Читать книгу Steine und Licht - Bärbel Gudelius - Страница 5

Eine kleine alte Kirche

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Nun aber waren die Straßen wie Schluchten, tief eingeschnitten in die steinerne Landschaft der Stadt; die Häuser, eng zusammenstehend, warfen Schatten von Hauswand zu Hauswand, so war es fast kühl hier, und kaum Verkehr in dieser Mittagszeit. Und die kleine alte Kirche, achteckig, hingeduckt auf einem schmalen Platz zwischen den Straßen, eingesunken ins Erdreich unter dem Pflaster, sie war ein dunkles Gewölbe, in das man hinunter stieg auf ausgetretenen Stufen, die Dunkelheit wurde noch tiefer durch die kleinen Flammen der Kerzen und das Glühen der Ampel, Anwesenheit des Gottes. An den Wänden, im Licht der Kerzen kaum zu erahnen, die Heiligen, strenge, aufrechte, mahnende Figuren auf alten Bildern; ein schwarzes Gesicht, gefasst in Silber, das einen matten Schein aussendet, unter Glas, geküsst von hilflosen Lippen.

Maria, Panagia, die Menschenfrau, die den Gottessohn geboren hat. Fürbitterin vor dem Thron des Herrn, alles verstehend, vor allem die Nöte und Schmerzen der Frauen. Sie, die Gottesgebärerin, weiss um das irdische Elend, denn sie hat das größte Leid erfahren, die schreckliche Hinrichtung ihres Kindes. Ihr kann man alles anvertrauen, das Elend des Alltags, die Angst, die Ausweglosigkeit, alles, auch das, was man niemals laut sagen kann, zu niemandem.

Die Kerzen flackern in einem Luftzug, der nicht zu spüren ist. Nun haben sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt, ich gehe mit den alten Frauen leise von Bild zu Bild, immer nur halb treten die Figuren aus dem Dunkel, aus den Wänden hervor, mit ihren Kronen und mit Juwelengefunkel, auf Goldgrund und mit segnender Gebärde; mit großen, schwarz umrandeten Augen, mit Blicken wie aus einer Ewigkeit herüberreichend, den Betrachter betrachtend. Oder ein Engel mit Flügeln wie Flammen, in der Rechten das erhobene Schwert des Gerichts.

Christos Pantokrator.

Da sind keine Körper, nur Gewänder. Sie lächeln nicht; sie schauen ernst und streng aus ihrem Bild heraus in eine unbestimmte Ferne. Manchmal scheint es, als höben sich ihre Gewänder ein wenig und es geschähe eine leichte Drehung, so als machten sie einen Schritt aus ihrer Hoheit heraus. Aber nur für einen Moment - im Flackern der Kerzen.

Wundertätige Bilder -.

Inbrunst, gemurmelte Gebete oder stummes Flehen, ein sanfter Teppich aus Gebeten, schwebend wie der Weihrauch aus silbernem Räuchergefäß. Und leises Scharren der Schritte über jahrhundertelang abgeschliffenen Stein.

Beim Hinaustreten das Licht, klar, hart, durchsichtig, golden, das die Hauswände und die Schatten der Hauswände und die Dächer scharf absetzt gegen den weißglühenden Himmel - beim Hinaustreten die krumme ausgestreckte Hand der alten Frau vor der Kirchentür, in die schnell und schamhaft der Schein gelegt wird, wie ein Loskauf -


Steine und Licht

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