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Odile

Als Odile die Tragik ihres Schicksals erfasste, raffte sie gerade die letzten Lavendelzweige dieses Sommers zusammen. Bernard, dem sie ihre Gefühle nie gestanden hatte, stiefelte zielsicher und eilig davon, in seine frisch »getraute« Zweisamkeit mit Jeannine. Ihr alter Schulfreund und treuer Helfer in der Not, hat nun also Jeannine geheiratet. Im Urlaub und heimlich. Sie war die Erste aus dem Ort, die es erfuhr. Jeannine, dieses alberne Huhn, das sogar jetzt noch mit Mitte zwanzig, kicherte wie ein Teenager. Was er nur an ihr fand? Hätte sie sich ihm auch so dämlich lachend an den Hals werfen sollen, damit Bernard merkt, dass Odile ihn, bereits seit dem Le Collège anhimmelte? Aufdringlichkeit und Lautsein entsprachen nicht ihrem Naturell und ehe sie sich auf so ein Niveau herunterließ, blieb sie lieber ungesehen und steckte diesen Seitenhieb des Schicksals ein. Auch wenn sie sich zeitweise ihrem Ziel immer mal wieder sehr nah gefühlt hatte.

Ein kurzer Anflug von Wut über sich selbst, wollte Odile veranlassen, den Lavendel einfach hinzuschmeißen. Doch der Lavendel konnte nichts für Odiles Zurückhaltung. Und es genügte vollkommen, dass sie ihr Liebesleben ruinierte. Es tat nicht not, dass Odile ihre Lebensgrundlage mit Füßen trat. Also atmete sie einmal tief durch, strich sie die Zweige zärtlich glatt und legte sie in den Erntekorb. Es war Zeit, Feierabend zu machen und sich um das Essen zu kümmern. Heute Abend sollte ein Gast anreisen.

Odile vermietete zwei Zimmer und drei kleine Appartements an Gäste, die entweder voll bezahlten und Urlaub machten, oder gegen Mithilfe, günstiger hier wohnen konnten. Viele Tätigkeiten konnten Helfer nach kurzer Einarbeitung übernehmen. Das nutze Odile gern. Sie fand dieses Konzept toll und seit sie sich auf der Plattform „La France Agricole“ präsentierte, hatte sie schon viele Anfragen. Die meisten bleiben ein paar Wochen. Heute reiste ein Mann aus Südbaden an, der wollte neun Monate bleiben. Seine wichtigsten Fragen waren: Gibt es WLAN oder gutes Internet. Er hat zwar angegeben, dass er hilft, aber Odile hatte bei derartigen Voranfragen so ihre Bedenken.

Sie rief ihren Hund heran. Madame Lavande, eine amerikanische Cocker Spaniel Hündin, streifte den ganzen Tag mit ihr durch die Felder. Manchmal legte sie sich unter den Anhänger, den Odile an ihrem Fahrrad hatte und schlief, während sich Odile ihrer Arbeit widmete. Dort standen auch immer die Näpfe mit Wasser und etwas Trockenfutter. Lavande wusste, dass sie draußen nichts fressen darf, außer aus ihrem Napf. Damit sie das nicht vergaß, stellte Odile auch immer etwas hin. Aber Lavande war sehr eigen, was ihre Ernährung anging und Trockenfutter war deutlich unter ihrer Würde. Während der Hund heranwedelte und sich freute, dass es nach Hause ging, sammelte Odile alles ein, stellte es in ihren Anhänger und fuhr los. Madame Lavande lief nebenher.

Als der Lavendel versorgt war und Madame ihr Frischfutter gierig verschlang, suchte sich Odile die Zutaten für eine Ratatouille heraus. Das ging schnell und kochte vor sich hin, während sie die letzten Handgriffe im Appartement erledigte. Anreisen waren nie termingerecht zu planen, so dass sie solche Anlässe immer nutzte, um sich mit ihrem Laptop in ihre schöne Landhausküche zu setzen und ihre Fotos zu sortieren. Wenn Odile nicht arbeitete, fotografierte sie. Die Gegend, ihren Lavendel, ihre Produkte. Entsprechend gab es immer Bilder, die bearbeitet werden mussten oder sollten. Außerdem sortierte sie die Fotos auch nach Qualität und benannte die, von hervorragender Qualität eindeutig, so dass sie nicht lange suchen musste, wenn sie ein Bild brauchte. Die digitale Fotografie hatte definitiv auch Nachteile. Die Vielzahl an Bildern ließ wild drauf los knipsen. Das gewöhnte Odile sich gerade wieder etwas ab. Sie wollte vorher schon mehr aufs Motiv achten und die Komposition so in Szene setzen, dass sie keine 300 Dateien hatte, die sie dann nach winzigen Unterschieden absuchen musste, um das Beste auszuwählen. Ein weiterer Nachteil war die automatische Benennung der Bilder. DCIM3689 – wie sollte man denn so ein Bild finden, wenn man es suchte? Kein Mensch merkt sich die Zahlen. Also mussten die Fotos so schnell wie möglich einen Namen bekommen, der ihr auch in zwei Jahren noch etwas sagte. Diese Arbeit war etwas stupide, konnte aber jederzeit unterbrochen werden. Daher widmete sie sich dem jetzt, während Madame Lavande in ihrem Körbchen scharrte, um die richtige Liegeposition zu finden.

Im Hintergrund lief das Radio. Der Verkehrsfunk meldete keine großen Staus in der Gegend. Ihr Gast hatte ca. 800 Kilometer zu fahren. Eigentlich wollte er sich melden, wenn er abschätzen konnte, wann er ankommt. Bisher kam keine Nachricht von ihm. Odile neigte nicht zur Schwarzmalerei und verschwendete keinen Gedanken an Unfälle oder andere Reisewidrigkeiten. Wenn sie Glück hatte, schaffte sie, die Bilder der letzten 4 Wochen durchzusehen. Routinemäßig legte sie ihre Ordner an, in die ihr Dateien einsortiert werden sollten. Aussortiert – für die qualitativ guten, aber nicht herausragenden Bilder. Gute – für die Motive, die sie schön fand und die von sehr guter Qualität waren und Favoriten – für außergewöhnlich gute Bilder. In jedem dieser drei Ordner wurden Unterordner angelegt. Lavendel, Madame (ihr Hund war nach dem Lavendel, eines der meistgeknipsten Motive), Produktfotos, Sonstiges. Dann ging sie in der Vorschau die Fotos durch und entschied, was mit dem jeweils angezeigten Bild passieren sollte. Einige löschte sie sofort. Es hatte keinen Sinn, Fotos zu speichern, die nicht gefielen. Niemand schaute sich später noch digitale Bilder an. Und Odile sowieso nicht. Sie suchte manchmal gezielt einige heraus, wenn sie ihre Webseite pflegte oder der Tourismusverband wegen neuer Motive anfragte.

Nach gut zwei Stunden klappte sie ihr Laptop zu. Alle Dateien waren sortiert und benannt und sie hatte vier Favoriten gefunden. Eine Makroaufnahme von Bienen, die um eine Lavendelblüte herumschwirrten, ein Foto von Madame Lavande, die neugierig auf einen kleinen Hasen starrte. An den Schnappschuss konnte Odile sich noch sehr gut erinnern. Madame war so fasziniert von dem kleinen Tier, dass sie stehen blieb und es staunend betrachtete. Glücklicherweise ist es Odile gelungen, ihrem Hund das Jagen komplett abzutrainieren. Es gab kein Tier, das in Gefahr war, wenn Lavande herumstreifte. Selbst wenn es weglief. Madame jagte nur das quietschende Gummischwein ihrer Reizangel. Zwei Aufnahmen von der Gegend waren auch noch in die besondere Schatzkiste gekommen. Bei einem Ausflug hat sie das Dorf Roussillon in einem so tollen Licht erwischt, dass der ohnehin stark ausgeprägte Rotton ganz zauberhaft in Szene gesetzt wurde. Der Ort wirkte magisch und das Rot strahlte pure Faszination aus. Vermutlich würde niemand glauben, dass das Bild noch nicht nachbearbeitet wurde. Das Vierte im Bunde war ein toller Einblick in eine Gasse in Gordes, die den provenzalischen Lebensstil so lebendig transportierte, dass man beim Anschauen das Gefühl bekommt, in dieser Gasse zu stehen. Sie war zufrieden, mit der Auswahl und mit dem, was sie geschafft hatte. Langsam wurde sie allerdings ungeduldig, was ihren Gast anging. Sie kontrollierte noch mal alle Kontaktwege, auf eine Nachricht. Nichts.

Ein Knurren ließ Odile aufschauen. Doch Madame Lavande schlief ruhig atmend auf ihrem Platz. Das muss wohl ihr Magen gewesen sein. Hunger! Odile hatte inzwischen auch richtig Hunger. Aber sollte sie jetzt wirklich alleine essen? Sie mochte es, ihre Helfer mit einem gemeinsamen Essen zu begrüßen. Es war einfach schöner, sich beim Essen kennenzulernen, als sich einfach nur so am Tisch gegenüber zu sitzen. Gerade entschied sie, sich eine kleine Portion zu nehmen, als Madame Lavande den Kopf hob und lauschte. Auch Odile hörte ein Auto vorfahren. »Na toll, Absprachen sind wohl eher nicht so sein Ding.«, dachte sich Odile und ging hinaus.

Liebeskummer und Lavendelduft

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