Читать книгу Das Ehepaar und ANDERE Geschichten - Annerose Scheidig - Страница 10

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Eisige Kälte

weht mir von dir entgegen

ich schließe mein Fenster

Theater, Theater . . . wirklich nur Theater?

„Hallo Margarete, ich habe ein Problem. Bei unserer Märchenaufführung brauche ich dich als Ersatzperson. Könntest du einspringen?“

Eine leicht nervöse und mir gut bekannte Stimme drang aus dem Handy in mein Ohr. Verblüfft hörte ich ihr aufmerksam zu. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet.

Die Termine zur Aufführung standen fest und die hierzu benötigten Proben waren auch schon gelaufen.

„Wie kommt’s. Was ist passiert?“

„Lena ist ausgefallen! Sie muss auf Geschäftsreise, dringend und nicht zu ändern!“

„Verstehe! Und wie soll ich so schnell den Text ohne Probe hinbekommen? Wie viel muss ich überhaupt lernen? Das schaffe ich nie, ich habe im Moment auch wenig Zeit“, meine jetzt auch nervöse Antwort.

Ich saß gerade selbst in einer Besprechung. Meine Gedanken kreisten um Verbesserungen des täglichen Arbeitsablaufes innerhalb der Unternehmung, bei der ich zurzeit beschäftigt war.

„Es sind höchstens drei kurze Sätze. Die hast du schnell drauf!“, hörte ich am anderen Ende, die jetzt leicht bestimmte Mutmachung.

„Wann soll ich denn einspringen?“

„Beim zweiten und vierten Auftritt. Also am elften und sechzehnten, kommenden Mittwoch und den darauffolgenden Montag. Hast du an den beiden Tagen Zeit?“

Jetzt konnte ich etwas Sorge aus der Frage heraushören, welche mich zu einem intuitiven „Ja“ verleiten ließ.

„Gut!“, drang es erleichtert in mein Ohr. „Morgen um 11:30 Uhr ist die Generalprobe. Vielleicht kannst du dir das Stück schon mal ansehen. Ich bringe dir eine Kopie des Rollenbuches mit. Ist wirklich nichts dabei. Das klappt schon!“

Das war‘s. Jetzt hatte ich eine Rolle ohne überhaupt etwas über das aufzuführende Bühnenstück zu wissen! Am Sonntag hatte ich ohnehin vorgehabt mir die Premiere anzusehen. Na gut, warum nicht auch die letzte Probe?

Die Generalprobe verlief wie üblich. Kaum ein Darsteller war voll konzentriert bei der Sache. Es lief so einiges schief und ich dachte: Wie soll das morgen werden, bei so viel Chaos? Meine Rolle war wirklich ganz einfach. Ich würde das Rollenbuch mit zur Arbeit nehmen und mir in den Pausen die Einsätze genau einstudieren.

Die Premiere, am Sonntag, verlief wie gewohnt super. Das Theaterspiel kam beim Publikum lobend an. Auch hörte ich Sätze, die bei der Generalprobe völlig untergegangen waren. Die Besucher klatschten begeistert. Dann, während einer kurzen Unterbrechung, die Bühne musste umgebaut werden, hörte ich die Worte einer etwa Fünfjährigen, die gespannt auf ihrem Stuhl hin und her rutschte: „Oh, jetzt kommt die Werbung!“ Gelächter, ein herrliches Gelächter, auch in dieser kurzen Pause.

Der Rest des Spieles verlief genauso aufgelockert und gekonnt, wie es begann. Die kleinen und großen Zuschauer waren bis zum Schluss begeistert.

Als am Ende der Aufführung die Darsteller „zum Anfassen“ vor den Vorhang traten, waren es besonders die kleinen Mädchen, die schüchtern, fast ängstlich, der Prinzessin einmal die Hand reichen wollten. Oh wie stolz liefen sie zu ihren Eltern zurück, nachdem sie es tatsächlich geschafft hatten bis zu ihr durchzudringen!

Das war eine wahre Beglückung für mich, solches zu beobachten. Es erinnerte mich an meine eigene Kindheit. Wie oft hatte ich als kleines Mädchen geträumt, eine Prinzessin zu sein, besonders dann, wenn mir meine Tante „Schneewittchen“ vorgelesen hatte. Die Welt der Märchen berührt wohl jede Kinderseele, selbst als erwachsene wird sie wohl nie ganz frei davon.

Die nächste Aufführung sollte also mit mir besetzt werden. Kleid, Schuhe, Perücke, alles wurde ausgesucht, anprobiert und alles passte perfekt. Nur die Bilder zur Erinnerung waren bereits bei der Generalprobe ohne mich fotografiert worden. Ich fragte Bernd, unseren Fotografen und Pförtner des Kaisers, ob es möglich sei, ein paar Bilder extra für mich zu schießen, vielleicht während ich spiele und einige hinterher. Schließlich mochte ich auch welche für mein Album haben.

„Klar können wir Bilder machen, am besten anschließend. Wir stellen einfach die Szenen nach. Solange die Bühne aufgebaut ist, geht das immer!“ Für Bernd war das kein Problem.

Ich spielte die zweite Hofdame und meine Aufgabe war, das Szenarium auf der Bühne mit vorgehaltener Hand zu belächeln. So konnten wir, die erste Hofdame und ich, unbemerkt kleine Abstimmungen treffen, für den Fall, dass ich etwas vergessen sollte.

Alles lief wunderbar. Einmal kamen wir beim Zählen der Küsse durcheinander, welche die Prinzessin mit dem Schweinehirten austauschen musste. Sie wollte unbedingt einen von ihm angebotenen Zaubertopf haben. Aber das passierte auch der Originalbesetzung und gehörte somit schon zur Szene. Ein Grund mehr für die Hofdamen zu kichern.

Und dann geschah, was ich eigentlich hier erzählen wollte, und meine Frage, „Wirklich nur Theater?“ aufkommen ließ.

Die Aufführung war zu Ende. Die Mädchen hatten wieder zögernd und schüchtern zuerst die Hofdamen und dann die Prinzessin begrüßt, als Bernd, der Pförtner des Kaisers und Fotograf der Theatergruppe, auf uns zu kam, um die versprochenen Bilder abzuknipsen.

Hanne, die erste Hofdame und ich folgten ihm hinter den Vorhang. Wir setzten uns auf die mit einem Rosenbogen edel verzierte Bank der Prinzessin, genauso erschöpft, wie wir in der Szene saßen, nachdem wir ohne Pause stundenlang tanzen mussten.

Plötzlich stand Heike, unsere Prinzessin, vor uns und meinte hochnäsig: „Was geht denn hier ab?“

„Wir machen Bilder für Margarete, damit sie auch welche hat. Du kannst dich ja dahinterstellen!“, so die unbedachte Antwort von unserem lieben Bernd, der mit seinem linken Arm in Richtung Bank winkte und in der rechten Hand den Apparat hielt, knipsbereit.

„Was? Ich soll mich dahinterstellen, ich die Prinzessin?“ Ihre Augen funkelten empört. Dann zeigte sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf uns und meinte schnippisch: „Auf die Bank gehöre doch wohl ich! Die können sich dahinter stellen!“

Jetzt funkelten ihre Augen noch dunkler.

„Ist doch nur ein Foto!“, versuchte Bernd sie zu beruhigen und wollte kurz warten, damit auch sie auf das Bild kam.

„Pah, wenn ich nicht auf die Bank kann, dann eben nicht! Dann hat sie halt Bilder ohne mich für . . . ihr Fotoalbum!“ Arrogant und verletzt verschwand sie auf der Stelle.

Bernd ließ sich nicht stören, er fotografierte weiter.

Die Bilder zeigten zwei kichernde Hofdamen.

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