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4. Kapitel

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Er beeilte sich und geriet ständig ins Stolpern. Er hatte schon viel zu lange gebraucht. Der Boss wartete ungeduldig auf seine Rückkehr. Hoffentlich schimpfte er nicht mit ihm. Nemir hechtete durch die Gänge und achtete nicht auf die anderen Gefallenen, die ihn musterten, sobald er an ihnen vorbei rauschte. Mittlerweile war er willkommen, sie kannten ihn und wussten, welche Stellung er für den Boss einnahm. Anfangs hatte Nemir mit Anfeindungen und Misstrauen zu kämpfen. Die Gefallenen duldeten in der Regel nur ihresgleichen unter ihnen. Seitdem er, zusammen mit der Auserwählten, einen Erfolg erzielt hatte, gab es keine Schwierigkeiten mehr mit den Gefallenen. Unabhängig davon konnte er ihnen nicht direkt in die Augen sehen. Das lag an seinen bisherigen Erfahrungen und die Qualen, die er erlitten hatte, bevor der Boss ihn aus der Gefangenschaft befreit hatte. Endlich! Er konnte das Eingangstor vor sich sehen, hinter dem sich die Räumlichkeiten von Arabas befanden. Die zwei Wachposten am Tor nickten ihm kurz zu, bevor sie das Tor öffneten und ihn durchließen. Nemir schlüpfte hindurch und erschrak jedes Mal, sobald das Tor polternd hinter ihm zufiel. Er hasste dieses Geräusch. Sein Herz raste und sein Atem ging flach. Mit seinen Klauen wischte er sich Spucke aus dem Gesicht. Sobald er Arabas sehen konnte, war er erleichtert. Er war da. Arabas nahm aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr und drehte sich um. Sobald er Nemir auf sich zurennen sah und den gehetzten Ausdruck in seinen Gesichtszügen deutete, entließ er den Leibwächter.

„Nemir“, rief er ihm entgegen, „wieso hat das so lange gedauert?“ Nemir blieb direkt vor ihm stehen, senkte den Kopf und schielte mit entschuldigendem Blick aus den schwarzen Kulleraugen zu ihm auf.

„Ich mich beeilt, beeilt ich mich, Boss“, plapperte er drauf los. Arabas schmunzelte über ihn und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken. Er sah zu ihm herunter und nickte leicht.

„Das kann ich sehen, Nemir. Du bist außer Atem. Ich nehme an, du bringst Neuigkeiten für mich?“ Nemir drehte sich hüpfend im Kreis und klatschte in die Hände. „Sag mir, was du herausgefunden hast.“ Nemir sah Arabas direkt an und dachte kurz nach. Offensichtlich überlegte er noch, wie er sich ausdrücken sollte. Arabas wusste, dass Nemir mit der Sprache Schwierigkeiten hatte, vor allem wenn er nervös war. Er würde sich in Geduld üben müssen, obwohl er darauf brannte, die Information zu erhalten.

„Schlimm, ganz schlimm, Boss“, setzte Nemir an. „Gabriel nicht mehr da, ... er weg, jetzt neuer da, ... dunkler Engel, groß und stark er ist, groß und stark, jahaa.“ Arabas hörte aufmerksam zu und runzelte die Stirn.

„Was redest du da? Gabriel ist weg? Wo ist er?“ Nemir holte Luft und fuchtelte mit den Klauen vor sich herum.

„Neuer Engel da, ... er jetzt das Sagen hat. Nicht allein, nicht allein. Da noch zwei sind, noch zwei wunderschön, ich nicht kennen die Zwei.“ Arabas dachte über seine Worte nach. „Sie Auserwählte wollen und ihren Engel, beide wollen, beide, beide, beide. Sind schon auf den Weg, Boss. Böse Geliebte auch.“ Arabas hörte das Wort Auserwählte und das war alles, was er wissen musste. Ariana war in Gefahr. Und Jazar ebenfalls, wenn er Nemir korrekt verstand. Böse Geliebte? Damit meint er vermutlich Ophelia. Was hatte das zu bedeuten? Es half alles nichts. Arabas seufzte und beugte sich zu Nemir herunter.

„Ich muss diese eine Sache tun, Nemir“, meinte er entschuldigend zu ihm. Nemir riss die Augen auf und wimmerte. „Ich werde dir nicht wehtun, Nemir. Das verspreche ich dir.“ Arabas lächelte ihm zu, bevor er seine Hände auf Nemirs Kopf legte, die Augen schloss und in seine Erinnerungen vordrang. Jedes Mal wenn er das tat, war es für Arabas enorm schwer, sich in Nemirs Gedanken zurechtzufinden. Aus diesem Grund vermied er diese Prozedur. Dieses Mal war es zu dringend. Sie konnten nicht warten. Er musste wissen, was Nemir wusste und was er beobachtet hatte. Es dauerte eine Weile, bis Arabas in Nemirs Kopf fand, wonach er suchte. Er verfolgte stumm das Gespräch von drei Engeln. Danach sah er seinen Vater Gabriel, wie dieser abgeführt wurde. Sobald Arabas genug gesehen hatte, ließ er Nemir frei und tätschelte beruhigend seinen Kopf. „Danke Nemir. Das hat geholfen. Geht es dir gut?“ Nemir zappelte nervös und legte den Kopf schräg. Er nickte eifrig. Er schien sich daran zu gewöhnen. Arabas wusste, dass nur er das bei ihm tun durfte. Es zeugte von seinem Vertrauen, welches er in ihn setzte. Er hatte nicht vor, dieses Vertrauen aufs Spiel zu setzen. Nemir war ihm ans Herz gewachsen. Er würde ihn zu jeder Zeit beschützen und auf ihn achten. Er winkte seinen Bediensteten und befahl für Nemir Essen zu bringen. Nemir stürzte sich sofort auf das Fleisch und fing an zu essen. Arabas wusste nicht, wie lange es her war, seitdem er gegessen hatte. Normalerweise würde er ihn tadeln, er solle langsamer essen, dieses Mal beließ er es dabei. Seine Gedanken kreisten um das, was er in Nemirs Kopf gesehen hatte. Er war beunruhigt. Das entwickelte sich ganz und gar nicht so, wie er das wollte. Er hatte erkannt, wer der neue Befehlshaber war. Es handelte sich um niemand anderen als Rafael, der Erzengel Rafael. Und zu allem Überfluss hatte er zwei der begabtesten Engel an seiner Seite, die für ihn kämpften und seine Ziele umsetzten. Das war schlecht. Hinzu kam, dass sein Vater keine Befehlsgewalt mehr hatte. Das bedeutete, dass das Versprechen, welches er ihn gegeben hatte, hinfällig war. Arabas hatte Gabriel das Versprechen abgenommen, dass er und sein Gefolge in Ruhe gelassen werden von den Engeln. Dieses Versprechen behielt Gültigkeit, solange Gabriel der Befehlshaber war. Arabas seufzte schwer. Von nun an standen die Gefallenen wie gehabt auf der Liste der meist gesuchtesten Verbrecher, wenn es um die Engel ging. Als ob das noch nicht genug war, befand sich Ariana ebenfalls in Gefahr, genauso wie ihr Beschützer Jazar. Allerdings wusste Arabas noch nicht aus welchem Grund. Was wollte Rafael von der Auserwählten? Und was von Jazar? Der Engel war freiwillig gefallen und erinnerte sich an nichts mehr. Er war keine Gefahr für den Erzengel. Oder? Ausgerechnet Sariel. Er war ernsthaft besorgt. Sariel, der Vollstrecker genannt, war ein gefährlicher Gegner, weitaus gefährlicher als sein Bruder oder Rafael. Sariel unterstand zwar Rafael, dennoch umging er gern Befehle und handelte eigenmächtig. Dieser gefährliche Engel war auf den Weg zu Ariana, die keine Ahnung hatte. Arabas sah sein eigenes Vorhaben davon schwimmen. Es nützte alles nichts. Er konnte jetzt noch kein Mensch werden. Er brauchte seine Fähigkeiten und seine Beziehungen, wenn er Ariana helfen wollte. Das wollte er um jeden Preis. Das schuldete er ihr. Dass da Gefühle mit im Spiel waren, beachtete er nicht. „Hast du irgendetwas über den freien Fall herausfinden können, Nemir?“, fragte er. Nemir sah kurz von seinem Essen auf. Mit vollem Mund versuchte er, die Frage zu beantworten:

„Nicht viel, Boss, nicht viel. Ich wissen, Rafael nicht wollen, dass andere darüber mehr erfahren. Besonders Auserwählte nicht, besonders Auserwählte und Menschen nicht, die Menschen nicht, Boss.“ Arabas nickte unzufrieden und grübelte. Rafael wusste mehr darüber, weitaus mehr. Aus einem bestimmten Grund wollten die Erzengel nicht, dass mehr über den freien Fall bekannt wurde. Arabas war sicher, dass es nicht nur darum ging, dass die Menschen davon nichts wissen sollten. Seit jeher wurde ein Geheimnis darum gemacht, speziell unter den Engeln. Niemand wusste genau, was für Auswirkungen der freie Fall auf einen Engel hatte. Bisher konnte Arabas keinen Engel finden, der freiwillig gefallen war. Das war seltsam. Sicher hatte es nicht nur Jazar gegeben, der diese Entscheidung getroffen hatte. Wo waren die anderen Engel, die dasselbe Schicksal trugen, wie Jazar? Weshalb wollten die Erzengel, dass nichts darüber bekannt wurde? Arabas hatte ein mieses Gefühl, desto mehr er darüber nachdachte. Er überlegte sich bereits die nächsten Schritte. Als Erstes musste er sein Gefolge in Alarmbereitschaft versetzen. Der Frieden war vorbei. Sie konnten jederzeit mit einem Angriff rechnen. Es wurde Zeit für ihn zu gehen. Arabas wusste genau, wo er jetzt sein musste. Hoffentlich kam er nicht zu spät.

Ariana wälzte sich im Bett hin und her. Ihr gequältes Stöhnen erklang im Schlafzimmer, vermischt mit einzelnen Wortfetzen, die sie im Schlaf unbewusst von sich gab

„Nein ... nicht jetzt ... ich muss ihn finden, lasst mich.“ Ihre Arme nach oben gestreckt, schien es, als ob sie jemanden von sich stieß. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie schlug in der Luft zu. Mit ihren unkontrollierten Bewegungen kam sie gefährlich nahe dem Bettrand. Die Bettdecke lag auf dem Boden. Ohne Vorwarnung fiel sie aus dem Bett und landete unsanft auf dem Boden. Mit aufgerissenen Augen suchte sie die Gegend ab, orientierte sich und senkte frustriert ihren Kopf. Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und wischte ihre Haare aus dem Gesicht. Schweiß bedeckte ihren Oberkörper, der mit einem weißen Unterhemd bekleidet war. Wie oft verfolgte sie dieser Traum schon? Sie hatte aufgehört, mitzuzählen. Dieses Mal war es aufwühlender, sodass sie aus dem Bett gefallen war und somit aus ihrem Schlaf gerissen wurde. Es war mitten in der Nacht und stockdunkel im Schlafzimmer. Ihr Blick richtete sich auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Zwei Uhr in der Nacht. Sie hatte erst zwei Stunden geschlafen. Falls man von Schlaf reden konnte, bei dem was sie im Traum durchlebte. Jedes Mal wollte sie zu Jazar und ihn mitnehmen. Und jedes Mal wurde sie von Engeln aufgehalten und festgehalten, die sie nicht zu ihm lassen wollten. Arabas kam in ihrem Traum vor. Er stand abseits und sprach zu ihr, aber sie konnte ihn nicht verstehen. Schließlich wurde er eindringlicher, bis die Engel ihn mit einem gesegneten Dolch hinterrücks erstachen. Mit dem Zeigefinger fuhr sie über die frische Naht über ihrem rechten Auge. Die Wunde schmerzte noch. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Ariana erhob sich und zog einen dunklen Pullover über, bevor sie das Schlafzimmer verließ. Die Haare zersaust und die Augen noch halbwegs geschlossen, schwankte sie leicht, sobald sie in der Küche das Licht anknipste. Sie holte sich eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank und nahm diese mit. Ihr Blick fiel auf die Unterlagen, die auf dem Wohnzimmertisch verstreut lagen. Sie hatte noch recherchiert und vergessen, die Unterlagen wegzuräumen, bevor sie ins Bett gegangen war. Sämtliche Überlieferungen über Engel und den Himmel hatte sie gesammelt, um sie zu studieren. Lektüren, die verboten waren, hatte sie für viel Geld über das Internet erstanden. Ob sie darin Antworten finden würde, wusste sie nicht. Es war ihre einzige Möglichkeit. Theorien gab es zuhauf, eine spektakulärer, als die andere. Informationen über Gefallene gab es ebenfalls im Überfluss. Aber über den freien Fall eines Engels? Bisher Fehlanzeige. Entweder hatte niemand irgendetwas darüber gehört. Oder jemand hatte gute Arbeit geleistet, um keinerlei Informationen darüber durchsickern zu lassen. Ariana tippte auf die zweite Variante. Es lag auf der Hand, dass jemand alles unternahm, damit nichts über den freien Fall herauskam. Wer hatte die Macht, um das zu schaffen? Gott? Er war die machtvollste Person im Himmel, korrekt? Deprimiert fuhr sie sich mit der Hand über die Stirn, bevor sie einen Schluck Wasser direkt aus der Flasche trank. Sie fragte sich, ob Arabas ihr absichtlich Informationen vorenthielt. Wusste er mehr darüber, als er preisgab? Falls ja, wieso schwieg er darüber? Oder hatte er keine Ahnung und war genauso ratlos, wie sie? Die angestaute Wut in ihr steigerte sich. Desto mehr sie darüber nachdachte, wie erfolglos sie war, desto unkontrollierter wurde sie. Ariana starrte auf die Bücher und Notizen, bis sie die Wasserflasche schreiend an die Wand warf. Die Tapete verdunkelte sich sofort, sobald das Wasser darauf spritzte. Die Flasche fiel polternd auf den Boden und das Wasser lief ungehemmt aus. Wütend beugte sie sich über den Tisch und fegte sämtliche Bücher mit ihren Händen herunter. Im Anschluss griff sie an die Tischkante und hob den Tisch an, bevor sie ihn rasend vor Wut umkippte und gegen ihn trat. Permanent trat sie auf den Tisch ein, sodass es schepperte. Sie konnte nicht aufhören. Ihre Wut war außer Kontrolle, sodass sie nichts mehr um sich herum mitbekam. In Rage ließ sie ihre Wut an dem Tisch aus, der erste Risse aufwies und jeden Moment drohte in zwei Teile zu zerfallen. Ariana hämmerte auf das Holz ein, einzelne Holzsplitter nicht beachtend, die durch die Gegend flogen. Erst als der Tisch in zwei Hälften zerbrach, hielt sie überrascht inne und betrachtete das Ausmaß ihres Ausbruches. Am Boden hockend, wischte sie stoisch die Tränen von den Wangen und starrte verzweifelt an die Decke.

„Was zum ...“, erklang eine Stimme hinter ihr. Ariana wirbelte erschrocken herum und entdeckte Arabas. Entsetzt sah er zuerst sie und dann den zerbrochenen Tisch an. Ariana stöhnte genervt und ließ ein unechtes Lachen erklingen.

„Das war klar. Du tauchst genau dann auf, wenn ich es am wenigstens erwarte, Arabas“, meinte sie schnippisch. Er trat einen Schritt auf sie zu, bis ihr gefährlicher Blick ihn aufhielt. Zuerst dachte Arabas an einen Angriff. Bis es ihm dämmerte. Sie war daran schuld. Sie hatte den Tisch zerbrochen. Sofort erfasste er ihre Wunde am rechten Auge, die genäht war. Kurz darauf bemerkte er den Blutstriemen, der sich über ihren linken Oberarm zog.

„Du blutest“, meinte er trocken und perplex über die Tatsache, dass sie außer Kontrolle war. Er wusste, dass es ihr nicht gut ging in letzter Zeit. Dieses Ausmaß war ihm allerdings nicht bewusst. Ariana sah an ihrem Arm herunter und zuckte mit den Schultern.

„Das ist ein Kratzer“, antwortete sie lapidar. Entrüstet schnaubte Arabas und eilte zu ihr. Er scherte sich einen Dreck darum, ob sie ihn aufspießen wollte oder nicht. Er ergriff ihren Arm und sah sich die Verletzung genauer an. Ein tiefer Riss am Oberarm. Vermutlich von einem der Holzsplitter, der sie getroffen hatte. Ariana riss sich von ihm los und stolperte zur Küche. Sie ließ den Wasserhahn der Spüle an, schnappte sich ein Handtuch, und begann die Wunde zu reinigen. Obwohl es schmerzte, verzog sie keine Miene. Sie vermied es absichtlich Arabas anzusehen, sobald dieser auf sie zukam. In dem schwarzen Kampfanzug gekleidet, bestückt mit dem Waffengürtel, leuchteten seine Augen glühend rot.

„Was hast du dir dabei gedacht, Ariana?“, polterte er los. An seiner Stimmlage erkannte sie, dass er äußerst wütend war. Sie starrte an die Decke und drückte das Handtuch auf die Wunde, damit die Blutung stoppte. Sie wollte ihn nicht ansehen. Sie wollte den anklagenden Blick nicht sehen, der auf ihr ruhte. Sie wollte sich nicht erklären müssen. „Ariana!“, brüllte er sie an. Sie zuckte und wirbelte zu ihm herum.

„Schrei mich nicht an!“, rief sie wütend. Sobald sie in seine roten Augen sah, verebbte ihre Wut. Sie hatte angenommen, er verurteilte sie. Da war irgendetwas anderes in seinen bedrohlichen Augen. Sie runzelte die Stirn. Angst? Der Gefallene hatte Angst um sie? Weshalb? Das irritierte sie. Arabas hielt ihrem Blick stand. Er brauchte einen Moment, bis er die Kontrolle zurück erlangte. Sobald er ruhig atmete, sah er sie mit seinen schwarzen Augen an. Vorsichtig trat er zu ihr und griff nach dem Handtuch, welches sie eisern an ihren Oberarm drückte. Ariana machte keinen Versuch, ihn von sich zu stoßen, was er als gutes Zeichen wertete. Er wurde kühner und nahm ihr das Handtuch aus der Hand. Er sah sich die Wunde genauer an. Seine Hand legte sich um ihr Handgelenk und hinterließ eine rote Spur auf ihrer Haut. Für das menschliche Auge nicht zu erkennen, spürte Ariana den Schauer, der durch ihren Arm fegte, sobald er das tat. Der Riss an ihrem Oberarm verschloss sich augenblicklich. Arabas ließ sie los und trat beiseite, um ihr Raum zu geben. Hatte er sie geheilt? Ariana war sprachlos und starrte den makellosen Oberarm an. Sie hatte nicht gewusst, dass er dazu fähig war. Sofort schossen ihr Bilder durch den Kopf und noch mehr Fragen, auf die sie keine Antworten fand. „Kannst du mich jetzt kontrollieren?“, fragte sie angriffslustig. Arabas erkannte, dass sie damit auf Ramael ansprach und das, was er mit Nicholas getan hatte, nachdem er ihn geheilt hatte. Bevor er darauf antwortete, ertappte er sich dabei, dass er es nicht schlecht finden würde, wenn er das könnte. Allerdings würde er sie anders kontrollieren, als sie dachte. Die Bilder, die in seinen Kopf schossen, blendete er sofort aus. Er konnte froh sein, dass Ariana nicht die Fähigkeit besaß, Gedanken zu lesen. Wenn sie wüsste, welche verbotenen Gedanken er über sie beide hatte, würde sie kein Wort mehr mit ihm wechseln.

„Nein, keine Sorge. Als Gefallener besitze ich dieses Privileg nicht“, erwiderte er mit enttäuschtem Unterton. Ariana sah ihn an. Es war schon seltsam. Man sollte meinen, dass ein Engel Gutes vollbrachte, sobald er einen Menschen kontrollieren konnte. Ramael hatte sie eines Besseren belehrt. Ein Gefallener, der im Grunde auf ihrer Seite stand, konnte zwar heilen, aber die Kontrolle über den Menschen bekam er nicht. Ariana würde die Regeln der Engel niemals verstehen, wusste sie.

„Was tust du überhaupt hier, Arabas? Wir hatten keine Vereinbarung, oder?“, fragte sie überrascht.

„Es gibt Neuigkeiten, die nicht warten können. Ich bin sofort hergekommen, als ich davon erfuhr“, meinte er. Ariana horchte auf und ging auf die Couch zu. Sie ließ sich darauf nieder und wartete auf seine Erklärung. „Nemir ist zurück“, fing er an. Ariana lächelte und war sichtlich froh darüber.

„Das ist gut. Ist er wohlauf?“, hakte sie nach. Arabas nickte und ging vor ihr hin und her, sichtlich nervös.

„Gabriel wurde verbannt und wir haben einen anderen Gegner. Im Grunde sind es drei Gegner. Einer von ihnen ist auf dem Weg zu dir“, erklärte er. Ariana schossen sofort wachsame grüne Augen ins Gedächtnis, die sie anstarrten.

„Er ist schon da“, meinte sie trocken. Arabas sah sie besorgt an.

„Was soll das heißen? Du weißt nicht, von wem ich rede, Auserwählte“, sagte er verwirrt. Ariana grinste.

„Wenn mich nicht alles täuscht, bin ich ihm begegnet. Groß, dunkelblonde kurz geschorene Haare, grüne Augen, kräftig?“

„Ja das ist er, eindeutig. Wo bist du ihm begegnet und wann zum Teufel?“, platzte es aus ihm heraus.

„Gestern beim Training. Ich habe gespürt, dass er anders ist, aber ich konnte es nicht deuten. Jetzt weiß ich, weshalb.“ Arabas war nicht erfreut, wie sie an seiner angespannten Haltung erkannte. „Wie heißt er?“ Er hatte ihre Frage erst nicht gehört, in Gedanken versunken.

„Was? Oh, der mit den grünen Augen ist Sariel. Ein guter Kämpfer mit dem Spitznamen der Vollstrecker.“ Ariana schluckte schwer, als sie die Bezeichnung vernahm. Er war ihr nicht gefährlich erschienen, als er sie gestern aufgefangen hatte.

„Was vollstreckt er denn so?“, fragte sie belustigt. Arabas starrte sie entgeistert an.

„Das ist nicht witzig Ariana“, tadelte er sie. Sie unterdrückte ihr Lachen und versuchte, Ernst zu bleiben. „Er ist für die abtrünnigen Engel zuständig und richtet über sie. Zumindest wird das über ihn behauptet.“ Diese Information beängstigte sie.

„Ist er hinter Jazar her?“, fragte sie sofort. Sie war um den Beschützer besorgt, als um ihre eigene Person. Arabas konnte es nicht fassen.

„Nein, hinter dir, Auserwählte“, betonte er. Sie stutzte. Ihre Gedanken überschlugen sich.

„Ich verstehe nicht. Ich bin kein abtrünniger Engel. Was will er ...“, abrupt verstummte sie, als sie auf die Antwort kam. Arabas sah sie eindringlich an.

„Was? Was denkst du, Ariana? Sprich mit mir, verdammt!“, hakte er ungeduldig nach. Unsicher sah sie zu Boden, setzte die Puzzleteile noch gedanklich zusammen, bevor sie auf Arabas einging.

„Der freie Fall. Das ist die einzige Erklärung, weshalb dieser Vollstrecker hinter mir her ist. Ich bin auf dem richtigen Weg, Arabas. Verstehst du das nicht?“ Euphorisch sprang sie von der Couch und strahlte ihn an. Er verstand es noch nicht und schüttelte bedröppelt den Kopf. „Wenn sie jemanden zu mir schicken, bedeutet das, dass ich der Wahrheit zu nahe gekommen bin, Arabas. Möglicherweise habe ich irgendetwas übersehen in meinen Unterlagen.“ Arabas schien nicht überzeugt. Er fand es alarmierend, dass sie die Tatsache, dass ein gefährlicher Engel hinter ihr her war, sie nicht beunruhigte.

„Du weißt schon, dass du es dieses Mal nicht mit meinem Gefolge zu tun hast, die eher harmlos sind, oder?“ Sie sah ihn fragend an. „Sariel ist ein anderes Kaliber, Auserwählte. Du solltest das verdammt Ernst nehmen, hörst du?“ Der Ernst der Lage sprach deutlich aus seiner Stimme, sodass Ariana verstand, in welcher Gefahr sie schwebte.

„Und die anderen zwei? Wer sind die?“, fragte sie beunruhigt.

„Calliel darfst du ebenfalls nicht unterschätzen. Ich kenne sie gut, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Dass sie für Rafael arbeitet, ist eher das, was mich beunruhigt. Nemir sagt, sie sucht Ophelia.“

„Aber das ist doch gut, oder? Ich meine, wenn sie Ophelia findet, habe ich nichts dagegen“, unterbrach Ariana ihn.

„Vielleicht, vielleicht auch nicht“, antwortete er nachdenklich, „falls sie Ophelia finden, wird sie es schwer haben. Rafael ist ein Erzengel. Und zwar einer der Skrupellosesten unter ihnen.“ Ariana konnte sich noch kein Bild davon machen, aber sie glaubte Arabas. Er verstand mehr von den Engeln und deren Rangfolge, als sie das tat.

„Also haben wir es jetzt noch mit Erzengeln zu tun?“, fragte sie überrascht. Arabas sah sie nachdenklich an. Sein Blick ruhte länger auf ihr, als nötig.

„Ja. Und glaub mir, Auserwählte, das ist nicht gut. Niemand legt sich mit einem Erzengel an, nicht einmal ein Gefallener. Verstehst du?“ Sie verstand ihn. Dessen ungeachtet wusste sie, dass es einen Gefallenen gab, der genau das tun würde. Und dieser gefallene Engel stand direkt vor ihr.

Die Verwandlung

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