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Prozessgestaltung in sechs Etappen

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Das Weiterbildungskonzept hatte den Anspruch, die Lehrplaneinführung für einen schulübergreifenden Unterrichtsentwicklungsprozess zu nutzen (siehe den Beitrag von Hanja Hansen). Insofern beinhaltete das Weiterbildungskonzept sowohl kursorische Weiterbildungen als auch eine partizipativ ausgerichtete Prozesssteuerung mit Rückkopplung auf die Angebotsplanung.

Die Einführung vollzog sich über einen mehrdimensionalen Maßnahmenkatalog mit kantonsübergreifenden Angeboten, lokalen schulhausbezogenen Interventionen und individuellen Weiterbildungsmaßnahmen der einzelnen Lehrkräfte, die so gut wie möglich aufeinander abgestimmt waren.

Als Ordnungskriterium wurde eine Phasierung entlang dem Muster eines klassischen Changeprozesses vorgenommen (vgl. z. B. Doppler, Lauterburg 2008). Die sechs Entwicklungsphasen in Veränderungsprozessen bestimmten die Ziele und Schwerpunkte der Maßnahmen, die dann zu spezifischen Angeboten an die verschiedenen Adressaten führten. Die sechs Phasen sind:

1.Information

2.Standortbestimmung und Planung von Maßnahmen

3.Allgemeine Einführung in den kompetenzorientierten Unterricht

4.(Fach-)Didaktische Umsetzungsfragen und Transfer in den Unterricht

5.Erprobung und Umsetzung

6.Schlussphase, Auswertung

Phase 1: Information

Bei jedem Veränderungsprozess sollten die Betroffenen zunächst informiert werden, worum es geht. Dadurch erhofft man sich eine verringerte Dauer des möglicherweise eintretenden Schockzustands. Eine Informationsveranstaltung, ein Internetportal sowie zusätzliche Unterlagen sind dafür geeignete Instrumente. Das Erziehungsdepartement entschied sich, den Einführungsprozess mit einer dreitägigen Startveranstaltung zu beginnen, an der über wesentliche Änderungen für den Unterricht und geplante Umsetzungsmaßnahmen informiert wurde.

Es war uns ein Anliegen, auf dieser Großgruppenveranstaltung einen ersten Dialog über die anstehenden Veränderungen zu ermöglichen. Wir wollten die Hoffnungen, Befürchtungen, Erfahrungen und Wünsche der 2000 anwesenden Lehrkräfte erfahren. Die Großgruppenveranstaltung fand in einer Eishockeyhalle statt. Als interaktive Elemente bauten wir zwei Planspiele ein (vgl. Thiagarajan, van den Bergh 2014). Durch die Planspiele entstanden Gespräche und eine lebhafte Dynamik, wodurch die Anliegen der Lehrkräfte sichtbar und gehört wurden.

Da die Schulbehörden die Verantwortung für die lokalen Schulen tragen, wurden ihre Mitglieder ebenfalls zu der Einführungsveranstaltung eingeladen. Wegen Neuwahlen der Schulbehörden während der Einführungsphase entschied sich das Erziehungsdepartement zudem, die neuen Schulbehördenmitglieder im Rahmen einer Führungsweiterbildung gezielt über die Einführung des Lehrplans zu informieren.

Wer dafür zuständig sei, die Eltern der Schülerinnen und Schüler über die Änderungen im Schulsystem zu informieren, wurde nicht abschließend geklärt. Die Lehrkräfte erwarteten eine Information durch das Erziehungsdepartement, das die Pflicht, die Eltern zu informieren, wiederum bei den Lehrkräften sah. In Anbetracht der Governancestruktur ist diese Unklarheit durchaus nachvollziehbar. Vielleicht war das resultierende Informationsdefizit einer der Gründe für die verschärfte öffentliche bildungspolitische Debatte, weiß man doch, dass das Informiertsein und Verstehen der Ziele eine Voraussetzung für deren Akzeptanz ist (vgl. z. B. Altrichter, Schley, Schratz 1998).

Phase 2: Standortbestimmung und Planung von Maßnahmen

Die kantonale Startveranstaltung bildete den Einstieg in einen mehrjährigen Schulentwicklungsprozess. Die Zielgröße war mit der Einführung des kompetenzorientierten Unterrichts gesetzt. Doch es war unklar, von wo aus die Schulen und die Lehrkräfte den ersten Entwicklungsschritt tun sollten. Daher wurde eine Standortbestimmung für Schulen und Lehrkräfte durchgeführt und ein Mehrjahres-Maßnahmenplan analog einem Schulprogramm7 erstellt.

Ausgehend von einem theoretischen Rahmen der Schulentwicklung teilautonomer Schuleinheiten, wurde ein partizipatives Vorgehen bei der Einführung des Lehrplans 21 gewählt, welches dem Prinzip «Von Daten zu Taten» in Anlehnung an Jürg Brühlmann und Uwe Hameyer (2013), folgt. Schulen und Lehrkräfte können hiernach selbst zu Akteuren der Veränderung werden, wenn sie ihren teilautonomen Status wahrnehmen, denn «wenn Schulen Ihre Definitionsmacht über die geleistete Qualität nicht ganz an externe Stellen verlieren wollen, müssen sie Daten gezielt beschaffen, interpretieren und […] auswerten können» (ebd., S. 5).

Die Schulen und Lehrkräfte im Kanton sollten deshalb in die Lage versetzt werden, mit relativ einfachen Instrumenten selbstständig eine Standortbestimmung der Schule sowie des eigenen kompetenzorientierten Unterrichts der Lehrkräfte durchzuführen. Für diese Selbstevaluation bestimmten alle Schulen und Kindergärten Vertreterinnen und Vertreter, sogenannte «Lehrplan-21-Koordinatoren», die die Aufgabe übernahmen, die Datenerhebung mit den dafür entwickelten Instrumenten und Methoden in der eigenen Institution durchzuführen und die Ergebnisse zu sichern. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, wurden die LP21-Koordinatoren in einer «Train-the-Trainer»-Schulung von der PHSH vorbereitet. Die Standortbestimmung selbst fand im Rahmen der kantonalen Startveranstaltung im Mai 2016 in den Schuleinheiten statt.

Die Pädagogische Hochschule Schaffhausen wertete die Ergebnisse der Standortbestimmungen aus und führte sie den Kollegien im Rahmen der Lehrerweiterbildung beziehungsweise des Workshops «Vom LP21- Fitness-Check zum Maßnahmenplan» vor. Ziel dieser für alle Schulen bis Ende 2016 obligatorischen, schulinternen Weiterbildung war die Erarbeitung eines möglichst konkreten, selbstbestimmten Maßnahmenplans bis zum Schuljahr 2019/20.


Abbildung 1: Partizipation und Prozessbegleitung der Schulen

Partizipation in Veränderungsprozessen soll die Identifikation mit den Maßnahmen erhöhen und den Widerstand gegenüber der Veränderung verringern. Sie hat zudem den Vorteil, dass Kenntnisse und Erfahrung der Betroffenen direkt einbezogen werden können. Damit ist einerseits eine Feinsteuerung, beispielsweise der Inhalte und Form kursorischer Angebote, sowie eine Identifikation wichtiger Begleitmaßnahmen möglich, andererseits erhalten die Betroffenen Handlungsautonomie für ihre persönliche Planung. Umso erstaunter waren wir, dass einige Lehrkräfte aus Vorsteherschulen in den durchgeführten Workshops nach weniger Autonomie und mehr Führung verlangten.

Rückmeldungen erfolgten jeweils als Blitzlicht im Anschluss an die Workshops sowie außerhalb der offiziellen Kanäle und fielen sehr unterschiedlich aus. Einige Lehrkräfte fanden den Lehrplan schlecht bzw. überflüssig. Manche erwarteten von dem Workshop eine inhaltliche Einführung in den Lehrplan und sahen keinen Sinn in einer Mehrjahresplanung. Kritische Teams fanden die Einführung des Lehrplans zu aufwendig, weigerten sich, die unterrichtsfreie Zeit gemäß Berufsauftrag dafür einzusetzen, und wollten daher auch keine verbindlichen Maßnahmen. Andere verlangten mehr Vorgaben seitens des Erziehungsdepartements oder der Pädagogischen Hochschule. Positive Stimmen sagten: «Endlich macht mal jemand mit uns einen verbindlichen Aktionsplan» oder «Wir machen bereits so viel, nun wird es sichtbar und bekommt einen Rahmen». Oder «Wir sind ein gutes Team, wir wissen, was wir tun wollen, und freuen uns darauf». Oder «Allein hätten wir den Maßnahmenplan so nicht definieren können» und «Toll, dass jedem Kollegium so viel Aufmerksamkeit und Unterstützung gegeben wird».

Es muss also festgestellt werden, dass weder alle Lehrkräfte einen Partizipationswillen haben, noch dass Partizipation als Methode vor Kritik schützt. Wie interpretieren wir nun die geäußerte Kritik? Sie könnte beispielsweise politisches Engagement ausdrücken oder ein Ausdruck von Widerstand sein oder von ernsthafter Besorgnis und Verantwortung für die Umsetzung zeugen. Die positiven Rückmeldungen könnte man als Indikator für den schulinternen Entwicklungsstand deuten. Wir vermuten, dass Schulteams, die daran gewöhnt sind, gemeinsam Projekte zu planen und durchzuführen und sich also als lernende Organisation verstehen, konstruktiver mit dem Implementationsanspruch umgehen.

Die in den Kollegien entwickelten Maßnahmenpläne von 2016/17 bis 2019/20 liegen uns vor. Viele Schulen und Kindergärten haben ihre Freiheit zur Planung mit einem hohen Maß an Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit genutzt. Die von den Schulteams festgelegten Maßnahmen waren etwa:

–individuelle Schülergespräche/Lerngespräche

voranbringen

–regelmäßiger Austausch in der pädagogischen Teamsitzung zur Implementierung des LP21

–verbesserter Austausch von Info- und Unterrichtsmaterialien und «Schätzen» zum LP21

–externe und interne kollegiale Hospitation nutzen

–Feedbackkultur ausbauen

–Team-/Stufensitzungen neu organisieren

–Projekte und Arbeitsgruppen bilden, stärken und evaluieren

–Teambildung, Bilden von Jahrgangsteams

–schulinterne Lehrerweiterbildungen (SCHILW) zu Schulentwicklung

–Pilotprojekt nach LP21 starten

–Materialien gemeinsam überarbeiten, anpassen und austauschen

–Einarbeitung in neue Lehr- und Lernmittel

–individuelle Weiterbildung

–Austausch zwischen Kindergarten und Primarschule verbessern

Eingesetzte Instrumente

Für die Standortbestimmung wurden zwei Instrumente mit der Methode der Selbstevaluation eingesetzt: der LP21-Fitness-Check für die Organisation Schule und der LP21-Fitness-Check für die einzelne Lehrkraft.8

Der LP21-Fitness-Check für die Organisation Schule gab den beteiligten Lehrkräften sowie Schulleitenden beziehungsweise Schulvorstehenden ein Instrument an die Hand, um Ihre Schule oder ihren Kindergarten anhand von sechs Bereichen zu evaluieren:

1.Implementierung des Lehrplans 21

2.Systematik der Unterrichtsentwicklung

3.Durchdringungsgrad beziehungsweise Schulentwicklung

4.Aufbau von Teamstrukturen

5.Rückmelde- beziehungsweise Feedbackkultur

6.Evaluationspraxis

Die sechs Bereiche summieren Qualitätsmerkmale guter Schulen (vgl. Huber, Hader-Popp, Schneider 2014). Eine mittlere bis hohe Ausprägung in den Bereichen erachten wir als Voraussetzung für eine gelingende Schulentwicklung, unabhängig vom Entwicklungsziel. Anhand einer Analyse der Schulen war evident, dass in der Schulorganisation Entwicklungspotenzial liegt (vgl. Hansen 2016). Dieser Befund wurde von den Standortbestimmungen bestätigt. Die daraufhin von den Kollegien getroffenen Maßnahmen im Bereich der Sitzungskultur und kollegialer Hospitationen stärken die Schulen als lernende Organisation.

Mit dem Instrument LP21-Fitness-Check für die Lehrkräfte konnten alle Lehrerinnen und Lehrer ihr eigenes Lern- und Unterrichtsverständnis anhand von acht Merkmalen kompetenzorientierten Unterrichts beurteilen:

1.authentische Anforderungssituation

2.Erfolgserlebnisse ermöglichen

3.Verknüpfung von Instruktion und Konstruktion

4.Transparenz der Leistungserwartungen

5.Binnendifferenzierung und Individualisierung

6.kumulativer Kompetenzaufbau

7.Feedback

8.Erkenntnisse durch Reflexion

Ergänzend begaben sich die Lehrkräfte auf eine individuelle Schatzsuche bezüglich eigener kompetenzorientierter Unterrichtseinheiten, um vorhandene Kompetenzen zu identifizieren und ein an den Ressourcen orientiertes Vorgehen zu ermöglichen. Es wurde bewusst nicht die Handhabung des Lehrplans ermittelt, sondern die relevanten Dimensionen des kompetenzorientierten Unterrichts. Dies aus zwei Gründen: Die Einführung des Lehrplans war politisch umstritten (hängige Abstimmung) und das generelle Verständnis des kompetenzorientierten Unterrichts fördert die Professionalisierung der Lehrkräfte unabhängig von Lehrplan und Lehr- und Lernmitteln.

Maßnahmenpläne als Schulprogramm

Die Ergebnisse aus den beiden Standortbestimmungen dienten als Basis für den schulinternen Workshop «Vom LP21-Fitness-Check zum Maßnahmenplan», in dem alle Schulen und Kindergärten einen konkreten, selbstbestimmten Maßnahmenplan zur Einführung des Lehrplans 21 bis zum Schuljahr 2019/20 erarbeiteten.

Am häufigsten nahmen sich die Kollegien vor, ihre Weiterbildungen im Team zu planen und sich über das Gelernte auszutauschen. Sie wollten interne Hospitationen für gegenseitiges Feedback am kompetenzorientierten Unterricht nutzen, und, wenn noch nicht vorhanden, ein Hospitationssystem installieren. Über diese Maßnahmen hinaus benannten die Kollegien interessante und relevante Weiterbildungsthemen, die sie in einer schulinternen Weiterbildung behandeln wollten. Die meistgenannten Vorhaben zur Schul- und Unterrichtsentwicklung aus den Maßnahmenplänen der rund 50 Schulen zeigt die unten stehende Grafik.

Prozessbegleitend erkundigte sich die PHSH im Frühjahr 2017 bei allen Schulen und Kindergärten telefonisch zum Stand der Umsetzung der Maßnahmen und zu allfälligem Unterstützungsbedarf. Um den Austausch zwischen den Schuleinheiten zu fördern, wurde zudem im Mai 2017 für Schulleitende und -vorstehende ein LP21-Netzwerkanlass organisiert. Dadurch wurde, zusätzlich zur Reflexion der eigenen schulischen Situation im aktuellen Unterrichts- und Schulentwicklungsprozess, ein Vergleich mit den positiven und negativen Erfahrungen anderer Schulen und Kindergärten möglich, und auch gemeinsame Anliegen an das Erziehungsdepartement und die PHSH konnten thematisiert werden.


Abbildung 2: Top 10 der von den Schulen geplanten Maßnahmen

Phase 3: Allgemeine Einführung in den kompetenzorientierten Unterricht

Um die Lehrkräfte bei der Umstellung auf den neuen Lehrplan 21 und den kompetenzorientierten Unterricht fachlich zu unterstützen, stellte die PH Schaffhausen ein Programm an Lehrerweiterbildungskursen und an schulinternen Weiterbildungen (SCHILW) zusammen. Das Programm war so angelegt, dass zunächst Grundlagenkurse, dann zyklen- und fachspezifische Kurse und zuletzt maßgeschneiderte SCHILW und weitere Formate (Praxisgruppen und Supervision zur Unterrichtsplanung) stattfanden.

Aufgrund der politischen Ungewissheit beinhalteten die Weiterbildungen im ersten und zweiten Jahr vornehmlich die Grundlagen des kompetenzorientierten Unterrichts. Dies begann auf der Startveranstaltung mit einem entsprechenden Fachvortrag. Im Kursprogramm der Lehrerinnen-und-Lehrer-Weiterbildung konnten zyklenspezifische Kurse besucht werden. Es zeigte sich, dass insbesondere im 1. Zyklus Unsicherheit beim Übergang vom spielerischen zum schulischen Lernen bestand. Die strukturelle Inkongruenz mit den existierenden Kindergärten und dem Neudenken im 1. und 2. Zyklus erschwerten eine stringente Einführung.


Abbildung 3: Konzeptioneller Rahmen der Weiterbildungen zur Lehrplaneinführung

Die Frage, ob die Weiterbildungen für die Lehrkräfte obligatorisch sein müssten, wurde im Erziehungsrat intensiv besprochen. Er beschloss schließlich, von der bereits bestehenden Weiterbildungspflicht (12 Tage in 4 Jahren) auszugehen und den Lehrkräften neben wenigen verpflichtenden Weiterbildungen die inhaltliche Wahl zu überlassen. Im interkantonalen Austausch lösten wir mit diesem Vorgehen Irritation aus. Kann man einer Schule und deren Lehrkräften die Verantwortung über die Auswahl der Weiterbildungsangebote zu einem so hohen Maß übergeben?

Im Nachhinein ist es für uns interessant festzustellen, dass die Weiterbildungsaktivität der Lehrkräfte im Kanton Schaffhausen deutlich gestiegen ist. Anhand der Teilnahmestatistik können wir einen deutlichen Anstieg der Kursbesuche identifizieren, dies insgesamt, in lehrplanspezifischen und anderen Weiterbildungen.9 Dies lässt sich womöglich auf die vorangehenden Prozessschritte zurückführen und zeugt von einem umsichtigen Professionsverständnis vieler Lehrkräfte.

Phase 4: (Fach-)Didaktische Umsetzungsfragen und Transfer in den Unterricht

In der folgenden Weiterbildungsphase waren fachdidaktische Kurse und Lehrmitteleinführungen vorgesehen. Die Lehr- und Lernmittel standen jedoch noch nicht zur Verfügung, was bei den Lehrerinnen und Lehrern Anlass zu Unmut gab. Im Kursprogramm der Lehrerinnen-und-Lehrer-Weiterbildung fokussierten wir uns auf fachdidaktische Themen des kompetenzorientierten Unterrichts mit der Kernfrage des kumulativen Kompetenzaufbaus. Auch diese Kurse waren sehr gut besucht.

Die fehlenden Lehrmittel waren uns Anlass, den Schwerpunkt auf die Rolle von Aufgaben im Unterricht zu legen. Die Weiterbildungstagung mit dem Titel «Clevere Aufgaben als Schlüssel zum kompetenzorientierten Unterricht» im August 2017 sollte dem Erfahrungsaustausch dienen und neben Impulsreferaten gleichzeitig mit dem Format «Aufgaben-Labore» ein Experimentieren mit lernförderlichen Aufgaben und Aufgabensettings in verschiedenen Fachbereichen ermöglichen. Auf der Tagung wurde der Frage nachgegangen, woran man clevere Aufgaben erkennt und wie man solche selbst entwickeln kann. Die PHSH hatte den Schulhausteams im Vorfeld empfohlen, jeweils zwei bis drei Multiplikatoren zur Tagung zu schicken, wovon einige Gebrauch machten. Die Tagung gab darüber hinaus Gelegenheit zu einem schulhausübergreifenden Austausch. Die Erkenntnisse mündeten schließlich in dieses Buch.

Für die Weiterbildung in den neuen Fachgebieten des Lehrplans wie «Medien und Informatik» und «Wirtschaft und Haushalt» wurden separate Weiterbildungen konzipiert. Auch hier griff das Erziehungsdepartement auf die bewährte Arbeitsform von Arbeitsgruppen zurück. Bei der Planung fiel auf, dass die Weiterbildung für «Medien und Informatik» etwa dem Volumen der restlichen Lehrplankurse entsprach. Daraus kann man entnehmen, dass die essenziellen Veränderungen weniger in den einzelnen Fächern als im fachübergreifenden Unterricht liegen. Hier sind noch viele strukturelle wie inhaltliche Fragen ungeklärt.

Weiterbildungen sind für Lehrerinnen und Lehrer aber erst sinnvoll, wenn sie den Absolventinnen und Absolventen die Gewissheit geben, die erworbenen Kompetenzen im erwünschten Rahmen einsetzen zu können. Deswegen entschied die LWB-Kommission, nur Inhalte ins Programm aufzunehmen, die die Unterrichtsentwicklung fördern und deren inhaltliche Relevanz unumstritten ist.

Damit sollte vermieden werden, dass der Ärger über ausstehende bildungspolitische Entscheide auf die Weiterbildungsinstitution projiziert werden kann. Die hochkomplexen Entscheidungsprozesse bei Einführung des neuen Lehrplans erfordern von allen Seiten die Geduld und Gelassenheit, trotz fehlender Lehr- und Lernmittel oder fehlender Stundentafel im Prozess voranzuschreiten.

Phase 5: Phase der Erprobung und der Umsetzung

Eine der wichtigsten Phasen von Veränderungsprozessen ist die Phase der Erprobung und der Umsetzung.

Im Kanton Schaffhausen spricht man zunächst von einer Einführungsphase, die der eigentlichen Inkraftsetzung des neuen Lehrplans vorangeht. In der Einführungsphase finden Informationsveranstaltungen und Weiterbildungen statt. Dort vermittelte Inhalte müssen für den Transfer erprobt werden. Idealerweise beginnen die Lehrerinnen und Lehrer mit einer Lektion oder einem Fach exemplarischen kompetenzorientierten Unterrichts. Das Lernen am Beispiel aus einem Kurs ist erst komplementiert, wenn die Unterrichtseinheit an den eigenen Unterricht angepasst und selbst durchgeführt wurde. Der Austausch in den Kollegien über die gewonnenen Erfahrungen vertieft die Auseinandersetzung und erweitert das Verständnis für das, was neu und anders ist. Deswegen regten wir an, thematische Teamsitzungen für den Erfahrungsaustausch einzuplanen, Tandems für den Probeunterricht zu bilden und sich anhand kollegialer Hospitation gegenseitig bei der Umsetzung zu stützen.

Schulinterne Weiterbildung kann helfen, solche Erprobungsphasen mit kollegialer Unterstützung einzurichten. Zudem bietet die PHSH schulhausübergreifende Supervision und Praxisgruppen an, damit Lehrerinnen und Lehrer auch unabhängig vom Kollegium ihren Fragen nachgehen können. Als weitere unterstützende Weiterbildung entwickelte die PHSH einen CAS-Studiengang «Unterrichtsentwicklung: Professionell unterrichten», in dem die Absolventinnen und Absolventen Handlungskompetenz in den Bereichen kompetenzorientierter Unterricht mit dem Lehrplan 21, Methoden der Unterrichtsentwicklung, Prozesssteuerung, Projektmanagement, Teamarbeit, Rückmelde- und Feedbackkultur sowie Evaluation erwerben. Die Teilnahme am CAS bietet den Teilnehmenden die Möglichkeiten, sich auf die Umsetzung des neuen Lehrplans umfassend vorzubereiten und sich als Experte oder Expertin für Unterrichtsentwicklung zu spezialisieren.

Das Besondere an der Erprobungsphase ist der Umgang mit vermeintlichen Fehlern. Ausprobieren, testen und verbessern sind zentrale handlungsorientierte Lernschritte, ohne die ein nachhaltiges Lernen kaum möglich ist. Deswegen sollte in dieser Erprobungsphase in den Kollegien der Fokus auf dem eigenen Lernen liegen. Schulbehörden und Angehörige der Schulleitung müssen sich bewusst sein, dass neue Lektionen auch einmal weniger gut gelingen können, Leistungskontrollen in dieser Phase die Umsetzung bremsen würden und daher besser auf die Schlussphase verschoben werden sollten.

Phase 6: Schlussphase, Auswertung

Die Inkraftsetzung und Kontrolle bezeichnet die Schlussphase der prozessorientierten Einführung des neuen Lehrplans. Die Schlussphase war nicht Gegenstand des Weiterbildungskonzepts. Sie liegt in der Hoheit des Erziehungsdepartements. Hier muss auf die eingangs erwähnte Governance-Struktur verwiesen werden, wonach die Schulbehörden, das Erziehungsdepartement beziehungsweise der Erziehungsrat die Kontrollinstanz für das Schaffhauser Schulsystem bilden.

Vielleicht eignet sich für die Evaluation die Verwendung der gleichen Instrumente wie für die Standortbestimmung. Der Vorteil besteht in der Möglichkeit eines Vorher-nachher-Vergleichs der Resultate durch die Lehrerinnen und Lehrer oder die ehemaligen LP21-Koordinatoren. Als weitere Evaluationsthemen bieten sich Erhebungen über die Selbsteinschätzung, aktuelle Unterrichtspraxis, verwendete Materialien und weitere Unterstützungswünsche an. Für die Evaluation sollte eine unabhängige Institution beauftragt werden.

Möchte man abschließend eine Fremdsicht mit dem Zweck der Kontrolle einnehmen, könnten Inspektoren oder Schulbehörden Ihre Governance-Aufgabe wahrnehmen, indem sie kriteriengeleitete Beobachtungsraster bei Unterrichtsbesuchen einsetzen, die den kompetenzorientierten Unterricht nach dem Lehrplan 21 überprüfen.

Clevere Aufgaben (E-Book)

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