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Der Sündenfall

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Im Gegensatz zu weit verbreiteten Vorstellungen und offiziellen Geschichtsschreibungen der Gegenwart, wird das 20. Jahrhundert von künftigen Historikern als Kulmination der Finsternis angesehen, als Epoche unvergleichlicher Katastrophen und die Zeit des humanitären Absturzes, dessen Hauptmotiv die Selbstentmenschlichung war. Je mehr Abstand von dieser Epoche die Urteilenden nehmen werden, desto deutlicher wird dieses Urteil formuliert.

Keine Frage, das 20. Jahrhundert war innovativ, aber seine Innovationen gingen größtenteils an seinen Schöpfer vorbei, so daß technischen Neuerungen keine adaptiven Verhaltensänderungen folgten. So z.B. gesteigerte Produktionseffizienz und –Kraft führte nicht zur Verlagerung der produktiven Energien in die sozialen Strukturen, um die Gesellschaft zu reorganisieren und die Produktion den Bedürfnissen der Produzenten anzupassen. Stattdessen setzte industrielle Überproduktion, u.a. die Waffenherstellung, zerstörerische Kräfte frei, und die Folge davon waren Revolutionen und Kriege mit nie davor bekannten Ausmaßen. Erst die Technik der Massenproduktion machte die Massengesellschaft und den Massenkonsum möglich, mehrte gleichermaßen Anthropoiden, Nutztiere und Pflanzen sowie brachte Methoden zur Massenvernichtung hervor.

Dieser kollektive Sündenfall war das Ergebnis einer langen Vorbereitungszeit. Die europäischen Völker haben schon immer über die Leichen gegangen, ihren Lehrer und Gelehrten sowie unbeugsamen Bürger ihre Köpfe abgetrennt: Das nannten sie Fortschritt. Für sie war das "Fortschritt", für viele Anderen der Untergang. Im Verlauf ihres hemmungslosen Wachstums haben europäische Völker die Kulturen, Landschaften, Naturoasen systematisch beseitigt und unwiederbringlich ausgelöscht. Die Erben europäischer Expansion hatten später zur Aufgabe, das zu erledigen, was ihre Vorfahren mit ihren damaligen Werkzeugen und Strategien nicht zu Ende brachten. Die Karawanen der Blumenkinder leiteten das Ende des friedlichen und harmonischen Lebens in Abgeschiedenheit und Genügsamkeit ein. Die Invasion der Barbaren erfasste schließlich den ganzen Planet, im 20. Jahrhundert ist das Ausmaß der Zerstörung so groß geworden, daß sie mit der unmittelbaren Gefahr konfrontiert wurden, in ihrem eigenen Müll unterzugehen und an dem Luftmangel zu ersticken. Die Erdoberfläche wurde überbevölkert, aus dieser Enge entflammen unlösbare Konflikte: Man kämpft um jeden Erdenfleck und Meeresgrund, und seien sie noch so wüstenhaft und schwer zugänglich. Das Ende dieser Kämpfe ist nicht in Sicht: Bald beginnen sie, einander wie Wild zu jagen und das Menschenfleisch zu verspeisen. Die Verrücktheit der verwilderten Massen können nicht einmal die Atomwaffen ausheilen. Für kulturelle Einflüsse unzugänglich, für die Gefahren unempfindlich, zeigen sie weder Angst noch Reue, gehen gemeinsam in den Tod... Nichts und niemand können diese im Gleichschritt marschierenden Massen aufhalten. Obwohl bunt bekleidet, bleiben die Vertreter der Gattung Homo geistig uniformiert, mental eng verschnürt. Sie sind steinzeitliche Ungeheuer geblieben, die sich genauso verhalten wie vor Jahrtausenden, weil sie ihre Vorgeschichte, die Zeit noch vor der Entstehung ihrer Rasse, in und mit sich tragen. Ihr Bewußtsein und ihre Phantasiewelt bevölkern fabelhafte Kreaturen und urzeitliche Monster, sie selbst sind immer noch auf der Jagd und als Sammler unterwegs, ohne zu merken, daß die Welt ganz anders geworden ist, als in der Urzeit, genau gesagt, sie übersehen ihre eigene Kulturgeschichte, ignorieren Chancen der Entwicklung zum Mensch werden. Die Wahrscheinlichkeit einer friedlichen Koexistenz von Anthropoiden und Humanoiden erscheint fragwürdig, und die Aufgabe, die Anthropoiden zu humanisieren, erweist sich als schwer realisierbar, was erforderlich macht, über die Gründe dieser Schwierigkeiten nachzudenken.

Der Tommyknockers–Komplex

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