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Einleitung

Der Mensch hat es verstanden, Bedürfnisse wie Essen und Trinken aus dem Rahmen des Existenziellen herauszulösen und zu „kultivieren“. Das zeigt sich unter anderem bei der Milch: Die erste Nahrung, das erste Getränk, mit dem der Mensch in Kontakt kommt, ist die Muttermilch. Sie sichert dem Säuger homo sapiens in seinen ersten Lebensmonaten das Überleben. Dabei zeichnet sich der Mensch durch eine einzigartige Verhaltensweise vor den anderen Säugetieren aus: Er nimmt Milch selbst noch im Erwachsenenalter zu sich. Ebenso ungewöhnlich ist der Umgang mit einem anderen „Lebenssaft“: dem Wasser. Kein Lebewesen kommt ohne Wasser aus, der Mensch jedoch „veredelt“ oder ersetzt Wasser.

Schon früh in der Menschheitsgeschichte wurde die berauschende Wirkung des Alkohols entdeckt – er wurde zum festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Der Alkoholkonsum wurde sowohl in religiöse Zeremonien eingebunden als auch strengen sozialen Kontrollmechanismen unterworfen; schon der griechische Philosoph Platon (427–347 v. Chr.) lässt einen der Protagonisten im Symposion (Das Gastmahl) konstatieren, „daß die Trunkenheit ein schädliches Ding für die Menschheit ist“.1

Zur Zeit Platons waren die Genussmittel Kaffee, Tee und Trinkschokolade noch nicht bekannt. Sie fanden erst im Gefolge der Entdeckung Amerikas und der Kolonialisierung in Übersee in Europa Verbreitung. Die wahrscheinlich tief greifendste Veränderung im Trinkverhalten brachte eine revolutionäre Erfindung: das Verfahren der Destillation. Sie machte es möglich, den natürlichen Alkoholgehalt von Getränken deutlich zu erhöhen. Die Spirituosen – Branntwein, Schnaps, Rum, Whiskey & Co.– betraten die Bühne der Geschichte. Mit verheerenden Folgen: Der schnelle Rausch, der Rausch als Massenphänomen und die Alkoholsucht gehörten von nun an zu den Problemen der Gesellschaft. Die Sprache spiegelt diesen kulturellen Wandel; zahlreich sind die redensartlichen Wendungen für übermäßiges Trinken und die Folgen. Einen intus haben, Schlagseite haben, einen Affen haben, einen sitzen haben, einen auf der Latte haben, einen in der Krone haben – das sind nur ein paar Beispiele. „Kein anderes Redensarten-Feld zeigt so sehr die metaphorische Kraft der Volkssprache, einen solchen Reichtum von Anschauungsweisen, immer neue Ausdrucksmöglichkeiten und Weiterbildungen“2, so das Fazit des Sprachforschers Lutz Röhrich.

Eine Kulturgeschichte des Trinkens ist kein absonderliches Unterfangen, sondern berührt zentrale Bereiche der Gesellschaft sowie der Politik und auch der Wirtschaft. Wer vermutet schon, dass Kaffee nach Erdöl das zweitwichtigste Welthandelsprodukt der Gegenwart ist? Das Thema scheint freilich unerschöpflich, jedenfalls kaum auf 160 Seiten erschöpfend zu behandeln – und so bitte ich die geneigten Leser um Verständnis dafür, dass die folgende kleine Kulturgeschichte des Trinkens und Betrinkens mit Mut zur Lücke geschrieben ist. Gleichwohl sucht sie einen Überblick zu bieten und enthält eine Fülle von Details und auch Kuriosa für eine hoffentlich unterhaltsame Lektüre.

Zechen und Bechern

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