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Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder

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Vorrede.

Um die Märchen, Sprichworte, Rätsel, Lieder und

Sprüche des litauischen Volkes auch denen zugänglich

zu machen, die des Litauischen nicht kundig sind,

habe ich mein litauisches Lesebuch ins Deutsche

übersetzt. Auch ist diese Übersetzung wol manchem

eine willkommene Beihilfe zum Verständnisse

schwieriger Stellen des litauischen Originals. Leider

muste ich in der Übersetzung gar manches weglaßen;

so vor allem den aufs Sexuelle bezüglichen Schmutz;

ferner manches wirklich Unübersetzbare, als Rätsel,

die aus lauter selbst den Litauern unverständlichen

Rätselworten bestehen; Sprichworte, die nur einem

zufälligen Gleichklang der Worte ihre Entstehung

danken, Dainas (Lieder), die ihre Wirkung nur durch

die in ihnen angewandten eigentümlich gebildeten

Worte haben. Ob ich, besonders in den Sprichworten,

die gröstentheils einem alten handschriftlichen Wörterbuche

entnommen sind, überall das Rechte getroffen,

wage ich nicht zu behaupten, obgleich ich mich

mit der litauischen Sprache wol vertraut gemacht und

überdieß bei zweifelhaften Stellen den Rat eines Eingeborenen

eingeholt habe. Ich gab mir Mühe, so treu

als möglich zu übersetzen und gab also oft den Reim

in den Sprichworten der Treue der Übertragung

wegen auf; ja ich setzte bisweilen da, wo sich die Begriffe

im Litauischen und Deutschen nicht decken, ein

Wort zur Erklärung bei, obwol ich weiß, daß das ein

schlechter Notbehelf ist. Wo ich nur die Wahl zwischen

weniger gutem Deutsch aber treuer und wörtlicher

Übertragung und einer fließenden aber freien

Übertragung hatte, zog ich die wörtliche Übersetzung

vor. Übrigens ist übersetzen nicht mein Fach, und ich

bitte deshalb den Leser um nachsichtige Beurteilung

etwa sich findender Schwächen; ich konnte und wollte

aber nicht die Übersetzung meiner unter Entbehrung

und Mühsal zusammen gebrachten Sammlung eines

Theiles der mündlich überlieferten Literatur des litauischen

Volkes fremden Händen überlaßen.

Eine Sammlung litauischer Märchen, Sprichworte

und Rätsel tritt hier zum ersten Male an das Licht.1

Dainas hat N e ß e l m a n n bereits in Fülle geboten,

deshalb gebe ich hier nur weniges, aber namentlich

das mythologisch wichtige und einiges bisher ungedruckte.

Von den von mir gesammelten Liedern stehen

einige schon bei Neßelmann, dem ich sie für seine

Sammlung mittheilte. Übrigens habe ich nicht alle

Lieder meiner Sammlung übersetzt, sondern nur die

bedeutenderen. Die Singweisen habe ich, leider nur zu

wenigen Liedern, selbst den Singenden nach geschrieben,

und ich kann für die Richtigkeit der Aufzeichnung

daher einstehen. Obwol die Dainas stets ein-

stimmig gesungen werden, so glaubte ich doch die

höchst eigentümlichen, ja bedeutenden Weisen dieser

Lieder durch Zugabe einer einfachen Klavierbegleitung

unserem Geschmacke zugänglicher zu machen;

durch die Noten, die ich der Melodie untergelegt,

suchte ich den Eindruck wieder zu geben, den die Lieder

auf mich machten, als ich sie singen hörte.

Sprichworte und sprichwörtliche Redensarten habe

ich hier nicht gesondert, weil solche Sonderung zwar

in den meisten Fällen leicht ist, in manchen aber auf

große Schwierigkeiten stößt. Geordnet sind sie alphabetisch

nach dem ersten in ihnen vorkommenden Substantiv

oder, wo dieses fehlt, nach dem Verbum; fehlt

auch dieses, nach den ersten Adjectiv. Eben so sind

die Rätsel nach ihren Auflösungen geordnet.

Die stets gereimten priamelähnlichen Sprüche,

deren man übrigens nur wenige findet, habe ich, ihrer

poetischen Form wegen, den Dainas angehängt,

obwol sie, so viel ich weiß, nicht gesungen werden.

Gerne hätte ich mehr Märchen mitgetheilt und zum

Theile Gewählteres und beßer Erzähltes geboten. Der

Reichtum der litauischen Nation an Märchen ist sehr

groß. Mancher Erzähler könnte einen ansehnlichen

Band voll dictieren. Diesen Schatz wüste ich gerne

gehoben und geborgen. Ich kenne einen zur Aufzeichnung

vollkommen befähigten Litauer, welcher gegen

eine angemeßene Geldentschädigung für Reisekosten,

Zeit und Mühe ein solches Unternehmen wol ausführte;

ich selbst aber bin nicht im Besitze der erforderlichen

Mittel.

Ich theile das von mir, theilweise mit Beihilfe Eingeborner,

Zusammengebrachte hier ohne Anmerkungen

mit. Das Gebiet der Sprachwißenschaft ist ein so

ausgedehntes, daß mich wol kein Vorwurf deswegen

treffen kann, weil ich mich darauf beschränke, dem

Forscher zuverläßiges Material in die Hände zu

geben.

Auf den Wunsch des geehrten Herrn Verlegers ist

diese Übersetzung mit sogenannter deutscher Schrift

und in einer von der meinigen abweichenden Orthographie

gedruckt worden. Den Herrn Verleger bedünkt

es nämlich wol nicht mit Unrecht, daß die von

mir befolgte Schreibweise (die dem neuhochdeutschen

angepaßte mittelhochdeutsche) der Verbreitung des

Buches hier und da im Wege stehen könne.

Herrn Dr. S c h a d e , welcher so freundlich war,

die sämmtlichen Correcturen mit seltener Genauigkeit

zu lesen, herzlichen Dank.

J e n a , im Sommer 1857.

August Schleicher.

Fußnoten

1 Norske Folkeeventyr af Asbjörnsen og Moe, 2.

Udg. Christiania 1852 bieten mehrere, bisweilen

schlagende Parallelen zu den litauischen Märchen.

Einzelne Züge des lit. Märchens vom Bartmännchen,

nämlich die Anzal der Drachenhäupter, das Stärkewaßer

u.a. finden sich wieder in Nro. 27 des angef. Werkes:

Soria Moria Slot; ähnlich verhält es sich mit dem

lit. Märchen von der schönen Königstochter gegenüber

von Nro. 19, Kari Træstak der norwegischen

Sammlung, ferner mit dem Märchen vom schlauen

Jungen und Nro. 34, Mestertyven; die Heilkraft der

Löwenmilch, von der im lit. Märchen von den Räubern

und der einem Drachen versprochenen Prinzessin

die Rede ist, wird auch erwähnt in Nro. 60 (58), det

blaae Baand; Nro. 44, Tommeliden beut jedoch,

außer dem Däumling selbst, kaum etwas dem litauischen

Märchen vom Däumling verwandtes. Dagegen

entsprechen sich mehr oder minder folgende: das lit.

Märchen vom faulen Mädchen und Nro. 13, de tre

Mostre; wer kann beßer lügen? und Nro. 39, Askeladden,

som fik Prindsessen til ad lögste sig; vom armen

Taglöhner, der sein Glück machte, und Nro. 7, om

Gutten, som gik til Nordenvinden og krævede Melet

igjen; vom Schmiede der den Teufel dran kriegte, und

Nro. 21, Smeden, som de ikke turde slippe ind i Helvebe;

vom Bauer, der ein sehr großer Schelm war,

und Nro. 54 (53), Store-Peer og Besle-Peer. Varianten

und Nachweis verwandter Märchen anderer Völker

findet man bei Asbjörnsen und Moe in den Anmerkungen.

Die Grimmsche Sammlung deutscher

Märchen beut ebenfals des verwandten und vergleichbaren

viel und vielleicht in noch zalreicheren Beispielen;

überhaupt stehen die litauischen Märchen den

deutschen (und nordischen) sehr nahe, so viel läßt

selbst die kleine Sammlung, die ich in diesem Buche

biete, deutlich erkennen.


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