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Vorwort

Dieses Buch ist für alle Männer, die von Ihren Müttern erzogen wurden. Und für ihre Schwestern, denen, die ihre männliche Seite kennen oder kennen lernen und für die, die nur mal wieder ‘ nen Kerl im Bett wollen. Und für Männer, die sich nicht sicher sind, was und wer sie eigentlich sind. Für die ganz besonders. Man hat nicht viel Zeit und eine wissenschaftliche Studie würde ich wohl nicht lesen. Also hab ich auch keine geschrieben.

Diese Gedankensammlung ist in kurze, knackige Kapitel unterteilt, Schlaglichter und Denkanstöße. Aus meiner persönlichen Sicht. Ich bin Teil dieser Gruppe der Suchenden. Die sich der eigenen Identität als Mann nicht bewusst waren. Derer, denen zwischen den Rollenvorbildern unserer Väter und denen unserer Schwestern irgendwann die Luft ausgegangen ist. Die sich zurückgezogen haben auf ein Selbstverständnis, das sie selbst belustigt als Frauenversteher wahrnehmen. Witze darüber machen. Und dennoch eigentlich keinen besseren Vorschlag haben. In Beziehungen zu anderen Menschen, die eigene Position eher über Sachfragen, als über Sein und Identität festmachen und daher … sehr verloren da stehen. Sehr undefiniert sind. Im Angesicht einer starken post-emanzipatorischen Frau den Schwanz einziehen und lieber von ihren Häkelerfahrungen berichten, als sie über das Sofa zu legen und ihren Mann zu stehen.

OK. Gelogen. Ich war so. Sehr lang. Eigentlich immer. Eigentlich solange ich mich erinnern konnte. Es war nie anders. Meine Freunde waren nicht anders. So war normal. Akzeptiert und von allen so gewünscht, weil wir alle von unseren Müttern erzogen wurden.

Und mit diesem Satz hat für mich das Denken angefangen. Dieser Satz aus “Fight Club”: “Dieser Film ist für alle Männer, die von ihren Müttern erzogen wurden”. Für mich nicht der Beginn einer bewussten Auseinandersetzung mit meiner Identität als Mann. Mit meinem Verständnis von Männlichkeit. Aber eine Zäsur. Ein Aha-Erlebnis allererster Güte. Ein Moment in dem mir bewusst wurde: So geht es nicht weiter. Nicht mehr Ikea Leben. Nicht mehr brav und nett. Etwas ändern. Die Intention für dieses Buch ist, zu sich zu finden. Zur eigenen Definition von Mann. Angekettet unterm Küchentisch oder als Held auf dem Gipfel. Das “Was” ist egal. Das “Wie” ist wichtig.

Ich

Warum denke ich nun, ich kann dazu etwas sagen? Ich habe etwas geändert. Und es gab viel zu ändern. Ich habe das Glück, naja, zumindest sehe ich das meistens so, der Archetyp des Vaterlosen zu sein, den Mitscherlich 1963 vorhergesagt hat. Mein Vater war viel auf Reisen. Erfolgreicher Geschäftsmann. CDU Mittelstandsvereinigung. Jeden Sonntag Frühschoppen, die rheinländische Antwort auf Golf. Und wenn er in Deutschland war, dann meistens im Büro. Dort und im Ausland habe ich ihn ab und zu besucht. Nachdem er dann auf einer dieser Reisen starb, hatte ich mit sieben Jahren keinen Vater mehr. Die Opas waren auch schon t ot und ohne Stiefvater oder andere Männer in der Familie, auf einem abseits gelegenen Bauernhof, war meine Jugend also völlig f rei von m ännlichen Vorbildern. Kein Mann hat je b esoffen meine Mutter angeschrien . Kein Mann hat je b eim Frühstück Zeitung gelesen. Kein Mann hat mir gezeigt, wie rasieren geht. Was ich bis heute etwas ungewöhnlich mache, wie mir mittlerweile von Frauen mitgeteilt wurde. Ist das ein V orteil? Ich habe es lange als Nachteil empfunden. Der Vorteil, der sich jetzt zeigt, ist der Abstand. Das Fehlen einer Prägung auf ein Rollenbild, das alle anderen haben. Ich habe mich viel mit anderen Männern über e und ihren Bezug zu ihren Vätern unterhalten. Klar definierte Männer haben einen klar definierten Vater. Und andersherum. Ich nicht. Ich habe nichts. Und das ist mein Glück. Alles was ich habe, ist in harter Arbeit mit vielen Irrungen und Wirrungen selbst zusammengestellt, erschaffen und entwickelt.

Meins. Bewusst gemacht. Keine frühkindliche Prägung durch den Vater, die verstanden und überwunden werden müsste. Wo dann vielleicht auch die Motivation fehlt, dies zu tun, denn diese Söhne haben bereits ungefragt und intensiv eine Definition von Männlichkeit frei Haus bekommen. Mein Weg ist durch diesen Mangel unsicherer und kopflastig. Aber genau das “Sich Bewusst sein”, darum geht es hier. Mir bewusst machen, wer ich bin. Was man ist, was Mann ist. Und was nicht. Natürlich gibt es eine Prägung. Aber die ist weiblich. Weibliche Strategien. Weibliche Denkweise. Reden und zuhören. Nachdenken. Das musste ich los werden. Und etwas Neues finden. Etwas, das meinem Geschlecht entspricht. Womit ich glücklich bin. Weil es authentisch ICH ist. Und dabei entdeckte ich, ich bin nicht allein. Weit davon entfernt. So viele, vielleicht sogar ein Großteil der Männer, steht oder stand oder wird noch an diesem Punkt stehen. Wenn vielleicht auch nicht so extrem und nicht immer so bewusst. Und deswegen dieses kurze Buch. Weil es Zeit wird. Weil es an der Zeit ist, sich zu überlegen, wer Mann ist. Für sich selbst und auch in der Gesellschaft.

Wenn eine Frau ihre Rolle definieren und über ihr Frau sein nachdenken möchte, kann sie in jede Buchhandlung gehen und wird sofort mit verständnisvoller Miene in die Abteilung, die Etage der Emanzipationsliteratur geführt. Sortiert nach Einflüssen, Epochen, Ansätzen und Strömungen. Wer als Mann mit gleichem Ansinnen den Buchladen betritt, stößt auf ratlose Blicke und zwei oder drei Bände. Eventuell wird der Fragende gleich in die Sportabteilung oder zu den Auto-Kalendern geschickt. Wenn es gut geht, wird auf “Der Mega Aufreißer” verwiesen, ein Buch das im Original “The secret society of pickup artists” heißt, und dem ich persönlich sehr viel zu verdanken habe. Das reicht nicht. Das ist sexistisch und reduziert uns auf einen überkommenen Archetypus. Und zeigt sehr klar, wir haben uns die Initiative abnehmen lassen. Und wie Sun Tzu lehrt, führt dies zur Niederlage.

Miteinander

Es geht nicht um einen Kampf der Geschlechter. Es geht um ein Miteinander, wo sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen. Wo nicht mehr der schuldbewusste Waldorfschüler bei ersten Anzeichen von weiblicher Autonomie in den Häkelkurs rennt, sondern wo ein selbstbewusster Mann zu sich steht. Und auch weiß, was er da tut.

Ich kann sie ja verstehen. Unsere Väter. Damals, als in der westlichen Welt die 60er ausbrachen. Als Frauen sich die Röcke auszogen und in den Kampf zogen, die besseren Männer zu werden. Unsere Väter waren sich der Kollektivschuld von zig tausend Jahren Patriarchat bewusst und gaben den Kampf kollektiv auf. Wenn Martin und Gerhard in der Häkelgruppe über ihre Gefühle reden, dann ist das gut. Nein, dann war es gut. Dann musste die Schuld gesehen und getragen werden. Dann mussten die Männer sich dem Kampfschrei der Frauen anschließen und für die Rechte der Frauen kämpfen. Dann war es notwendig, die weibliche Perspektive anzunehmen. Einzufühlen und zu verstehen. Endlich das Unrecht zu beenden und auf eine Gesellschaft hin zu arbeiten, in der alle Geschlechter gleich gestellt sind.

Nun sind 50 Jahre seit den Wilden 60ern vergangen. Zwei neue Generationen sind unterwegs. Frauen sind post-emanzipatorisch und tragen wieder kurze Röcke, jetzt ist wieder alles erlaubt. Emma heisst mein Auto, und die andere Emma ist nicht mehr als Gallionsfigur einer Frauenbewegung notwendig, die sich über das Anders-Sein definiert. Schon lange geht es mehr darum, authentisch darin zu sein, was Frau ist, was Frau will. Und wenn das in Strapsen für den Mann kochen ist, dann sei es so. Ich will so werden wie ich bin. Du darfst. Frauen müssen sich nicht mehr schlecht fühlen, dass sie die weibliche Bewegung verraten, weil sie gerne auf die Kinder aufpassen. Oder im Anzug eine Firma leiten. Oder mit dem Gewehr in der Hand die Demokratie am Hindukusch verteidigen. Keine Frage: Gehaltsniveau, Karrierechancen, da ist noch nicht alles, wie es sein sollte. Aber vielleicht wollen Frauen auch nicht mehr in den Mustern leben, die eine von Männern erschaffene Gesellschaft ihnen aufzwingt, als Bedingung für Karriere stellt. Aber das soll nicht Thema dieses Buches sein, denn dazu gibt es schon sehr viele.

Hier geht es um Eier. Um Testosteron. Warum es unfair ist, dass eine Eichel nur 4000 Nervenenden enthält, ein Kitzler aber 8000. Und es geht darum, dass es geil ist, durch den Wald zu rennen und töten zu spielen und danach eine Frau zu vögeln.

BDSM, Emanzipation und Männlichkeit

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