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Freund und Leid

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Puh, was für ein Erlebnis. Er wäre besser gleich zuhause geblieben. Sven legte sich wieder ins Bett, der Kaffee war inzwischen kalt … Verdammt. Verdammter Wahnsinn! Die Außerirdischen hatten ihm doch einen Auftrag gegeben … konnte er den so einfach ignorieren? Natürlich konnte er … aber dann würde die Welt untergehen … und sein bester Freund war ein Alien. Scheiße. Er wusste gar nicht, ob er jetzt noch Kontakt mit ihm wollte. Nicht, dass er rassistisch war, aber er hatte etwas Schiss. Warum hatte der ihm nie etwas gesagt? Möglicherweise fürchtete er sich. Möglicherweise taten sie das beide.

So lag er den Mittag über auf dem Bett. Irgendwann klingelte es an der Tür. Er beschloss, es zu ignorieren, doch das Klingeln verstummte nicht. Es wurde massiver und länger. Mist, der Geheimdienst würde ihn doch nicht erneut heimsuchen und am Ende noch seine Bude stürmen, wenn er die Tür nicht aufmachte?

Auf Strümpfen tapste er die Treppe nach unten und riss die Tür auf. Ein Schreck durchfuhr ihn – sein bester Freund Konstantin. Sven stand mit halb geöffnetem Mund da und konnte sich kaum bewegen. Er starrte nur dem wohlvertrauten Gesicht in die Augen, das ihm jetzt so fremd schien. Konstantin ließ ihm einen Moment, ehe er zur Räson rief. »Also, wenn du dann fertig bist. Hast du nicht einen Auftrag bekommen? Ja, hast du: Du sollst den Schlüssel Dimenzion klarmachen. Und warum tust du’s nicht?«

Sven atmete durch und Rang nach Fassung. »Hör zu, ich bin noch dabei, mit der Sache fertigzuwerden.«

»Die Sache wird aber nicht fertig, wenn du sie nie anfängst.«

»Ich meine doch emotional.«

»Du meinst, du musst erstmal die Sache zwischen dir und mir klären.«

»Oh, das zwischen dir und mir, das ist schon …«

Konstantin lehnte sich ein Stück nach vorne, und Sven wich um die gleiche Distanz zurück.

»Es ist, weil ich ein Alien bin«, brachte es sein Freund auf den Punkt. »Hör zu, ich bin kein biologisch außerirdisches Geschöpf, das in diesem Körper steckt. Ich bin ein richtiger Mensch. Diese Aliengeschichte ist feinstofflicher Natur – quasi auf Ebene des Geistes und der Seelen. Mein Körper ist durch und durch menschlich und du wirst nach menschlichen Messverfahren nichts Außerirdisches an mir feststellen.«

»Gut … äh nein, ich meine: Kein Problem wäre das. Ist in Ordnung. Ob schwarz, weiß, grün oder schwul – wir sind doch alle Menschen oder irgendwas in der Richtung, oder so.«

»Ja, ja.« Konstantin und Sven nickten und eine peinliche Pause entstand.

»Tja … dann mal los!«, resümierte Konstantin schließlich. »Pack deine Sachen. Auf nach Österreich, das liegt teilweise in Wien. Und dann retten wir die Welt. Und nimm Bares mit. Alles, was du hast. Falls wir scheitern, sollten wir stilvoll untergehen.«

* * *

Sven trottete nach oben, um seinen Koffer zu holen, schließlich blieb er auf halbem Wege stehen. »Wieso muss ich diesen Scheiß eigentlich machen?«

Konstantin musterte ihn von oben bis unten: »Das frag ich mich auch.«

»Wie groß ist dieser Schlüssel eigentlich, hä? Wenn er größer als ein Haus ist, können wir ihn nicht transportieren, und wenn er so groß ist, wie ein Schlüssel nun mal ist, wie sollen wir ihn dann in Wien finden?«

»Wir haben ein tüchtiges Aliennetzwerk in Wien. Wir finden ihn.«

Sven musterte seinen Freund. »Wie konntest du mich nur so lange täuschen?«

»Hey, ich hab nie behauptet, dass ich ein Mensch bin.«

»Vielleicht ist das Ganze nur eine Finte, wie das mit dem 21. Dezember 2012.«

»Oh, das war keine Finte«, erklärte Konstantin. »Die Menschen haben nur noch nicht begriffen, was sie damals wirklich verloren haben. Davon abgesehen: Es gibt nun mal zwei Sorten von Kalendern: endliche Kalender und unendliche Kalender. Endliche Kalender enden nun mal irgendwann. Und wenn die Mayas einfach keine Lust hatten, bis zum Nimmerleinstag Kalender zu führen?«

»Leuchtet ein.«

»Ich hatte mir trotzdem nichts vorgenommen für den 21.12. Man weiß ja nie. Aber für den 22. hatte ich Skiurlaub gebucht.«

Sven blickte ihn skeptisch an.

»Was?!«, fragte sich Konstantin.

* * *

Sven packte seine Koffer. Was sollte er überhaupt mitnehmen? Es war Ende April. Schon ein paar kurze Hosen? Würden sie auch Zeit haben ins Hundertwasserkaffee zu gehen?

Nachdem er sicher war, dass er alle Ausweispapiere bei sich hatte, sorgte er sich nur noch um eine Vignette, aber Konstantin redete ihm ein, dass man diese auch noch erwerben konnte, wenn man von der Polizei angehalten wurde, weil man keine besaß. Man müsse dann lediglich eine »Servicegebühr« entrichten.

Sie liefen zur Garage. Sein Freund rümpfte wie immer die Nase, wenn er Svens alten Golf sah. Mit Wohlwollen nahm er auf, dass dieser nicht ansprang.

»Freu dich nicht zu früh«, mahnte Sven und deutete auf eine Plane, die ein klobiges Gefährt verbarg. »Ich hab noch ein Ass im Ärmel.«

»Ein Ass nennst du das? Diese Dreckschleuder?«

»Hey, das ist ein zweisitziges Kultbike.«

»Das ist ein Motorrad mit Beiwagen.«

»Sag ich doch.«

»Äh äh. Kannst du vergessen.«

»Was? Wieso? Und: Hast du auch ‘ne bessere Idee?«

»Antwort auf Frage zwei: Weil wir nicht mit einem Motorrad mit Beiwagen auf der Autobahn nach Wien fahren werden. Frage drei: Ja, ich hab eine bessere Idee. Und Frage eins war gar keine Frage, sondern nur ein Ausruf von Überraschung.«

»Jetzt weiß ich, was du da immer tust. Ich hab es nie begriffen. Du schmeckst die Worte nach, die ich sage, weil dir die menschliche Art fremd ist.«

»Na, von Art kann keine Rede sein, eher von Abart.«

»Ich geh davon aus, dass das Wort, das du gesucht hast ›apart‹ lautet. Und wie ist die Ausführung der Antwort auf Frage zwei?«

»Wir fahren nach Ingolstadt.«

»Was? Wieso? Willst du dir einen Audi kaufen?«

»Sehr witzig, nein. Ich werde uns einen Audi organisieren.«

»Ach ja, einfach so.«

»Wie sonst?«

»Hast du schon mal was von Geld gehört?«

»Schon mal was von Vergeltung gehört?«

»Willst du ihn stehlen?«

»Nein, ich kenn den Audi-Chef.«

»Du kennst Rupert Stadler?«

»Ja, er kommt vom gleichen Planeten.«

»Na super.«

»Er wird uns einen Wagen überlassen.«

»Einfach so.«

»Einfach so. Aliens sind nicht so geizig wie Menschen.«

»Klar. Die Zerstörung der Welt ist vollkommen umsonst, und jetzt einsteigen!« Sven deutete auf das Motorrad. Konstantin seufzte.

* * *

Sie trugen alte Fliegerkappen und runde Fliegerbrillen. Die hatte Sven von dem Typen bekommen, dem er das Motorrad abgekauft hatte. Er hätte danach sehen sollen, ob das Fahrzeug eine gültige TÜV-Plakette hat, und er hätte fragen sollen, warum das Motorrad keine gültige TÜV-Plakette hat, aber er fand es zuhause schnell alleine raus. Hoffentlich hielt sie niemand an.

Konstantin sang während der Fahrt, bis ihm eine Fliege in den Rachen flog. Danach hörte er auf.

Gegen Abend erreichten sie Ingolstadt. Sie folgten dem Verkehrsleitsystem und sahen alsbald das Audi-Werk.

»Und was jetzt? Marschieren wir da einfach rein?«, wollte Sven wissen.

»Nein, ich werde ihn rufen.«

»Du wirst ihn anrufen?«

»Nein, ich werde ihn rufen. Mit meinen geistigen Fähigkeiten.«

»Toll. Hoffentlich geht nicht der Anrufbeantworter ran.«

Kurze Zeit später öffnete sich das Rolltor an einer der Lagerhallen. Ein schlanker, integrer Mann trat heraus. Er trug eine stilvolle viereckige Brille und lächelte.

Sie gingen ihm entgegen.

»Quikiquak«, rief Konstantin.

»Hallo«, grüßte Sven.

Der Audi-Chef schüttelte ihm die Hand. »Hattet ihr eine schöne Fahrt?«

»Ich hab Ohrensausen«, erklärte Konstantin, »und eine Fliege verschluckt.«

»Na, das wird euch mit dem neuen Audi TT nicht passieren.« Er gab einen Wink und aus dem großen Tor kam ein stattlicher Flitzer gerollt.

»Ich hab mir erlaubt, ein 10.000 Euro Soundsystem einzubauen«, ergänzte der Audi-Chef.

»Danke, wär doch nicht nötig gewesen«, antwortete Konstantin mit Vorfreude.

»Es ist vieles nicht nötig in diesem Auto«, erklärte der Audi-Chef.

»Ein Auto nach meinem Geschmack«, befand Konstantin und rieb sich die Hände. »Du fährst«, sagte er zu Sven.

»Wollte ich gerade vorschlagen.«

»Hast du keinen Führerschein?«, wollte Stadler von Konstantin wissen.

»Ich hatte einen Mofaführerschein, aber der wurde mir abgenommen, obwohl ich überhaupt nicht mit dem Mofa gefahren bin, sondern mit einem 7,5-Tonnen-Lkw.«

»Ja, die weltlichen Behörden sind kleinlich«, sinnierte der Audi-Chef. »Also dann: Gute Fahrt. Und Quakiquikiquoko!«

Sie setzten ihre Reise fort.

* * *

Konstantin probierte alle Knöpfe aus und ließ jedes Mal, wenn sich etwas Sichtbares tat, ein »Ahhh« oder »Ohh« vernehmen. »Die Radiofrequenz lässt sich über den Zahlenblock nicht einstellen, aber vielleicht muss man die Nummer auf Englisch eingeben.«

Sven runzelte die Stirn. »Also«, sagte er schließlich. »Deine ganze Lebensgeschichte ist eine Lüge.«

»Nein, nein«, begehrte Konstantin auf. »Meine Eltern sind wirklich gestorben, als ich fünf war, nur nicht auf dem Planeten Erde.«

»Und dein Name? Du heißt doch nicht wirklich Konstantin Nobel.«

»Ich dachte, es wäre ein glaubhafter Erdenname.«

Sven rollte die Augen und wechselte das Thema. »Welches Hotel besuchen wir?«

»Plaza!«

»Ich weiß nicht, ob es ein Hotel namens ›Plaza‹ in Wien gibt.«

»Und wenn schon – das ist der stellvertretende Begriff für: Das beste Hotel der Stadt.«

»Kohle – das ist der stellvertretende Begriff für das nötige Kleingeld, das man dafür braucht. Hast du es?«

* * *

Sie fuhren in die Wiener Innenstadt ein.

»Also, wohin jetzt?«, wollte Sven nun definitiv wissen.

»Plaza.«

»Nein.«

»Doch.«

»Nein, wir fahren nach links. Da, in eines der Randviertel. Da sind Unterkünfte wesentlich günstiger.«

»Überhaupt nicht. Günstiger sind Hotels, die eine günstige Lage in der Innenstadt haben.«

»Ich meine doch preislich.«

»Ich hab keine Lust, als Preis ein kaputtes Knie zu bezahlen. Innenstadt!«

»Nein.«

»Doch.«

»Nein.«

»Doch.«

In diesem Moment hörten sie ein lautes Krachen

und Poltern. Ein Schemen rollte über die Windschutzscheibe.

»Scheiße! Du hast jemanden überfahren.«

»Scheiße! Ich hab jemanden überfahren!«

Sie hielten an und stiegen aus.

Hinter dem Fahrzeug lag ein Mann. Jetzt stand er auf.

»Er lebt!«, flüsterte Sven.

»Das heißt gar nichts«, meinte Konstantin. »Er kann innere Verletzungen haben und noch Minuten später krepieren.«

»Araba!«, sagte der Mann jetzt.

»Was?«, riefen Sven und Konstantin im Chor aus.

»Araba!!«

»Scheiße. Er hat einen Dachschaden abbekommen!«

»Vielleicht will er sagen, dass er aus Arabien kommt«, resümierte Sven.

»Nein. Das ist ein Außerirdischer.«

»Was sagt er dann?«

»Woher soll ich das wissen?«

»Du bist doch auch ein Außerirdischer.«

»Du bist auch ein Außerirdischer: ein Erdling. Von meinem Planeten aus gesehen ist das ein Außerirdischer. Und? Kannst du seine Sprache? Weißt du, wie viele Aliensprachen es gibt? Von den ganzen Cyberdialekten gar nicht zu sprechen.«

»Lass uns versuchen, ihn einfach in unserer Sprache anzusprechen.«

Sven ging vorsichtig auf ihn zu, als könnte der Mann wie ein verschrecktes Tier davonlaufen … oder angreifen. »Hallo … Wie heißt du?«

»Christian«, erklärte der Außerirdische.

»Christian?«

»Ja.«

»Ein Außerirdischer namens Christian – das find ich irgendwie verdächtig«, merkte Sven an.

»Wo kommst du her?«, wollte Konstantin wissen.

»Von ertsodaigfasdölkgfjsödlkjfghvrdöolkvjeröolitgjreöotij.«

»Aha. Ich versuchs mir zu merken«, antwortete Sven ironisch.

»Du kannst auch ›ertsodaigfasdölkg‹ sagen«, bot Christian an.

»Danke.«

»Was tust du hier? Ich meine in Wien«, fragte ihn Konstantin.

»Ich suche einen Schlüssel. Ich muss nach Bereschit, danach zur Apfelernte.«

Sven zögerte einen Moment, bevor er antwortete: »Seeehr interessant.«

»So ein Zufall … oder so«, pflichtete Konstantin bei. »Wir suchen nämlich auch einen Schlüssel – den Schlüssel Dimenzion.«

Sven gab ihm einen Stupser. Vielleicht war der Weltuntergang ja Geheimsache.

»Der Schlüssel Bereschit und der Schlüssel Dimenzion befinden sich exakt am gleichen, äh selben Ort«, erklärte Christian.

»Hey, cool! Weißt du wo?«, wollte Konstantin wissen.

»Nö, aber ihr könnt mich Chris nennen.«

Sven ließ enttäuscht die Schultern sinken.

»Hast du ‘ne Unterkunft?«, fragte Konstantin indes.

»Plaza«, antwortete Chris, und Konstantin warf Sven einen von Genugtuung erfüllten Blick zu.

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