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Kapitel 5

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In den folgenden Tagen kam sich Sara sehr verlassen vor. Lennys war nur noch in ihre Papiere vertieft, empfing hin und wieder Mitglieder ihres engsten Zirkels, gab Befehle zur Verstärkung des Heeres und verbrachte jeden Tag mehrere Stunden mit Kundschaftern, die ihr jedoch keine nennenswerten Neuigkeiten zu überbringen wussten. Nach deren Beobachtungen wurden immer wieder Hantua gesichtet, die sich auf dem Weg zu Iandals Festung machten, außerdem ließ Log ungewöhnlich häufig seine Soldaten aufmarschieren. Doch sonst tat sich nichts.

Auch von anderer Seite erhielt Sara wenig Ansprache. Rahor war noch am selben Abend, an dem sie ihm das gefälschte Dokument übergeben hatte, nach Zarcas aufgebrochen, doch dabei schien er ebenso betrübt wie sie selbst. Akosh war immer noch in Askaryan, Menrir sammelte auf Lennys Befehl hin weitere Informationen über seinen Sohn Log und Imra bemühte sich darum, mehr über die im Süden verbliebenen Sichelländer herauszubekommen. Lediglich Mondor stattete Sara einmal einen Besuch ab, aber er sprach nicht mehr von Sagun oder Ash-Zaharr, sondern verwickelte sie nur in ein belangloses Gespräch über das Leben im Nebeltempel und über seine Ansichten zur mittelländischen Religion. Dabei hatte er der Novizin immer wieder tief in die Augen gesehen und Sara war überzeugt, dass er als Erster erkennen würde, dass sie etwas zu verbergen hatte.

So waren alle Ratsmitglieder, sofern sie überhaupt in Vas-Zarac weilten, von morgens bis abends beschäftigt und häufig fanden geheime Zusammenkünfte der Cas mitten in der Nacht und hinter verschlossenen Türen statt.

Wandan hatte nicht gelogen, als er gesagt hatte, dass er weder an den Treffen teilnehmen, noch viele Kontakte knüpfen wollte. Niemand wusste so recht, ob er überhaupt noch in der Festung war, doch Sara glaubte eines Nachts, seine leicht gebeugte Gestalt im Westturm verschwinden zu sehen. Sie versuchte nicht, ihm nachzueilen. Was auch immer Wandans Aufgabe war, er schien es nicht für nötig zu halten, sich noch einmal zu zeigen oder das Wort an sie zu richten. Das musste und würde sie akzeptieren.

Im Grunde war Sara die Einsamkeit nicht fremd. All die Jahre im Tempel hatte sie keine Freunde gehabt. Die gelegentlichen Besuche Menrirs und die Gespräche mit Baramon, dem Bibliothekar, waren ihre einzigen Kontakte gewesen, an die sie gern zurückdachte, doch die meiste Zeit war sie auf sich selbst gestellt gewesen. Sie hatte gelernt, still zu sein und für sich zu arbeiten und sich dabei nicht über das Schicksal zu beklagen.

Dennoch vermisste sie die glücklichen Tage in der Burg, die erst so kurz zurücklagen. Wie viel wohler hätte sie sich gefühlt, wenn sie wenigstens wieder mit Lennys im Kaminzimmer hätte sitzen dürfen, doch dafür hatte die Shaj keine Zeit mehr. Die vielen Papiere waren durchgesehen und ausgewertet worden und die cycalanisch verfassten Schriften, die jetzt noch übrig waren, studierte Lennys lieber allein. Sie hatte Sara keine Aufträge gegeben oder ihr sonst gesagt, wie sie die nächste Zeit verbringen sollte und das Mädchen hatte sich nicht weiter aufdrängen wollen. Hier gab es zu viele Dienstboten, Köche, Kämmerer, Schreiber und Verwalter als dass sie wirklich eine Hilfe oder Unterstützung gewesen wäre. Dennoch hatten die seltenen Begegnungen mit der Shaj Sara mit Sorge erfüllt. Die Herrin der Krieger war noch blasser als sonst, sie war gereizt und ungeduldig und oft genug zeichneten sich dunkle Schatten unter ihren stechenden Augen ab. Sie gönnte sich kaum Ruhe und es verging so gut wie keine Zusammenkunft, bei der nicht irgendwann ihre unbeherrschte Stimme zornig durch die fest verschlossenen Türen drang.

Nur ein einziges Mal hatte Sara versucht, Lennys zu einer Pause zu überreden, doch gerade in diesem Moment war Sham-Yu hereingestürmt und hatte dringende Nachrichten aus einer der Kasernen überbracht. Lennys hatte Sara nicht weiter beachtet und so war die Novizin wieder unbemerkt hinausgegangen. Im Augenblick war ihre Anwesenheit wohl überflüssig und sie hatte auch nicht erwarten können, dass sie so gut beschäftigt wurde, wie in den letzten Wochen.

Aber sie wollte auch nicht untätig herumsitzen. Müßiggang lag ihr nicht und vielleicht war es sogar von Vorteil, dass sie sich frei bewegen konnte, ohne ständig für ihre Herrin zur Verfügung stehen zu müssen. Immer wieder nahm sie sich ihre eigenen Notizen vor, die sie während der Auswertung im Kaminzimmer angefertigt hatte, besuchte oft die Bibliothek, um ihr Wissen über Cycalas zu erweitern und streifte wie zufällig durch die ihr erlaubten Bereiche der Festung, um dabei hier und da Gesprächsfetzen der Burgdiener aufzuschnappen, die zuweilen sehr aufschlussreich waren. So hatte sie zum Beispiel herausgefunden, dass der Heiler, der für die Gesundheit der Festungsbewohner zuständig war, selbst schwer krank war und seinen Aufgaben kaum noch nachkommen konnte. Es war sogar gut möglich, dass er überhaupt nicht mehr gesund wurde und in Anbetracht seines hohen Alters war damit genaugenommen auch gar nicht mehr zu rechnen. In Vas-Zarac gab es also niemanden, der sich wirklich auf die Heilkunst verstand – ein Umstand, den sich Sara bald zunutze machte. Der kleine Sohn des Hauptkämmerers, der sich mit einem harmlosen Schnupfen plagte, wurde so der erste Patient der Novizin. Argwöhnisch hatten die Burgdiener beobachtet, wie Sara den Jungen kurierte und obwohl sie der Fremdländerin gegenüber immer noch misstrauisch und ablehnend gegenüberstanden, fragten sie sie doch immer häufiger um Rat, wenn es um kleinere Gebrechen ging. Nach und nach begegneten sie Sara nun freundlicher und obwohl sie abends immer noch allein in ihrem kleinen Zimmer saß und ihre Freunde anderen Aufgaben nachgingen, fühlte sich Sara weniger ausgestoßen als in den ersten Tagen in Vas-Zarac.

Es war der siebte Tag seit Rahors Abreise und Sara war gerade im Begriff, zu einem leeren Kellerraum hinunterzusteigen, in dem sie seit kurzem abends gerne Geschicklichkeitsübungen mit dem Shajkan absolvierte. Sham-Yu hatte ihr einige Kniffe gezeigt und allmählich bekam sie immer mehr Gefühl für die elegante Waffe.

Doch noch bevor sie die Treppe hinunter zu den Lagerräumen erreichte, stellte sich ihr eine dunkle Gestalt in den Weg.

„Sara! Dich hätte ich in diesem Teil der Burg am wenigsten erwartet!“

„Akosh! Oh, wie schön, dich wiederzusehen! Wann bist du zurückgekommen?“ Sara freute sich, den Schmied so unverhofft zu treffen.

„Erst vor ein paar Stunden. Ich war gerade bei Lennys, um ihr zu berichten und wollte jetzt noch im Weinkeller vorbeischauen. Wie geht es dir?“

„Danke, gut.“ Sie zögerte. „Hast du... ich meine... es geht mich ja nichts an, aber...“

„Du möchtest wissen, was ich wegen dieser Pergamente herausbekommen habe?“

Sara nickte.

„Warum solltest du das nicht wissen? Viel ist es nicht, aber wir können uns gern bei einem Becher Wein darüber unterhalten. Ich gehe nur rasch eine Flasche holen und komme danach zu dir, in Ordnung?“

Tatsächlich hatte Akosh, der wenig später an Saras Tür klopfte, nicht viel zu erzählen. Zuerst hatte er einige Tage gebraucht, um den betreffenden Wachposten überhaupt ausfindig zu machen, denn wie sich herausstellte, versah er seinen Dienst inzwischen in Talmirs Anwesen im Westen der Grenzstadt. Kaum hatte Akosh seinen Namen und den neuen Aufenthaltsort in Erfahrung gebracht, erreichte ihn auch schon die Nachricht, dass der Verdächtige tags zuvor bei einem Übungskampf tödlich verletzt worden war. Was die Pergamente anging, so hatte keiner sonst etwas davon mitbekommen, abgesehen von einem trunksüchtigen Spielmann, der die Rollen im Privathaus des Toten gesehen haben wollte. Über ihren möglichen Inhalt oder gar ihren Verbleib konnte er jedoch keine Auskunft geben. So war die Spur im Sande verlaufen und obwohl Akosh nahezu die ganze Stadt befragte und alle Aufzeichnungen über die Bewegungen am Stadttor durchging, musste er letztendlich doch wieder unverrichteter Dinge abreisen.

„Wenn du mich fragst, ist dieser Unfalltod kein Zufall gewesen. Ebenso wenig wie bei Makk-Ura.“ Der Schmied klang verbittert. „Aber nachweisen lässt sich eben nichts. Es ist, als ob man gegen eine Wand läuft. Man weiß genau, dass die Antwort dahinterliegt, aber es gibt keine Leiter, keine Pforte, noch nicht einmal eine Mauerspalte, durch die man hindurchlinsen könnte.“

„Und dieser Spielmann ist sich ganz sicher, dass er die gesuchten Rollen gesehen hat?“

„Er behauptet es zumindest. Sie seien ihm aufgefallen, weil die Qualität ungewöhnlich gut war und solche Mengen normalerweise nicht im Haus eines einfachen Soldaten zu finden sind.“

„Aber er weiß nicht, ob sie beschriftet waren?“

„Nein. Er sah sie nur in einem unverschlossenen Raum stehen, sauber in mehreren Körben gestapelt und natürlich fest zusammengerollt. Als er drei Tage später wieder bei dem Wachmann zu Besuch war, waren die Rollen verschwunden. Er hat gefragt, was mit ihnen passiert sei und worum es sich dabei eigentlich handelte, aber er bekam angeblich kein Wort aus seinem Freund heraus.“

„Also war die ganze Reise umsonst?“ fragte Sara enttäuscht.

„Nicht ganz. Wir können zumindest annehmen, dass wir auf der richtigen Spur waren und dass es wirklich etwas mit dieser Bestellung auf sich hat, was Lennys nicht erfahren soll. Warum sonst hätte man den Soldaten töten sollen? Aber was den Rest angeht, tappen wir immer noch im Dunkeln. Lennys war natürlich alles andere als begeistert, aber sie hat auch nicht wirklich erwartet, dass wir die Sache so einfach aufklären können. Vielleicht ist sie sogar froh darüber, dass sie vorerst nichts deswegen unternehmen kann. Sie hat schon genug um die Ohren.“

Sara sagte nichts. Wieder einmal plagte sie das schlechte Gewissen. Sie war es gewesen, die zuerst auf die seltsame Bestellung aufmerksam gemacht hatte. Und nun hatte Akosh so viel Zeit dafür aufgewendet, der Angelegenheit nachzugehen – ohne Erfolg. Wie viele wichtigere Dinge hätte er in dieser Zeit erledigen können?

„Sara... ist alles in Ordnung?“

„Ja. Natürlich.“

„Du siehst mitgenommen aus. Vielleicht solltest du öfter einmal eine Pause einlegen. Es ist für uns alle eine harte Zeit, aber es hilft niemandem, wenn du über deine Grenzen hinausgehst. Lennys hat so viele Diener. Du kannst dich guten Gewissens auch einmal zurücklehnen.“

„Ich sehe sie ja kaum noch.“ gestand Sara traurig. „Eigentlich bist du der Erste seit vielen Tagen, mit dem ich wieder richtig rede. Alle sind fort, um irgendwelche Aufträge zu erledigen oder sie stecken den ganzen Tag in wichtigen Gesprächen. Ich wünschte, ich könnte ihnen helfen. Ich bin nicht überlastet, sondern ich langweile mich eher ein wenig.“

„Ich erinnere mich daran, dass wir vor nicht allzu langer Zeit ein ähnliches Gespräch geführt haben. Kopf hoch, Sara. Ich würde dir zu gern helfen, aber ich fürchte, dass ich heute nicht mehr zu sehr viel zu gebrauchen bin. Ich habe seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen.“

Kurz darauf verließ Akosh Sara wieder, allerdings nicht, ohne ihr zu versprechen, sie am nächsten Tag wieder zu besuchen, sofern Lennys ihn nicht mit einem neuen Auftrag bedachte.

Bis zum späten Nachmittag des nächsten Tages blieb Sara allein in ihrem Zimmer. Sie wartete auf Akosh, auch wenn sie sicher war, dass er wohl erst am Abend vorbeikommen würde. Umso überraschter war sie, als es lange vor Sonnenuntergang an ihrer Tür klopfte. Es war jedoch nicht der Schmied, der so stürmisch um Einlass bat, sondern der Sohn des Kämmerers, den sie erst vor wenigen Tagen so erfolgreich mit Heilkräutern behandelt hatte.

„Vilo, du besuchst mich? Das ist wirklich eine Überraschung!“

Doch der kleine Junge schüttelte wild den Kopf und Tränen liefen ihm über die Wangen.

„Bitte, Dienerin Sara, komm schnell mit! Mein Vater liegt draußen im Brunnenhof und bewegt sich nicht mehr! Du musst ihn gesund machen!“ Dabei zerrte der aufgeregte Vilo heftig an Saras Arm, bis diese schließlich nachgab und hinter ihm her in den Hof eilte. Und wirklich lag dort der Kämmerer wie tot neben dem Brunnen. Erschrocken kniete sich Sara neben den Mann, fühlte nach dem Puls und horchte auf seinen Atem. Welch ein Glück, er lebte noch! Erst jetzt bemerkte die Novizin ein dünnes rotes Rinnsal unter dem Kopf des Kämmerers. Es war Blut.

„Wo... wo bin ich?“

Vilos Vater öffnete mühsam die Augen. Es dauerte eine Weile, bis er die Zimmerdecke über sich als die seines eigenen Schlafgemaches erkannte. Neben seinem Bett standen die Leibdienerin Sara, der Schmied Akosh und ein Wachsoldat. Jetzt setzte sich Sara auf die Kante seines Bettes und betupfte seine Stirn mit einem feuchten Tuch.

„In eurem Zimmer, Afnan. Ihr müsst euch keine Sorgen machen, ihr seid bald wieder auf den Beinen.“ Dann drehte sie sich zu den beiden anderen Männern um. „Ich denke, es ist nur halb so schlimm. Vielen Dank für eure Hilfe. Das Wichtigste für ihn ist jetzt Ruhe.“

Akosh und der Wachmann nickten und verließen den Raum. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, wandte sie sich wieder an den Kämmerer.

„Ihr hattet großes Glück. Ihr habt euch den Kopf an einem Stein aufgeschlagen, vermutlich, als ihr gestolpert seid. Aber euer Sohn hat euch gefunden und mich gleich gerufen.“

„Vielen Dank...“ erwiderte Afnan matt. „Ich kann mich gar nicht mehr erinnern. Und die anderen beiden... haben sie mich hereingetragen?“

„Ja. Sie kamen gerade zufällig vorbei. Aber eure Verletzung ist nicht allzu schlimm. In ein paar Tagen habt ihr sie vergessen.“ Sanft strich sie über den frischen Verband um Afnans Kopf.

„Wo... wo ist Vilo?“

„Er schläft nebenan. Er war furchtbar aufgeregt und hatte große Angst um euch. Aber inzwischen hat er sich beruhigt. Ich habe ihm gesagt, dass ihr nur ein wenig schlafen müsst und bald wieder ganz gesund seid.“

Afnan versuchte, sich aufzusetzen, sank aber gleich darauf wieder erschöpft in die Kissen zurück. „Wenn ich nur wüsste, was genau passiert ist...“ stöhnte er.

„Eine Weinranke war um euren Fuß geschlungen. Ihr seid wohl wirklich nur einfach gestolpert und dann direkt auf diesen Stein gestürzt. Aber neben euch lag eine zerbrochene Sijakflasche auf dem Boden. Sie hätte euch weit schlimmer verletzen können als dieser Stein.“

Nur mit Mühe konnte Afnan Saras Worten folgen, aber dann nickte er.

„Jetzt ist es schon das zweite Mal, dass ihr meiner Familie geholfen habt. Erst Vilo und jetzt mir. Ihr seid ein Segen für diese Burg, Sara.“

„Aber ich bitte euch... Es ist Vilo, dem ihr es zu verdanken habt, dass ihr so schnell gefunden wurdet. Und ...“

„Nein... nein, Sara. Wirklich. Ich weiß, ihr bekommt hier nicht von allen die Anerkennung, die ihr verdient. Wir Cycala sind eben sehr eigen, wenn es um Fremdländer angeht. Aber wir sind auch in der Lage, unseren Irrtum zu erkennen.“

„Ihr solltet jetzt nicht so viel reden. Ihr braucht erst einmal viel Ruhe. Es steht mir nicht zu, euch Anweisungen zu erteilen, aber es wäre besser, wenn ihr in den nächsten drei Tagen im Bett bleibt.“

Afnan lächelte schwach. „Ihr wisst doch, dass das nicht geht. Gerade jetzt, wo die Shaj unser Volk durch diese schweren Tage bringen muss.“

„Ihr könnt ihr am besten helfen, wenn ihr alles tut, um wieder zu Kräften zu kommen. Und jetzt schlaft. Wenn es euch recht ist, möchte ich morgen gern noch einmal nach euch sehen und den Verband wechseln.“

„Wie könnte ich euch jetzt auch nur einen Wunsch abschlagen, Sara? Ihr seid eine gute Heilerin, das haben wir alle schon lange erkannt. Aber wir sind eben stolz. Zu stolz. Bevor wir unsere Gesundheit in die Hände Fremder legen, erdulden wir lieber Schmerz. Das ist sehr dumm. Aber ich bin froh, dass wir langsam klüger werden.“

„Euer Lob bedeutet mir sehr viel, Afnan. Und ich freue mich, wenn ich euch und allen anderen hier ein bisschen helfen kann.“ Sie erhob sich, füllte noch einen Becher mit Kräutertee und stellte ihn auf den kleinen Tisch neben dem Bett. „Das hier solltet ihr bis morgen früh austrinken. Es beschleunigt die Heilung der Wunde.“

„Ich danke euch nochmals. Gestattet ihr mir noch eine Frage?“

„Bitte.“

„Wenn.. wenn es zu Kämpfen kommen sollte... werdet ihr dann auf unserer Seite stehen?“

Es war das erste Mal, dass ein Sichelländer Sara diese Frage stellte.

„Ja... das werde ich.“

„Wisst ihr auch, was euch dann erwartet?“

„Wie meint ihr das?“

„Zrundir kämpft mit barbarischen Waffen, aber sie sind auch Meister der Folter. Und wenn es sich bewahrheitet, dass auch das Mittelland und Manatar in den Kampf eingreifen... so haben wir mit noch viel mehr zu rechnen.“

„Ich weiß nicht, worauf ihr...“

„Sara... eine Heilerin wie ihr es seid, kann großen Schaden von uns abwenden. Nein, sagt nichts. Ich weiß, Vilos Schnupfen und meine kleine Schramme sind keine große Herausforderung. Aber ich bin überzeugt, dass ihr eine große Gabe besitzt. Eine Gabe, die Leben retten kann. Ich bin kein Krieger. Ich bin ein Geliebter der Erde. Die Gebieter der Nacht sprechen nicht über Heilung und Behandlung. Sie kämpfen und entweder sie siegen oder sie sterben. Alles andere zählt für sie nicht. Aber ich weiß...dass... dass … das nicht alles ist. Wir brauchen eure Fähigkeiten, Sara.“

„Ich werde jedem helfen, der meiner Hilfe bedarf. Aber ich habe keine große Erfahrung mit solchen Verletzungen und...“

Afnan hob die Hand. „Ihr habt viel über uns gelernt, seit ihr hier seid. Das weiß ich. Einige von uns haben euch sicher Unrecht getan und vielleicht kann ich es auf meine Art wiedergutmachen. Also hört mir gut zu. In der Bibliothek gibt es ein Buch. Eines, das nicht für die Augen von Fremdländern bestimmt ist, wenn es nach unseren Gesetzen geht. Es heißt „Von Feindes Feuern“. Ihr... ihr solltet es lesen. Ihr werdet dadurch viel über den Großen Krieg erfahren und... und von dem Leid, das so viele Cycala erdulden mussten. Es wird euch vorbereiten auf das, was kommen kann... und kommen wird....“ Er hielt inne.

„Ihr müsst jetzt wirklich schlafen, Afnan. Ich komme morgen wieder.“ Sie reichte ihm den Becher und ging zur Tür. Bevor sie ging, sagte sie:

„Ich danke euch, für euren Rat. Sprecht nicht mehr darüber. Niemand kann euch etwas vorwerfen, was ihr nach einem solchen Sturz gesagt habt.“

Afnan lächelte. Er hatte Sara richtig verstanden. Und sie ihn auch. Das wusste er.

Es kam häufig vor, dass Lennys' Wutausbrüche bis in den Burggarten hinausschallten. Weitaus seltener jedoch, dass sie dabei ausschließlich die cycalanische Sprache verwendete. Vielleicht war dies der Grund, dass Sara entgegen ihrer Prinzipien doch etwas aufmerksamer hinhörte, als sie am nächsten Morgen einen kurzen Spaziergang zwischen den Wildrosenhecken machte. Rasend vor Zorn schien Lennys ihren anscheinend völlig verstummten Gegenüber mit Verfluchungen nur so zu überschütten.

Sic meya tyr issem!“ dröhnte es von oben. „Venryda cardo y te pas! Chez tyra!“ Glas klirrte. Dann ein weiterer, eher blecherner Schlag, als hätte sie einen metallenen Gegenstand auf den Tisch geschlagen.

Yano tesdir zallama sic samarey! Ven, Rahor, ven mago tan? Patrac!“

Rahor? Sara zuckte zusammen als der Name fiel. Und da ertönte auch schon Rahors Stimme, allerdings viel leiser und zögernder.

„Es kommt nicht wieder vor. Ich war wirklich der Meinung, mein Schreiber hätte....“

„Es ist mir egal, was dein Schreiber hätte tun sollen!“ brüllte Lennys lautstark und wieder für jeden verständlich zurück. „Bei der nächsten Verfehlung, wie gering sie auch sein mag, kostet es deinen Kopf! Verschwinde! Los, hau ab! Ich will dich heute nicht mehr sehen!“

Hastig lief Sara zu ihrem Zimmer zurück. Sie war erleichtert, dass Rahor wohlbehalten zurück war, aber zugleich fühlte sie auch Angst in sich aufsteigen. Hatte Lennys etwa schon von dem Betrug erfahren? Auf halbem Weg hielt sie inne. Wenn Lennys Rahor dabei erwischte, wie er die Novizin in ihrem Privatgemach besuchte, würde sie ihre Drohung womöglich wahr machen. Trotzdem hatte Sara keinen Zweifel daran, dass der Cas sich bald mit ihr treffen würde. Und hier draußen auf ihn zu warten, war noch gefährlicher. Jeder, der zufällig vorbeikam, würde sich darüber wundern, wenn Rahor so kurz nach seiner Rückkehr ausgerechnet mit Lennys' Leibdienerin ein längeres Gespräch führte. Auch wenn sich keine Liebelei zwischen ihm und Sara anbahnte, so würde schon allein das Gerücht darüber ausreichen, um Lennys erneut zum Kochen zu bringen.

Als sie gerade den Brunnenhof überquerte, sah sie aus dem Augenwinkel Rahor in einer Nebenpforte verschwinden, die zu einer inzwischen unbenutzten Wachstube führte. Schnell folgte sie ihm.

„Hat dich jemand gesehen?“ fragte Rahor atemlos, nachdem er Sara überschwänglich begrüßt hatte.

„Nein, niemand, da bin ich mir sicher. Ich... ich habe Lennys gehört....“

„Sie tobt. Ausnahmsweise zu Recht. Immerhin war ich lange Zeit fort und sie wusste nicht, wo ich bin und warum ich Vas-Zarac überhaupt verlassen hatte. Wir befinden uns quasi im Krieg und ihr höchster Krieger macht sich einfach aus dem Staub...“

„Was hast du ihr gesagt?“

„Dass ich eine geheime Botschaft erhalten hätte über einen Aufruhr am Ostbogen. Und dass ich der Sache schnellstmöglich nachgehen wollte. Ich habe ihr erzählt, dass es alles ein Missverständnis war, ich aber mehrere Tage brauchte, um es vollständig aufzuklären.“

„Und das hat sie dir geglaubt?“ fragte Sara erstaunt.

„Ich gebe zu, die beste Entschuldigung war es nicht, aber sie kann sich wohl nicht vorstellen, dass ich sie belüge. Und du weißt, dass mir das alles andere als leicht gefallen ist.“

„Vielleicht wäre sie weniger wütend gewesen, wenn du ihr vorher schon eine Nachricht hättest zukommen lassen.“

„Das habe ich ja. Mit genau denselben Argumenten. Aber ich habe ihr keine Möglichkeit gegeben, mich zu erreichen. Ihre ganze Wut, die sie schon kurz nach meiner Abreise hatte, konnte sie erst jetzt an mir auslassen. Na, sei es drum, sie wird sich schon beruhigen. Hoffe ich jedenfalls. Aber jetzt erzähle du mir erst einmal, was hier vorgefallen ist, während ich weg war.“

Sara bemühte sich, Rahor über alles zu unterrichten, was sich in den letzten Tagen ereignet hatte. Als sie von Akoshs Rückkehr und dem Gespräch mit ihm berichtete, runzelte Rahor die Stirn.

„Tot? Der Turmposten ist tot?“

„Ja. Akosh ist überzeugt, dass er ermordet wurde.“

„Da ist er nicht der Einzige. Das stinkt doch zum Himmel. Und die Geschichte mit diesem Spielmann kommt mir auch seltsam vor. Er scheint mir recht neugierig zu sein und trotzdem will er nicht gesehen haben, ob die Rollen beschriftet waren oder nicht? Klingt, als wäre da etwas faul. Und es deckt sich auch ganz und gar nicht mit dem, was ich erfahren habe.“

„Du hattest also Erfolg?“

„Naja, ich weiß nicht, ob man das Erfolg nennen kann. Aber dazu gleich. Ist sonst noch etwas Ungewöhnliches passiert?“

„Ich bin mir nicht sicher. Afnan, der Hauptkämmerer hatte gestern einen Unfall. Es sieht so aus als wäre er gestolpert und habe sich dabei den Kopf aufgeschlagen.“

„Ist er schwer verletzt?“

„Nein, ich glaube nicht. Ich will heute abend noch einmal nach ihm sehen. Seit du weg warst, habe ich ein paar Dienstboten behandelt und jetzt darf ich mich öfter um kleinere Krankheitsfälle kümmern, weil der eigentliche Heiler ja kaum noch etwas tun kann...“

„Ja, ich habe davon gehört. Und ich freue mich, dass die anderen hier langsam vernünftig werden und dich ranlassen. Aber das mit Afnan beunruhigt mich doch. Gestolpert sagst du? Hm, mir kommt das komisch vor. Aber im Augenblick werden wir da wohl nicht viel erfahren. Ich bin nur froh, dass ihm nichts Ernsthaftes passiert ist. Er ist ein guter Kerl und eine wahrhaft treue Seele.“

„Ja, ich auch. Rahor, … da ist noch etwas. Ich weiß, es ist jetzt sicher kein guter Zeitpunkt, aber...“

„Na los, raus mit der Sprache.“

„Afnan war gestern sehr nett zu mir. Er meinte, es wäre gut, wenn… also, wenn ich bei möglichen Kämpfen einige Verletzungen versorgen könnte.“

„Da hat er sicher recht. Menrir hat das auch schon erwähnt. Er meinte, du könntest uns eine große Hilfe sein.“

„Nun ja, ich habe aber keine Erfahrung. Noch nicht einmal mit Kämpfen an sich, geschweige denn mit solchen Wunden. Afnan erzählte mir von einem Buch. Er sagte, es würde mir helfen und mich ein wenig auf das vorbereiten, was uns erwartet.“

„Ein Buch? Ein Buch soll dir helfen?“ Rahor konnte einen gewissen Spott nicht aus der Stimme verbannen. „Und was soll das für ein Buch sein?“

„Es heißt 'Von Feindes Feuern'. Ich weiß nur, dass es vom Großen Krieg handelt und dass es Fremdländern verboten ist.“

„Ich verstehe.“ erwiderte Rahor nachdenklich. „Ja, ich kenne dieses Buch. Und mit einem hat Afnan sicher recht. Es vermittelt einem Außenstehenden sicher eine gewisse Vorstellung über die Schlachten der Cycala und der Hantua. Aber mit Heilkunst hat es nicht zu tun. Es beschreibt einfach die Kämpfe, das Foltern... all die Barbarei, die damals überall Einzug hielt. Es würde dich wohl sehr erschrecken, wenn du es lesen würdest. Cycalanische Krieger lesen es während ihrer Ausbildung und es dient für jeden Sichelländer als Beispiel dafür, warum wir keinem Fremdländer trauen dürfen. Wobei ich zugeben muss, dass es einen relativ hohen Wahrheitsgehalt hat.“

„Ich würde es gern lesen.“

„Natürlich möchtest du das. Vielleicht hat Afnan recht und es hilft dir wirklich. Aber es wird dir nicht gefallen.“

„Trotzdem.“

„Also gut. Ich besorge dir das Buch. Morgen. Aber nicht aus der Festungsbibliothek, das würde zu sehr auffallen. Ich lasse es mir aus einer der Kasernen bringen.“

„Vielen Dank. Aber jetzt... jetzt erzähle bitte, was du in Zarcas ausrichten konntest. Hat das Befehlsschreiben viel Misstrauen erweckt?“

Rahor lachte.

„Machst du Witze? Misstrauen? Wenn ich nicht sicher wüsste, dass du es verfasst hast, ich hätte mein Leben darauf verwettet, dass es echt ist. Und ich kann dir versichern, ohne dieses Schreiben hätte ich nicht ein Bruchteil dessen erfahren, was mir in diesen Tagen zu Ohren gekommen ist. Trotzdem muss ich dich enttäuschen. Es gibt viele Spuren, ein paar Antworten, aber noch viel mehr Fragen. Und die Wichtigste, nämlich wer hinter allem steckt, bleibt immer noch unbeantwortet.“

Sara hatte nichts anderes erwartet. „Aber du weißt, was das für Pergamentrollen waren?“

„Eins nach dem anderen, junge Frau.“ Rahors Laune hatte sich schlagartig verbessert. Er fühlte sich nun ganz in seinem Element.

„Anfangs war es gar nicht so leicht. Ich wusste ja gar nicht, wo ich suchen sollte oder wonach. Mein einziger Anhaltspunkt war diese Zeile in der Rechnung.... ' Abholung von sechsundachtzig Pergamentrollen, Erster Tempel, Zarcas' . Keine wirklich genaue Angabe. Allein der sogenannte Erste Tempel ist ein Komplex von acht Gebäuden und jedes davon hat eigene Schreibstuben, Lager und Archive. Und wann genau dieser Handel stattgefunden hat, wusste ich ja auch nicht. Es ist auch nicht nötig, dass ich dir das jetzt alles erkläre, denn letztendlich habe ich doch die richtige Spur gefunden. Im Frühsommer, etwa drei Wochen vor Beginn der ersten Morde im Süden, hat ein Stoffhändler aus Zarcas gegen eine ungewöhnlich hohe Bezahlung die besagten sechsundachtzig Pergamentrollen mit seiner eigenen Warenlieferung bis nach Askaryan mitgenommen und dort an den inzwischen toten Turmposten übergeben. Und genau dieser Stoffhändler hat auch die Notiz verfasst, die so unverhofft in deine Hände geraten ist. Er weigert sich nämlich normalerweise, fremde Waren mitzunehmen, da er schon einmal einem Betrüger aufgesessen war. Deshalb hat er den ganzen Transport samt Preis fein säuberlich dokumentiert, zumal er ja auch die zweieinhalb Deben Gold wieder nach Zarcas zurückbringen musste. Als das Geschäft abgeschlossen war, hat er die Notiz zusammen mit seinen anderen Handelsbilanzen abgelegt. Und da dieser Stoffhändler auch Leder verkauft und somit einige Rüstungsschmiede beliefert, gelangte das Schreiben letztendlich in die von Lennys angeforderten Unterlagen. Das steht inzwischen fest.“

Sara stieß einen leisen Pfiff aus. „Also hat jemand den Stoffhändler beauftragt, die Pergamente in Zarcas aufzuladen, nach Askaryan zu bringen und die Bezahlung wieder in Zarcas abzugeben. Aber dann müsste es doch ganz leicht sein, der Sache auf den Grund zu gehen. Er weiß doch sicher, wer ihm diesen Auftrag gegeben hat?“

Rahor schüttelte den Kopf.

„Eben nicht. Also zumindest nicht direkt. Ich habe ihn ja aufgesucht – also den Stoffhändler. Er nannte mir tatsächlich einen Namen, nämlich den eines Saphirschleifers. Aber er sagte mir auch gleich, dass dieser Mann wohl auch nur ein Zwischenhändler war. Natürlich habe ich mich gleich auf die Suche nach diesem Schleifer gemacht. Und du kannst dir vielleicht denken, was ich über ihn herausgefunden habe....“

Sara schwante nichts Gutes. „Er ist tot?“

„Genau. Und das schon seit einigen Wochen. Der Mann lebte allein, hatte weder Familie noch Freunde und sein gesamter Nachlass ist längst in alle Winde verstreut.“

„Also werden wir nichts mehr über den Auftraggeber herausfinden?“

„Ich fürchte, nein. Aber ich hatte ja noch ein weiteres Ziel. Ich wollte wissen, was das für Pergamentrollen waren und wo sie genau herkamen.“

Gespannt richtete sich Sara auf. Rahors Augen glitzerten vielversprechend.

„Erst einmal das weniger Aufregende.“ Anscheinend gefiel es ihm, Sara auf die Folter zu spannen.

„Der Stoffhändler hat die Rollen am dritten Archivgebäude des Ostanbaus des Ersten Tempels abgeholt. Mit anderen Worten, genau dort, wo zum Beispiel die Grundlehren abgeschrieben werden, nach denen alle Cycala erzogen werden. Außerdem wird dort der Vertrieb der Abschriften des Vierten Mysteriums verwaltet. Das ist so etwas wie eine eigene Gesetzgebung für die Tempelpriester der ersten zehn Stämme. Ein Regelwerk.“

„Du denkst doch nicht etwa, dass jemand ein Vermögen dafür bezahlt, dass allseits bekannte Tempelregeln durch euer ganzes Land verschickt werden?“ fragte Sara ungläubig.

„Nicht so schnell, Sara, nicht so schnell....“ Rahor grinste. „Ich habe nicht gesagt, dass es dort sonst nichts Interessantes gibt.“

„Rahor, bitte...“

„Also schön. Wie du dir denken kannst, war das ja nur der leichte Teil. Hier kam dann dein... ich meine natürlich Lennys'... Befehlsschreiben ins Spiel. Ich sprach mit dem Hauptverwalter und bat ihn, mir eine Aufstellung aller in diesem Gebäude verwahrten Schriftstücke zu geben und auch eine Liste aller dort beschäftigten Priester und Schreiber. Er war natürlich in heller Aufregung und wollte unbedingt wissen, ob vielleicht etwas nicht mit rechten Dingen zuginge. Ich sagte ihm, dass es sich um eine Stichprobe handelt, und dass er nichts zu befürchten habe. Und da das Schreiben, das du aufgesetzt hast, schön allgemein formuliert hast, hat er sich damit auch zufriedengegeben.“

„Und weiter? Rahor, ich platze vor Neugier.“

„Ich weiß. Aber nicht so hastig. Die Grundlehren und die Abschriften des Vierten Mysteriums beanspruchen den Hauptteil der Räume. Aber in einem Seitenflügel ist noch eine ganz andere Abteilung beherbergt. Dort werden – natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen und etlichen Sicherheitsbestimmungen – von insgesamt drei Schreibern Kopien höchst brisanter Schriften angefertigt. Das ganze funktioniert so: Ein Priester ab dem neunten Grad – insgesamt sind das etwa hundert in ganz Cycalas – kann dort ein Dokument seiner Wahl zur Abschrift in Auftrag geben. Dies gilt aber nicht für Schriften des dreizehnten und vierzehnten Grades. Das bedeutet wiederum, das jene Schriftstücke, deren Inhalt nur dem Shaj Talmir oder seinen achtzehn Erwählten vorbehalten ist, von dieser Regelung ausgenommen sind.“

„Ich verstehe gar nichts mehr. Oder warte.... Das heißt, dass dort theoretisch jedes Dokument vorhanden gewesen sein kann, das dem neunten bis zwölften Grad gewährt wird?“

„Exakt. Ich sehe, du begreifst schnell.“

„Und diese Schreiber... haben darauf Zugriff. Weil sie sie ja kopieren.“

„Um die Schreiber müssen wir uns nicht kümmern. Die Kontrollen sind dort ausgesprochen streng und die Schreiber werden ständig überwacht. Abgesehen davon haben die Schreiber dort schon, seit es diese Abteilung gibt, immer eines gemeinsam. Sie sind alle taubstumm. Aber es ist viel einfacher. Verstehst du nicht? Jeder Priester ab dem neunten Grad kann dort ein Schriftstück seiner Wahl kopieren lassen, egal wie umfangreich es ist. Er muss es selbst hinbringen und abholen, aber was dann damit geschieht.....“

„Aber... das kann ich mir gar nicht vorstellen. Es heißt doch immer, die Schriften seien geschützt und...“

„Moment, moment,... “ Rahor hob Einhalt gebietend die Hand. „Ich sagte, die Priester können sie hinbringen, abschreiben lassen und wieder mitnehmen. Das hat nichts damit zu tun, dass sie sie nicht so einfach aus ihrem Herkunftstempel entwenden können. Natürlich gibt es dort ganz andere Sicherheitsregelungen. Aber grundsätzlich musste ich davon ausgehen, dass unsere sechsundachtzig Rollen jeden nur erdenklichen Text zwischen dem neunten und dem zwölften Grad beinhalten könnten.“

„Also wissen wir immer noch nichts. Das sind doch sicher unendlich viele Möglichkeiten.“

„Ja leider. Aber wäre ich mit diesem Wissen zufrieden gewesen, wäre ich schon vor vier Tagen zurück gewesen.“

„Du hast also noch mehr erfahren?“

„Nun, zuerst muss ich dir erklären, dass unser System der Weihen, Grade, Erwählten und allem was dazu gehört, sehr komplex ist. Bei den Dienern des Himmels sind, wie du jetzt weißt, vierzehn Grade der Weihe vorgesehen, von denen der höchste Grad, der vierzehnte, allein durch Talmir eingenommen wird. Aber du weißt ebenso gut wie ich, dass es bei Cycalas' Priestern eine Ausnahme gibt. Eine Abspaltung sozusagen.“

„Die Batí?“

„Die Batí. Sie sind der elfte Stamm. Und um daran zu erinnern, haben sie die Anzahl ihrer Grade geändert. Nicht vierzehn, sondern....“

„Elf.“

„So ist es. Und das bedeutet...“ Doch Sara führte Rahors Satz zu Ende.

„Das bedeutet, dass die Batí all ihre Schriften bis hin zu denen, die nur der Shaj lesen darf, in diesem Tempel hätten kopieren können.“

„Der Shaj? Ja... der hat natürlich auf alles Zugriff. Aber der höchste Grad der Batí wird nicht durch Talmir bekleidet. Die Batí sind eine Art eigene Gruppierung, wenn es um ihren Glauben geht. Sie sehen nicht Talmir als ihr Oberhaupt an.“

„Mondor?“

Rahor nickte. „Ich will ihn nicht zu früh verdächtigen. Aber Mondor, der im übrigen in der Gesamtstruktur dem dreizehnten Grad zugehört, ist innerhalb der Batí-Gruppe der alleinige Inhaber des elften Grades und somit - abgesehen von Talmir – der einzige, der auf restlos alle Batí-Schriften Zugriff hat.“

„Aber das ist doch kein Beweis, oder? Ich meine, wir wissen nur, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, Abschriften anfertigen zu lassen. Aber wozu sollte er das tun? Er könnte die Kopien selbst verfassen, oben im Norden! Er muss doch niemandem Rechenschaft ablegen. Außerdem dachte ich, er hat die Nordwälder seit Jahren nicht verlassen.“

„Das ist richtig. Aber eine Abschrift von sechsundachtzig Rollen nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Und gerade was die alten Dokumente angeht, sind die Originale oft nur mühsam zu lesen. Eine entsetzliche Arbeit. Der Verwalter des Ersten Tempels bestätigte mir, dass eine originalgetreue Kopie diesen Umfangs je nach Zustand des Quellmaterials zwischen drei und vier Wochen Zeit in Anspruch nehmen kann. Glaubst du, ein hochrangiger Priester setzt sich vier Wochen hin um alte Texte abzuschreiben, wenn er diese Aufgabe völlig legitim jemand anderem übertragen kann?“

„Ja, das mag schon sein, aber Mondor ist doch nicht in den Süden gereist. Oder doch? Aber dann könnte man sich doch an ihn erinnern! Und… und man wüsste es doch, wenn Batí-Schriften kopiert worden wären.“

„Nein, eben nicht! Ich habe es selbst nicht glauben wollen, aber es gibt in diesem ach-so-gut organisierten Tempel nicht einen einzigen Nachweis über die gefertigten Kopien. Nur der Auftraggeber allein ist dafür verantwortlich und nur er prüft das Ergebnis. Ist er zufrieden, nimmt er die fertigen Kopien mit und in dem Moment, in dem sie den Tempel verlassen, ist es, als wären sie nie dort gewesen. Und den Schreibern ist es bei Todesstrafe verboten, jemand anderen über den Inhalt ihrer Arbeit zu informieren.“

„Also selbst, wenn sich ein Schreiber daran erinnert, dass er im Frühling oder Sommer sechsundachtzig Rollen Pergament kopiert hat... und selbst wenn er noch wüsste, was sie für einen Inhalt hatten und wer sie im übergeben hat.... würden wir es nie erfahren?“

„Nicht, wenn er den nächsten Tag noch erleben will.“

„Auch nicht, wenn Lennys....?“

„Lennys würde sich nie über dieses Gesetz erheben. Zumal sie ja immer noch den Gedanken an einen Verräter verweigert.“

„Und Talmir?“

„Talmir könnte vielleicht tatsächlich etwas ausrichten. Aber solange wir nicht absolut sicher sind, dass er nichts mit der Sache zu tun hat, möchte ich ihn ungern darauf aufmerksam machen, was wir für einen Verdacht haben.“

„Glaubst du wirklich, Talmir könnte dieser Auftraggeber sein?“

„Vielleicht. Oder zumindest mehr darüber wissen. Nein, ich glaube es nicht wirklich. Aber wir können es nicht ausschließen. Ebenso wenig wie Mondor, wobei ich mir auch nicht vorstellen kann, dass ein Batí-Priester sich gegen sein eigenes Volk stellt. Er am allerwenigsten. Aber denk an Wandans Worte. Traue keinem.“

„Also sind wir keinen Schritt weiter.“

Irgendetwas an Rahors Gesicht sagte Sara, dass er noch nicht alles erzählt hatte.

„Also gut... ich will nicht länger drumherum reden.“ gab er schließlich zu. „Nur eines vorneweg: Wer hinter allem steckt, weiß ich immer noch nicht sicher. Aber ich glaube zu wissen, um welche Schriftstücke es sich handelt.“

„Was? Aber... wie....?“

„Du hast genauso kompliziert gedacht, wie ich Sara. All die Tage drehten sich meine Gedanken nur darum, wie wir die Schreiber zum Reden oder vielmehr zum Schreiben bringen könnten, denn wie gesagt, sie sind taubstumm. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, wie wir an den Inhalt dieser Kopien kommen könnten. Und habe – wie du im Moment auch – das Offensichtlichste übersehen. Bis es mir eines Abends wie Schuppen von den Augen fiel.“

„Aber... aber was denn?“

„Warum nach den Kopien fahnden? Entscheidend ist doch... das Original.“

„Ich sehe da keinen Unterschied.“

„Dann ganz langsam. Die Abschriften werden absolut originalgetreu ausgeführt. Das sagte ich ja bereits.“

„Ja.“

„Wir gehen davon aus, dass wir es mit einer Kopie von sechsundachtzig Pergamentbögen zu tun haben, die nach Askaryan verkauft wurde. Richtig?“

„Ja.“

„Und was sagt uns das?“

„Nichts. Nur, dass irgendwo ein Original aus sechsund.... das... das ist es.“ Endlich begriff auch Sara.

„Na also!“ Rahor strahlte. „Es gibt unzählige alter Texte, Abhandlungen, Bücher... Aber nur sehr, sehr wenige, die aus genau sechsundachtzig Bögen bestehen.“

„Wie viele?“

„Acht. Aber nur drei davon fallen zwischen den neunten und den zwölften Grad.“

„Und.... welche....?“

Rahor wurde plötzlich sehr ernst. Sein Enthusiasmus verschwand hinter einer Maske aus Stein.

„Sara. Das ist ein Geheimnis, dass ich dir unter normalen Umständen niemals verraten dürfte. Du darfst nicht wissen, welche Geheimnisse in unseren Archiven lagern, noch nicht einmal durch eine vage Beschreibung. Und natürlich sage ich es dir doch. Du sollst nur wissen, dass du mit niemandem darüber sprechen darfst.“

„Ich verspreche es.“

„Gut. Die erste Niederschrift ist die harmloseste. Ich glaube auch nicht, dass sie unser gesuchtes Dokument ist. Es ist eine genaue Beschreibung der Zeremonie zur Erhebung eines Priesters in den zehnten Grad.“

„Damit könnte Iandal nichts anfangen.“

„Nein, nicht wirklich. Aber die anderen beiden.... sind Dokumente aus dem Archiv des... des elften Batí-Grades.“

Sara machte große Augen. Doch sie bezähmte ihre Neugier noch einen Moment. „Woher … woher weißt du das?“

„Ich bin ein Batí, wie du weißt. Natürlich kein Priester, schon gar nicht des elften Grades. Aber ich habe eine Möglichkeit gefunden, ein Schriftenverzeichnis unseres Kultes einzusehen. Darin sind nur Titel und Umfang aufgelistet, aber das genügte. Du kannst dir wohl denken, dass ich nicht ganz... nun ja... ich würde dafür mit meinem Leben bezahlen, wenn jemand herausfindet, dass und wie ich an das Verzeichnis gekommen bin, also sage ich jetzt lieber nichts.“

„Was sind das für Schriften?“

„Zum einen ein Stammbaum. Ein Stammbaum der Batí-Linien. Nicht aller natürlich.“

„Was sollte Iandal damit?“

„Nun, …er ist ein Batí-Halbblut, musst du wissen. Vielleicht wollte er Nachforschungen über seine Herkunft anstellen. Ich persönlich aber glaube das nicht. Ich glaube, er hat es auf das andere Schriftstück abgesehen.“

„Und das ist …?“

„Es ist ein Buch. Eine Art Prophezeihung, die eine Anleitung enthält. Es ist so alt wie unser Volk selbst. Die ersten Priester haben es geschrieben und niemand weiß, wie viel Wahrheit es wirklich enthält. Aber wenn es wahr ist....“ Er schluckte. Zum ersten Mal seit sie Rahor kannte, sah Sara so etwas wie Furcht in seinen Augen.

„Rahor?“

„..... Es ist die genaue Beschreibung eines Rituals.“

„Des Rituals in Sagun?“

„Nein. Es beschreibt wie man.... wie man sich als einzelner Krieger mit Ash-Zaharr vereinigen kann...“

„Vereinigen?“

„Ein Mensch... mit Ash-Zaharrs Stärke. Mit seiner Macht... seinem Geist.“

„So etwas wie... Besessenheit?“

„Nenn es so, wenn du dir darunter etwas vorstellen kannst. Es wäre... die absolute Kontrolle, verstehst du? Die absolute Kontrolle von Ash-Zaharrs Kräften. Es befähigt den Ausführenden, den Dämon voll und ganz auf seine Seite zu bringen.“

Bei der Ratsversammlung am Nachmittag war die Stimmung denkbar schlecht. Lennys war immer noch wütend wegen Rahors langem Verschwinden. Rahor selbst war tief in Gedanken versunken, ebenso Sara. Beide dachten daran, welche Gefahr dem Sichelland drohte, wenn sich ihre Vermutung bestätigen sollte. Auch Menrir machte ein betrübtes Gesicht. Sein Sohn Log hatte ihn wissen lassen, dass er an keinerlei weiteren Gesprächen Interesse hatte und riet seinem Vater zudem, im eigenen Interesse die Bande zu den Cycala zu kappen. Zu guter Letzt kam es auch noch zu einem neuerlichen Streit zwischen Talmir und Mondor, dessen eigentlichen Auslöser niemand so recht kannte.

Die einzigen, die an diesem Tage nicht am Treffen im Großen Saal teilnahmen, waren der alte Cas Faragyl, der sich vor einigen Tagen zum Ostbogen aufgemacht hatte und Wandan, der ja ohnehin lieber zurückgezogen in seinem Turm blieb.

Sara und Rahor hatten lange beratschlagt, inwieweit sie Lennys vom Ergebnis ihrer Nachforschungen in Kenntnis setzen wollten. Doch so bedrohlich die Situation auch sein mochte, sie hatten einen guten Grund, ihr Wissen vorerst noch für sich zu behalten.

„Lennys würde sofort Mondor zu Rate ziehen.“ hatte Rahor eingewandt. „Und ich weiß nicht, ob das im Augenblick eine gute Idee wäre. Du weißt, dass sie nicht an einen Verräter glaubt. Wir müssen zuerst mehr über dieses Buch herausfinden und auch über den, der es Iandal verkauft hat. Solange wir keine Beweise haben, wird sie uns keinen Glauben schenken.“

Sara hatte dem Cas Recht gegeben. Hinzu kam, dass vorerst noch niemand, nicht einmal Lennys, wissen durfte, dass Rahor seine eigenen Wege ging, auch wenn er dies nur zum Wohle seines Landes tat.

So wurde auch heute nicht mehr über die Pergamentlieferung gesprochen, von der ohnehin kaum jemand wusste. Stattdessen standen Imra und Akosh im Mittelpunkt der Sitzung.

„Die Nachrichten aus Goriol und Manatara sind eindeutig.“ berichtete der Schmied. „Solange sie keine anderslautenden Befehle bekommen, werden die Cycala, die noch dort leben, weiter die Stellung halten. Was die Vermissten angeht, gibt es sowohl gute als auch schlechte Nachrichten. Etwa die Hälfte ist inzwischen gesichtet worden, einige haben sogar schon Askaryan erreicht. Imra wird gleich Näheres dazu zu sagen haben. Was die anderen betrifft, so wurden drei tot aufgefunden, leider ist uns noch nichts Näheres bekannt. Vom Rest fehlt jede Spur.“ Er nickte Imra zu, der sich daraufhin erhob.

„Ich habe heute morgen mit einigen Cycala gesprochen, die es über den Westbogen geschafft haben. Eine Gruppe von sieben, zwei Männer, vier Frauen und ein Kind. Sie kamen aus Elmenfall und Thau und wären im Gebirge bei einem Sturm fast ums Leben gekommen. Aber trotzdem sind sie so schnell wie möglich bis nach Semon-Sey weitergezogen, um uns einige Neuigkeiten zu überbringen.“

„Und die wären?“

„Sie haben aus der Ferne zwei größere Hantua-Gruppen beobachtet, die auf dem Weg ins Verlassene Land waren. Offensichtlich ist Iandal dabei, seine Festung zu verstärken, was uns ja nicht weiter überrascht. Aber nach allem, was ich inzwischen gehört habe, scheint er recht überlegt zu handeln. Er hat die Hantua fest im Griff und versteht es, sie zu führen. Schon allein die Tatsache, dass sie nun auch in größeren Verbänden umherziehen, sollte uns eine Warnung sein. Einige Überlebende aus Orio, die bisher in Zrundir Unterschlupf gefunden hatten, bekleiden nun hohe Ränge im Heer und sorgen für eine gewisse Struktur. Allerdings ist es schwer, Genaueres zu erfahren. Sie halten sich gut versteckt, lassen sich kaum noch belauschen und behalten ihre Umgebung besser im Auge, als wir es von ihnen gewohnt sind. Ich habe mich zudem über ihre Versorgungsmöglichkeiten erkundigt. Dass sie ihre Vorräte in Thau aufgefrischt haben, war keine Ausnahme. Es sieht aber ganz danach aus, dass sie alles, was sie sonst benötigen, direkt aus Zrundir mitbringen oder zumindest dafür sorgen, dass sie im Verlassenen Land unabhängig sind. Sie haben zum Beispiel nicht nur Nahrung in Thau gekauft, sondern auch Saatgut. Und einer der zurückgekehrten Cycala behauptet steif und fest, dass eine der beiden großen Gruppen auch Tiere mitgebracht hat. Keine toten, sondern lebendige Hühner und Schafe. Außerdem will er einen Wagen mit Werkzeugen und einem Amboss gesehen haben.“

„Die Hantua als Bauern, Hirten und Handwerker?“ erwiderte Lennys spöttisch. „So ein Unsinn. Es sind Verbrecher. Plumpe Diebe, Mörder, Plünderer. Sie stehlen, was sie brauchen, aber mehr kann man von ihnen nicht erwarten.“

„Nun ja...“ antwortete Imra zögernd. „Das ist natürlich richtig. Die Hantua haben kein Talent für Ackerbau. Aber die Flüchtlinge Orios haben durchaus Kenntnisse von solchen Dingen. Und wenn Iandals Leute tatsächlich über einen längeren Zeitraum überleben wollen, haben sie eigentlich kaum eine andere Wahl. Es bleibt ihnen ja nur Thau und vielleicht noch Gahl, aber dort alles zu stehlen, was sie brauchen, wird schwierig. Sie wollen auch nicht zu unangenehm auffallen, weil sie ja darauf spekulieren, dass ihnen das Mittelland den Rücken stärkt.“

„Und sie können ihre wahre Schlagkraft besser verbergen.“ fügte Akosh hinzu. „Wer weiß schon, was sie mit diesen Werkzeugen herstellen? Wir haben keinerlei Einblick mehr. Wenn wir Oras noch einmal einschleusen könnten...“

„Du weißt, dass das nicht geht!“ fuhr Lennys dazwischen. „Oras ist mit uns aus der Festung verschwunden, er hat uns geholfen, zu entkommen! Kein Hantua wäre so dumm, ihm noch einmal zu glauben, von Iandal ganz zu schweigen.“

„Und wenn wir jemand anders....“

„Nein. Wir kämpfen offen. Lügen und Verrat zeichnen Zrundir aus, aber nicht uns.“

„Aber wir müssen doch alles versuchen, um an mehr Informationen zu kommen!“ meldete sich nun erstmals auch Rahor zu Wort. „Wir können es uns nicht leisten, im Unklaren zu bleiben, Zrundir hat uns in letzter Zeit schon zu viele unangenehme Überraschungen bereitet!“

„Wer redet davon, dass wir den Kopf in den Sand stecken sollen?“ fauchte Lennys zurück. „Und da du ja ein besonderes Interesse daran zu haben scheinst, wirst du dich auch darum kümmern! Du wirst dir geeignete Kämpfer suchen und sie ins alte Orio schicken! Sie sollen sich dort umsehen und uns umfassend Bericht erstatten.“

„Aber das Verlassene Land ist voll von Hantua! Sie kämen keine hundert Schritt weit ohne bemerkt zu werden!“

Lennys' Blick wurde eisig und sie senkte ihre Stimme zu einem gefährlichen Flüstern.

„Dann, mein verehrter Rahor, wirst du dafür sorgen, dass genau das nicht geschieht. Bist du nicht der oberste Cas? Bist du nicht besser als jeder andere darin geübt, unerkannt an die Feinde heranzukommen, so dass du sogar ihren Atem riechen kannst? Bist nicht du ein Sichelkämpfer, der im Falle eines Entdecktwerdens ein halbes Dutzend Hantua allein erschlagen kann?“

„Aber....“

„Du traust deinen eigenen Kriegern nicht zu, dass sie diesen Auftrag ausführen können?“

„Doch, aber das Risiko...“

„Hast du Angst, Rahor?“ Ihre Augen glitzerten gefährlich. Rahor richtete sich auf und sein Mund wurde schmal.

„Nein, ich habe keine Angst.“

„Dann wirst du deine Einheit anführen. Du hast mir ja bereits bewiesen, dass man hier gut ohne dich zurecht kommt.“

Rahor erstarrte.

„Du willst, dass ich ins Verlassene Land gehe? Nur mit einer Handvoll Krieger? Um Iandal auszuspionieren?“

„Genau das. Und zwar umgehend. Der Rat braucht dich nicht.“

„Aber...“

„Geh!“

Im Großen Saal herrschte betretenes Schweigen. Niemand wagte es, Rahor oder Lennys anzusehen und der oberste Cas selbst schien noch nicht fassen zu können, welchen Befehl er da gerade erhalten hatte.

„Aber … das geht doch nicht...“ Alle Köpfe wirbelten zu Sara herum. In Lennys' Blick spiegelte sich Fassungslosigkeit.

„Was hast du gesagt?“ fragte sie ungläubig.

Sara überlegte einen Moment, ob sie sich für die Entgleisung entschuldigen sollte, aber dann entschied sie sich dagegen. Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, stand sie auf und versuchte, nicht auf Lennys' zornige Miene zu achten.

„Rahor ist euer oberster Cas. Er beschützt euch und das ganze Land. Ihr könnt doch nicht einfach euren besten Krieger fortschicken, noch dazu mit einem Auftrag, der ihn in den sicheren Tod führt! Ihr ward selbst im Verlassenen Land und ohne Oras wären wir nie von dort entkommen! Aber jetzt sind hunderte Hantua da, es wäre reiner Selbstmord...“

„Halt den Mund!“ Lennys' Stuhl knallte auf den Boden, als sie aufsprang. Sie schäumte vor Wut.

„Was glaubst du, wer du bist? Du wagst es, meine Befehle anzuzweifeln? Du willst mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe? Du, eine Fremdländerin, die selbst kaum zur Klinge gegriffen hat? Für diesen Rat bist du nichts weiter als eine Shiq! Nur weil Mondor es so wollte, bist du überhaupt hier! Wie kommst du dazu, dich in die Angelegenheiten eines Volkes zu mischen, dessen einfachste Handwerker dir schon weit überlegen sind?“

„Ich sage nur, was hier alle denken! Und nur, weil die anderen es nicht aussprechen..“

„Das reicht!!! Verschwinde, geh mir aus den Augen! Wenn dir soviel an Rahors Leben liegt, dann begleite ihn! Du kannst ihn sicher gegen ganz Zrundir beschützen! Ich will dich hier nicht mehr sehen!“

Sara presste die Lippen zusammen, rührte sich aber nicht von der Stelle. Dafür schaltete sich Menrir ein.

„Lennys, ich bitte dich! Du kannst Sara doch nicht einfach so hinauswerfen, nur weil sie sich Sorgen um die Sicherheit eines Cas macht! Nach allem, was sie für uns getan hat...“

„Was sie für uns getan hat?“

Sara war sich sicher, Lennys würde jeden Moment Feuer spucken.

„Für uns? Was hat sie denn getan? Was? Ist es die Blindheit des Alters, die dich geschlagen hat? Oder liegt es daran, dass du Gefallen an jungen Frauen findest? Solange sie sich innerhalb der Grenzen Cycalas' befindet, wird sie tun, was ich sage! Und für dich gilt dasselbe!“

Niemand wagte mehr, ihr zu widersprechen, nur Sara warf Rahor einen besorgten Blick zu, den Lennys sofort auffing.

„Es hat gute Gründe, warum sich die Cas von den Dienstboten fernhalten sollen.“ fauchte sie Rahor an. „Umso besser, wenn du für eine Weile in den Süden gehst! Nimm sie mit oder lass es bleiben! Hauptsache, ihr geht mir aus den Augen! Und jetzt raus!“

„Und du glaubst, es war eine gute Idee?“

Hoch oben im Westturm hatte es sich Wandan auf einem brokatbezogenen Sessel bequem gemacht, der dem sonst eher nüchternen cycalanischen Stil widersprach. Eigentlich hielt der alte Krieger nicht viel von Prunk und Bequemlichkeit, doch der sichelländische Winter ließ oft seine Knochen schmerzen. Oben in den Wäldern machte ihm das nicht viel aus, da wusste er sich schon mit der einen oder anderen Medizin zu helfen. Aber jetzt, da er in der Burg Vas-Zarac zu Gast war, wollte er nicht über die Maßen trinken oder zu viel jener Kräuter zu sich nehmen, die ein allgemeines Wohlgefühl auslösten. Umso mehr wusste er das warme Kaminfeuer und die weichen Polster zu schätzen und so hatte er kein schlechtes Gewissen, als ein Diener ihm das Turmzimmer ungewöhnlich üppig eingerichtet hatte.

„Wen kümmert das schon? Sie müssen lernen, dass es hier immer noch Regeln gibt, an die sie sich zu halten haben. Hier tut doch inzwischen jeder was er will!“

Lennys hatte Wandan nicht besucht, weil sie eine Hilfe oder eine Bestätigung erwartet hätte. Sie wollte eigentlich nur weg von den ständig aufgebrachten Ratsmitgliedern, mit denen sie sich auch heute wieder über Stunden hatte befassen müssen. Am liebsten hätte sie sich ganz allein in ihr Gemach zurückgezogen, aber sie konnte es sich nicht erlauben, untätig herumzusitzen. Also hatte sie Wandan aufgesucht, der zumindest eine gute Menschenkenntnis besaß und – und das unterschied ihn von den meisten – nichts nur zu seinem eigenen Vorteil tat. Mit ihm konnte sie vielleicht besser in die Zukunft planen.

„Nur, wenn du sie lässt.“ lächelte Wandan. „Und eigentlich schätzt du es doch, wenn sie selbst die Initiative ergreifen. Und auch, wenn sie ehrlich sind und sich nicht in Schmeicheleien verlieren.“

„Sie vergessen, wo sie sind! Und wen sie vor sich haben! So etwas werde ich niemals dulden!“ Noch immer konnte die Cycala ihren Zorn kaum bändigen. „Wenn sie sich nicht zu benehmen wissen, brauche ich sie nicht!“

Wandan jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Und deshalb schickst du Rahor ins Verlassene Land? Weil er über die Stränge schlägt? Ist das nicht eher eine Strafmaßnahme für junge Säbelschüler? Zumindest, wenn man davon absieht, dass er wahrscheinlich nicht zurückkehrt?“

„Du hörst dich an wie diese Mittelländerin!“

„Diese Mittelländerin wurde bis vor kurzem noch von dir bei ihrem Namen genannt. Und ich fürchte, ich muss Sara recht geben. Inmitten der Kriegsvorbereitungen den höchsten Kämpfer des Landes – von dir natürlich abgesehen – mit dem Auftrag eines Kundschafters fortzuschicken, ist vielleicht nicht unbedingt das, was man als besonders nachvollziehbar bezeichnen könnte.“

„Was soll ich mit einem Krieger, der nur um eine Dienstbotin herumscharwenzelt und dann wieder für mehrere Tage unauffindbar ist? Ein solcher Cas ist nutzlos! Da kann er ebenso gut im Süden verschwinden!“

„Aber das willst du nicht wirklich. Du willst gar nicht, dass er verschwindet. Du willst ihm nur eine Lehre erteilen. Und Sara auch. Du solltest nur darüber nachdenken, ob dir diese Lehre so viel wert ist, dass du dafür auch seinen Tod in Kauf nehmen würdest.“

„An meiner Entscheidung gibt es keinen Zweifel mehr. Rahor wird ins Verlassene Land gehen. Und er wird alles tun, um an Informationen über Iandal zu kommen oder aber er wird bei dem Versuch sterben.“

„Du bist hart.“ Es klang nicht vorwurfsvoll. „Aber ich kann dich verstehen, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Rahor ist ein guter Mann. Du kannst dich auf ihn verlassen. Dass er einfach ein paar Tage verschwunden war, ohne dich über den Grund zu informieren, war natürlich ein Fehler. Aber er wusste sicher, was er tat und anscheinend war ihm die Reise so wichtig, dass er das Risiko einer Zurechtweisung dafür gern in Kauf genommen hat. Wer weiß, vielleicht ist es gerade jene Verantwortung, die er für sein Tun übernimmt, die irgendwann noch eine entscheidende Rolle spielen wird.“

„Für sein Verhalten gibt es keine Entschuldigung."

"Was nicht bedeutet, dass ich diese Art von Strafe gutheißen kann.“

Lennys zuckte gleichgültig die Achseln.

„Das musst du auch nicht.“ Sie griff nach einer Flasche manatarischen Rums, den sich Wandan hatte bringen lassen. Nachdenklich betrachtete sie das Siegel. „Du trinkst dieses fremdländische Zeug?“

„Nicht alles, was von anderen Völkern kommt, ist schlecht.“

„Früher oder später stellt sich aber heraus, dass es überflüssig ist.“ Sie zog den Korken heraus und trank einige Schlucke.

„Spielst du auf Sara an?“ fragte Wandan vorsichtig.

„Ich spiele auf überhaupt nichts an. Ich hätte sie dort lassen sollen, wo sie herkommt. Im Nebeltempel oder sonstwo. Hier ist eine andere Welt und sie gehört nicht hierher. Du hättest sie hören sollen vor dem Rat. Hat sich benommen, als könne sie offen ihre Meinung sagen.“

„Und warum kann sie das nicht? War es nicht gerade diese Eigenschaft, die du sonst an ihr besonders geschätzt hast?“

„Sie hat nicht die geringste Ahnung! Weder von Krieg, noch von den Hantua, noch von Cycalas! Dass sie jetzt plötzlich um Rahor besorgt ist, zeigt erst recht, dass sie dem allen nicht gewachsen ist. Wie wird sie erst reagieren, wenn diejenigen, die sie als Freunde bezeichnet, abgeschlachtet vor ihr im Dreck liegen und ihr Blut den Boden tränkt? Es war ein Fehler, sie zu den Sitzungen zu holen und ich werde ihn sicher nicht noch einmal machen!“

„Und willst du auch wirklich, dass sie Rahor begleitet?“

„Es ist mir egal, was sie tut, Hauptsache, sie hält sich von mir fern. Und ich habe auch keine Lust mehr, weiter über sie oder Rahor zu reden.“

Wandan nickte. „Ich weiß. Und ich weiß auch, warum du eigentlich gekommen bist.“

„Und ich weiß, dass du mir nicht sagen wirst, was ich wissen will.“

„Alles ist nur sehr vage. Es sind Ahnungen, zu sehr in einen Nebel gehüllt, als dass ich sie richtig greifen könnte.“

„Bisher waren deine Ahnungen sehr zuverlässig.“

„Du kannst mir befehlen, meine Gedanken mit dir zu teilen. Aber ich bitte dich, es nicht zu tun. Ich bin überzeugt, dass sich das Schicksal nicht abwenden lässt, alles ist vorbestimmt und die Entscheidungen, die die Zukunft beeinflussen, sind schon getroffen. Es ist nicht mehr zu ändern.“

„Trotzdem sprichst du mit anderen darüber.“

„Ich tue nur das, was ich als notwendig erachte. Du bist in der Lage, die Geschicke dieses Landes zu lenken, ganz ohne meine Ratschläge. Andere müssen erst zu dem einen oder anderen Schritt ermutigt werden.“

Lennys musterte den alten Cas nachdenklich. Ein Verdacht stieg in ihr auf.

„Bist du etwa dafür verantwortlich, dass Rahor einige Tage lang verschwunden war?“

„Nein...“ lächelte Wandan. „Verantwortlich für sein Handeln ist Rahor allein und niemand sonst. Aber vielleicht ist er nach seinem Gespräch mit mir ein wenig selbständiger geworden. Ich kann niemanden dazu bringen, gegen seine Überzeugung zu handeln. Ich kann Menschen nur manchmal ein wenig klarer sehen lassen.“

„Du hast dich sehr verändert.“ Es klang nicht wie ein Kompliment.

„Die Einsamkeit des Waldes bewirkt in jedem eine Veränderung. Und auch das Alter. Sieh mich an, Herrin Cycalas'. Ich bin gerade erst fünfzig geworden, doch in den Augen der Kämpfer bin ich ein alter Mann. Ich sehe aus wie siebzig, bewege mich wie achtzig und fühle mich als wäre ich hundert. Und ich weiß nicht, was mich mehr hat altern lassen, die wenigen Monate des Krieges, in denen ich so viel Leid sah oder die zwölf Jahre der Abgeschiedenheit, in denen ich alles in meinem Kopf wieder und wieder erlebt habe.“

„Niemand stellt deine Taten in Abrede.“

Jetzt lachte Wandan. „Nein, aber im Grunde sind sie nichts Besonderes. Ich habe nur den Eid erfüllt, den jeder Cas ablegen muss. Und ich bin auch gewiss nichts Besonders. Es ist eine große Ehre für mich, dass die hohe Shaj meinen Worten eine Bedeutung beimisst und dass sie mich hier aufsucht, um über Dinge zu sprechen, die sie doch eigentlich mit Männern wie Talmir oder Rahor bereden sollte. Doch wäre die Shaj auch bereit, auf einen einfachen Ratschlag zu hören, den ich ihr gebe? Einen Ratschlag, der ihrem Willen und ihrer Überzeugung mehr entgegensteht als die Sonne dem Mond?“

Mit der Rumflasche in der Hand ließ sich Lennys auf einen zweiten Sessel sinken, hinter dem sie die ganze Zeit nur auf und ab gegangen war. Sie hasste es, belehrt zu werden, aber Wandan war jemand, dem sie nicht ohne Weiteres das Wort verweigern wollte.

„Ich höre.“

„Das kann sie nicht machen! Ich glaube das einfach nicht!“

„Sara, bitte beruhige dich.“ Rahor saß mit bekümmertem Gesicht vor einer großen Karte des Mittellandes, während die Novizin so ungehalten vor sich hin fluchte, wie er es sonst nur von seiner Herrin, der Shaj kannte. Sie hatten sich in ein kleines Schreibzimmer zurückgezogen, das unweit der Cas-Quartiere lag.

„Mich beruhigen? Wie kann sie so etwas tun? Wie kann sie dich ins Mittelland schicken, gerade jetzt?“

„Wie sie es kann? Sie ist die Shaj, deshalb kann sie es.“

„Und du tust es!“

Rahor seufzte. „Sara, ich habe gar keine andere Wahl. Ich kann hinter ihrem Rücken nach Zarcas gehen und Tempel durchsuchen. Ich kann mit Wandan und dir über Verräter sprechen. Und vieles mehr. Aber ich kann und werde mich nicht gegen ihre Befehle stellen. Niemals. Ich habe einen Eid geleistet!“

„Aber nicht nur diesen einen.“

„Nein. Ich habe auch geschworen, die Shaj und mein Land mit dem Leben zu beschützen. Für sie zu sterben, wenn es nötig ist und ihr Blut über meines zu stellen. Aber ich bin nicht allein. Es gibt acht weitere Cas, die genauso...“

„Sie sind nicht genauso zuverlässig! Zumindest können wir uns dessen nicht sicher sein. Hast du vergessen, was Wandan gesagt hat? Traue niemandem!“

Rahor stand auf und fasste Sara bei den Schulten. Mit seinen schwarzen Augen sah er sie so ernst an, dass sie augenblicklich verstummte. „Hör mir jetzt gut zu. Ich werde mich nicht des Ungehorsams schuldig machen. Niemals. Wie du vor dem Rat und vor ihr gesprochen hast, war sehr mutig. Ich werde dir das nie vergessen. Aber von jetzt an musst du sehr vorsichtig sein. Du darfst nicht auffallen, musst dich im Hintergrund halten. Nur so kannst du das herausfinden, was wirklich wichtig ist, ohne das Misstrauen anderer zu erwecken. Du hast schon so viel erreicht, einige Sichelländer fangen sogar an, dich richtig zu mögen. Das ist deine Stärke und die musst du ausnutzen. Wer weiß, wofür meine Reise noch gut sein wird. Aber jetzt hängt erst einmal alles allein von dir ab. Du wirst es schwer haben, aber mach nicht den Fehler, dich jemand anderem als Wandan anzuvertrauen. Er wird dir helfen, wenn du einen Rat brauchst, aber mehr kannst du von ihm kaum erwarten. Ich weiß, du würdest gern Menrir oder Akosh oder Imra einweihen, aber denk an Wandans Worte. Du allein kannst mehr bewegen, als dir bewusst ist. Rufe dir alle Möglichkeiten ins Gedächtnis, die du hast. Du bist keine Cycala und hast kaum Rechte in diesem Land. Aber überlege dir, ob deine Herkunft nicht auch ein Vorteil sein kann. Sei wachsam, Sara und enttäusche mich nicht. Du bist wütend auf Lennys und das kann ich verstehen. Aber du darfst sie und unserer Land jetzt nicht im Stich lassen.“

„Das werde ich ganz sicher nicht.“

„Gut. Und bevor ich es vergesse, muss ich dir noch etwas geben. Wir hatten darüber gesprochen, du erinnerst dich sicher.“ Mit diesen Worten reichte er Sara ein abgegriffenes Buch, dessen Ledereinband reichlich schäbig aussah. Die Buchstaben darauf waren schon halb verblichen, doch schließlich konnte Sara die Worte „Von Feindes Feuern“ entziffern.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir das hier jetzt noch weiterhilft....“

Doch Rahor schüttelte den Kopf.

„So darfst du nicht denken. Lies es. Es wird Zeit, dass du das spärliche Wissen, das in deinem Tempel gelehrt wurde, erweiterst. Ich werde zurückkommen. Und wir werden alles dafür tun, diese Verbrechen und vielleicht sogar den Krieg zu beenden. Aber dazu musst du auch wissen, wogegen du kämpfst. Und wofür.“

Sichelland

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