Читать книгу Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner - Ansgar Morwood - Страница 8

Оглавление

3. Erste Zeugenvernehmungen

Harald meinte, alle seine Knochen spüren zu können, als er aufwachte. Draußen war es schon hell. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm die Zeit; 6.24 Uhr. Er wollte so schnell wie möglich von diesem Lager aufstehen. Während er sich aufrappelte, sah er Monika immer noch so im Bett liegen, wie er sie am Abend zuvor dort liegen gesehen hatte. Er staunte ein wenig über ihre freien Schultern, die er nun besonders gut ausmachen konnte, nahm aber an, sie trage einen BH ohne Schulterbändchen.

Er begab sich zum Kleiderschrank. Heute konnte er sich nachträglich beglückwünschen, doch in seiner Zerstreutheit komplette Anzugsgarnituren eingepackt zu haben, denn heute würde er mal wieder amtlich unterwegs sein. Dann ging er ins Badezimmer, ließ sich ein warmes Bad ein und unterzog sich einer gründlichen Körperpflege. Anschließend putzte er seine Zähne, rasierte sich und warf sich in Schale.

Kaum war er aus dem Badezimmer getreten, traf ihn fast der Schlag. Die Mink stand, ihm mit dem Rücken zugewandt, vor einem geöffneten Kleiderschrankabteil und hantierte mit irgendwelchen Textilien. Das, was ihn derart aus der Fassung brachte, war der Umstand ihres Outfits. Sie war komplett nackt. Er wusste nicht, was er hiervon zu halten hatte. Wollte sie ihn anmachen? Wenn ja, dann war sie bei ihm aber an der falschen Adresse. Obwohl, hübsch anzusehen war sie ja schon so von hinten.

Er räusperte sich. Sie drehte sich um und hielt einige Kleidungsstücke in ihren Händen, die Harald nicht wesentlich größer als Herrentaschentücher vorkamen. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, diese irgendwie zu nutzen, sie vor ihrem Schambereich zu halten.

„Ah, guten Morgen, Chef.“ Das kam so unschuldig und zwanglos über ihre Lippen, als wäre sie gerade zünftig angezogen in sein Büro hereinspaziert.

„Morgen“, murmelte er und versuchte seinen Blick demonstrativ von ihr abzuwenden, was ihm nicht ganz gelingen wollte, genau wie es ihm noch nicht eingefallen war, sich von der Türöffnung des Badezimmers wegzubewegen.

Sie kam mit ihren dürftigen Textilien über dem Unterarm gehangen lächelnd auf ihn zu, und er befürchtete schon, sie wolle ihn nun wirklich anmachen. Für einen Augenblick sah er in ihr die Tigerin, die ihn zerfleischen wollte.

Als sie vor ihm stand, fragte sie, weitaus weniger angriffslustig als eine hungrige Raubkatze: „Darf ich das Badezimmer benutzen, oder soll ich noch warten?“

Er kam wieder etwas von seiner Irritation herunter. „Äh ... äh, ja, selbstverständlich.“ Er trat zwei Schritte zur Seite, und sie ging an ihm vorbei.

Während sie im Begriff war, die Tür zu schließen, rief sie noch: „Kaffee und Frühstück stehen schon draußen auf dem Tisch.“

Er ging nach draußen und ließ sich immer noch unter dem Eindruck des gerade Erlebten auf seinen Stuhl nieder. Dabei kam ihm ein beängstigender Verdacht. Hatte sie etwa die ganze Nacht unbekleidet im Bett, in seinem Bett gelegen? Hatte sie unbekleidet das Frühstück zubereitet und es dann ebenso nackig auf die Veranda hinausgetragen? Was sollte die Show? Aber immerhin, das Frühstück war erstklassig zubereitet.

Was ihn dann noch mehr wunderte, war ihr rasches Erscheinen nach ihrem Gang ins Badezimmer. Was ihn erneut schockierte, war das, was sie anhatte: Einen weißen Stringbody. Und jetzt setzte sie sich auch noch ungeniert ihm gegenüber, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und begann eine Scheibe getoastetes Brot mit Butter zu schmieren und Käse zu belegen, als sei es die normalste Sache der Welt, so etwas quasi nackt im Freien zu tun. Dabei schaute sie ihn immer wieder mal lächelnd an. Es verschlug ihm einfach die Sprache, mit welcher Selbstverständlichkeit sie das alles tat.

Irgendwann meinte Monika, ein Gespräch anleiern zu müssen. „Wie sehen unsere Planungen heute konkret aus?“

Endlich fand er doch zu Worten. „Während Sie sich gleich nach dem Frühstück anziehen, werde ich mit Frisch in Köln telefonieren und ihn auf die Leute ansetzen, deren Namen auf Wagners Liste stehen. Ist das erledigt, fahren wir zuerst nach Eupen zu der Architektin. Auf der Hinfahrt müssen wir noch in Weiswampach eine Befragung an einer Tankstelle durchführen. Auf der Rückfahrt hören wir uns im Hotel Schiltz in St. Vith um, ob uns dort jemand etwas zu Wagner sagen kann. Alles andere wird sich daraus ergeben.“

„Fahren wir etwa schon sofort los? Ich meine, weil Sie sagten, ich soll mich anziehen.“

Jetzt war Harald wieder total verblüfft. „Haben Sie etwa vor, in diesem Aufzug hier herumzuhüpfen bis wir losfahren?“

„Warum nicht? Ich bin ja schnell fertig. Ein Slip, ein Rock, ein Top, dafür brauche ich vielleicht nur zwei Minuten.“

„Ich will ja nicht behaupten, Frau Mink, dass mir ihr Body nicht gefällt, aber ich finde ihn doch recht freizügig“, versuchte er ihr seine Sichtweise nahezubringen.

„Oh, so laufe ich aber bei warmem Wetter immer zuhause herum. Da ist doch nichts dabei.“

„Finden Sie? Und wenn mal jemand an die Tür kommt? Der Briefträger oder so.“

Sie lachte. „Der wäre gewiss weniger überrascht als Sie. Man könnte meinen, Sie haben noch nie eine Frau in Natura gesehen.“

„Doch, das habe ich garantiert. Ich war schließlich auch mal verheiratet. Allerdings kann ich mich nicht entsinnen, jemals eine Frau gesehen zu haben, die mir im Stringbody oder gar ganz nackt die Haustür geöffnet hätte. Das geziemt sich doch nicht.“

„Na hören Sie mal, Chef, wir werden nackt geboren, und es ist nicht verboten, in seinen eigenen vier Wänden ohne Klamotten umherzulaufen. Außerdem verhüllt so ein Body doch alles, was verhüllt werden soll“, erwiderte sie grinsend. „Aber wenn es Sie stört ...“

„Frau Mink, würde ich Ihre Ansichten mit Ihnen teilen, müsste ich es schlichtweg zulassen, dass Sie morgens im Flittchenkostüm im Präsidium erscheinen. Sie wissen, dass ich das nicht zulasse, und ich frage Sie, wieso ich es hier zulassen sollte.“ Seine Stimme blieb bei diesen Sätzen auffallend ruhig.

„Wir sind hier aber nicht im Präsidium, sondern bis wir uns auf den Weg machen oder jemand uns hier besuchen kommt, sind wir ganz privat. Aber wenn Sie einen solchen Wert darauf legen, kann ich mich ja jetzt gleich nach dem Frühstück schon fertigmachen.“

Er überlegte einige Minuten, während er seinen Kaffee trank. Im Grunde machte sie nicht den Anschein, als wollte sie ihm mit dieser Aufführung den Kopf verdrehen, und optisch war sie ja wirklich ganz reizvoll. Es klang auch durchaus glaubwürdig, dass sie bei sich zuhause unbekleidet oder sehr knapp bekleidet umherlief. Das Problem lag wohl eher bei ihm selber. Sie löste gewisse Gefühle bei ihm aus, die er schon lange zu verdrängen verstanden und inzwischen für abgestorben geglaubt hatte. Er rang sich zu einer Stellungnahme durch.

„Meinetwegen laufen Sie hier im Haus so herum, wie Sie es für richtig halten. Nur wünsche ich, dass Sie das für sich behalten. Ich will nicht später von anderen hören, ich sei Ihnen an die Wäsche gegangen, die Sie sowieso nicht anhaben.“

Sie belohnte ihn für dieses Zugeständnis mit ihrem schönsten Lächeln. Natürlich hatte sie gewusst, wie sehr sie ihn mit ihrer körperlichen Blöße herausgefordert hatte. Es ging ihr keineswegs darum, ihn zu verführen. Sie wollte ihn lediglich entkrampfter, entspannter erleben, als sie ihn bislang mitgemacht hatte. Vielleicht wollte sie - aber das war ihr doch nicht so bewusst - ihre Grenzen bei ihm abtasten und neu definieren.

„Das will ich Ihnen gerne versprechen, Chef. Es ist aber so, wie ich gerade sagte. Bei mir zuhause ziehe ich wirklich selten mehr an. Und übrigens gehe ich immer ohne Nachthemd oder sonst was ins Bett. Ich ertrage es einfach nicht, wenn es überall zwickt und zwackt.“

Dazu fiel Harald etwas ein. „Sie haben doch ein kleines Kind, nicht wahr?“

Sie nickte. „Ja, Benni ist jetzt 3 Jahre alt.“

„Meinen Sie nicht, dass es eine ziemlich schlechte Sache für den Jungen ist, wenn er sie so sieht?“

„Wieso das denn? Ich trage immer Stringtangas, auch wenn wir an den Strand fahren. Da ist doch nun wirklich nichts dabei“, sagte sie. „Und wie eine Frau aussieht, das weiß doch heutzutage jedes Kind.“

„Mag sein, aber Kinder sind Plappermäuler. Irgendwann kommt Ihr Sohn in die Kita, später auf die Schule, und spätestens dann wissen viel mehr Leute über Ihre Hausmode Bescheid. Da gibt es bei uns ja immer noch gewisse Sittengesetze. Und ...“

„Darüber mache ich mir nun wirklich keine Sorgen. Ich vergewaltige ja nicht mein eigenes Kind. Andere Eltern nehmen ihre Kinder sogar mit an den FKK-Strand.“

Wie entwaffnend, musste sich Harald eingestehen, und entschied, das Thema für abgehakt zu betrachten.

Gegen 8 Uhr rief Steiner im K zwo an und hatte sofort Ralf Frisch an der Strippe, dem er während einer halben Stunde erklärte, wie der Stand im Mordfall Wagner war und was er nun von ihm verlangte.

Beim Erwähnen des Namen Jasper merkte Frisch an: „Ich glaube nicht, dass ich den ohne Hinzuziehung des Drogendezernats befragen darf.“

„Ist okay. Wenn die mitnudeln wollen, sollen sie eben mitnudeln“, entschied Steiner.

Kaum war das Gespräch beendet, surrte Haralds Handy. André Rollinger war am Apparat.

„Jetzt habe ich einen echten Hammer für Sie, Kollege Steiner. Die Kugel aus Wagners Kopf und die beiden Kugeln aus dem Kopf der Brandleiche stammen aus ein und derselben Waffe, also der 9 mm, die wir bei Wagner fanden. Was sagen Sie dazu?“

„Dass wir nun zwei Morde mit einer Mordwaffe haben“, entgegnete Steiner trocken. „Wenn es allerdings die Absicht des Täters war, Wagners Tod als Selbstmord erscheinen zu lassen, dann sollte der Tod dieser Frau wohl implizieren, dass Wagner ihr Mörder war. Das können wir aber ausschließen, da Wagner seinen Jaguar im Zeitraum vom Freitagabend bis zu seiner eigenen Ermordung nicht von der Stelle bewegt hat.“

„Da gibt es aber noch etwas, was Sie wissen sollten“, sagte der Commissaire. „Die Tatwaffe ist 1977 in Augsburg an einen Mann namens Alfons Wagner verkauft worden, und sie ist auch ordnungsgemäß auf ihn registriert gewesen.“

„Na super“, rief Harald wenig begeistert aus. „Dann spielt die Musik vielleicht nicht hier, sondern in Augsburg. Ich habe trotzdem vor, mein Programm heute so abzuarbeiten, wie wir es gestern besprochen haben.“

Harald betrat den Bungalow, um Monika mitzuteilen, dass es Zeit sei, loszufahren. Monika hatte sich inzwischen umgezogen. Sie sah echt sexy aus, fand er. Ein pinkfarbener Minirock, der nicht wesentlich weiter als gerade bis unter ihr Gesäß reichte und das rote Top vom Vortag. Dazu hatte sie sich ziemlich lange und auffallende Ohrringe angelegt und sehr hochhackige rote Pumps im selben Rot ihres Tops angezogen. Im selben Rot waren auch ihre Lippen angemalt. Da das Top den gepiercten Nabel freigab, musste Harald wohl davon ausgehen, dass sie den Body gegen einen sehr kleinen Slip ausgetauscht hatte. Blieb nur noch die Frage, ob man ihm jetzt noch in ihrem Beisein abkaufen würde, ein Kriminalbeamter zu sein, selbst wenn er seinen Dienstausweis vorzeigte.

Die erste Anlaufstelle, die Steiner anging, war eine Total-Tankstelle in Weiswampach im Norden des Landes. Gemäß einer von drei Tankquittungen hatte Wagner hier am Mittwochmorgen für 68 Euro Benzin getankt und am Donnerstagnachmittag nochmals für 61,43 Euro.

Steiner nahm die Gelegenheit wahr, ebenfalls seinen Mercedes aufzutanken. Er ging zum Bezahlen in den Shop, wo eine ältere Dame an der Kasse saß, die ihm auf Französisch einen guten Tag wünschte, was Harald dazu veranlasste, auch auf Französisch zu antworten. Nach dem Bezahlen fragte Harald die Frau, ob sie am Mittwochmorgen der vorigen Woche ebenfalls Dienst gehabt hatte. Monika war über die flüssige Aussprache ihres Chefs in dieser Fremdsprache sehr überrascht, zumal sie einmal im Kommissariat erlebt hatte, wie er einen tunesischen Vernehmungskandidaten sprichwörtlich zusammengeschissen hatte, weil der eine seiner Fragen statt auf Deutsch auf Französisch beantwortet hatte und ihn deswegen dann einen halben Tag festgehalten hatte, bis ein vereidigter Dolmetscher erschienen war.

Die Frau verneinte, zur angegebenen Tageszeit, Dienst gehabt zu haben. An dem Morgen habe ihre Kollegin Melanie die Tankstelle beaufsichtigt.

Harald fragte, wann diese Melanie denn wieder anwesend sein würde.

Die Frau sagte, die Melanie sei heute für den Spätdienst von 14 bis 22 Uhr eingeteilt.

Steiner wollte nun wissen, ob sie denn letzte Woche am Donnerstagnachmittag hier gewesen sei.

Ja, antwortete die Frau, da habe sie Dienst gehabt.

Steiner zeigte ihr ein Bild von Alfons Wagner. Es war ein vergrößertes Passfoto Wagners, das ihm Rollinger am Vorabend dagelassen hatte. Er erklärte der Madame, dieser Mann müsste sowohl am Mittwochmorgen wie auch am Donnerstagnachmittag hier getankt haben. So ginge es jedenfalls aus zwei Quittungen hervor. Um ihr ein wenig auf die Sprünge zu helfen, fügte er noch hinzu, dass dieser Herr einen bordeauxroten Jaguar mit deutschem Kennzeichen gefahren haben müsste.

Das ohnehin vorhandene Dauerlächeln der Kassiererin wurde noch breiter. Aber sicher konnte sie sich noch an den netten Herrn erinnern. Er hatte für eine ziemlich krumme Zahl getankt, und sie hatte festgestellt, nicht mehr genug Kleingeld in der Kasse zu haben, ihm das Wechselgeld rauszugeben. Da habe der nette Mann ihr fünf Euro in Münzgeld gegeben, sodass er mehr als drei Euro zuviel bezahlt hatte. Dieses Mehr an Geld ließ er ihr als Trinkgeld.

Der Hauptkommissar zeigte auf eine Videokamera im Raum und erkundigte sich, ob es sich dabei um eine Attrappe handele.

Nein, die sei schon echt. Die Aufnahmen würden jeden Abend von einem Angestellten des Tankstellenbetreibers zusammen mit den Tageseinnahmen abgeholt. Sie wusste aber nicht, was die in der Zentrale mit den Bändern anstellten.

Schließlich interessierte es Harald, ob der nette Kunde mit dem Jaguar noch jemanden dabei gehabt hatte. Das wusste die Frau aber nicht mehr, oder genauer gesagt, sie hatte gar nicht darauf geachtet, ob noch jemand im Wagen gesessen hatte.

Um halb elf erreichten Steiner und Mink Eupen und fanden auch umgehend die Adresse des Architekturbüros der Sandra Altiari, das in einem altehrwürdigen Herrenhaus aus der sogenannten Gründerzeit residierte. Steiner drückte den Klingelknopf. Nur wenige Sekunden später wurde die Haustür von einem jungen Mann geöffnet, dem er sich und Monika vorstellte und sein Begehr kundtat, Frau Altiari sprechen zu wollen. Der Mann bat Monika und Harald, einzutreten und einen Augenblick im Flur zu warten, während er in ein Zimmer ging, dessen Tür angelweit offenstand.

Monika und Harald konnten vom Korridor aus sehen, dass in dem recht großen Raum mindestens vier Personen an Zeichentischen und an Computern arbeiteten. Der Mann, der ihnen aufgemacht hatte, telefonierte indessen offenbar mit seiner Chefin.

Dann kam er wieder zu den Besuchern in den Flur und bat sie, ihm zu folgen. Steiner ließ seiner Assistentin den Vortritt, als der Angestellte die Treppe zu den Obergeschossen anvisierte, und blieb dicht hinter ihr. Er konnte sich ausmalen, welch interessantes Bild sich einer zufällig unten auf den Flur tretenden Person angesichts Minks Miniröckchen und einem Slip, der nicht einmal ihre Pobacken zu verhüllen vermochte, bieten würde. Daher war es besser, er verdeckte selber diese freie Sicht.

Der Angestellte geleitete die beiden auf dem ersten Stock in ein geräumiges Arbeitszimmer und verschwand sogleich wieder. Hinter einem massiven, modernen Schreibtisch saß eine junge Frau von Schätzungsweise Mitte zwanzig. Nach Haralds Geschmack viel zu jung, ein solch großes Planungsbüro leiten zu können oder gar zu dürfen. So jung, Frau und Chefin von mehreren, zudem offenbar überwiegend männlichen Angestellten zu sein, das passte nicht in sein verkrustetes Weltbild.

Lächelnd erhob sich Sandra Altiari aus ihrem ledernen Drehsessel, umrundete ihren wuchtigen Schreibtisch und reichte zunächst Steiner, dann der Mink die Hand und stellte sich nun namentlich vor. Steiner seinerseits stellte sich und Monika ebenfalls vor und zeigte ihr seinen Dienstausweis.

Monika taxierte die junge Architektin. Gute Figur, geschäftsmäßig in einem grauen Midirock, einer weißen Bluse mit grauer Halsschleife gekleidet. Ihre langen blonden Haare waren nach oben aufgesteckt, ihr Make-up und ihre Ohrringe waren dezent, ihre langen, gelackten Fingernägel perfekt manikürt.

Steiner indes ließ eher die Räumlichkeit auf sich einwirken. Geschmackvoll und teuer eingerichtet, aber viel zu steril, um als Arbeitsplatz durchzugehen.

Die Altiari bot den beiden Besuchern Platz in den Sesseln vor ihrem Schreibtisch an und setzte sich selber wieder in ihren Drehsessel.

„Sie sind also von der deutschen Polizei“, stellte sie überflüssigerweise fest. „Ich darf annehmen, dass es um den bedauernswerten Herrn Alfons Wagner geht. Die hiesige Gerichtspolizei hat mich bereits gestern aufgesucht und mich zu Herrn Wagner befragt. Was kann ich also noch zusätzlich für Sie tun?“

Steiner schlug seine Beine übereinander und lehnte sich gewichtig in dem bequemen Sessel zurück. „Wenn ich mich nicht irre, haben unsere hiesigen Kollegen Ihnen nur ganz wenige Fragen gestellt. Haben sie Sie denn wenigstens über die Todesursache aufgeklärt?“

Wie auf Befehl verschwand das Lächeln aus Sandras Gesicht und machte einer betrübt wirkenden Miene platz.

„Nein, die Beamten beschränkten ihre Informationen darauf, mir mitzuteilen, dass Herr Wagner verstorben sei. Das hat mich schon sehr berührt, muss ich sagen. Schließlich war er einer meiner Kunden. Und Sie haben Recht, besonders viel wollten die Herren nicht von mir wissen. Ob und woher ich Herrn Wagner kenne. Das habe ich denen auch gesagt. Aber woran ist denn der Herr Wagner verstorben?“

„Er ist erschossen worden“, gab Harald kühl preis.

„Erschossen? Sie meinen, er ist ermordet worden?“ Der Ausdruck im Gesicht der Altiari wirkte aufrichtig entsetzt.

„Ja“, entgegnete Steiner knapp. „Und nun sind wir es, die gerne wissen wollen, was Sie mit Herrn Wagner zu tun hatten.“

„Nun ja, das habe ich ja auch schon den Leuten von der hiesigen Gerichtspolizei gesagt.“

„Das, was wir von denen hierzu vernommen haben, erscheint uns etwas zu lau“, sagte der Hauptkommissar mit strenger Betonung der Worte „etwas zu lau“.

„Also Herr Wagner ist im September vergangenen Jahres an mich herangetreten und bat mich, eine Vorstudie für ein Einfamilienhaus hier in der Eupener Gegend zu erstellen.“

Harald starrte sie einschüchternd an. „Das soll alles gewesen sein? War da nicht ein wenig mehr, Frau Altiari? Noch führen wir nur eine sondierende Befragung durch, aber wenn ich den Eindruck habe, dass Sie mir etwas sehr Wichtiges verschweigen, sehe ich mich genötigt, zur Staatsanwaltschaft zu stiefeln und einen Haussuchungsbeschluss zu erwirken.“

Monika staunte, wie rasch, wie direkt und wie schonungslos Steiner den Stier bei den Hörnen packte. Vor allem fand sie die Drohung mit der Haussuchung ziemlich dreist. Es war immerhin ziemlich unwahrscheinlich, dass er als deutscher Beamter hier in Belgien ohne einen bewilligten Antrag auf Amtshilfe überhaupt so etwas durchsetzen konnte. Sie konnte auch sehen, wie effektiv das auf die Altiari wirkte. Die wurde nämlich im Bruchteil einer Sekunde leichenblass. Sie schien nach Worten zu ringen, und Steiner gönnte ihr die nötige Frist dazu. Monika entnahm ihrer kleinen Handtasche einen Notizblock und einen Kugelschreiber.

„Also gut, Herr Kommissar“, sprach sie schließlich mit wenig fester Stimme, „ich habe den belgischen Polizisten und Ihnen nicht die volle Wahrheit gesagt. Es ist mir etwas peinlich, überhaupt darüber zu reden, was Sie vielleicht verstehen werden, wenn ich es Ihnen erkläre.“

„Es kommt auf einen Versuch an“, sprach Harald in nun weitaus freundlicherem Ton.

„Das, was ich gerade über das Vorprojekt für ein Wohnhaus sagte, entspricht der Wahrheit. Im September vorigen Jahres kamen Herr Wagner und eine Frau Kranz zu mir ...“

„Moment, Moment“, rief der KHK und griff in die Innentasche seines Jacketts, aus der er seine Brieftasche und einige zusammengefaltete DIN A4 Blätter zog. Letztere faltete er auf und sah sie durch, bis er das Blatt gefunden hatte, welches er suchte.

„Hieß die Frau Kranz zufällig Manuela Kranz?“

„Ja, genau“, antwortete die Architektin.

„Was können Sie uns über diese Frau sagen. In welcher Eigenschaft begleitete sie Herrn Wagner? Beschreiben Sie sie mir bitte.“

„Ich schätze Frau Kranz auf ungefähr Mitte vierzig. Sie ist eine sehr attraktive Erscheinung. Herr Wagner stellte sie mir zunächst als seine Anlageberaterin vor, was mir schon gleich etwas seltsam vorkam. Niemand braucht eine Anlageberaterin, um sich einen Bauplan für ein Einfamilienwohnhaus anfertigen zu lassen. Ich hatte eher den Eindruck, dass beide in einem anderen Verhältnis zueinander standen, was mir die Frau Kranz dann auch einige Monate später bestätigte. Allerdings war sie trotzdem seine Anlageberaterin.“

„Sehr interessant“, äußerte sich Steiner. „Kennen Sie denn auch die Wohn- oder Geschäftsadresse der Frau Kranz?“

„Tut mir leid. Die hat sie mir nie genannt. Ich habe nur ihre Handynummer. Sämtliche schriftlichen Kontakte liefen über Herrn Wagners Adresse in Augsburg.“

„Schön, dann erzählen Sie doch bitte weiter“, forderte Harald.

„Die beiden nannten mir ein Baugrundstück in Eynatten. Das ist ein Ort hier ganz nahe an der Grenze zu Aachen. Das hatte ich mir auch tags nach ihrem ersten Besuch angesehen. Darauf stand noch immer ein Schild eines hiesigen Maklers, was mir schon etwas sonderbar vorkam. Allerdings hatten mir Herr Wagner und Frau Kranz gelegentlich unserer ersten Unterredung bereits einen Vorschuss von 2.500 Euro in bar bezahlt. Folglich kümmerte ich mich nicht weiter um diese kleine Ungereimtheit.“

„Also erstellten Sie die gewünschte Vorstudie“, nahm Steiner an.

„Ja. Die war dann auch schon innerhalb von drei Wochen fertig, was ich dann auch Frau Kranz sogleich telefonisch mitteilte. Tatsächlich kamen Frau Kranz und Herr Wagner zwei Tage später zu mir und ließen sich die Studie zeigen. Sie waren sehr zufrieden mit dem Resultat, baten mich, einige kleine Änderung vorzunehmen, was auf unserem CAD-System nur eine Sache von Minuten war, und bezahlten mir anstandslos die restlichen vereinbarten 2.500 Euro. Ich nahm natürlich an, dass sie nun mit mir über die eigentlichen Bauplanungen reden wollten. Das war aber nicht der Fall.“

„Ehe Sie in Ihrem Bericht fortfahren, würde ich doch erst einmal gerne einen Blick auf diese Vorstudie werfen“, sagte Harald.

Die Altiari nahm den Telefonhörer in die Hand, drückte zwei Tasten und erteilte jemandem den Auftrag, ihr die gewünschten Unterlagen hochzubringen. In Abwartung des angeforderten Dossiers spornte Harald sie an, schon einmal ihren Rapport fortzusetzen.

„Tja, die beiden gaben mir nun zu verstehen, dass dieser Auftrag eigentlich nur ein Test gewesen war. In Wirklichkeit ginge es ihnen um eine größere Sache, und zwar um den Bau von zwei Gebäuden mit Appartementwohnungen in unmittelbarer Nähe der Stadt Luxemburg.“

„Wie sind die denn überhaupt auf Sie gekommen?“ fragte Monika.

„Frau Kranz sagte mir, sie habe schon mehrfach in Luxemburg Baustellen gesehen, auf deren Bauschildern mein Name als Projektautorin angegeben war. Vor allem hatten ihr mein Baustil und die Geschwindigkeit, mit der die Objekte hochgezogen wurden, imponiert. Und nun ...“

Sie wurde in ihren Ausführungen unterbrochen, weil es an der Tür klopfte. Es trat derselbe Angestellte ein, der Monika und Harald die Haustür geöffnet hatte, der nun seiner Chefin eine relativ schmale Faltmappe überreichte. Während der Angestellte sich wieder nach unten begab, übergab Sandra dem Deutschen die Mappe, der sich sofort die Pläne und Beilagen durchsah.

Monika nutzte diese Gelegenheit, eine Frage an die Architektin zu stellen. „Wie mir scheint, floriert ihr Planungsbüro ja ganz schön.“

Die Altiari entspannte sich wieder sichtlich, und ein Anflug von Stolz ergriff Besitz von ihr. „In der Tat kann ich nicht über meine Auftragslage klagen. Ich habe mich erst vor drei Jahren selbständig gemacht, und dank meines sehr unkonventionellen Stils gelang es mir, sehr viele Kunden zu gewinnen.“

„Wie alt sind Sie denn, wenn ich fragen darf.“

„Siebenundzwanzig. Und stellen Sie sich vor, als ich anfing, arbeitete ich noch von zuhause aus. Ich wohnte damals noch im Haus meiner Mutter. Mein Vater ist schon einige Jahre tot. Irgendwann ging es dann aber ratzfatz bergauf. Schon nach einem Jahr musste ich mich nach größeren Räumlichkeiten umsehen und kaufte dieses Haus mit einer Bankhypothek und einem Existenzgründerzuschuss von der Wallonischen Region. Innerhalb der letzten beiden Jahre musste ich wegen der vielen Arbeit Mitarbeiter einstellen. Inzwischen beschäftige ich drei Leute in Vollzeit und drei in Teilzeit.“

Harald legte die Mappe auf den Schreibtisch und bereitete der Plauderei der Frauen ein Ende. „Wie mir scheint, sind Ihre Honorare nicht gerade am unteren Ende der Tarifskala angesiedelt. 5000 Euro für zwei DIN A1 Zeichnungen im Maßstab 1 zu 100 auf dem CAD, eine sechsseitige Baubeschreibung und eine dreiseitige Kostenberechnung. Außerdem hätten Sie laut letzterer dann auch noch einmal 12.300 Euro an Honoraren eingefordert, wenn es zur Vergabe der eigentlichen Bauplanungsarbeiten an Sie gekommen wäre.“

„Oh, das sehen Sie dann aber mit zu kritischen Augen“, verteidigte sich die Altiari. „Auch wenn diese Unterlagen nur sehr wenig Papier umfassen und die schriftlichen Informationen in gekürzter Form wiedergegeben sind, heißt das nicht, es hätte nicht viel Arbeit dahinter gesteckt ...“

Steiner gebot ihr Einhalt. „Wie Sie Ihre Arbeit verkaufen, geht uns eigentlich nichts an. Machen Sie bitte dort weiter, wo Sie zuletzt stehengeblieben waren. Mit dem Bau der beiden Residenzen.“

„Wie Sie meinen. Diesmal sollte ich also auch eine Vorstudie ausarbeiten. Wagner überreichte mir Skizzen, wie er sich diese Anlagen in etwa vorstellte. Ich sollte meine Arbeiten in der Art der Vorstudie, wie ich sie für das fiktive Wohnhaus erstellt hatte, bis zum Ende des Jahres oder früher fertig haben. Anfang Dezember schickte ich Herrn Wagner dann die gewünschten Unterlagen. Kurz vor Weihnachten hatten wir hier in diesem Haus wieder eine Arbeitsbesprechung. Herr Wagner bat um einige kleinere Änderungen ...“

„Sie hatten also auch für diese Studie eine Besichtigung der Grundstücke vor Beginn Ihrer Arbeiten vorgenommen?“ unterbrach die Mink sie.

„Anders geht das wohl kaum. Schließlich muss ich mich ja mit den Eigenheiten des Geländes vertraut und mir ein Bild von den Zufahrtswegen und dergleichen machen. Das sind elementare Bestandteile für die Kostenschätzung.“

„Was kam denn dabei heraus?“ wollte Harald wissen. „Ich meine jetzt vom preislichen Standpunkt her gesehen.“

„Wenn Sie auf die Einsichtnahme in die Detailplanungen für den Augenblick verzichten wollen, kann ich ihnen eine Kurzversion dessen geben. Denn nachdem ich im Januar dann die definitive Vorstudie fertig hatte, in der ich Herrn Wagners Korrekturwünsche verarbeitet hatte, sollte ich einen Prospekt für potenzielle Investoren produzieren.“

Sandra zog eine der Schubladen ihres Schreibtischs auf und legte den beiden Kripobeamten einen solchen Hochglanzprospekt vor.

Harald blätterte ihn durch und war sehr von der Präsentation beeindruckt. Zwei Seiten fanden sein besonders Interesse, nämlich diejenigen, die die Kosten-/Renditenberechnung umfassten. Die versetzten ihn wahrlich ins Staunen.

„Verstehe ich das hier richtig? Diese Apartments sollen für Preise zwischen 290.000 und 420.000 Euro an den Mann gebracht werden und der Gesamtverkauf soll 32,6 Millionen Euro erbringen? Wer bezahlt denn solche Preise für so kleine Klitschen?“

Die Architektin zeigte eine Spur von Beleidigtsein. „Immerhin handelt es sich um sehr hochwertige Einheiten mit Balkonen oder im Parterre mit Wintergärten, mit genügend Stellplätzen im Außenbereich und je einem Garagenplatz pro Einheit. Zudem gibt es für jede der Residenzblöcke einen Hausmeister, und die Außenanlagen werden ebenfalls im Auftrag des Promotors unterhalten, gepflegt und gewartet. Die Kosten hierfür werden allerdings auf die Wohngemeinschaften umgelegt. Für luxemburgische Verhältnisse ist das Gesamtpaket preiswert.“

„Ja, ja“, würgte Steiner ihre Aufzählungen von echten oder vermeintlichen Vorzügen ab. „Das mag ja alles richtig sein. Aber dann setze ich dem die Errichtungskosten gegenüber. Deren Gesamtvolumen soll sich gerade mal auf 17 Millionen Euro belaufen. Das entspräche ja einem Gewinn von mehr als 15 Millionen vor Steuern. So etwas gibt es doch im Baugewerbe gar nicht.“

„Sie wollen doch nicht die Objektivität meiner Kalkulationen in Zweifel ziehen?“ konterte die Altiari nun wirklich beleidigt. „Bei meinen Berechnungen für Bauten ist noch nie ein Objekt teurer ausgefallen, als ich es veranschlagt habe. Meistens liege ich dabei sogar noch um runde zehn Prozent zu hoch, weil ich die Ausgabenseite absichtlich immer höher ansetze, als sie sein dürfte. Das ist mein Markenzeichen und der Grundstein meines Erfolgs.“

„Auch gut. Sogar das will ich Ihnen unbesehen glauben“, lenkte Steiner abwiegelnd ein, weil er Kritik von Frauen schon gar nicht gut ertragen konnte, wenn sie zudem begründet schien. „Wäre da also noch die Frage, wie die ganze Chose finanziert werden sollte.“

„Das haben Frau Kranz, Herr Wagner und ich ebenfalls erörtert, und in diesem Punkt tat sich Frau Kranz durchaus als eine versierte Anlageberaterin hervor. Sie hatte dazu nämlich bereits ein Konzept entwickelt. 3,4 Millionen, also etwa 20 % wollten sie und Herr Wagner zur Verfügung stellen. Der Rest, also 13,5 Millionen Euro, sollte durch Investoren beigetragen werden. Deshalb sollte ich ja auch den Prospekt erstellen und drucken lassen.“

„13,5 Millionen!“ Harald musste echt kurz schlucken. „Und wo wollten Kranz und Wagner diese Leute auftreiben?“

„Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber bei einer Gesamtrendite von 27,5 % innerhalb von drei Jahren nach Abzug der Quellensteuern wäre das eine der besten sicheren Geldanlagen, die momentan zu bekommen ist.“

„Wissen Sie denn, wer die Investoren sind, die bislang Geld haben springen lassen?“ erkundigte sich der Hauptkommissar.

„Ich kenne nur die belgischen Interessenten namentlich, nicht die belgischen Investoren. Sie sollten nämlich wissen, dass dieses Büro in allen unseren Anzeigen in Zeitungen und im Internet für belgische Interessenten die erste Anlaufstelle ist. Meldet sich jemand, der um Auskünfte fragt oder um die Zusendung eines Prospekts bittet, kümmere ich mich darum. Für luxemburgische Interessenten ist Frau Kranz zuständig und für deutsche Interessenten war es Herr Wagner.

Wünscht ein Interessent dann ein Beratungsgespräch, leite ich das, was belgische Interessierte angeht, an Frau Kranz oder Herrn Wagner weiter. Ich selber habe nie solche weitergehenden Gespräche geführt, und Frau Kranz und Herr Wagner haben mir nie die Namen der Leute genannt, die in das Projekt bereits investiert haben.“

„Aber Geld ist bereits geflossen?“ hakte Steiner nach.

„Das mit Sicherheit, aber offensichtlich nicht genug. Im Frühjahr hatten mich deshalb Frau Kranz und Herr Wagner um eine Krisensitzung gebeten. Dabei offenbarten sie mir, dass irgendetwas schief laufe. Inklusive ihres eigenen Anteils seien erst 5,6 Millionen Euro zusammengekommen. Die Optionen auf die Grundstücke laufen im September aus, und es gibt da wohl eine ziemlich lästige Klausel in den Verträgen mit den bislang zusammengebrachten Anlegern, die eine Gewinngarantie und ein festes Zeitschema beinhaltet“, erklärte Sandra.

„Konnten Sie Ihren beiden Kunden weiterhelfen?“ wollte Harald wissen.

„Nun, das war der Grund, weshalb ich meine Beteiligung an diesem Projekt Ihnen gegenüber anfangs zu verschleiern versucht habe. Haben Sie jemals vom Brüsseler Immobilienkartell gehört?“

Ehe Monika das eventuell bejahen konnte, kam ihr Chef ihr zuvor. „Nein. Was soll das sein?“

Die Altiari beschrieb den Deutschen in Folge das Funktionieren dieses Kartell ziemlich genau so, wie es Rollinger tags zuvor auch getan hatte.

„Und wo liegt dabei für Sie das Problem?“ interessierte es Steiner.

„Ich habe in der genannten Sitzung das Kartell als möglichen Kandidat Investor ins Spiel gebracht. Als ich dann gestern hörte, dass Herr Wagner tot war, die Beamten mir aber nicht sagen wollten oder konnten, welche die Todesursache war, hielt ich es für besser, erst einmal gar nichts zu sagen, was meine Bezogenheit in dem luxemburgischen Projekt angeht. Sie sollten nämlich wissen, dass es noch selten jemandem gut getan hat, öffentlich in einem Zuge mit dem Kartell genannt zu werden. Das würde mir garantiert Klientel kosten.“

„Dann erklären Sie uns das mit Ihrem Vorschlag mal etwas genauer“, insistierte Harald. „Denn es ist schon merkwürdig, dass Sie einerseits eine gewisse Angst vor den Kartellbrüdern haben, Ihren Kunden andererseits aber empfehlen, bei denen wegen Geld anzuklopfen.“

Darüber zu reden, fiel Sandra sichtlich schwer. „Es war ein spontaner Einfall meinerseits gewesen, den ich eigentlich nicht einmal selbst ernst genommen hatte. Natürlich konnte ich mir ausmalen, dass wenn die beiden mit ihrem Projekt beim Kartell vorstellig würden, sie entweder abgewiesen würden, oder das Kartell versuchen würde, sie zu übervorteilen. Außerdem muss ich zu meiner Verteidigung sagen, Wagner und Kranz über das, was man so allgemein über das Kartell weiß, aufgeklärt zu haben. Eine Zeit lang hatte es dann auch so ausgesehen, als ob sie in der Richtung nichts unternommen haben. Aber vorige Woche war Herr Wagner dann noch einmal hier gewesen und ließ die Bemerkung fallen, es sei gar nicht so unmöglich, das Kartell zu einer Teilnahme am Projekt zu bewegen.“

„Hat Wagner das konkretisiert?“ fragte Steiner.

„Nein, und mir war auch nicht danach, es genauer wissen zu wollen.“

„Wenn alles gut gelaufen wäre, wie viel hätten Sie dann an dem Projekt verdient?“ interessierte es Monika und fügte hinzu: „Egal, ob mit oder ohne Kartell.“

„Für die Vorplanung und die Erstellung des Prospekts erhielt ich 34.200 Euro. Für die Ausarbeitung der endgültigen Pläne bekam ich weitere 120.000 Euro. Alle weiteren Bemühungen sollten dann mit 2 % der verkauften Wohneinheiten abgegolten werden. Das Geld hätte ich also immer erst erhalten, wenn ein Käufer sein Appartement bezahlt hätte.“

Steiner überschlug rasch, wie hoch Frau Altiaris Anteil demnach gewesen wäre, und verglich den Betrag mit dem Posten „Studien und Bauaufsicht“ aus der Kosten-/Renditeberechnung im Prospekt.

„Was Sie aufzählen, ergäbe ungefähr 800.000 Euro für Ihre Bemühungen. Laut dem Prospekt sind aber 1,1 Millionen für Studien und Bauaufsicht veranschlagt. Wieso diese Differenz? Und überhaupt erscheint mir dieser Posten im Verhältnis zu den Kosten für das Gesamtprojekt relativ hoch.“

„In der Tat liegt ein Anteil von 6,5 % Studienkosten an den Kosten eines Bauvorhabens dieser Größenordnung über dem Normalwert. Das kommt daher, dass mein Anteil bei 4,7 % statt bei den üblichen 2,5 bis 3 % liegt. Dieses entsprach einer Sondervereinbarung, die ich mit Wagner und Kranz geschlossen hatte. Um die Ausgaben in der Phase der Errichtung der beiden Residenzen möglichst niedrig zu halten, verzichtete ich auf die sofortige Begleichung meines Honorars für meine Ausführungsarbeiten und sollte im Gegenzug dann mit diesem Anteil von 2 % am Verkauf der Einheiten beteiligt werden. 2 % von 32 Millionen Verkaufswert plus die bereits bezahlten Vorstudien, Prospektkosten und Endplanungen ergeben plus minus 795.000 Euro. 3 % von 17 Millionen Baukosten sind 510.000 Euro.

Mein Risiko bei dieser Übereinkunft betrug die Differenz zwischen 510.000 und den bereits bezahlten 154.200 Euro. Dem stand aber gegenüber, dass ich bei einer optimalen Durchführung des Projektes mindestens 285.000 Euro mehr bekommen hätte, als wenn ich mein Honorar nach dem normalen Tarif in Rechnung gesetzt hätte.

Was nun die anderen rund 300.000 Euro Studienkosten angeht, so handelt es sich dabei um die Ausgaben für die Statik und die Erstellung der prozesstechnischen Pläne durch darin spezialisierte Ingenieurbüros.“

Der Hauptkommissar nickte nur als Andeutung, diese Darlegung verstanden zu haben. „Nochmals zur Frau Kranz. Haben Sie nicht doch eine Ahnung, wo wir sie finden können?“

„Nein, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich versuchte sie in den letzten Tagen noch mehrfach zu erreichen, aber ihr Handy scheint abgestellt zu sein.“

„Eine letzte Frage habe ich noch“, kündigte Harald an. „Wo waren Sie am Montag zwischen 11.00 und 13.30 Uhr?“

Die Architektin blätterte in einem offen auf dem Tisch liegenden Vademekum zwei Seiten rückwärts.

„Am Montag hatte ich vormittags von 11 bis 12 Uhr eine Baubesprechung in Kelmis und von der bin ich dann um 12.30 Uhr direkt wieder hierhergefahren. War das die Zeit, als Herr Wagner ermordet wurde?“

„Ja”, antwortete Steiner knapp.

„Na, dann kann ich es wohl kaum gewesen sein“, sagte sie, nannte namentlich die Personen, mit denen sie in Kelmis zu tun gehabt hatte, und erklärte, dass sich zwei ihrer Angestellten gewiss an ihrer Rückkehr ins Büro erinnern könnten.

Steiner bat sie, diese beiden Angestellten herbeizurufen. Die beiden bestätigten Frau Altiaris Rückkehr ins Büro am Montag um etwa 12.30 Uhr.

Kaum saßen Steiner und die Mink wieder im Auto, fragte er sie: „Was halten Sie von dieser Frau Altiari?“

Das war mal ein Novum. Seit wann holte sich Steiner die Meinung eines Untergebenen ein? Seine Assistenten hatten nur Informationen zu sammeln und an ihn weiterzuleiten, aber keine Meinungen zu äußern. Meinungen zu haben, war exklusiv ihm vorbehalten. Vielleicht war es ja nur sein Versuch, sie auf die Probe zu stellen, um sie mal wieder tadeln zu können. Dementsprechend vorsichtig fiel auch ihre Bewertung aus.

„Als Wagners Mörderin kommt sie nicht in Betracht. Sie hat ein Alibi. Sie hätte keinen Vorteil dadurch. Überhaupt scheint sie nicht hartgesotten zu sein. Wahrscheinlich ist sie sehr gut in Ihrem Fach, sonst hätte sie wohl kaum schon in ihrem jungen Alter ein solches Büro auf die Beine stellen können. Dass sie sich auf den Deal mit Wagner und Kranz eingelassen hat, vorerst auf weitere Honorare zu verzichten, bis die Verkäufe zum Tragen kommen, deutet auf eine gewisse Naivität ihrerseits.“

Zu ihrem Erstaunen erfolgte kein negativer Kommentar seitens Steiner, stattdessen seine nächste Frage.

„Haben Sie eine Ahnung, wo wir Frau Kranz zu suchen haben?“

„In der Pathologie in Luxemburg, befürchte ich. Frau Kranz ist seit einigen Tagen nicht mehr erreichbar. Wagner und die Brandleiche sind mit derselben Waffe umgenietet worden. Wagner und Kranz waren Geschäftspartner und vielleicht auch intim miteinander verbunden. Egal, wo die Motive für die beiden Morde zu suchen sind, jedes momentan denkbare Motiv käme für einen Doppelmord in Frage.“

„Genau“, sagte Steiner. „Wollte man sie aus dem Geschäft drängen oder auch nur an der Umsetzung ihres Vorhabens hindern, war es das Sicherste, beide umzulegen. Das gilt aber auch, wenn es nur um ihre Beziehung ging. Und wen allemal haben wir folglich jetzt schon mit in den Kreis der Verdächtigen einzubeziehen?“

Das ist ja wirklich schon so etwas wie ein Examen, dachte Monika.

„Leute, die ebenfalls ihr Geld mit dem Bau von solchen Objekten verdienen, ganz vorneweg die vom Kartell. Auch Jürgen Wagner käme in Frage, denn offensichtlich war er nicht mit dem luxemburgischen Projekt einverstanden. Eventuell hat sein Vater Geld aus der Augsburger Firma abgezweigt oder vorgehabt, es zu tun. Vielleicht wollte der ältere Wagner die Firma in Augsburg auch komplett abwickeln. Und nicht zu vergessen dieser Siggi Jasper, den Wagner auszuspähen versucht hatte. Eventuell wollte Wagner Geld für sein Projekt von ihm erzwingen. In dem Fall könnte Jasper auch ein Interesse daran gehabt haben, Frau Kranz zu beseitigen, da anzunehmen ist, dass sie in der Erpressung involviert war.“

„Ganz recht, Frau Mink. Das Kartell, Jürgen Wagner und Siggi Jasper stehen ganz oben auf unserer Verdächtigenliste. Jede dieser Parteien könnte sein eigenes Motiv haben. Das Kartell will sich das Projekt unter den Nagel reißen, Jürgen Wagner fürchtet um seine Existenz, und Jasper kann keine Mitwisser gebrauchen. Übrigens, ist Ihnen aufgefallen, dass das Kartell auch noch einen anderen Grund gehabt haben könnte, Wagner umbringen zu wollen, als nur wegen des Bauvorhabens?“

Hier stutzte Monika. „Nein. Welchen denn?“

„Die Altiari sagte, Wagner habe angedeutet, es gebe vielleicht eine Möglichkeit, das Kartell zu einer Teilnahme an seinem Projekt zu bewegen. Sollte Wagner Jasper wirklich erpresst haben, ist es keinesfalls abwegig, wenn er Ähnliches mit dem Kartell vorhatte.“

Monika begriff einmal mehr, wieso Steiner in Fachkreisen trotz seiner archaischen Angewohnheiten und Ansichten hoch im Kurs stand.

Weiter theoretisierte er: „Selbstverständlich ist nicht auszuschließen, dass Wagner und Kranz auch andere als das Kartell und Jasper ausspioniert und erpresst haben, oder dass es andere als das Kartell gibt, die sich ihr Projekt unter den Nagel reißen wollten. Auch das Motiv könnte ein anderes sein. Ein intimes Verhältnis zwischen Wagner und Kranz könnte jemanden zur Weißglut gebracht haben. Wir wissen insgesamt noch viel zu wenig über Wagner, Kranz und ihr Umfeld.“

„Wollen Sie etwa nach Augsburg fahren, um das zu ergründen?“ fragte Monika.

„Gewiss nicht. Notfalls schicke ich Schmidt oder Frisch.“

Den Rest der Fahrt südwärts zurück bis nach St. Vith sprach Steiner kein Wort mehr. Monika wusste, er grübelte, kombinierte, analysierte, brütete. Genau wie es heißt, man dürfe keinen Schlafwandler wecken, war es auch nicht ratsam, ihn aus seinen Gedanken zu reißen.

Das Hotel Schiltz befand sich im oberen Teil der Hauptstraße des Städtchens. Monika und Harald betraten das Restaurant des Hauses. Ein Angestellter in bestem Zwirn kam auf sie zu und fragte sie, ob sie zu speisen wünschten. Harald bejahte das, und sie wurden an einen Fensterplatz geführt. Man brachte ihnen die Speise- und Getränkekarten und erkundigte sich, ob sie bereits etwas zu trinken wünschten. Steiner bestellte, ohne Monika zu fragen, zwei Gläser Pils vom Fass.

Als der Ober sich entfernt hatte, fragte die Mink: „Woher wollen Sie wissen, dass ich Bier trinke?“

„Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass Frisch, Schmidt und ich einmal im Monat einen Kegelabend abhalten. Frisch ist ja ein sehr standhafter Trinker, aber Schmidt wird immer ziemlich redselig, wenn er etwas intus hat. Ihm zufolge haben Sie und die beiden schon einige Male nach Dienstschluss einen kleinen Umtrunk im ‚Bombastic’ abgehalten, und Sie sollen genau so tüchtig Kölsch gebechert haben wie ihre beiden Kollegen.“

Das war Monika echt peinlich. Sie hatte immer geglaubt, ihr Chef habe noch nie ein Interesse an dem Privatleben seiner Mitarbeiter gehabt. Vor allem war es ihr nicht besonders angenehm, dass er ausgerechnet über ihre gelegentlichen Feierabendbierchen mit Ralf und Heinz Bescheid wusste. Sie versuchte seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken.

„Das hier ist aber ein echter Nobelschuppen. Die Tischdecken sind alle picobello sauber, das Besteck ist versilbert, wenn nicht gar echtes Silber, die Vorhänge sind aus Samt ...“

„Das Hotel Schiltz ist so etwas wie die erste Adresse am Platz“, klärte Harald sie auf. „Es ist dem ,cercle gastronomique’ angeschlossen. Denen hier fehlt es das ganze Jahr hindurch nicht an Gästen, weil die vom gastronomischen Zirkel Jahr ein, Jahr aus von einem daran angeschlossenen Hotel zum anderen reisen, von einem daran angeschlossenen Restaurant zum anderen. Teils handelt es sich bei den Gästen um betuchte Pensionäre, teils um reiche Stinker, die sich wichtig tun wollen und keine anderen Hobbys haben finden können.“

Woher weiß der das nur alles, fragte sich Monika. Er brachte sie der Antwort näher, ohne dass sie diese Frage ausgesprochen hatte.

„Mein Vater war ein solcher Typ, der seine Wochenenden so durchzubringen vermochte, und ich könnte mir vorstellen, es auch so zu tun, wenn ich mal nicht mehr aktiver Kriminalist bin. Man reist vom einen Ort zum anderen, mampft und schlürft die Köstlichkeiten, die die Regionen hergeben, und lässt die Welt die Welt und die Menschheit die Menschheit sein.“

Von dieser Seite hatte die Mink Harald Steiner noch nie kennengelernt, und sie war sich fast sicher, diesbezüglich soeben zu einem sehr kleinen Kreis von Eingeweihten hinzugestoßen zu sein, denn sogar Ralf und Heinz hatten ihr nie mehr über Steiners Privatleben und seine Empfindungen zu berichten vermocht, als dass es so etwas für ihn vermutlich gar nicht gab.

Steiner schlug vor, exakt das Menü zu bestellen, das sich Wagner und sein Tischpartner am Donnerstagabend die Woche zuvor auch bestellt hatten: Parmaschinken mit Melone zum Entrée, Forelle nach „Art der Müllerin“ mit „fein gedünsteten kempischen Salzkartoffeln“ und der „Sauce à l,Ardennaise“ als Hauptgang, das Champignonsoufflet als Dessert und als Dessert zum Dessert das „Sorbet de joie“. Zum Hauptgang eine Flasche Frascati.

Monika sah sich die hinter den einzelnen Speisen stehenden Preise in der Menükarte an und war entsetzt.

„Aber Chef, das kostet ja ein kleines Vermögen. Das kann ich nicht aufbringen, das ...“

Er wiegelte entschieden ab. „Ich lade Sie ein, und Sie dürfen nicht ablehnen, es sei denn, Sie sind Vegetarier oder allergisch gegen gewisse dieser Speisen oder gegen Frascati.“

„Und wer soll Ihnen das vergüten? Herr Strasser wird doch bestimmt nicht seine Unterschrift unter einer Spesenabrechnung setzen, die sich so zusammensetzt.“

Er sah sie ernsthaft an. „Frau Mink, unser jetziges Arbeitsessen wird auf keiner Spesenabrechnung auftauchen. Es geht mir ausschließlich darum, das nachzuempfinden, was Herr Wagner und sein Begleiter am vergangenen Donnerstag angesichts des Genusses dieses Dinners empfunden haben. Meinem Privatbudget schmerzt diese Ausgabe nicht, aber es bereichert mein Einsichtsvermögen.“

Ist der Kerl ein Krösus, ging es Monika durch den Kopf. Im Präsidium hatte sie noch niemals gehört, Steiner sei begütert, im Gegenteil, er gebe nie unnötig Geld aus, hatte es immer geheißen.

Als auch das letzte Geschirr und Besteck abgeräumt wurde, sprach Harald den Ober an und zeigte ihm das vergrößerte Passfoto von Alfons Wagner.

„Kennen Sie diesen Mann? Am vergangenen Donnerstag soll er hier zu Gast gewesen sein.“

Der Angestellte zuckte dezent mit seinen Schultern. „Da werde ich wohl den Herrn Schiltz persönlich fragen müssen. Wollen Sie vielleicht noch einen Kaffee oder sonst etwas?“

Zwei Minuten später kam ein hochgewachsener Mann von etwa 55 Jahren auf den Tisch von Steiner und Mink zu und blieb bei ihnen stehen.

„Guten Tag, meine Dame, mein Herr. Mein Name ist Hans Schiltz.“ Sein schwarzer Anzug hätte die beiden hier zu diesem Augenblick kaum jemand anderen erwarten lassen. „Sie wünschen Auskünfte über einen unserer Gäste.“

Erneut legte Harald das Foto von Alfons Wagner auf den Tisch. „Dieser Herr hier soll am letzten Donnerstag bei Ihnen gegessen haben.“

Hans Schiltz nahm mit seiner rechten Hand das Bild an sich, betrachtete es drei Sekunden lang und legte es wieder genau an der Stelle auf den Tisch zurück, woher er es genommen hatte.

„Das ist durchaus möglich, mein Herr, aber es gehört nicht zu den Gepflogenheiten unseres Hauses, Informationen über unsere Gäste zu erteilen. Oder können Sie einen besonderen Grund vorbringen, weshalb wir das in diesem Fall doch tun sollen?“

Harald zückte seinen Dienstausweis. Der Hotelier zog seine Brille etwas vor, sodass er über sie hinwegsehen konnte, und las sehr andächtig, was es auf der Karte zu lesen gab. Dennoch blieb er skeptisch.

„Dürfte ich erfahren, warum die deutsche Kriminalpolizei bei uns in Belgien und insbesondere in unserem Hause Untersuchungen anstellt?“

„Das dürfen Sie, Herr Schiltz”, entgegnete Steiner mit äußerster Ruhe. „Der Mann hieß Alfons Wagner, war deutscher Staatsbürger und ist vorgestern in einer Ferienwohnung nahe der luxemburgischen Ortschaft Wellscheid von einem uns bisher unbekannten Täter erschossen worden.“

„Erschossen?“ Schiltz verlor für einen kurzen Moment die Contenance. „Das soll doch sicher nur ein Scherz sein. Ein makaberer Scherz, muss ich sagen.“ Er sah sich im Speisesaal um, wohl um sich zu vergewissern, ob einer der anderen noch anwesenden Gäste etwas von seiner Irritation mitbekommen haben könnte, was nicht der Fall war. Dann zog er einen Stuhl von einem unbesetzten Nebentisch heran und ließ sich darauf nieder. Unterdessen erschien der Ober, servierte die zwei bestellten Tassen Kaffee und verschwand wieder.

Fast schon im Flüsterton sprach Schiltz: „Der Herr auf dem Foto, der war tatsächlich am letzten Donnerstag hier. Er und eine Dame, die hier für drei Übernachtungen ein Zimmer gebucht hatte, haben in der Tat hier im Restaurant am Donnerstagabend diniert.“

„Wie hieß die Dame?“ wollte Steiner wissen.

„Kranz. Aber wenn Sie sich eben gedulden, werde ich Ihnen den entsprechenden Eintrag aus dem Gästebuch kopieren.“

Einige Minuten später saß Schiltz wieder an dem Platz, auf dem er zuvor auch gesessen hatte, und Steiner hielt die Kopie aus dem Gästebuch in seinen Händen.

„Hm! Manuela Kranz aus Bochum. Wenigstens das. Können Sie uns die Frau beschreiben?“

„Mitte vierzig, gute Figur, angenehme Erscheinung, immer elegant gekleidet, höflich, mittelblondes Haar.“

Harald stellte fest: „Sie kam also am Dienstag an und ist am Freitag wieder abgefahren.“

„Richtig.“

„Hat sie auch einen Grund genannt, weshalb sie hier übernachtete?“ erkundigte sich Steiner.

„Sie habe geschäftlich hier in der Gegend zu tun, erwähnte sie beiläufig. Seltsamerweise ist sie aber nur wenige Male für recht kurze Zeit außer Hause gewesen. Und am Mittwoch ließ sie sich ein Kopfschmerzmittel geben und blieb sogar den ganzen Nachmittag auf ihrem Zimmer.“

„Können Sie das Fahrzeug beschreiben, mit dem sie hier war?“ schaltete sich Monika ein.

„Ein dunkelblaues Golf Cabrio. Das hatte aber kein Bochumer, sondern ein Augsburger Kennzeichen.“

„Wann am Donnerstag kam Herr Wagner hier an, und wie lange hielt er sich hier auf?“ erkundigte sich Steiner.

„Er kam gegen halb acht abends, und ich meine, es war so ungefähr 23 Uhr, als er wieder ging. Die erste Stunde hielten sich Frau Kranz und er vorne im Barbereich auf und tranken eine Kleinigkeit, dann aßen sie hier im Restaurant zu Abend, und später verbrachten sie nochmals etwa eine halbe Stunde im Barbereich, wo sie zum Abschluss noch mehrere Gläser Nichtalkoholisches zu sich nahmen.“

„Wie verhielten sich die beiden zueinander? Wie Geschäftspartner, wie gute alte Bekannte, wie ein Liebespaar?“ fragte der Hauptkommissar weiter.

„Ich schicke vorweg, dass es nicht unsere Angewohnheit ist, unsere Gäste zu belauschen. Aber während ihres Aufenthaltes im Barbereich habe ich schon einige Sätze unbeabsichtigt aufgeschnappt. In denen war die Rede von Bauplanungen und Residenzen in Luxemburg. Insofern nehme ich an, dass es sich um geschäftliche Gespräche handelte. Trotzdem kam es mir so vor, als ginge ihre Beziehung über das Maß des Geschäftsmäßigen hinaus.“

„Woraus glauben Sie, das ableiten zu können?“ interessierte es Monika. Typisch Frau, dachte Harald. Nur Frauen, Kinder und Schwuchteln stellen irrelevante Fragen, wie sie in Liebesromanen vorkommen.

„Mehrfach hat der Herr die Frau Kranz an ihren Händen und Armen berührt. Und bei ihrer Verabschiedung haben sie sich auf den Mund geküsst. Da Frau Kranz beim Einschecken einen deutschen Pass vorzeigte und der Herr ein akzentfreies Deutsch sprach, nahm ich an, dass beide Deutsche sind, und mir ist nicht bekannt, es sei in Deutschland üblich, wie es vielleicht einst in der Sowjetunion üblich war, sogenannte Bruderküsse auszutauschen“, erklärte der Hotelier ironisch.

Schließlich wusste Steiner nur noch eine Frage zu stellen. „Gab es denn sonst noch etwas, was Ihnen an beiden oder einem von beiden aufgefallen ist?“

„Dieser Herr, von dem Sie sagten, er heiße Wagner, hat sich genau wie Frau Kranz sehr höflich verhalten und hatte ein sehr kultiviertes Auftreten“, sagte Schiltz und besann sich, noch etwas Sonderbares am Rande bemerkt zu haben. „Ah ja, da war noch eine sehr seltsame Sache im Frühstücksraum am Donnerstagmorgen. Frau Kranz nahm in einer der äußersten Ecken des Saales Platz, und zwar setzte sie sich dabei auch noch ausgerechnet von den Fenstern abgewandt.“

„Was soll daran sonderbar sein?“ staunte der KHK.

„Hotelgäste, so habe ich in meiner mehrjährigen Berufserfahrung festgestellt, bevorzugen es, wenn das machbar ist, zum Frühstück einen Platz zu ergattern, der so nahe wie möglich an einem Fenster gelegen ist. Ist das nicht möglich, weil bereits alle solche Plätze besetzt sind, so versuchen sie sich doch zumeist so hinzusetzen, dass ihre Gesichter zu den Fenstern gewandt sind. Weder waren die Fensterplätze am Donnerstagmorgen belegt, als Frau Kranz in den Frühstücksraum kam, noch wäre sie veranlasst gewesen, sich von den Fenstern abgewandt hinzusetzen. Am Mittwoch- und am Freitagmorgen hatte Frau Kranz sehr wohl jedes Mal an einem der Fenster Platz genommen.“

Der Hotelier dachte noch kurz nach und ergänzte: „Und dann war da noch eine Sache, der ich eigentlich keine Bedeutung zumaß. Gleich nach ihrer Ankunft am Dienstagnachmittag bat mich Frau Kranz, ihr unsere Konferenzräume zu zeigen.“

„Und was soll nun daran wiederum merkwürdig sein?“ fragte Steiner nach.

„Nun, dass ein Gast sich einen Konferenzraum ansehen will, kommt schon mal vor. Aber dass ein solcher Gast das schon gleich tut, ehe er seine Koffer aufs Zimmer hat bringen lassen, ist schon sehr seltsam, wenn er diesen Konferenzraum nicht schon vorher reserviert hat. Und Frau Kranz hatte einen solchen Raum nicht reserviert.“

Um 16.25 Uhr fuhren Mink und Steiner zum zweiten Mal an diesem Tag an der Total-Tankstelle in Weiswampach vor. Diesmal stand tatsächlich eine andere, jüngere Frau hinter der Kasse als am Vormittag, die zudem der deutschen Sprache mächtig war.

Harald zeigte ihr seinen Dienstausweis, das Foto, auf dem Wagner abgebildet war, und die Kopie von Wagners Tankquittung vom Mittwochabend.

„Können Sie sich an diesen Mann erinnern?“

Die junge Frau war weniger auskunftsfreudig als ihre Kollegin einige Stunden zuvor und antwortete knapp: „Ja.“

„Wissen Sie, ob er allein im Wagen war, als er hier war?“

„Glauben Sie etwa, ich hätte nichts anderes zu tun, als mir die Gegend anzuschauen?“ reagierte sie pampig.

„Ist Ihnen etwas an dem Mann aufgefallen?“ fuhr Harald fort.

„Nee, ich stehe auf jüngere Semester.“

Das reichte Steiner vollends. Er brach die fruchtlose Befragung ab und verließ den Shop. Sein nächstes Ziel war die Zentrale des Betreibers der Tankstelle in Fischbach, rund 15 Kilometer weiter landeinwärts.

An der Rezeption des Tankstellenbetreibers stellte sich Steiner mal wieder mit Rang und Namen vor und wünschte den Geschäftsführer zu sprechen. Die Frau am Schalter wollte zuerst wissen, weshalb er ihren obersten Chef sprechen wolle, und Harald erklärte ihr, es gehe um eine Mordermittlung, woraufhin die Frau mehrere interne Telefonate in luxemburgischer Sprache führte und schließlich eine Kollegin anwies, die beiden Besucher in ein Konferenzzimmer zu führen.

Kaum hatten sich Monika und Harald an einen mit zwölf Stühlen bestückten, rechteckigen Tisch gesetzt, flog die Tür zum Flur auf und ein sehr großer, beleibter Mann mit zerzausten schwarzen Haaren, einem Rasputinbart und einer Hornbrille trat ein. Seiner Kleidung nach zu urteilen, hätte man ihn für einen Freizeitcamper halten können. Äußerlich war er nicht der Typ, dem man gerne im Dunkeln begegnen würde.

Er ging auf die beiden Deutschen zu und sagte mit dröhnender Stimme: „Mein Name ist Guy Reich. Ich bin der Inhaber dieser Firma.“ Er schüttelte nacheinander Monika und Harald die Hand, was sich für diese so anfühlte, als wollte er ihnen die Arme auskugeln. Auch Steiner stellte sich und Monika vor. Reich setzte sich ihnen gegenüber.

„Soso, Sie sind also von der preußischen Kripo und ermitteln in einem Mordfall“, knurrte er wenig freundlich. „Ist es üblich, dass deutsche Polizei im Ausland ermittelt? Oder wie liegen die Dinge?“

Harald begriff, wieso dieser Mann Unternehmenschef war. Vermutlich war in seinem Fall dieser Beruf auch seine Berufung. Umso ratsamer war es, die Fronten gleich zu klären.

„Es geht um die Ermordung eines deutschen Bauunternehmers hier in Wellscheid ...“

„Davon habe ich in der Zeitung gelesen“, unterbrach ihn Reich. „Und weiter?“

Harald fand es seltsam, dass in der Zeitung bereits von Mord die Rede gewesen sein sollte. Es waren am Vortag zwar einige Journalisten dagewesen, die Fotos von Wagners Chalet gemacht und mit den Betreibern der Anlage gesprochen hatten, aber dass es Mord war, hatten zu dem Zeitpunkt bestenfalls er und die Kriminaler in Luxemburg gewusst. Er wollte jetzt nicht dem Warum und dem Woher der Information auf den Grund gehen.

„Das Opfer hat zweimal im Laufe der vorigen Woche an Ihrer Tankstelle in Weiswampach Benzin getankt. Es ist unsere Aufgabe zwecks Spurensicherung, Sie darum zu bitten, uns die Videoaufnahmen dieser Vorgänge auszuhändigen.“

„Das mache ich doch gerne“, entgegnete der kräftige Mann mit sarkastischem Unterton. „Allerdings liegt in Luxemburg die Polizeihoheit bei der luxemburgischen Polizei, es sei denn, Sie sind autorisiert, dieses an Stelle ihrer zu tun.“

Der Mann war nicht nur ein Brocken, er war ein harter Brocken.

„Wie wäre es, wenn Sie Commissaire André Rollinger in Luxemburg Stadt anrufen und ihn fragen, ob wir autorisiert sind, die Herausgabe der Aufnahmen zu fordern“, schlug Steiner vor.

Auf dem Konferenztisch stand ein Telefon, nach dem Guy Reich nun griff. „Dann nennen Sie mir mal eben die Nummer dieses Monsieurs Rollinger.“

Harald musste einige Augenblicke in seiner Brieftasche suchen, bis er Rollingers Kärtchen zur Hand hatte, das er sodann Reich über den Tisch schob.

Reich wählte die Durchwahl Rollingers und hatte ihn auch sofort am Apparat. In der etwas eigentümlichen luxemburgischen Sprache ging es nun während geschätzten zehn Minuten hin und her. Dann legte Reich den Hörer wieder auf.

„Sie sind also autorisiert“, brummte der Dicke wenig begeistert. „Warten Sie hier. Ich werde veranlassen, dass man Ihnen die Bänder bringt.“

Er stand auf und ging zur Tür, wo er sich noch einmal umdrehte. „Ich soll Ihnen noch von Herrn Rollinger ausrichten, dass er heute Abend gegen 19 Uhr bei Ihnen reinschauen will.“ Und er verließ grußlos den Raum.

Wieder im Ferienhaus angekommen, setzte Monika zunächst Kaffee auf, während Harald sich im Badezimmer seines Anzugs entledigte und sich in Freizeitklamotten warf. Zum ersten Mal bekam Monika die bis knapp übers Knie entblößten Beine ihres Chefs zu sehen, da er nun eine kurze Hose anhatte. Sie hatte immer geglaubt, er hätte Storchenstelzen, aber das, was sich ihren Augen darbot, entsprach dem, was sie sich unter Männerbeinen vorstellte. Eine lobende Bemerkung hierzu wagte sie jedoch nicht von sich zu geben.

Noch ehe sie es sich auf der Terrasse bei Kaffee und Keksen, die Monika von zuhause mitgebracht hatte und aus der Bäckerei ihrer Eltern stammten, gemütlich machten, rief Steiner sein Kommissariat in Köln an, um sich über den Fortgang der Recherchen Ralf Frischs in der Angelegenheit Wagner und Umfeld zu informieren.

„Könnte sein, dass Jasper ein ganz heißer Kandidat für Sie ist, Chef“, stellte Ralf in Aussicht. „Die vom BTM-Dezernat überwachen ihn rund um die Uhr. Und Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber unser schöner Siggi ist am Montag in Luxemburg gewesen.“

„Oha!“ rief Harald voller Hoffnung aus. „Zu welcher Zeit? Und wo fuhr er genau hin? Was machte er dort?“

Frisch wurde etwas kleinlauter. „Bis nach Echternach waren ihm unsere Leute ja noch gefolgt. Aber dann ist er ihnen an einer Ampel ausgebüchst. Das war etwa so um 11 Uhr. Um 16 Uhr war er wieder in Köln.“

„Diese Versager“, schimpfte Steiner und meinte natürlich die Späher vom Drogendezernat.

„Haben dir diese Stümper denn wenigstens sagen können, wo er sich am Samstag und am Sonntag aufgehalten hat?“

„Am Samstag stand er wie üblich spät auf, pokerte den ganzen Nachmittag und Abend mit Freunden in einem seiner Klubs, später nahm er eine seiner Edelnutten mit nachhause, und am Sonntag ging er dann Golf spielen, nachdem die kleine Schlampe wieder gegangen war.“

„Wie aufregend. Was gibt es sonst Neues?“

„Wir haben so ungefähr über alle Leute auf Wagners Liste Auskünfte eingezogen und auch die meisten selber kontaktieren können ...“

„Was heißt hier wir?“ fragte Harald mit bedrohlichem Unterton, so in der Art von: Tanzen die Mäuse etwa jetzt schon, wo die Katze gerade erst außer Hause ist?

„Heinz und ich haben den Fall Kolaschke, den du uns dagelassen hast, abgerundet, und Strasser hat uns noch nichts Wichtiges aufgetragen.“ Das Wechseln von Siezen auf Duzen gegenüber ihren Chef war für Schmidt und Frisch eine Frage des Einfühlungsvermögens. Die Ehre, mit ihrem Vorgesetzten per Du zu sein, war Monika indes bislang noch nicht vergönnt gewesen.

„Na schön. Was ist denn nun mit diesen Heinis von Wagners Liste?“

„Man kann sagen, dass es sich dabei bis auf zwei Ausnahmen um Leute handelt, die entweder ein Interesse daran haben, in Wagners Projekt zu investieren, oder die ein Interesse daran haben, eines seiner Apartments zu erwerben ...“

„Hat denn schon einer von denen investiert oder ein Apartment gekauft?“ kehrte Steiner seine Ungeduld weiterhin hervor.

„Da scheint einiges ziemlich merkwürdig gelaufen zu sein“, erläuterte Ralf. „Alle potenziellen Investoren und alle potenziellen Käufer erhielten schon bald, nachdem sie ihre Interessen angemeldet hatten, Anrufe und sogar vereinzelt Besuch von Leuten, die ihnen davon abrieten, zu investieren oder zu kaufen. Also hat keiner von denen Geld locker gemacht.“

„Und wer waren die Anrufer oder Besucher?“

„Angeblich auch Investoren oder Käufer, die behaupteten, von Wagner übers Ohr gehauen worden zu sein.“

„Wird ja immer spannender“, äußerte sich der Hauptkommissar.

„Vielleicht gibt es da zusätzlich wirklich noch einige Faktoren, die die Sache spannender machen“, kündigte Ralf an. „Zwei der weiteren angeführten Personen auf der Liste erscheinen uns etwas suspekt. Da wäre zunächst ein gewisser Albert Zubergen aus Mainz, seines Zeichens Privatdetektiv. Er hat in Polizeikreisen keinen allzu guten Leumund. Arbeitet ein wenig zuviel mit unlauteren Mitteln, um seinen Kunden die gewünschten Resultate vorzulegen. Ich konnte nur seine Sekretärin erreichen, die nicht besonders auskunftsfreudig war. Sie behauptete, ihr Boss sei mal wieder seit Tagen auf Achse, und sie selber wisse nicht, wo er herumgeistere. Sie behauptete sogar, sie könne ihn nicht einmal erreichen, wenn sie es wollte, weil er ständig andere Handynummern habe.“

„Fantastisch!“ spottete Harald. „Müsste ich auch mal so handhaben.“

„Die andere Person heißt Manuela Kranz.“ Steiner spitzte seine Ohren. „Manuela Kränze gibt es in Deutschland viele, und ich dachte mir, die Richtige zu finden, kann trotzdem nicht schwer sein, weil ja ihre Handynummer bekannt ist. Pustekuchen, denn diese Handynummer gehört der Alfons Wagner Hochbau GmbH.

Also rief ich dort an und sprach mit einer Frau Schneider. Und die erklärte mir wiederum, sie wisse zwar dass diese Nummer über die Firma abgerechnet wird, nicht aber, wem das Handy zur Verfügung gestellt worden ist. Dann erwähnte ich den Namen Manuela Kranz, und die Schneider wurde etwas kratzbürstig. Eine Manuela Kranz arbeite nicht bei ihnen. Vor Jahren habe es aber mal Kontakte zwischen Alfons Wagner und einer Person dieses Namens gegeben. Die habe in Bochum ein Büro für Anlageberatungen betrieben.

Jetzt kommt aber der Hammer. Diese Manuela Kranz ist beim Betrugsdezernat Bochum aktenkundig. Sie soll ihre Kunden um 3 Millionen Euro erleichtert haben und dann vor drei Jahren abgetaucht sein.“

„So ist das also“, sagte Steiner, ohne echt verwundert zu sein.

„Wie meinen Sie?“ fragte Ralf nach.

„Erkläre ich ein anderes Mal. Sorge dafür, dass Rollinger so schnell wie möglich ein Foto und eine Personenbeschreibung von der Dame bekommt. Sind die luxemburgischen Kollegen bereits im Besitz der Fingerabdrücke von Jasper?“

„Gewiss doch. Spätestens, als ich hörte, dass er unseren Leuten in Luxemburg abhanden gekommen ist. Was können wir sonst noch für euch tun?“

Harald überlegte. „Nachprüfen, wer die potenziellen Anleger und Käufer wegekeln wollte. Dann Siggi Jasper zur Vernehmung laden. Soll mal erklären, was er in Luxemburg zu tun hatte. Und mehr Informationen über Zubergen und Kranz.“

In Abwartung des Erscheinens Rollingers hielt es Steiner nicht mehr für nötig, jetzt noch weiter mit Monika über diesen Fall zu reden. Im Gegenteil, er ignorierte ihre Anwesenheit und informierte sie noch nicht einmal über das, was Ralf ihm mitgeteilt hatte.

Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner

Подняться наверх