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Träume

Henri versuchte nun schon seit zwei Stunden, endlich einzuschlafen. Aber es gelingt ihm nicht. Immer wieder geistert ihm der Klang von Odiles Stimme durch den Kopf. Wie sie Henri ausspricht – das ist einfach zu süß. Wie fast alle französisch sprechenden Menschen, kann auch Odile kein Wort mit einem H beginnen. Und dann wird es, wie bei seinem Namen noch von der Buchstabenverbindung »en« gefolgt. Odile kann sich noch so sehr bemühen, sie bringt immer wieder nur ihr charmantes »Ongrieh« heraus. »Ongrieh-Olè Ochmuth – das sind sie?«, so hat sie ihn begrüßt, als er gestern hier angereist ist. Inzwischen sind sie längst beim Du und nennen sich beim Vornamen.

Ob sie wusste wie sehr er sich über ihre freundliche Geste, ihn mit einem gemeinsamen Essen zu begrüßen gefreut hatte? Wahrscheinlich nicht. Es war nicht so, dass Henri, nicht allein sein konnte. Aber er war eben auch gern mit netten Menschen zusammen und Odile war nett. Ach was nett. Nett war eine Beleidigung. Odile war umwerfend. Dass er sie heute Abend bekochen durfte, hat ihn sehr gefreut und auch, dass es ihr geschmeckt hat. Das Du hatte sich ergeben, als sie mit dem Hund zurückkam. Das war schön und hat den Abend letztendlich auch so locker und zwanglos werden lassen. Sie haben geredet, als gäbe es kein Morgen und viel gelacht. Dabei aber gar nicht so viel über sich erzählt. Auch das machte den Abend so angenehm. Immer noch hatte er ihre Stimme im Ohr und das kokettierende »Ongrieh-Olè Ochmuth« vor der Verabschiedung in die Nacht. Da hätte er sie am liebsten geküsst. Ob sie es auch gewollt hätte?

Diese Frage beschäftigte ihn seit Stunden. Einerseits beglückwünschte er sich zu seiner Zurückhaltung, andererseits könnte er sich selbst ohrfeigen. Was, wenn sie den Kuss erwidert hätte?

Dann hätte er ein weiteres Problem auf seiner Agenda. Als wenn die Familie ihn nicht schon genug Nerven kostete. Eine voreilige Affäre mit der Vermieterin hier, könnte sein ganzes Projekt gefährden. Kurzfristige Unterkünfte und Angebote zur Mitarbeit, würde er immer finden. Doch ihm war dieser langfristige Aufenthalt hier wichtig. Er wollte einen Einblick bekommen in die Abläufe und das Leben und mit der Beschreibung den Reiseratgeber ein wenig auflockern. Verständnis erzeugen für die Helfer, welche Nöte Höfe wie diese zu der Kombination Ferienwohnung und Hilfe auf dem Feld veranlasste. Dass ihn hier eine bezaubernde junge Chefin erwartete, wusste er nicht, als er die Unterkunft gebucht hatte. Würde er das Zusammenarbeiten hier durch fehlgeleitete sexuelle Energien verkomplizieren, wäre ein Drittel seines Projektes in Gefahr.

Henri dreht sich erneut auf die andere Seite und deckt sich zu. »Odile«, flüstert er vor sich hin und gleitet irgendwann dann doch in den Schlaf. Sein Traum dreht sich weiter um seinen Namen und Odiles Aussprache. Allerdings träumt er auch von einem heißen Liebesabenteuer mit Odile und muss in einer wilden Sexszene laut prustend loslachen. Denn immer wenn sie Henri anfeuern will, sie wild und hemmungslos zu befriedigen, klingt es in seinen Ohren, als wenn er bei einem spanischen Stierkampf ist und irgendjemand ruft: »Henrieh Olè!« Vermutlich hat er wirklich im Schlaf aufgelacht, denn er wacht mit klopfendem Herzen und einer ziemlichen Erektion auf. Ein Blick auf den Wecker zeigt, dass er ohnehin in wenigen Minuten aufstehen muss. Sie wollen heute Setzlinge schneiden und das möglichst abgeschlossen haben, bevor die Sonne richtig vom Himmel brennt, wie Odile sagte.

Auf dem Weg ins Bad brummt Henri vor sich hin: »Odile, du bist mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen und der erste nach dem Aufwachen. Wo soll das bloß hinführen?« Er nahm sich vor, sich deutlich zurückzunehmen. Doch schon als sie sich gegenüberstanden, wusste er, wie zwecklos sein Vorhaben sein würde.

Auch Odile konnte nicht einschlafen. Bernards Beichte und der Abend mit Henri hatte sie aufgewühlt. Einerseits tat ihr die Ablenkung gut. Immerhin hatte sie für eine Weile keinen Gedanken an Bernard verschwendet. Doch die Anziehungskraft ihres Gastes beunruhigte sie. Bevor Henri ging, hatte sie das Gefühl, er wollte sie küssen. Er hatte es dann nicht getan. Jetzt wusste sie wieder einmal nicht, ob sie sich das nur eingebildet hatte oder ob Henri das wirklich wollte. Das ärgerte Odile. Denn so ein Dilemma war schließlich dafür zuständig, dass es mit Bernard nie etwas geworden war. Bei dem Gedanken zuckte Odile zusammen. Wollte sie etwa, dass es mit Henri etwas wurde? Sie konnte ja nicht mal seinen Namen richtig aussprechen. Ok, das lag an der Sprache, trotzdem war das peinlich. Zum Glück bestand er nicht auf das Ole hintendran. Ongrieh-Olè war noch schwieriger als nur der erste Vorname.

Zum wievielten Mal wälzte sie sich nun eigentlich schon von einer Seite auf die andere? Der Wecker zeigte, dass ihr noch etwa zwei Stunden blieben, bis sie sich mit Henri treffen wollte. Das konnte ja heiter werden, müde wie sie war. Zum Glück war sie keine launische Zicke, egal wie viel oder wenig Schlaf sie bekommen hatte. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass sie immer wacher wurde, je mehr sie an Henri dachte.

Das Essen war super. Nicht nur der Geschmack. Er hatte Stil und ein Händchen für Garnitur und Ambiente. Und er hatte sogar an Madame Lavande gedacht und ihr Leber mitgebracht. Offensichtlich auch bei Jean gekauft. Das hieß, er ließ sich nicht lumpen. Ob er auch einen Hund hatte, wusste sie aber immer noch nicht. Wie komisch, dass sie ihn noch nicht gefragt hat. Es hätte sich schon so oft ergeben können. Oft? Er war doch erst seit gestern da. Odile schüttelte den Kopf über sich selbst.

Odile träumte ein wildes Durcheinander. Wahrscheinlich wirbelte ihr Unterbewusstsein noch einmal alles, was sie beschäftigte durcheinander. Sie stand mit Henri auf dem Lavendelfeld und er erklärte ihr gerade, dass er sie nicht heiraten könne, weil er unglücklich in Jeannine verliebt sei. Odile betrank sich darauf. Als ihr übel war, wollte Bernard ihr helfen und stützte sie. Er führte sie an eine Bank und sie setzten sich nebeneinander. Odile erbrach sich in seinen Schoß, doch als sie den Kopf hob, saß da gar nicht Bernard, sondern Henri. Er grinste sie an und pfiff die ganze Zeit ein Lied. Das Pfeifen klang schrecklich und es dauerte eine ganze Zeit, bis Odile raffte, dass es ihr Wecker war, der da fiepte.

Wann genau sie eingeschlafen war, wusste sie nicht. Nur dass sie letztendlich doch vom Wecker geweckt worden war. Natürlich war sie jetzt müde. Ob sie Henri absagen sollte? Aber das wollte sie auch nicht. Sie reckte sich und gähnte herzhaft. Was für ein komischer Traum!

Nach einer schnellen Dusche, bereitete sie einen Picknickkorb mit heißem Kaffee und etwas Obst vor. Auf dem Weg zum Lavendelfeld wollte sie beim Bäcker halten und Croissants holen. Ihr fiel ein, dass sie gar nicht nach dem Gästefahrrad geschaut hatte, mit dem Henri fahren muss, wenn er nicht das Auto nehmen will. Also legte sie die Luftpumpe mit in den Korb. Sicher ist sicher.

Madame Lavande ließ sich nicht beirren und schnarchte noch vor sich hin. So früh hatte sie nicht unbedingt das dringende Bedürfnis aufs Feld mitzugehen. Doch Odile wollte sie nicht alleine zu Hause lassen, weil sie auch nicht genau wusste, wann sie zurück sein würde. Also weckte sie den Hund und amüsierte sich über Madames »Erwachungsritual«. Brummend räkelte sie sich und streckte sich. Ihr Gesicht drückte sie von allen Seiten in die Polster ihres Hundebettes und wenn Odile sie ansprach, drehte sie sich auf den Rücken und forderte ein paar Streicheleinheiten ein. Sobald Odile ihr drei Mal auf den Rücken klopfte, stand sie auf, schüttelte sich und trabte mit Odile überall hin, selbst wenn draußen Schnee lag.

Im Lavendelfeld

Sie trafen sich vor Odiles Tür. Die beiden Fahrräder lehnten an der weißen Bank. Auch das Besucherrad hatte noch Luft und sie fuhren los. An der Backstube hielten sie an und Odile klopfte ans Fenster. Sebastien, der Bäcker war ein entfernter Verwandter und hatte Odile bereits an dem Rythmus des Klopfens erkannt. »Wie viele?«, fragte er daher nur. Dass Odile nur Croissants wollte, wusste er. Ihren Begleiter hatte er kaum wahrgenommen. Als Odile sechs Croissants bestellt hatte, schlurfte er in die Backstube und kehrte kurz darauf mit einer Tüte zurück. Die Croissants kamen frisch aus dem Ofen und verströmten einen Duft, der Henri das Wasser im Mund zusammen laufen ließ.

Auch Madame Lavande schnupperte in die Luft, so verlockend roch es hier vor der Backstube. Sebastien reichte eine kleine Tüte mit Crackern raus. Mit Mühe und Not hatte er dem zuständigen Hygieneamt klarmachen können, dass er Hundesnacks in Lebensmittelqualität buk und diese auch normal über den Ladentisch zu verkaufen gedachte. Und zwar an die Halter und nicht direkt an die Hunde. Wie die Erlaubnis letztendlich begründet wurde, wusste niemand, nur dass Sebastien wohl die einzige Bäckerei hatte, die getreidefreie Hundekekse backen und verkaufen durfte, und zwar zusammen mit getreidehaltigen Backwaren für die Halter. Madame Lavande mochte vor allem die Leberwurstcookies, die aus Kartoffelmehl gebacken waren. Das wusste Sebastien natürlich und hatte zielsicher ins richtige Fach gegriffen.

Odile verstaute die Tüten im Korb und sie fuhren weiter. Madame hatte ganz schön zu tun, der Geschwindigkeit standzuhalten, mit ihren kurzen Beinen. Zu den Feldern ging es leicht bergab, was die Anfahrt für die Radfahrer immer etwas angenehmer machte. Als sie ankamen, lichtete sich die Nacht und eine leichte Dämmerung erleichterte die Sicht. Damit sie die Setzlinge nicht verdarben, hatte Odile Kopfleuchten für Jogger dabei, die sie sich aufsetzten. Normalerweise dachte sich Odile nichts dabei, aber heute fragte sie sich, ob sie nicht zu grotesk damit wirken würde. Die Antwort kam prompt, als sie sich Henri zuwendete. Denn der musste die Augen abschirmen, so sehr wurde er von den LEDs geblendet. Odile grinste, als sie den Kopf wieder senkte.

»Möchtest du einen Kaffee, bevor wir anfangen?« Henri war dankbar über die Frage. Die Nacht war frisch und er hatte in Erwartung eines warmen Spätsommertages eine kurze Hose an. Der Fahrtwind hatte ihn zusätzlich ausgekühlt. Freudig stimmte er dem Kaffee zu und bat auch um ein Croissant, solange die noch warm waren. Sie tranken stehend den Kaffee und genossen das frische warme Gebäck. Odile erklärte ein paar Details zu den Lavendelfeldern und warum die Bete so angehäuft waren. Ohne die Stirnlampen würden sie jetzt nicht viel sehen und wahrscheinlich die Zweige wahllos abschneiden. Henri hatte bereits erkannt, dass sie in einem Feld standen, in dem nur vereinzelt noch Blüten zu sehen waren.

»Wie hast du geschlafen?« Henri wollte wissen, ob Odile auch wach gelegen und an ihn gedacht hatte. Allerdings war ihm auch klar, dass er dies mit dieser Frage nicht erfahren würde. »Gut.« War dann auch die knappe Antwort von Odile.

»Komm, lass uns loslegen. Es wird nicht von allein fertig. Wir können uns beim Arbeiten unterhalten.«

***

Liebeskummer und Lavendelduft

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