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Ein Silberstreif am Horizont

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Heimberg hatte keine Traditionen zu bieten, wohl aber Attraktionen: Innerhalb von nur fünf Jahren war diese Stadt von Milliarden schweren Investoren aus dem Boden der Lüneburger Heide gestampft worden wie im 20. Jahrhundert Brasilia aus der Pampa Südamerikas. Heimbergs Skyline war längst beeindruckender als die von Manhattan. Heimberg war des alten Europas neugeborene Stadt der Superlative! Geschäftsleute aus aller Welt zog es hierher - mitsamt dem ganzen Tross ihrer Dienstleister. Mein Vater war nur einer von ihnen - eine gut verdienende Ameise in einem pulsierenden Hügel so hoch wie der Mount Everest!

Und wie es sich für solch eine Stadt gehörte, bot diese den kostbaren Nachkommen dieser Weltbürger inzwischen flächendeckend eine hochkarätige Erziehung und Bildung: Heimbergs Superschulen waren perfekt: supersicher vor Amokläufen, superschön in ihrer Architektur, wohltuend, was die Lernatmosphäre betraf, superverlässlich in der Vermittlung soliden Abiturwissens.

Mein Dad war unglaublich stolz, dass er mir, seinem einzigen Kind, ab heute sowas würde bieten können.

Heimberg hatte was, das erfuhr ich gleich bei meinem ersten Bummel in der City! Wir waren per Helikopter vom Flugplatz Uetersen aus eingeflogen - über Hamburg, die Elbe, die Heide - bis direkt auf die Dachterrasse des „Heimberg View“, dem ersten Sieben-Sterne-Hotel Europas.

Ein gläserner Lift düste mit uns hinab in die Straßenschlucht voller Attraktionen. Daddy grinste; ich hielt beeindruckt die Luft an.

Diese City war ein echter Hot Spot! Im Wesentlichen bestand sie aus einer großzügigen Shopping Mall - aber was für einer! Davon hatte ich in unserem Kaff nur träumen können. Kilometer lang reihten sich zu beiden Seiten die exklusivsten Geschäfte, 3D-Kinos und Theater, ultramoderne Snackbars wie das „Horizon“ und exotische Spezialitäten-Restaurants aneinander. Auch Tapas-Bars - aber ganz andere als Pepes schmuddeliges Mini-Reich!

Alles war blitzsauber und supergepflegt - sogar die bunt bepflanzten Grünanlagen mit ihren Fontänen und Wasserspielen - hier hießen sie „Chill Areas“ - , die in regelmäßigen Abständen die Geschäftszeile der Mall unterbrachen. Am oberen Ende schloss sich die „Isle of Art“ inmitten eines künstlichen Sees mit Museen, Galerien und einem postmodernen Skulpturengarten an.

„Den Skulpturengarten mit den Platanen“, erklärte Daddy mit einer weit schweifenden Handbewegung voller Stolz, „hab ich mit meinen Jungs von ,Garten der Zukunft’ angelegt. Sieht doch gut aus oder?!“

Andere, aus meiner Stadt wohlvertrauten, Dinge suchten meine verwunderten Augen vergeblich. Es gab hier keine überquellenden Mülleimer neben mit Graffitti besprühten Parkbänken, keine Penner, die mit ihren Hunden an den Ecken der Spielhallen auf dem Pflaster hockten und um Kleingeld bettelten!

Keine hupenden Taxis, keine überfüllten Busse!

Zum Glück sahen wenigstens die Leute vertraut für mich aus: Es war beileibe nicht so, dass nur top gestylte Typen herumliefen; nein, die meisten wirkten eher lässig. Viele Frauen trugen Jeans und T-Shirts, nur in der Umgebung der Banken eher Kostüme und Hosenanzüge.

Aber kein Mann ohne Krawatte! Das musste wohl sein. Und Hut! Kein erwachsener Mann, keine erwachsene Frau ohne Hut! Eine Mode von vor 70 Jahren lebte hier im Stadtbild Heimbergs wieder auf!

„Hier ist alles entspannend und sehr individuell“, erklärte mein Vater, immer noch grinsend. „Deshalb lebe ich so gerne hier.“ Er selber trug einen Designer-Anzug - natürlich mit Krawatte und dazu natürlich einen passenden eleganten Hut - italienisches Modell. So was hatte ich früher nie an ihm gesehen.

Nun schob Dad mich zu einer Schautafel am Straßenrand: ein gewöhnlicher Plan der City, wie ich annahm.

„Leg deine rechte Handfläche auf das Sichtfenster am rechten Rand, den Daumen deiner linken auf die Stelle, die unserem jetzigen Standort entspricht! Für minderjährige Schüler dieser Stadt wie dich ist die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos - und für ihre erwachsenen Begleitpersonen ebenfalls.“ Ich stutzte, überlegte kurz und wollte vor allem protestieren gegen das Attribut „minderjährig“. Selbst wenn er Recht hatte, passte mir das Wort nicht. Aber dann zuckte ich doch nur mit den Schultern und tat, was er verlangte. Zumindest bewahrte es mich davor, hier und heute einen Hut tragen zu müssen.

Es vergingen keine zwei Minuten, da glitt völlig geräuschlos eines dieser windschnittigen silberfarbenen Luftkissen-Taxis heran, die hier überall durch die Straßen flitzten. „Superleicht, aus GFK, mit Solar-Antrieb“, hatte mir Dad erklärt. „Herkömmliche Wagen mit Benzinmotor wurden hier gar nicht erst zugelassen. Hier ist alles ein bisschen futuristischer als auf dem Land. Du solltest die City erst mal bei Nacht sehen!“

Das Teil schwebte eine Hand breit über dem Boden, bot innen Platz für zwei Fahrgäste und die Bequemlichkeit der teuersten Fernsehsessel mit integrierter Massage-Funktion.

Kopfhörer lieferten dazu den Beat, den der Gast wünschte. Ich wählte natürlich „Paradise“ von „Lord Future“, kuschelte mich tief in die Polster und genoss.

Viel zu schnell war diese Wellness-Tour zu Ende. In affenartiger Geschwindigkeit hatte uns das silberne Teil hinaus aus der City getragen. Es war der Trasse der „Schnellbahn NDS“ in Richtung Norden gefolgt, hatte dann die unsichtbare Grenze zu Hamburg passiert und stoppte nun direkt vor unserer Haustür. Mir war es vorgekommen, als seien wir nur so durch die Straßen geflogen und über die Wasserflächen (die Elbe hat schließlich zahllose Nebenarme!) mühelos hinweggeschwebt.

Hier, an einem der exponiertesten Punkte von „Steinwerder“, wohnte mein Vater neuerdings - genau gegenüber vom neuen Opernhaus, der Hamburger Elbphilharmonie! Hier, am Südufer der Norderelbe, erstreckte sich zwischen „Reiherstieg“ und „Moldauhafen“ die neue „HafenCity Heimberg“! Eine Insel-Lage wie die von Neuwerk, bloß mit umgekehrten Vorzeichen!

Das Quartier westlich des „Guanofleets“ war schon vor Jahren von Hamburg zu einer der modernen Attraktionen der Stadt erklärt worden: Schließlich befand sich dort das Musical-Theater, eine der großen Touristen-Attraktionen: Wer wollte denn nicht einmal an einem lauen Sommerabend mit der Barkasse ’rüberfahren von den Landungsbrücken hin zu dem imposanten Zeltbau, um für einen Abend seine Träume zu leben?

Doch auch das Quartier zwischen „Reiherstieg“ und „Steinwerderhafen“ hatte in den vergangenen fünf Jahren rasch und grundlegend sein Gesicht verändert, und zwar seitdem es den Besitzer gewechselt hatte: Da war nämlich ein Milliarden schwerer niedersächsischer Investor in „Steinwerder“ und auf dem „Grasbrook“ eingestiegen.

Und wo noch im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends die Hafenwirtschaft mit ihren schmucklosen Zweckbauten das Bild geprägt hatte, erhob sich jetzt schillernd wie in einem gewaltigen Zauberspiegel ein architektonisches Spektakel futuristischer Wohn- und Bürogebäude: Der Leuchtturm von Heimberg! Nicht nur die HafenCity der Freien und Hansestadt Hamburg hatte ernsthaft Konkurrenz bekommen!

Aber noch war diese Konkurrenz ein schlafender Tiger; die alte und ehrwürdige Stadt hatte Traditionen aufzubieten, die kein Konkurrent, der sich das Zertifikat „neu“ oder „modern“ oder „zukunftsorientiert“ an die Brust heftete, aufwiegen konnte. Hamburg war immer noch eine Festung - so wie damals während des Dreißigjährigen Krieges, als kein Belagerer Hamburg hatte einnehmen können. Oder auch später, zur „Franzosenzeit“, als pfiffige Hamburger Bürger im Kleinen die Besatzer auszutricksen vermochten! Jeder Schmuggler von Zuckersirup hatte damals nicht nur zu seinem eigenen, sondern auch zum Wohle der Freien und Hansestadt gehandelt! Von jeher hielt man zusammen in dieser Stadt! In Hamburg musste alles, was zählen sollte, noch heute „gediegen“ sein: Eine in Jahrhunderten gewachsene, im Einvernehmen von Senat und Bürgerschaft abgesegnete Tradition und damit quasi das Gesetz, forderte dieses tiefe, grundlegende Attribut. „Gediegen“ war auch alles, was sich im Hafen abspielte, wenn es denn echt war. Dieses pulsierende Leben war gekoppelt an Menschen, an Charaktere, ihre ganz besondere Lebensart und daher nicht zu kopieren und schon gar nicht zu toppen.

Hamburg war eben Hamburg. „Wir haben den Hafen“ war ein geflügeltes Wort und die absolute Trumpfkarte im Konkurrenzkampf zwischen den deutschen Metropolen.

Das Appartement, das mein Dad bewohnte, lag im siebten Stock eines nagelneuen gläsernen Wohnturmes; der Turm stand genau an der Ecke „Arningkai“/ „Reiherstieg“.

„Je nach Sonnenstand verändert die Glasfassade ganz von allein ihr Gesicht“, erklärte mein Vater in wichtigem Tonfall. „Optimale Nutzung von Energie! In ein, zwei Monaten schon wirst du den Bau in ganz anderen Farben sehen als heute. Du wirst staunen, sag ich dir!“

Ich nickte, aber alles war noch zu neu für mich, als dass ich seine Begeisterung für architektonisch und energetisch vorbildliche Gebäude ehrlich hätte teilen können. Hoch über mir schimmerte das Glas in einem eleganten Russischgrün mit goldenen Schlieren. Ich rang mir immerhin ein „Sehr futuristisch!“ ab.

Mit dem Appartement konnte ich mehr anfangen: Es war riesig, todschick eingerichtet und bot vom Wohnraum aus einen sensationellen Blick über die Elbe bis hinüber zur Hamburger Elbphilharmonie.

„Bestimmt ganz schön teuer, das alles hier?“, fragte ich vage. Wir hatten eben ein für mich geradezu opulentes Sushi-Essen genossen. Obwohl die Wohnung über eine supermoderne Pantry verfügte, in der einem eine Computerstimme das Rezept für’s Soufflée auf einen Wink charmant ins Ohr diktierte, vermied Dad das Selberkochen. Er bestellte lieber. Heute Abend war das Essen von einem japanischen Edelrestaurant aus der Heimberger Innenstadt angeliefert worden, und zwar inklusive Butler. Die Zutaten aber stammten allesamt aus Europa, aus Aqua-Kultur und kontrolliert biologischer Landwirtschaft. Mein Dad hatte darauf bestanden, und das Restaurant hatte umgehend geliefert. Der Butler hatte das edle Mahl stilsicher serviert - beinahe lautlos, mit extra viel Sojasoße und ausgesuchter Zurückhaltung.

Nun war er weg, die Pantry gewohnt blitzsauber und ich pappsatt.

Dad und ich standen vor der großzügigen gläsernen Fensterfront im Wohnraum und ließen minutenlang den Blick über die weitläufigen Hafenanlagen schweifen. Jetzt am Abend reihten sich da unten am „Arningkai“ zahllose rosafarbene Lichter aneinander wie kostbare Perlen auf einer Schnur. Sie überhauchten die geschliffenen elfenbeinfarbenen Gehwegplatten der Uferpromenade mit einem zartrosa Glanz: die nagelneue „Future Promenade“ von Heimberg!

„Da kannst du an Sommerabenden im künstlichen Mondlicht kilometerlang inlineskaten“, hatte mein Vater mir vorgeschwärmt. „Du badest im farbig reflektierten Licht der Glasfassaden - heute grün, morgen blau - alles Imagination, um die Sinne zu verzaubern, alles mit Solarenergie betrieben.“

Ich konnte es mir beinahe vorstellen; und in ein paar Wochen würde ich es da unten wohl sogar selber erleben.

Heute Abend aber sah ich hinter der Promenade das schwarze Wasser der Elbe schwer und träge daliegen. Eben zog wie ein ferngesteuertes Spielzeugboot eine bunt beleuchtete Barkasse vorüber. Für einen Moment glaubte ich das gleichmäßige, leise Tuckern des Motors zu hören, gleich darauf sogar Fetzen von Akkordeonmusik. Bunte Glitzersteine auf schwarzem Samt tauchten als Flash vor meinem inneren Auge auf. Im Hintergrund konnte ich die altehrwürdige Freie und Hansestadt Hamburg erahnen. Ihre modernsten Außenposten schrien es hinaus: „Hier beginnt Hamburg, das Tor zur Welt!“

An der Kehrwiederspitze griff eine überdimensionale olympische Flamme mit ihrem gleißenden bläulichen Weiß nach den Sternen auf schwarzem Samt: die bizarr geformte gläserne Dachkonstruktion der Elbphilharmonie! Ihr zu Füßen lag der „Dalmannkai“, oberflächlich betrachtet die sonntägliche Flaniermeile für die Schickeria der neuen HafenCity - in Wahrheit ein Ort der Sehnsucht. Hamburg- Touries waren besonders beeindruckt. Und so hatten die netten Damen in den dunkelblauen Kostümen mit flottem Hamburg-Halstuch, die souverän und charmant ganze Schwärme von Touristen durch Speicherstadt und HafenCity manövrierten, längst den wahren Namen für diesen Kai gefunden: „Walk of Freedom”.

Der lange, großzügig angelegte weiße Kai zog die Menschen an wie ein Magnet: Viele gaben zwar vor, einfach nur bei schöner Aussicht am Wasser entlang spazieren zu wollen. In Wirklichkeit aber trugen fast alle heimlich das große Fernweh im Herzen. Dieser Kai beflügelte Fantasie und Wünsche eines jeden, der davon träumte, wenigstens einmal im Leben als Passagier auf der „Queen Mary 2“, in Luxus schwelgend, in die weite Welt zu reisen.

Mit seinen tausend blauen Lichtern beschrieb der „Walk of Freedom“ auch an diesem Abend eine sanfte, elegante Linie bis hin zu den großzügigen Marco Polo-Terrassen und zum internationalen Kreuzfahrt-Terminal 1.

Mein Vater schien das Gleiche gedacht zu haben wie ich; denn jetzt sagte er mit einem zufriedenen Kopfnicken: „Sündhaft teures Wohnen hier, aber der Ausblick ist doch sensationell - oder?“

Ich nickte. „Echt sensationell! Der ,Walk of Freedom’ - bei diesem Licht - einfach magisch!“

Mein Vater nickte bedächtig.

„Und doch ist Heimberg schon jetzt der heimliche Winner im Zweikampf der Städte!“

„Gegen Hamburg?“, fragte ich ungläubig. „Das kann nicht wahr sein!“

„Sie sind natürlich sehr unterschiedlich: Dort die Tradition mit modernen Elementen - hier das absolute Bekenntnis zu den Technologien der Zukunft!“, machte mein Dad einen Versuch der Erklärung. „Heimberg ist total anders! Allein die zukunftsweisende Technik, die in diesem Gebäude, in dieser Wohnung steckt! Was meinst du, wie hoch hier die Wohnungspreise sind!“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Schon jetzt doppelt so hoch wie in der Hamburger HafenCity, Tendenz steigend“, war seine nüchterne Antwort. „Aber wir können uns das hier leisten, weil“, er beschrieb einen großzügigen Bogen mit seiner Rechten, „ich diesen Bomben-Job in Heimberg hab!“

Ich war irgendwie verunsichert. Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich den Anschluss an das Leben meines Dads in den vergangenen drei Jahren irgendwann verloren hatte. Ich wusste kaum noch etwas über ihn. Ich konnte vor allem seine finanziellen Verhältnisse überhaupt nicht einschätzen.

„Da musst du aber ’ne Menge verdienen...“, murmelte ich.

„Tu ich auch“, antwortete er lässig. „Weißt du, ,Garten der Zukunft’ ist der Fachbetrieb für Gartengestaltung in dieser Stadt. Wer was auf sich hält, der kauft bei uns. Wir haben jede Menge fetter Aufträge an Land gezogen - Parkanlagen, Bepflanzung ganzer Innenhöfe in Bürokomplexen mit jeder Menge an Großbaumverpflanzungen, dazu Dachgärten auf Wohntürmen und sogar die botanischen Anlagen in der ,Heimberg School’! Und die haben richtig Kohle, sag ich dir!“

„Die nehmen ja auch kräftig Schulgeld, hab ich gelesen!“

Während ich das sagte, dämmerte es mir, dass mein Vater früher für uns als Familie eigentlich nie ausreichend Geld hatte herbeischaffen können; andauernd hatte Mum damals gejammert. Die alte Unsicherheit aus Kindertagen meldete sich zurück. Was war, wenn er heute nur so tat, als ob? Mein Sechs-Wochen- Crashkurs kostete bestimmt ein Heidengeld!

Ich nahm meinen Mut zusammen, dann sah ich ihm ins Gesicht: „Sag mal, können wir uns das wirklich leisten?“

„Klar doch!“, antwortete mein Dad ohne zu zögern. „Mach dir keine Sorgen! Meine Chefin hier, die weiß, was sie an mir hat: Deshalb stellt sie mir ja sogar diese Firmenwohnung zur Verfügung - kostenlos.“

Als er das sagte, lag so ein gewisser Ton in seiner Stimme; ich glaubte zu ahnen, woher der Wind wehte. Aber ich fragte doch nur vorsichtig: „Dann hast du ja wohl viel mehr Geld zur Verfügung als früher?“

Die Augenbrauen meines Vaters bildeten zwei Dreiecke des Staunens im oberen Drittel seiner Stirn. „Mindestens das Dreifache, Kind! Schon sehr bald kann ich mir was Eigenes leisten.“ Seine Hand wies zur Decke: „Ich will das Penthouse ganz oben im 12. Stock! Das ist das Beste!“

Damit zog er lächelnd einen bunt-glitzernden Gegenstand in Handy-Größe aus der Jackett-Tasche und warf ihn mir zu. Mir blieb glatt die Luft weg: Ein nagelneues „Fun Fon“!

Ich flog ihm um den Hals.

„So was braucht man doch in deinem Alter oder?“

Mein Vater hatte ein mir bisher unbekanntes lockeres Grinsen im Gesicht; er hob sein Glas mit Noni-Juice und prostete mir zu: „Bezahlt von meiner letzten Sonderprämie. Auf unsere Zukunft, Juli!“

„Wahnsinn! Aber weiß Mum eigentlich, dass du jetzt so gut verdienst?“

„Sie hat immer gekriegt, was ihr zustand“, antwortete er nun auffallend knapp.

Das teure Glitzerteil in der Hand, holte ich Luft, um etwas Passendes zu entgegnen, aber da redete er schon weiter, und zwar in geradezu schwärmerischem Ton: „Diese neue Stadt ist reich, Juli, sehr reich. Und sie wird immer reicher.“

Er sah mir eindringlich in die Augen. „Sie ist der absolute Hot Spot. Sie wächst rasend schnell. Sie ist die Stadt mit der höchsten Wachstumsrate der Welt. Wie ein Pilzgeflecht breitet sie sich vor allem nach Norden und Westen aus. Das Steinhuder Meer, Nienburg, Verden, Soltau... alles schon Heimberg! Hier investieren jetzt die einflussreichsten Leute der Welt. Südostasien ist out; der Tsunami ’11 in Nippon hat alle verschreckt; Europa liegt auf sicherer Scholle. Seit sich bei Buchholz vor fünf Jahren mit ,CCLife’ ein weltweit operierendes Unternehmen für Biotechnologie ansiedelte, ist es unaufhaltsam aufwärts gegangen: eine Goldgräberstadt, sag ich dir!“

Ungläubig starrte ich ihn an. „Aber Hamburg...“, flüsterte ich. Solange ich denken konnte, war doch immer Hamburg das Tor zur weiten Welt gewesen!

Eine mörderisch gute Schule

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