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Zweites Kapitel. Robinsons Gefangenschaft und Flucht.

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Da ergriff ich die zweite Flinte und traf den Löwen so sicher durch den Kopf ... (Zu S. 19.)

Gefangenschaft in Saleh. – Flucht mit Xury.

So war ich also ein Guineakaufmann geworden. Zu meinem größten Leidwesen starb mein Freund bald nach unsrer Rückkehr, und ich entschloß mich, auf eigne Faust dieselbe Reise noch einmal zu unternehmen, und zwar auf demselben Fahrzeuge, welches jetzt der frühere Oberbootsmann führte. Es ward eine der unglücklichsten Fahrten.

Ich nahm für 100 Pfund Sterling (über 2000 Mark) Waren auf die Reise mit und ließ 200 Pfund in den Händen der Witwe meines Freundes zurück, die denn auch das Übergebene treulich bewahrte und mein Vertrauen in ihre Redlichkeit nicht getäuscht hat.

Reich an Hoffnungen steuerten wir zwischen den Kanarischen Inseln und der afrikanischen Küste hin. Da wurden wir plötzlich eines Morgens, noch in der Dämmerung, von einem maurischen Seeräuber überrascht, der bald, alle Segel aufhissend, auf uns Jagd machte.

Gegen 3 Uhr nachmittags kam er uns nahe und warf auf unser Deck 60 Mann, die sofort unser Tau- und Takelwerk zusammenhieben. Es kam zum Kampfe. Nachdem aber von unsern Leuten drei getötet und acht verwundet waren, mußten wir andern uns der feindlichen Übermacht ergeben. Wir wurden nach Saleh gebracht, einem unbedeutenden Hafen an der Küste der Barbareskenstaaten. Man führte mich jedoch nicht, wie meine übrigen Schicksalsgenossen, in das Innere des Landes, nach der Residenz des Kaisers, sondern der Kapitän behielt mich bei sich selbst zurück, weil ich ihm dienstbar sein sollte. So waren denn alle hochfliegenden Pläne des jungen »Guineakaufmanns« mit einem Schlage vernichtet. Ich war jetzt nichts als ein unglücklicher Sklave, und meines Vaters mahnende Stimme trat oft vor meine Seele; niemand war da, der mir rettenden Beistand geleistet hätte.

Indessen stieg die Hoffnung in mir auf, daß mich mein neuer Herr an seinen Seeunternehmungen werde teilnehmen lassen. Ich malte mir schon im Geiste meine Errettung durch ein spanisches oder portugiesisches Kriegsschiff aus. Eine derartige Gelegenheit sollte indes noch lange auf sich warten lassen. Inzwischen mußte ich meinen Herrn häufig auf seinen Spazierfahrten begleiten, die er in einem kleinen Fahrzeuge auf dem Meere unternahm, um nahe der Küste zu fischen. Einst hatte er zu einer gleichen Fahrt als Gäste mehrere vornehme Mauren eingeladen und traf hierzu außerordentliche Vorbereitungen.

Schon am Tage vorher mußte ich in die Schaluppe mehr Lebensmittel als gewöhnlich bringen, ebenso drei Flinten mit Pulver, Kugeln und Schrot für die Jagd auf Seevögel. Als ich am nächsten Morgen mit dem blankgeputzten Boote auf das Erscheinen meines Herrn wartete, kam letzterer allein und erklärte, daß seine Gäste wegen unerwarteter Geschäfte behindert seien; ich möchte nur mit dem Maurenknaben auf den Fischfang fahren, da seine Gäste des Abends bei ihm speisen würden. Dann ging mein Herr und ließ mich mit dem Boote und dem Knaben allein.

Welche günstige Gelegenheit zur endlichen Ausführung meiner Fluchtpläne! Wir fuhren hinaus, und ich fischte anscheinend eine Zeitlang, sprach dann aber zum Knaben: »Wir fangen heute nichts, wir müssen weiter hinausfahren.« Als wir fern genug von der Küste uns befanden, sagte ich plötzlich zu dem Knaben: »Xury, wenn du mir treu sein willst, so werde ich dich zu einem großen Manne machen; schlage dich ins Gesicht und schwöre mir bei Mohammed und dem Barte deines Vaters Treue, sonst werfe ich dich in die See.« Der Knabe lächelte mich in voller Unschuld an und versprach, mit mir zu gehen bis an das Ende der Welt.

Bei dem frischen Winde ging unsre stille Wasserfahrt so schnell vor sich, daß wir am nächsten Tage, nachmittags 3 Uhr, als wir uns dem Lande näherten, längst über das Gebiet des Kaisers von Marokko hinaus sein mußten, denn wir sahen keine Spur von Menschen an der Küste.

Die Furcht, wieder in die Hände der Mauren zu fallen, hielt mich indes ab, an das Land zu steigen oder die Anker auszuwerfen. Vielmehr segelte ich fünf Tage lang ununterbrochen fort und warf erst dann, als ich mich außer aller Verfolgung glauben durfte, den Anker nicht weit von der Mündung eines kleinen Flusses, ohne zu wissen, wo ich mich eigentlich befand. Es kam mir niemand zu Gesicht, und ich wollte auch niemand sehen; alles, was ich bedurfte, war frisches Wasser. Wir liefen am Abend in die Bucht ein und beschlossen, mit einbrechender Nacht zu landen, um die Küstengegend zu untersuchen.

Von meiner ersten Reise her wußte ich, daß die Kanarischen Inseln und die Inseln des Grünen Vorgebirges nicht weit entfernt sein konnten. Da ich aber die Lage nicht genau kannte, so hatte ich nur die Hoffnung, vielleicht einem englischen Schiffe zu begegnen, das uns aufnehmen könnte. Nach meinem Vermuten lag das Land, welches ich gesehen hatte, zwischen dem Kaisertum Marokko und Nigritien, dessen weite Einöden nur von wilden Tieren bewohnt sein sollten. Die Neger hatten sich von hier aus südwärts gezogen, aus Furcht vor den Mauren; letztere aber betraten diese unfruchtbaren Landstriche nur, um in Haufen von Tausenden große Jagden abzuhalten. Löwen und Leoparden, Schakale und Hyänen fanden wir auf der ganzen Strecke, die wir an der Küste hinfuhren, äußerst zahlreich, und während der Nacht musizierten diese wilden Bestien in allen Tonarten.

Eines Morgens legten wir, um frisches Wasser einzunehmen, an einer kleinen, ziemlich hohen Landzunge an; die Flut stieg höher und höher, und wir wollten sie eben benutzen, um weiter vorwärts zu treiben, als Xury, der ein schärferes Auge hatte als ich, mir zuflüsterte: »Herr, wir müssen fort, dort an dem Felsen ist ein fürchterliches Tier.«

Ich blickte hin und erkannte in der That einen großen Löwen, welcher sorglos schlief.

Nachdem ich meinem Knaben bedeutet hatte, still zu sein, lud ich unser größtes Gewehr mit zwei Kugeln und legte es neben mich, hierauf machte ich auch meine zweite Flinte schußfertig und lud die dritte mit fünf Posten. Wohl zielte ich beim ersten Schuß genau nach dem Kopfe des Löwen; aber da er die Tatzen über die Schnauze hielt, so traf der Schuß eine derselben über dem Gelenke und zerschmetterte sie. Er fuhr auf, sank aber wieder nieder und erhob sich von neuem auf drei Pfoten, indem er ein entsetzliches Gebrüll ausstieß. Da ergriff ich die zweite Flinte und traf ihn so sicher durch den Kopf, daß er sich in Todeszuckungen wälzte. Jetzt faßte Xury sich ein Herz und wollte ans Ufer gehen; er sprang ins Wasser und schwamm, während er mit der einen Hand die Flinte über seinem Kopfe hielt, mittels der andern an das Ufer. Als er in der nächsten Nähe des Tieres war, setzte er ihm das Gewehr an das Ohr und tötete es vollends.

Da fiel mir ein, daß uns vielleicht das Fell des Löwen von Nutzen sein könnte. Wir machten uns sofort an die Arbeit. Obwohl Xury recht geschickt damit umzugehen wußte, plagten wir uns dennoch einen ganzen Tag lang, ehe wir die Haut vollständig abgestreift hatten; darauf ließen wir sie zwei Tage auf dem Dache der Kajütte ausgebreitet trocknen, und ich bediente mich dann ihrer zum Lager.

Nach diesem Aufenthalte steuerten wir wieder mehrere Tage südwärts. Sorgsam schonten wir unsern Mundvorrat, der bald zu Ende gehen mußte, und landeten nur, um frisches Wasser einzunehmen. Meine Absicht ging dahin, den Fluß Senegal oder den Gambia zu erreichen, d. h. die Höhe des Grünen Vorgebirges, um vielleicht ein europäisches Fahrzeug zu treffen; denn ich wußte, daß alle nach der Küste von Guinea, nach Brasilien oder Ostindien bestimmten Schiffe das Grüne Vorgebirge umsegeln mußten.

An einigen Orten kamen nackte schwarze Menschen an den Strand, um uns anzustaunen. Einmal wollte ich zu ihnen ans Land gehen, aber der kluge Xury riet mir davon ab. Die Wilden waren ohne Waffen, nur ein einziger trug einen langen Stab; Xury belehrte mich, es sei eine Lanze, welche diese Neger auf weite Entfernungen mit wunderbarer Sicherheit schleudern können. Ich hielt mich daher in angemessener Entfernung und suchte nur durch Zeichen ihnen zu verstehen zu geben, daß wir Lebensmittel wünschten. Sie winkten mir darauf, mit dem Boote still zu halten, ich legte bei und näherte mich dem Ufer, während zwei der Männer landeinwärts liefen und nach einer halben Stunde zwei Stücke getrocknetes Fleisch nebst etwas Korn zurückbrachten. Gern hätten wir zugegriffen, wir wagten uns jedoch nicht unter die Neger. Allein diese hegten ebenso große Furcht vor uns; sie legten die Lebensmittel am Strande nieder, zogen sich dann zurück und warteten, bis wir das Niedergelegte geholt hatten, worauf sie sich wieder dem Ufer näherten.

Wir dankten ihnen durch Zeichen, da wir ihnen etwas andres nicht zu bieten hatten; doch sollte sich bald eine Gelegenheit finden, durch die wir ihnen einen großen Dienst erweisen konnten. Zwei furchtbare Tiere, von denen das eine das andre verfolgte, rannten von den Bergen gegen die See herab. Die Neger liefen in hastigem Laufe davon, nur der Mann mit der Lanze blieb stehen. Die beiden Bestien dachten indes nicht daran, die Schwarzen anzufallen, sondern stürzten in das Wasser, als seien sie nur gekommen, um sich an einem frischen Bade zu erquicken. Ich lud unsre drei Gewehre, und da eines der Tiere nahe genug gekommen war, schoß ich dasselbe gerade durch den Kopf, so daß es untersank. Bald aber kam es wieder in die Höhe, tauchte bald auf, bald unter und schien mit dem Tode zu ringen. Das andre Tier, von dem Blitz und Knall des Gewehres abgeschreckt, schwamm an das Ufer und lief nach der Wildnis zurück.

Unmöglich läßt sich das Staunen der Neger beschreiben, das sie bei dem Knalle und dem Feuer meiner Flinte befiel. Als sie aber das Tier tot auf dem Wasser schwimmen sahen und ich ihnen winkte, ans Ufer zu kommen, faßten sie wieder Mut. Ich schlang dem Tier einen Strick um eine Pfote und warf dessen Ende den Negern zu, welche dann den Leichnam ans Land zogen. Jetzt erst bemerkte ich, daß es ein kräftiger, schön gefleckter Leopard war. Die Neger gaben mir zu verstehen, daß sie nicht übel Lust hätten, das Fleisch des Leoparden zu essen; und da ich ihnen durch Zeichen ausdrückte, daß ich ihnen diese Beute zum Geschenk machen wolle, schienen sie außerordentlich dankbar zu sein und gingen sogleich daran, dem Tiere die Haut abzuziehen.

Von dem Fleische, das sie mir anboten, nahm ich nichts an, sondern verlangte nur das Fell, das sie mir gern überließen. Noch begehrte ich von ihnen Wasser, indem ich einen Krug mit der Hand umkehrte, um anzudeuten, daß er leer sei. Sofort riefen sie einige Weiber herzu, die dann ein großes irdenes Gefäß herbeibrachten. Sie stellten es an das Ufer, wie früher die Lebensmittel, und ich schickte Xury ab, um unsre drei Krüge aus diesem Gefäße mit Wasser zu füllen.

So war ich denn mit Fleisch, Korn und Trinkwasser versehen, nahm daher von den freundlichen Negern Abschied und segelte wiederum in der bisherigen Richtung zehn Tage lang, ohne zu landen, bis ich endlich vier oder fünf Stunden entfernt das Land weit in das Meer vorspringen sah. Die See war still; ich umsegelte diese Landspitze in einer Entfernung von ungefähr zwei Stunden. Bei dieser Fahrt sah ich ganz deutlich das andere Ufer des Kaps und vermutete – wie ich erfuhr, mit Recht – daß es das Grüne Vorgebirge sei und die Kapverdischen Inseln. Ich machte keinen Versuch, nach den letzteren zu steuern, da ich fürchtete, ein widriger Wind könnte mich in den offenen Ozean treiben.

In dieser Lage ging ich in die Kajütte und hing meinen Gedanken nach. Plötzlich rief Xury, der am Steuer saß: »Herr, ein Schiff mit Segeln!« Er war ganz außer sich vor Schrecken, weil er glaubte, unser maurischer Herr setzte uns mit einem Fahrzeug nach. Ich sprang aus der Kajütte und sah sofort, daß das Schiff ein portugiesisches war. Ich segelte und ruderte, so sehr ich konnte, um es einzuholen; endlich bemerkte man uns und zog die Segel ein, um uns herankommen zu lassen.

Man fragte mich auf portugiesisch, auf spanisch und auf französisch, wer ich sei, allein ich verstand keine dieser Fragen. Zuletzt erkundigte sich ein schottischer Matrose, der sich an Bord befand, auf englisch nach meinen Verhältnissen, und diesem sagte ich, daß ich ein Engländer und aus der Sklaverei der Mauren in Saleh entflohen sei. Man ließ mich nun an Bord kommen und nahm uns beide samt meiner Habe freundlich auf.

Ich empfand über meine Rettung unaussprechliche Freude und bot dem Kapitän als Beweis meiner Dankbarkeit mein ganzes Besitztum an. Allein er erwiderte mir großmütig, daß er nichts annehmen wolle: »Nein, Senhor Inglese (Herr Engländer), ich bringe Euch aus reiner Christenliebe nach Brasilien, und die Gegenstände, die Ihr mir anbietet, werden Euch dort zum Lebensunterhalt und zur Rückreise dienen.«

So edelmütig sein Vorschlag war, so pünktlich erfüllte er ihn auch. Keiner seiner Matrosen durfte etwas von meiner Habe anrühren. Als er mein Boot in gutem Zustande sah, machte er mir den Vorschlag, es ihm zu verkaufen. Ich antwortete ihm, er habe sich so edelmütig gegen mich gezeigt, daß ich es mir zur Ehre schätze, ihm mein Boot umsonst zu überlassen. Der Kapitän nahm jedoch das Anerbieten nicht an, sondern bezahlte das Boot und gab mir 80 Stück Dublonen; ebenso bot er 60 Stück für meinen Jungen Xury. Er wollte sich verpflichten, Xury nach zehn Jahren freizugeben, wenn er zum Christentum überginge; der Maure willigte freudig ein, und ich überließ ihn dem Kapitän.

Nach einer glücklichen Fahrt, die ohne Unfälle von statten ging, liefen wir in die Allerheiligenbai ein. Der edelmütige Kapitän ließ mich nichts für die Überfahrt bezahlen; er gab mir 20 Dukaten für das Fell des Leoparden und 40 für das des Löwen; er lieferte mir alle meine Sachen aus und kaufte mir alles ab, was ich ihm ablassen wollte, so z. B. den Flaschenbehälter, zwei meiner Flinten. Dies brachte mir gegen 220 Stück Dublonen ein; mit diesem Kapital ging ich in Brasilien ans Land.

Kurze Zeit darauf empfahl mich der Kapitän dem Hause eines Mannes, der ebenso rechtschaffen war, wie er selbst, und eine Zuckerpflanzung mit Siedewerk betrieb. Ich blieb einige Zeit bei ihm und machte mich bald mit dem Verfahren der Zuckerpflanzung vertraut. Dabei hatte ich Gelegenheit, das bequeme Leben der Pflanzer sowie ihren schnell emporblühenden Reichtum zu beobachten, so daß in mir der Wunsch aufstieg, mich ebenfalls als Pflanzer niederzulassen. Ich dachte nun an Mittel, mein in London gelassenes Geld hierher kommen zu lassen, kaufte so viel Land, als meine Mittel erlaubten, und entwarf einen Plan zur Errichtung meiner Pflanzung.


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