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April

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Im April beging man eine ganze Reihe von Festen. Es begann mit den Veneralia (1.4.) zu Ehren der Venus, im Rahmen derer Frauen Venusstatuen reinigten und mit Blumen und Girlanden schmückten. Eine besondere Rolle spielte die Göttin an diesem Tag in ihrer Funktion als Venus Verticordia („Venus, die Herzenswenderin“); als solche erhielt sie 114 v. Chr. auch einen eigenen Tempel. Man könnte bei der Bezeichnung „Herzenswenderin“ denken, hier sei eine Art Valentinstag gemeint oder Venus hätte an diesem Tag Amor mit dem Liebespfeil auf die Reise geschickt – stattdessen ging es jedoch eher darum, die Herzen der Römerinnen und Römer dahin zu „wenden“, dass sie den gültigen moralischen Vorstellungen folgten und ihr Liebesleben so ausrichteten, dass es dem Staat nützte. Insofern ergibt es auch Sinn, dass mehrere antike Quellen anmerken, die Verehrung der Venus Verticordia habe sich auf matronae, also verheiratete freie Römerinnen, beschränkt.

Einst galt Sulpicia, die Tochter des Paterculus und Frau des Fulvius Flaccus, den Matronen als keuscheste Frau überhaupt. Man wählte sie aus über 100 vorgeschlagenen Frauen aus, gemäß den Vorschriften der Sibyllinischen Bücher, eine der Statuen der Venus Verticordia zu weihen.

(Plinius d. Ä., nat. 7.120)

Auf das Venusfest folgten die Megalesia (4.–9.4.) zu Ehren der Magna Mater (oder Kybele) und ihres Tempels auf dem Palatin. Das Fest wurde relativ spät eingeführt, 191 v. Chr., ein paar Jahre nachdem man diese Göttin aus dem Osten importiert hatte. Zusätzlich zu Circusspielen und Theateraufführungen war es Sitte unter reichen Römern, während dieser Tage abwechselnd Freunde und Bekannte zu aufwendigen Festmählern einzuladen. Die privaten Extravaganzen an den Megalesia scheinen jedoch schon bald solche Formen angenommen zu haben, dass, wie Gellius berichtet, 161 v. Chr. ein Gesetz verabschiedet wurde, das es Privatleuten verbot, allzu viel für Speisen und Getränke auszugeben.

Erst vor Kurzem las ich in den Miszellen des Ateius Capito einen alten Senatsbeschluss (Konsuln waren Gaius Fannius und Marcus Valerius Messala) bestanden, dass die führenden Bürger, die an den Megalesia nach alter Sitte „tauschten“ – also einander als Gastgeber abwechselten –, vor den Konsuln einen Eid ablegen sollten, dahingehend, dass sie für ein Abendessen (zusätzlich zu Gemüse, Brot und Wein) nicht mehr als 120 Asse ausgeben, dass sie keinen importierten, sondern nur heimischen Wein ausschenken und am Tisch nicht mehr als 100 Pfund an silbernem Geschirr und Besteck verwenden.

(Gellius 2.24)

Ein paar Tage danach feierte man die Cerealia (12.–19.4.), zu Ehren der Getreidegöttin Ceres, wieder mit Circus- und Theaterspielen. Die Cerealia reichen wahrscheinlich bis in die römische Königszeit zurück. Wieder begegnet uns hier ein bizarr erscheinender Brauch: Man band brennende Fackeln an die Schwänze von Füchsen und ließ diese dann im Circus Maximus herumlaufen. Ovid erklärt diesen Brauch in seinen Fasti damit, dass ein Bauernjunge vor langer Zeit einen Fuchs dabei erwischte, wie er Hühner stehlen wollte; er versuchte, den Fuchs bei lebendigem Leib zu verbrennen, doch das Tier lief fort und setzte ein Getreidefeld in Flammen. Und da solche Felder der Göttin Ceres heilig waren, wurde es Tradition, ihr zu Ehren Füchse zu „bestrafen“.

Zwischendrin gab es dann noch die Fordicidia (15.4.), das Fest der Göttin Tellus, bei dem man 30 trächtige Kühe (fordae) opferte (caedere = „töten“). Die ungeborenen Kälber wurden aus den Leibern der Kühe geschnitten und von der obersten Vestapriesterin verbrannt, die die Asche sammelte: Diese benötigte man eine Woche später wieder, bei den Parilia (oder Palilia) zu Ehren der Hirtengöttin Pales – einem der Höhepunkte im römischen Festkalender. Am Morgen des 21. April wurden alle Ställe ausgefegt, und dann verteilten in Rom die Vestalinnen die Asche der an den Fordicidia geopferten Kälber sowie ein Räucherwerk, das aus dem Blut des im Oktober dem Mars geopferten Pferdes hergestellt wurde. Damit räucherten Viehbesitzer ihre Ställe aus, um Unheil und Krankheiten fernzuhalten. Anschließend schmückte man die Örtlichkeiten, und dann fand der spektakuläre Höhepunkt der Zeremonien statt: Jeder, der wollte, sprang zur eigenen spirituellen Reinigung drei Mal durch ein Feuer aus Bohnenstroh. Anschließend wurde im Freien gegessen und getrunken. Dieses Fest war zugleich das Gründungsfest von Rom: Dem Mythos nach hatte Romulus die Stadt am 21. April gegründet – und seinen Bruder Remus getötet, der sich über die winzige Stadtmauer lustig gemacht hatte und darübergesprungen war. Warum beides – das Hirtenfest und die Gründung Roms – zusammenfiel, ist unklar. Vielleicht sah man Romulus und Remus noch immer als die Hirten an, die sie vor der Gründung der Stadt waren; es gibt mehrere Feste, die die ländliche Herkunft Roms betonen. Eventuell liegt es aber auch daran, dass die älteste römische Besiedlung auf dem Hügel Palatin stattfand und dass man diesen (volksetymologisch) mit der Göttin Pales in Verbindung brachte.

Ein Festtag wurde gefeiert in Rom (die Alten tauften ihn Parilia),

der Tag, der als Erster Roms Mauern entstehen sah –

ein alljährliches Festmahl der Hirten, Spiele in der Stadt,

wobei die Tische sich unter ländlichen Gerichten bogen

und über hier und da aufgeschichtetes brennendes Heu

Betrunkene sprangen, mit schmutzigem Fuß.

(Properz 4.4.73ff.)

Am 23. April fand das erste Weinfest des Jahres statt, die Vinalia urbana (oderpriora). Die zuständigen Gottheiten waren Venus, welcher der vinum spurcum geheiligt war, der „profane“, alltäglich getrunkene Wein, und Jupiter, dem der temetum gebührte, der bei religiösen Zeremonien verwendete Wein – überhaupt war Jupiter als Wettergott ja vorrangig dafür verantwortlich, ob der Wein gedieh oder nicht. Man trank (bzw. opferte) dabei den Wein der letztjährigen Ernte.

Wir erkennen die rauhen Altrömer, die, vornehm oder gering, ihr Äckerchen sorgfältig bestellten, die Baumreben aber, gleich den Kyklopen, vernachlässigten. Ein guter Mann, wie Cato im Eingange des Feldbaus sagt, achtete für das höchste Lob, ein guter Ackerer und ein guter Bauer zu sein. Hatte nun die grossväterlichen Baumreben der verdrossene Schneiteler, so weit er sich hinaufwagte, nach Vermögen gepuzt, dann ward der gewonnene Traubensaft ein untadlich berauschendes Temetum, dem Priester wie dem Gotte angenehm, und, obgleich etwas herb, ein aufmunterndes Gastgeschenk, wovon Weiber die Zucht ausschloss.

(Johann Heinrich Voss, Mythologische Forschungen, Bd. 4, Leipzig 1834)

Ein weiteres Fest im April waren die Robigalia (25.4.), ebenfalls ein Fruchtbarkeitsfest. Robigo war die lateinische Bezeichnung für den Getreidebrand, und diese Nutzpflanzen befallende Pilzkrankheit hatte eine eigene Gottheit mit Namen Robigus, die es zu besänftigen galt, damit der Rost nicht auftrat. Höhepunkt des Festes war ein eher bizarr anmutendes Opfer – ein rötlich-brauner Hund wurde getötet. Eventuell stand dieser Hund für die mythische Hündin Lailaps, den personifizierten Sturmwind, denn man wusste bereits, dass der Wind die Pilzsporen verteilte. Und die Farbe erklärt sich dadurch, dass das lateinische Wort dafür (rubiginosus) etymologisch mit dem robigo in Verbindung steht. Aus diesem Fest wurden später die christlichen „Bitttage“, an denen man seinen Gott um reiche Ernte bat und Äcker und Felder gesegnet wurden. Die ursprüngliche christliche Prozession in Rom fand nicht nur am selben Tag statt, sondern verwendete sogar dieselbe Route wie der Festumzug an den Robigalia.


Ausschnitt der fasti des Grammatikers Marcus Verrius Flaccus aus Palästina (Ende 1. Jahrhundert v. Chr.), dem Schöpfer des bedeutenden Wörterbuchs De verborum significatione. Fasti waren ein Kalender, der die Feiertage verzeichnete. Deutlich zu erkennen: VIN für Vinalia und ROB für Robigalia. Dieser Kalender war am Forum der Stadt Praeneste, östlich von Rom, angebracht.

Die Floralia (28.4.–3.5.) ehrten die Göttin Flora, die alles blühen ließ. Ihr zu Ehren schmückte man sich und seine Wohnung mit Blumen. Eine Besonderheit dieses Festes ist, dass dafür die Teilnahme von Prostituierten an den öffentlichen Veranstaltungen bezeugt ist, die sich zudem noch entkleideten oder sogar im festlichen Rahmen entkleidet wurden – das überrascht, waren doch die Sexarbeiterinnen eine Personengruppe, die in der Regel nicht am öffentlichen Leben teilnahm; die meisten waren Sklavinnen, und die wenigen freien Frauen, die sich für diese Tätigkeit entschieden, verloren ihren Status als freie Bürgerinnen. Dasselbe gilt übrigens für die Vinalia.

Der Satiriker Juvenal schreibt über eine Gladiatorin – ein seltenes, aber auch anderweitig bezeugtes Phänomen. Aus dieser Satire hat man darauf geschlossen, dass bei den Floralia Frauen als Pseudo-Gladiatorinnen auftraten.

Wer kennt nicht die purpurnen Umhänge und den Platz der weiblichen Ringer?

Wer hat noch nie den abgenutzten Trainingspfahl gesehen,

wie diese Frau ihn mit ständigen Hieben mit Schwert und Schild aushöhlt –

sie kennt alle Tricks. Sie könnte gut und gern bei den

Floralia mitmachen, es sei denn, dass sie in ihrer Brust

größeren Ehrgeiz verspürt und schon für die echte Arena übt.

Wie viel Schamgefühl kann eine Frau haben, die einen Helm trägt,

die vor ihrer Weiblichkeit flieht? Sie zieht das Muskelschmalz vor. Doch ganz

zum Mann werden will sie nicht, denn dann würde sie ja keiner begehren!

(Juvenal 6.246ff.)

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