht von den Decken. Bläulich schimmernd, wie Neoröhren. Nur in Blau.«

»Gut. Dann hab ich keine weiteren Fragen. Sie können nachhause gehen.«

»Danke.«

Sven nickte freundlich und machte sich dann eilig auf den Nachhauseweg.

Als er um die nächste Häuserecke gebogen war, hörte er ein mechanisches Rauschen und überraschte Ausrufe der anwesenden Menge. Er drehte sich um und sah, wie das Raumschiff abhob und an seiner Unterseite regenbogenfarbenen Rauch hinterließ. Eine surreale Erscheinung, die sich mehr und mehr von der Erde entfernte und schließlich in den Wolken verschwand. Der Spuk war vorbei.

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